Mondmann hat geschrieben: ↑Mi., 29.01.2020, 10:17
...eben: Es ist deshalb ein Missbrauch am Patienten, weil die Macht missbraucht wird, die man hat, wenn man dem Patienten gegenüber sitzt - egal, ob er schon "aufgenommen" wurde oder sich nur "vorstellt". Und der Patient ist dem ausgeliefert, und das sollte geändert werden.
Wie willst du das machen, einen 'Behandlungszwang' für Psychotherapeuten einführen? Dann wünsche ich dir viel Spaß in der Therapie mit so einem Therapeuten...
Das "System" ist nicht perfekt, beiweitem nicht. Aber die Psychotherapeuten haben dieses (Abrechnungs-)"System" nicht erfunden. Sie sind Nutznießer, aber das bist du als Versicherter/Patient auch. Wenn ich hier mal advocatus diaboli spiele, könnten sie sich aber auch genauso als Systemopfer begreifen wie du es tust, und viele von ihnen tun das auch. Die Psychotherapeuten mussten selbst lange dafür kämpfen, dass sie "selbstständig" bzw. eigenverantwortlich behandeln dürfen. Das ist erst seit 1999 der Fall, vorher galt das Delegationsverfahren, wo ein Arzt die Oberhoheit behält, und trotz Reform ist der Konsiliarbericht trotzdem noch bis heute Teil des Antrags. Auch ein Machtungleichgewicht, in dem die Therapeuten sich ebenfalls befinden, eben anders. Du siehst hier nur deinen eigenen Ausschnitt, erhebst aber Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Geht so nicht in meinen Augen.
Jedes "System" hat positive und negative Seiten. Kein System ist perfekt. Ich finde es befremdlich, wie du hier eine Gruppe pauschal für die Unzulänglichkeiten des GKV-Psychotherapie-Systems verantwortlich machst, und zwar auch noch die Gruppe, die vermutlich (?) am wenigsten Einfluss auf das System selbst hat.
Du wirst einen Therapeuten nicht zwingen können, dich in Behandlung zu nehmen. Und ja, damit sitzen sie am längeren Hebel, das ist ein Machtungleichgewicht, stellt glaube ich auch keiner in Frage. Das gehört zu solchen Systemen dazu, leider, würde ich auch sagen. Und damit müssen wir alle klar kommen, immer wieder. Ich kann mich an den Systemfehlern aufhängen und kann mich darüber grün und blau ärgern. Aber das ändert wenig an meinen unmittelbaren Problemen. Und manchmal kann so ein Verbeißen in den Ungerechtigkeiten des Systems manchmal auch ganz bequem sein, weil es von anderen Dingen schön ablenken kann.
Und ja, manche Therapeuten sind faul und träge. Sind eben auch Menschen, ganz normaler Durchschnitt. Für mich zeugt das aber auch von einem ziemlichen Anspruchsdenken, wenn du meinst, sie "müssten" dich aber trotzdem aufnehmen und behandeln. Was gewinnst du dadurch? Einen unwilligen Therapeuten, der einen Groll gegen dich hegt?
Ich stelle es mir auch nicht sonderlich einfach vor, ein Gutachten über einen Patienten zu verfassen, den ich 5 Probesitzungen gesehen habe und den ich noch nicht wirklich gut kenne. Vielleicht ist das auch ein Teil des Problems, diesen Bericht über einen weitgehend unbekannten Patienten so umfassend und schlüssig zu schreiben, dass skeptische Gutachter überzeugt werden können? Wessen "Schuld" ist das dann?
Kannst dich natürlich bis ans Ende deiner Tage am Systemfehler aufhängen und diese Fehler persönlich nehmen. Aber das wird dir nicht weiterhelfen. Wenn das System so ein rotes Tuch für dich ist, dann such dir einen Therapeuten, die sich bewusst dafür entschieden haben, jenseits des Systems zu arbeiten, weil sie sich nicht in die Zwänge des Systems begeben wollen, die gibt es auch. Ist dann halt finanzielles Privatvergnügen und wenn du Pech hast, erkennt das Finanzamt die Kosten nicht als "notwendige" Behandlung an. Gibt es auch. Das nächste System mit seinen Unzulänglichkeiten und seinen Fehlern. Und nun?
Es gibt übrigens auch Spielräume im System. Es gibt auch Therapeuten, die diese Spielräume im Interesse ihrer Patienten ausloten und ausnutzen, manchmal sogar bis zum Anschlag ausreizen. Es gibt Therapeuten, die bereit sind, trotz notwendigem Antrag mit einem zu arbeiten, man muss halt länger suchen, ja. Hab ich erlebt, mehrfach. Es gibt Krankenkassen, die auf Nachfragen auf das Gutachten vor Ablauf der 2-Jahresfrist verzichten. Hab ich auch erlebt. Klar das sind "Einzelfallentscheidungen". Gleichzeitig verändern sich auch Dinge im System, und damit entstehen mitunter auch neue Spielräume. Ich hab zB den Eindruck, mit der Möglichkeit, ohne Antrag 12 Akutstunden abzurechnen (seit 2017), steigen auch die Chancen, dass ein Therapeut dich nach diesen 12 Akutstunden in eine LZT übernimmt, wenn er tatsächlich längerfristigen Behandlungsbedarf sieht (eigene Etfahrungen und Erfahrungen im Bekanntenkreis, kein Anspruch auf Repräsentativität). Er hat dann aber nach diesen 12 Stunden (plus 5 h Probatorik/Sprechstunde) auch viel mehr Futter für einen Antrag, den er dann schreiben muss.