Wie anstrengend ist Therapie?

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Vivy
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Beitrag Di., 01.09.2020, 16:26

chrysokoll hat geschrieben: Di., 01.09.2020, 12:03
Waldschratin hat geschrieben: Di., 01.09.2020, 11:47
Das schlimmste Übergriffige hab ich allerdings beim Tramalentzug in der Psych erlebt.
Die wussten von der DIS, damals galt die aber noch als "Hysterievariante" von Leuten, die sich Zuwendung erschleichen wollten und nach Aufmerksamkeit süchtig waren. "Sich interessant machen" halt. :roll:
Was Dissos sind, davon hatten diese "Fachleute" keinen Schimmer an Begriff.

Da waren manchmal die Ärzte und das Pflegepersonal in den "normalen" chirurgischen KHs weitaus bewanderter und "sicherer" im Umgang damit als die, die eigentlich damit hätten vertraut sein sollen...
Oh ja!
Ich bin so froh dass ich einen guten (für mich guten!!) Hausarzt habe.
Einen ganz einfachen Feld-Wald- und Wiesendoktor.
Keine Ahnung ob der was von Dissoziation weiss, aber er kann hervorragend mit mir umgehen, freundlich, ruhig, respektvoll. Das ist hervorragend.
Ja, das ist so wertvoll.
So einen Feld- Wald- und Wiesenarzt habe ich auch, der toll damit umgehen kann.
Als ich mir vor kurzem bei ihm eine Befreiung von der Maskenflicht geholt habe, hatte ich in der Praxis eine schlimme Panikattacke.
Zuerst mich die Helferinnen wohin gesetzt, wo ich ohne Maske warten konnte und sie haben mich einfach in Ruhe gelassen.
Und er ... hat dann solang einfach ruhig weiter geredet, bis ich wieder ansprechbar war
Und hat mir dann zum Attest Tavor verschrieben mit der Aussage, dass es besser wäre, das für den Notfall dabei zu haben, nicht dass ich dann mal in einem Laden so austicke, dass jemand den Notarzt holt.
Zitat: „ Am schlimmsten wäre doch dann, wenn jemand den Notarzt holt. Es ist doch am besten, man lässt dich einfach in Ruhe“
Und ich dachte: Ja, der hats verstanden.
»Man versteht nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs.
aus: Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry

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Vivy
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Beitrag Di., 01.09.2020, 16:31

Sadako hat geschrieben: Di., 01.09.2020, 12:10
Je näher ich Menschen an mich heran lasse, desto höher wird das Bedrohungslevel.
Was angenehme Dissoziation angeht, ich bin super in Selbsthypnose, kann mich leicht in Trance bringen und habe da auch schon angenehme Erfahrungen gemacht. Für mich ist das aber was qualitativ völlig anderes zu der Erfahrung quasi gegen meinen Willen, aus der Situation gekickt zu werden. Das ist mit Panik, Kontrollverlust,..verbunden. Meine Sinneserfahrungen sind verzerrt, ich bin handlungsunfähig, kann nichts sagen, nichts tun und bin manchmal ganz weg oder bekomme in manchen Fällen mit, wie jemand Dinge tut und sagt, die ich nicht tun und sagen würde. Daran ist gar nichts positiv.
Ich kann anerkennen, dass es ein Schutz ist, ich bin so tatsächlich auch schon aus objektiv lebensbedrohlichen Situationen im Erwachsenenalter herausgekommen, aber es bleibt schwer auszuhalten und mein Ziel ist es, dies kontrollieren zu lernen bzw. So für mich zu sorgen, dass dieser Notausgang nur noch selten notwendig wird.
Was Zuwendung in einer solchen Situation angeht... Selbst wenn jemand dann fürsorglich ist, ich bin da so abgeschnitten, dass es bei mir gar nicht ankommt.
Unterschreibe ich!!!
Ich kann das inzwischen auch gut anerkennen, dass es ein Schutz ist. Ist ja im Grunde die einzige Möglichkeit für ein kleines Kind, aus der schlimmen Situation zu fliehen, wenn reale Flucht oder sich wehren nicht funktioniert.
Blöd ist halt, wenn das sich entwickelnde Nervensystem sich quasi um die Dissos rum entwickelt.
Ich denke mir oft, dass es doch irgendwie logisch ist, dass es schwer ist, das zu ändern, wenn es fast eine der erste Dinge sind, die im Nervensystem entstanden sind.
Natürlich kostet das unglaublich viel Energie und es ist schwer, das ändern zu wollen.
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Vivy
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Beitrag Di., 01.09.2020, 16:37

chrysokoll hat geschrieben: Di., 01.09.2020, 12:00
Bilderbuch hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 22:02
Hmmm.... Ich wurde nie aus einer Disso rausgeholt.
Es gab lautes Schweigen... und Warten bis ich wieder da bin. Bis zu einer Stunde sogar. Anschließend gab es sogar kein Kommentar dazu. Mir tat das gut, in Disso sein zu dürfen.

In der Analyse die ich gemacht habe wurde ich auch nie aus der Dissoziation heraus geholt.
Keine Ahnung ob da überhaupt klar war was abläuft - also mir jedenfalls nicht.

Ich empfand das sehr quälend, ich konnte nicht mehr sprechen, driftete ab, hatte Panik, war weg - und es kam genau nichts.
Irgendwann nur "so, die Stunde ist um"
Da sind viele viele Stunden einfach vorbeigetröpfelt und aus meiner Sicht, für mich, vergeudet worden
Ich glaub, das könnte ich auch schwer aushalten.
Und das ist ne gute Frage ... ich hab da grad drüber nachgedacht. Auch wenn er mich nicht ständig aus Dissos rausholt, Aber einfach schweigen und nichts tun, das macht er auch nicht.
Ich finde das generell einen Balanceakt. Ich glaube, permanentes und heftiges Rausholen würde ich als Bedrohung empfinden, einfach gar nichts tun und dann irgendwann: „Zeit ist um“ aber auch, wenn er das dann einfach so hinnehmen würde.

Wenn es so ist, dass ich ganze Stunden dissoziiere und ich das soweit mitbekomme, dass ich das (danach per Mail) mitteilen kann, versucht er, sich in der nächsten Stunde soweit zu ändern oder eine andere Strategie zu fahren, so dass es nicht wieder so massiv passiert.
Oder wir versuchen zusammen rauszukriegen, wodurch es ausgelöst wurde. Oder er macht die Schritte kleiner. Und noch kleiner, wenns notwendig ist.
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DieBeste
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Beitrag Di., 01.09.2020, 18:50

Ich finde gut, dass ihr hier so offen über alles redet. Ich hatte euch ja nur in meinen threads „kennengelernt“ und lerne euch grade irgendwie noch mal „neu„ kennen.
Danke dafür

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Bilderbuch
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Beitrag Di., 01.09.2020, 19:49

@ Waldschratin
Ähm... ich hatte halbes Jahr keine Disso mehr. Vor 5 Jahren täglich, vor 3 Jahren jede Therapie- Stunde, danach nur sporadisch.
Erstens: die Disso kam immer wenn es zu viel wurde, das Thema heftig etc..
Aber meistens kam es wenn ich merkte, dass ich Zuwendung will und dies blockierte; quasi dann Distanz wollte, obwohl ganz tief in mir der Wunsch nach Zuwendung war. Mir war das doch damals nicht bewusst.
Die Therapeutin meinte, ich soll ruhig dissoziierten, solange ich das brauche und sie ist dabei und vertraut darauf, dass ich allein da raus komme. Sie hat mich dazu ermuntert, zu dissozieren. Also tat ich das ohne Angst zu haben, dass sie panisch wird ( wie mein Mann sonst war) und machte das beste aus meiner Erkrankung; akzeptierte damit das kleine Kind in mir, das es nicht anders konnte. Konzentrierte mich auf die schönen Farben, sie lächelte immer wenn ich zurück war. Ich lächelte zurück.
Wenn ich normale Stunde hatte, haben wir darüber gesprochen. Ich musste lernen in Augen zu schauen. Als ich das konnte, wusste ich selber, dass beim ersten Gefühl der Entfernung, ich ihr in die Augen schauen und reden musste. Über die kommende Entgleisung. Darüber, dass ich mich entscheide da zu bleiben etc... also mir selbst Mut gemacht.
Hab ich mich halbwegs verständlich ausgedrückt?
Keine Ahnung wie sie das schaffte mir durch das Schweigen zu helfen. Vermutlich, weil ich oft Mehr die Körpersprache als heilsam empfand als das Gerede. Ich nahm das als Geschenk an, dass ich krank sein darf, sie bei mir bleibt, ich nichts verbergen muss ( ich führte die PA irgendwann nur sitzend durch, wg. Disso)
Und ganz hart nach dem Motto „ die Stunde ist um“ ( sowas sagte sie niemals), handelte sie nicht.
Sie war mir zugewandt mit ihrem Körper, lächelte und begrüßte mich „ schön, dass Sie wieder da sind“. Wir sehen uns wieder am... 🥰

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Montana
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Beitrag Di., 01.09.2020, 21:48

Das mit den Augen finde ich interessant. Mein letzter Therapeut hat einfach die Augen geschlossen und wenn ich aus der Dissoziation zurückkam, dann war ich allein. Dann war sein Kontaktangebot, das ich ja ausgeschlagen hatte, sozusagen "abgelaufen". Ich habe mich zwar dann nicht bedroht gefühlt, wie wenn er mich angestarrt hätte, aber ich war wirklich richtig allein. Und habe gewartet, ob er die Augen nochmal öffnet und wir vielleicht reden können. Wenn das passierte, dann nach so langer Zeit, dass ich vor Angst den Rest der Stunde nicht mehr sprechen konnte.
Ich danke dir, dass du mich daran erinnert hast. Jetzt ist es aufgeschrieben und kommt in mein "Buch". Da sammle ich Erinnerungen die weg waren.

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chrysokoll
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Beitrag Di., 01.09.2020, 22:13

das klingt sehr traurig Montana!
Und ich kenn das sehr gut, dieses "allein" Gefühl, das hatte ich in der Analyse
Ich war so verloren, wagte dann auch wenn ich zurück kam nichts mehr zu sagen.
Nicht schön, nicht gut so!

ich bin heute sehr froh über die präsente und klare Art meiner Therapeutin, die sofort eingreift, mich nicht allein lässt.
Ja, für mich ist das oft hart, manchmal wäre es auch einfacher "wegzugleiten" - aber gerade deshalb mache ich ja u.a. auch wieder Therapie


Bilderbuch
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Beitrag Di., 01.09.2020, 22:16

Ich kriege Gänsehaut gerade. Schlimm ...
Mir war schon das Liegen auf dem Sofa zu einsam.
Ich habe immer geprüft, ob sie die Augen auf hat.
Ich kann’s gut nachempfinden

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Philosophia
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 03:59

Das klingt richtig traurig, was ihr schreibt... das müssen aber Vollpfosten gewesen sein. Ich hatte auch Angst vor der Couch wegen Nichtsehen etc., aber die Analytikerin war so präsent, dass ich nicht einmal das Bedürfnis hatte, zu schauen, ob sie noch da ist (physisch und mental). Oft sogar präsenter als ich (Dissoziationen).
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Sadako
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 05:50

Montana hat geschrieben: Di., 01.09.2020, 21:48 und wenn ich aus der Dissoziation zurückkam, dann war ich allein. Dann war sein Kontaktangebot, das ich ja ausgeschlagen hatte, sozusagen "abgelaufen".
Dass finde ich auch ganz bedrückend. Es ist ja nicht so, dass man das willentlich macht, weil man gerade keine Lust auf Kontakt hat. Für mich hat es so wie du es schilderst, fast einen Beiklang von Strafe.

In meiner jetzigen Therapie ist es sehr unterschiedlich bzw. von den Umständen abhängig. Manchmal greift meine Therapeutin ein und versucht mich in der Realität festzuhalten (wenn alles sehr instabil ist oder wenn Stunde fast vorbei ist und sie mich klar und alltagsfähig auf die Strasse schicken will). Oft begrüßt sie mich zurück, fragt mich, wie es mir geht und setzt mich ins Bild, was passiert ist, als ich nicht da war. Ich bin manchmal schon frustriert, wenn ich in einer Therapiesitzung nur fünf oder 10 Minuten anwesend bin. Ist manchmal mühsam zu akzeptieren, dass mir weder mein Körper noch der Raum in den Therapiestunden allein gehört. Ich weiß aber, dass ich, wenn ich ein wirklich dringendes Anliegen hatte was ich nicht klären konnte, eine zweite Stunde in der Woche vereinbaren kann.
Oft findet sich das.
Unterm Strich weiß ich, dass meine Therapeutin hinter mir steht, mich hält und mich nicht hängen lässt. Mit dem Gefühl im Hintergrund habe ich viel mehr Gelassenheit entwickelt und nähere mich dem Ziel an, zu akzeptieren, wie es bei mir ist.


Waldschratin
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 06:10

Tja, da zeigt sich mal wieder deutlich, wie unterschiedlich wichtig derselbe Umstand bei jedem Einzelnen sein kann. :ja:

In Augen gucken musste ich auch erst lernen. Die haben getriggert, da las ich lange Zeit nix anderes als Grausamkeit und Lust an Qual, weil sich das Alte über das Gegenwärtige legte. Da war dann auch der Thera nur ein weiteres Monster von vielen.

Ein/e Thera, der/die einen dafür "bestraft", dass man sich per Disso in Sicherheit bringt : Meiner Treu! :kopfschuettel:
Wenn eine/r sowas macht, um einen "helfen" zu wollen, dann gehört sich das kommuniziert, vorher, bevor es getan wird.

Mir war und ist in der Therapie vom Thera v.a. eins wichtig : Dass ich da wie sonst auch im Leben, weder "gehätschelt" noch "bestraft/korrigiert" werde, denn beides geschieht dann von oben herab, was heißt, da nimmt mich jemand nicht für vollwertig/gleichwertig, sondern "weiß es besser" als ich.
Und das kann gar nicht sein, ich kenne mich ja schließlich weitaus länger, als derjenige mich kennt. :->
Und wenn ich noch so durcheinander und ratlos grade sein mag mit mir.

Aber ja : Zu Zeiten der Therapie hatte ich so nen Stand in mir einfach noch nicht. Sonst hätte ich wahrscheinlich nicht so viel Therapie gebraucht.

Am heilsamsten war halt doch, Quintessenz : Alles darf erstmal einfach so sein, wie es grade ist, ohne dass die Welt dann untergeht, und auch der Thera kommt dann weder in Hektik noch Panik und kann das Seinige (und was er sich aus noch so liebevoll-fürsorglichen Gründen für mich wünschen mag) schön reflektiert bei sich behalten.
Er hält den Raum, ich kann mich reingetrauen und mir diesen Raum erobern.
Und das find ich die Kunst an Therapie.

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Montana
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 06:43

Ich habe das in der Tat als Bestrafung empfunden. Es war wohl gedacht, damit ich merken sollte, was ich mit anderen mache wenn ich mittels Dissoziation aus dem Kontakt gehe. Was keine Strafe in dem Sinne ist, sondern eine Art Erziehungsmaßnahme. Für mich war das vom Gefühl her aber das gleiche, weil ich eben keine Kontrolle hatte und das unerwünschte Verhalten nicht abstellen konnte. Hätte ich es gekonnt, wäre ich nie in Therapie gewesen.
Er erinnerte mich auch ständig, ich müsse meine "Spaltung" aufgeben. Genauso wie ich aufhören sollte, meinen Vater zu idealisieren. Obwohl ich das nie tat; ich nahm nur nicht seine Sichtweise an, nach der mein Vater ein A* war. Die Realität war in meinen Augen doch ein wenig komplizierter.

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Vivy
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 06:51

Montana, wie schlimm!
Egal ob jetzt Strafe, oder Erziehungsmassnahme, das ist furchtbar!
Und mir würde das genauso gehen, ich würde es als Bestrafung empfinden.

Und „Spaltung aufgeben“.... ja klar,mach mal! wenn ich das höre, krieg ich echt Eiterpusteln im Gesicht.

Schlimm, wie sich manche Therapeuten aufspielen. Eigentlich würde ich sagen, der hat’s einfach nicht verstanden.

Und in die Augen schauen: bis zu der Maskenpflicht ist mir gar nicht aufgefallen, dass ich Menschen nicht in die Augen schaue.
Der Therapeut ist momentan interessanterweise der einzige, bei dem das geht.
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Montana
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Beitrag Mi., 02.09.2020, 08:28

Es gibt natürlich durchaus eine wirksame Methode, Dissoziation in der Therapie zu vermeiden. Sehr genau überlegen, welches Thema geeignet ist, weil ungefährlich. Außerdem können Reaktionen des Therapeuten irgendwann recht genau vorhergesagt werden und hauen einen dann nicht mehr aus den Latschen. Ich war quasi nach jeder Stunde wieder ein bisschen mehr vorsichtig, wachsam, mir der Realität von Gefahr durch andere Menschen mehr bewusst. Ein Gefühl, das ich sehr gut kenne aus meiner Jugend. Da passierte eben regelmäßig, dass ich innerhalb der Familie so vor den Kopf gestoßen wurde, dass es mir wieder einfiel: du hast schon wieder vergessen, dass du nicht die Tochter bist, dass das keine normale Familie ist, dass du nur geduldet bist, dass du ganz vorsichtig sein musst. Von der Intensität würde ich das mit einem heftigen Stromschlag vergleichen. Auch vom Schmerz. Sowohl der Therapeut als auch meine Psychiaterin haben festgestellt, dass ich sehr von der Therapie profitiert hätte, denn ich dissoziierte weniger in deren Anwesenheit. Andererseits erhielt ich während dieser Zeit EM-Rente. Mir war also was die Probleme mit dem Arbeiten anging überhaupt nicht geholfen. Ich habe diese Belastung durch die Arbeit jetzt nicht mehr. Aber ich habe eben auch nicht die Fähigkeiten erworben, die ich für meine Berufstätigkeit gebraucht hätte. Diese Therapie ging fünf Jahre, analytisch.


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Beitrag Mi., 02.09.2020, 11:39

Dissoziation ist auch ein Thema für mich. Allerdings nur in ganz leichter Form. Trotzdem ist mir durch das lesen euerer Beiträge aufgefallen, dass die Therapeutin es zu bemerken scheint. Denn sie stellt mir manchmal Fragen zu einer Situation, wo ich mir etwas vorstellen muss, also kopflastig, wo ich überlegen muss. Ich habe mich schon gefragt, warum sie mir so banale Fragen stellt und mich gewundert. Es funktioniert nur kurz und dann steiger ich mich doch wieder rein. Also, ich bin dann in einem über-emotionalen Zustand (zählt so etwas zu Dissoziation?) Ich bin dann in jedem Fall nicht ganz bei mir und schäme mich danach.
Mir würde es, glaube ich, besser helfen, wenn es direkt angesprochen wird (es ist ja nur eine leichte Art der Dissoziation, wenn überhaupt...) Wenn es angesprochen würde, könnte ich, glaube ich, die Kontrolle zurückbekommen.

Wenn ich in Unterspannung kommen, also kurz weggebeamt bin, hat sie mich schonmal einfach stehen lassen, nach ein paar Sekunden bin ich dann auch von selbst wieder da oder wenn ich etwas höre, angesprochen werde. Dieses einfach stehen lassen fand ich irgendwie fies, ich kam mir richtig dämlich vor und habe anschliessend reflexartig den Raum verlassen. Danach dieses seltsame Gefühl von "was war das?" und ich musste mir die Situation nachträglich zusammenbasteln, weil ich ein paar Sekunden plötzlich zu Boden getsarrtt habe und nicht mitbekommen habe, was um mich rum genau passiert ist.

Das jemand denken könnte man macht das mit Absicht (für Aufmerksamkeit o.ä) finde ich schräg, das ist es ja gerade, man kann es nicht kontrollieren und mir ist es im Nachhinein immer unangenehm. Vielleicht auch, weil ich nicht weiß, wie das Gegenüber mein Verhalten einordnet.
Wie geschrieben, es ist nur ganz leicht, aber es haut mich dann raus und ich fühle mich dann entweder angreifbar und schutzlos dem Außen ausgeliefert (auch wenn es nur kurze Momente sind) oder ich fühle mich meinen eigenen Gefühlen schutzlos, unkontrolliert ausgeliefert, also keinesfalls ein angenehmer Zustand, bisher konnte ich es noch nicht ganz vermeiden, auch wenn ich es mir ernsthaft vornehme. Das verunsichert mich zusätzlich.

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