Den Therapeuten anlügen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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fanatikati
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Beitrag Sa., 27.06.2020, 21:50

Wow das trifft mich gerade ziemlich heftig. Ich kann genau nachvollziehen was du damit meinst (außer dass ich mich auch auf Fotos furchtbar finde) aber so kann ich nicht mein Leben lang weitermachen, nichtmal mehr 1 Jahr. Es verschlingt so viel Lebensfreude, keine feste besuchen, keine freunde mehr treffen weil man immer das gefühl hat jeder starrt auf die dicken Oberschenkel. Ich glaube das ist unter anderem (ein) Grund dafür mich auf dieses thema in der Thera nicht komplett einzulassen. Ich habe Angst dass ich genau zu der Erkenntnis komme dass es nicht besser wird, puh dann keine Ahnung was ich machen würde.

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SuspiriaHysteria
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Beitrag Sa., 27.06.2020, 21:51

Hey fanatikati,
fanatikati hat geschrieben: Sa., 27.06.2020, 21:39 Es raubt einem einfach so viel Lebensfreude sich selbst und den eigenen Körper so zu verabscheuen
Kann ich absolut unterstreichen. Wenn ich zurückdenke, dann habe ich 80 % meiner Jugend mit meiner ES verbracht. Mit Hungern, Kauen und Ausspucken, übermäßigem Sport, Fressanfällen, Hungern, etc. Dann werde ich traurig, weil sich das alles nicht mehr rückgängig machen lässt. Aber ich versuche jetzt verständnisvoller zu mir zu sein. Denn wie bereits geschrieben: die ES war und ist noch meine Stütze, weil ich so viele andere Dinge sonst nicht geschafft hätte.

Hast Du denn eine Vermutung was Deine Ursachen sind?

LG
Suspiria

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fanatikati
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Beitrag Sa., 27.06.2020, 22:00

Ja da ist bei mir mittlerweile auch schon viel Ärger und Traurigkeit, dass ich so viel verpasst habe. Natürlich bin ich noch relativ jung, aber ich finde es waren so die entscheidenden Jahre sich selbst zu finden und die fehlen mir, akzeptieren kann ich das nur schwer.

Ursachen weiß ich nicht, also es gab keinen Auslöser wie Mobbing oder sonstiges. Ich fühlte mich einfach immer minderwertiger als andere Personen (vor allem im Hinblick aufs Aussehen und auf den Charakter). Ich weiß nicht irgendwie hatte ich ja immer die Hoffnung dass sich durch das abnehmen irgendwas verändert, vlt dass ich einen richtigen Grund habe dass es mir schlecht geht den man anderen auch irgendwie besser greifbar machen kann.
Ach ist irgendwie schwer zu definieren und deshalb auch so schwer da eine Lösung zu finden

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haluro
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Beitrag Sa., 27.06.2020, 22:12

Dummerweise ist die Quelle allen Übels die eigene Selbsteinschätzung.

Die funktioniert immer richtig, man erkennt sofort, wer einen nicht mag. Jemanden anschauen, erkennen, daß der einen nicht mag, geht so schnell, da kommt man nicht gegen an.

Also, eigentlich ist es nicht die eigene Selbsteinschätzung, sondern das Erkennen, wie man ankommt. Wenn man sich da zurückzieht, weil man sich nicht akzeptiert fühlt, hat man verloren. Das kann man trainieren, einem anderen nicht Ablehnung zu signalisieren, wenn man sich selbst abgelehnt fühlt, und dann wird es leichter.

Mfg
iadi

PS: Fühle mich gerade ein bisschen blöd, dass ich unterbreche. Euer Dialog war schön.

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Chinchine
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Beiträge: 22

Beitrag So., 28.06.2020, 12:58

fanatikati hat geschrieben: Sa., 27.06.2020, 21:50 Es verschlingt so viel Lebensfreude, keine feste besuchen, keine freunde mehr treffen weil man immer das gefühl hat jeder starrt auf die dicken Oberschenkel. Ich glaube das ist unter anderem (ein) Grund dafür mich auf dieses thema in der Thera nicht komplett einzulassen. Ich habe Angst dass ich genau zu der Erkenntnis komme dass es nicht besser wird, puh dann keine Ahnung was ich machen würde.
Liebe fanatikati,
ich wünsche dir viel Kraft und dass du es schaffst, dich deinem Therapeuten zu öffnen.
Zu deiner Aussage mit den Oberschenkeln: vor einer Zeit war an meiner früheren Arbeitsstelle eine liebe Kollegin länger krank mit extremen Untergewicht. Sie hat niemanden mehr an sich rangelassen.
Und ich bin mir sicher, dass auch ich sie manchmal angestarrt habe- aus Sorge und aus Hilflosigkeit, weil Sie so extrem dünn war und sich von der Art her so stark verändert hat. Aber Hilfsangebote hat sie alle abgelehnt.

Bitte pass gut auf dich auf!


montagne
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag So., 28.06.2020, 21:17

Das es einem gut geht, besser, möchte wohl jeder, der aus freien Stücken eine Therapie beginnt.
Die Frage ist, was ist man bereit dafür zu tun?

Ich glaube für die großen Ziele im Leben und dazu zählt für mich relative seelische Gesundheit, wenn man leider mit Traumatisierung aus seiner Kindheit hervorgegangen ist, muss man sehr, sehr, sehr viel investieren. Und selbst dann gibt es keinen Anspruch auf Erfolg.

Eine Therapie bis dahin durchzuziehen, dass man merkt man fühlt sich durchschnittlich gesund und das ist im Grunde ja sehr viel ist hart, verflucht hart. Meiner Meinung nach. Aber es lohnt sich. Und ein erster befreiende Schritt könnte Ehrlichkeit sein. Ehrlich zu sich selbst, ehrlich auf Fragen antworten.
Ja ich habe... ein gestörtes Verhältnis zum Essen, Alkohol, Drogen. Ja ich habe Zwänge, Depression, Verfolgungsideen, Verschmelzungswünsche.... was man halt individuell so hat.
amor fati

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Pantoffeltierchen
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Beitrag So., 28.06.2020, 21:24

Liebe Fanatikati!

Ich habe hier schon lange nicht mehr geschrieben, aber jetzt habe ich mich doch angemeldet um dir zu antworten, weil ich deine Gedanken kenne. Ich hatte 10 Jahre lang verschiedene Essstörungsarten, es hat lange gebraucht um mir das einzugestehen, noch länger um eine Therapie zu beginnen und noch mal länger um es in der Therapie zu schaffen die ES hinter mir zu lassen. ABER: Ich bin mittlerweile absolut unessgestört ;) Für mich ist Essen einfach nur noch essen, wenn ich mal zu viel gegessen habe bricht für mich keine Welt mehr zusammen und ich habe weder das Verlangen weiterzufressen noch zu hungern. Ich kann mich auf Essen gehen freuen und kann auf Vorrat einkaufen ohne dass es noch am selben Abend weg ist. Ich bin normalgewichtig und kann das auch sehen, ich habe nicht mehr das Bedürfnis mich dauernd zu verstecken. Und ich hätte NIE gedacht, dass es einmal so normal sein könnte! Wenn ich das nach 10(!) essgestörten Jahre schaffen kann, dann kannst du das auch!

Aber ich kenne deine Gedanken, dass die anderen doch viel schlanker sind, du ja keine "richtige" Magersucht hast. Auch ich habe mir immer gedacht ich übertreibe/bin nicht so krank, hatte das Gefühl noch mehr abnehmen / noch kränker werden zu müssen um die Bezeichnung und die Therapie zu verdienen. Und ich denke ich weiß was du jetzt denkst: "Ja, das mag bei Pantoffeltierchen so gewesen sein, aber bei mir doch nicht" - ja, so habe ich auch über andere, die ähnliches geschrieben haben gedacht, aber retrospektiv weiß ich, dass es egal ist was auf der Waage steht, die Krankheit zeigt sich im Leidensdruck und den hast du, sonst müsstest du nicht aus dem Zimmer laufen. Ganz abgesehen davon, dass du mit einem BMI unter 17 ganz eindeutig Magersüchtig bist, aber die Krankheitsdefinition wirst du wohl eh selbst kennen.

Es erfordert Mut sich auf die Therapie einzulassen und nicht wegzulaufen, aber ich kann dir sehr ans Herz legen es zu probieren. Bei mir waren es mehrere Jahre bis ich es geschafft habe, aber es war jede einzelne Therapiestunde wert. Dein Therapeut klingt gut und geduldig, das sind gute Vorasussetzungen ;)

Ach ja - und dass man so ein bisschen therapieschädigende Gedanken hat, von wegen Therapeut anlügen beim Gewicht, Thera abbrechen, bloß nicht zunehmen, das gehört zur Essstörung einfach dazu. Aber offen ansprechen in der Therapie hilft! :)

Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg, du schaffst das!!
Pantoffel
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fanatikati
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Beitrag So., 28.06.2020, 23:29

@haluro ich bin mir nicht so sicher ob ich deinen Text richtig verstehe. Meinst du die Selbsteinschätzung funktioniert immer richtig oder nicht immer richtig?

@Chinchine hoffentlich geht es deiner Arbeitskollegin wieder besser. Ja ich rede auch mit niemandem aus meinem Umfeld über die Essprobleme. Auf die guten Ratschläge die dabei kommen kann ich verzichten. Ich weiß natürlich es ist nur nett gemeint, aber sie können die Lage irgendwie nicht verstehen oder ganz nachvollziehen.

@montagne Ich hoffe ich schaffe es jemals durchschnittlich gesund zu sein, oder zumindest annähernd in Hinblick auf meine Psyche. Ich bin momentan etwas melancholisch (passt das in dem Zusammenhang?) wenn ich mein Umfeld betrachte, weil ich weiß, dass ich diese Unbeschwertheit (oder die vermeintliche) nie haben werde.
Zeitweise bin ich auch echt neidisch (oder wütend?) auf den Thera wenn ich ihn mit meinen Problemen vollschütte, wobei ich weiß, dass er in seinem Leben bisher eigentlich das erreicht hat was ich wohl nie haben werde.

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fanatikati
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Beitrag So., 28.06.2020, 23:39

@ Pantoffeltierchen. Danke für die Antwort. Es tut tatsächlich mal gut, von jemandem zu hören der sagt, die Essstörung ist komplett vorbei. Gratuliere wirklich dazu, war sicher ein sehr harter Weg.
Ich kann momentan irgendwie nicht viel zu dem schreiben was in deinem Text steht, weil ich es für mich irgendwie nicht annehmen kann. Ich kann mir, wie du geschrieben hast, nicht vorstellen, dass es jemals besser wird, aber ich hoffe es, ich hoffe es so sehr.
Wie habt ihr denn in der Therapie an der Essstörung gearbeitet? Ich kann mir zum Beispiel gar nicht vorstellen wie mir reden darüber aus der ES raushelfen soll?

Ich bin oft am nachdenken (merkt man schon an der Uhrzeit -> habe morgen wieder Therapie). Ich frage mich immer ob ein/e Therapeut*in wirklich nachvollziehen kann, was man ihnen erzählt. Natürlich haben sie das gelernt und verstehen auch die zusammenhängenden Muster, aber ich finde man kann das irgendwie nicht in Worte fassen. Die Gefühle dahinter sind so stark und man ist so verzweifelt, aber wie soll man das jemandem erklären der es selbst nie so erlebt hat?
Manchmal wünschte ich mein Thera hätte selbst mal eine Essstörung gehabt und könnte sich da noch mehr reinversetzen (wissen kann man es natürlich nie und würde ich auch nie erfahren, aber rein theoretisch betrachtet)

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Shukria
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Beitrag Mo., 29.06.2020, 05:34

Ich glaube es ist wirklich schön und leichter wenn man sich verstanden fühlt. Auf der anderen Seite ist verstehen nur ein Teil der Miete. Wichtig ist genauso das er ideen/Anregungen hat dir aus der Essstörung rauszuhelfen.
Da ist es oft einfacher wenn man nicht so drinsteckt und es eben nicht zu 100% nachvollziehen kann um da auch noch mal eine vielleicht völlig andere Perspektive für Dich einbringen zu können. Eine die Deine Gedankengänge und Wahrnehmung ein Stück herausfordert, in Frage stellt und wo Du die/Dich selber, vielleicht auch mal neugierig - irritiert - überrascht und nicht ängstlich, hinterfragen kannst.
Lg

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haluro
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Beitrag Mo., 29.06.2020, 14:55

fanatikati hat geschrieben: So., 28.06.2020, 23:29 @haluro ich bin mir nicht so sicher ob ich deinen Text richtig verstehe. Meinst du die Selbsteinschätzung funktioniert immer richtig oder nicht immer richtig?
Um sicher zu gehen, dass meine Antwort verständlich werden wird, bitte ich Dich, einfach die Menschen, die Dir auf der Straße entgegenkommen, anzuschauen und Dir zu merken, welcher Stimmung die vermutlich sind und wie sie Dich einschätzen.

Mfg
iadi

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fanatikati
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Beitrag Mo., 29.06.2020, 19:13

@ vermutlich hast du in einer gewissen Art und Weise recht. Ich habe nur immer das Gefühl, es hört sich so sehr nach Jammern an und dass es für Aussenstehende lächerlich erscheint.

@haluro ich kann dir leider immer noch nicht folgen.

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haluro
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Beitrag Mo., 29.06.2020, 19:56

fanatikati hat geschrieben: Mo., 29.06.2020, 19:13
@haluro ich kann dir leider immer noch nicht folgen.
Ich habe zu lang gebraucht, mein schöner Beitrag ist weg.

Entweder Du redest oder nicht.

iadi


montagne
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Beitrag Mo., 29.06.2020, 21:04

Stimmt eigentlich deine Altersangabe?
amor fati

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haluro
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Beitrag Mo., 29.06.2020, 21:09

Nein, bin älter.

Aber Deine sieht auch merkwürdig aus.

Mfg
iadi

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