Ist erfolgreiche Therapie OHNE extreme Abhängigkeit/Verliebtheit möglich?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

ziegenkind
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 14:40

ja, mondin, das fände ich auch schön, wenn man andere positionen ertragen könnte, ohne sie als gedöns, getue oder geheule zu bezeichnen.

mio, ich glaube nicht, dass abhängigkeit etwas erstrebenswertes ist. in manchen konstellationen kann das hindurchgehen und überwinden der abhängigkeit etwas heilsames sein - und das geht oft nicht, ohne das die abhängigkeit, die man zuvor vermieden hat, auf den tisch kommt, um dort bearbeitbar zu sein.

aber: das gilt für einige, natürlich nicht für alle störungen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Marilen
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 14:41

ich habe die abhängigkeit nie als etwas erstrebenswertes sondern als quälend empfunden und beneide jeden, der das nicht kennt. ich finde auch illusion und ideal nicht mehr erstrebenswert. wo steht, dass abhängigkeit erstrebenswert ist?
Rabbi Nachman lehrt uns etwas Bahnbrechendes. Wenn es schwer wird, bleibt dir nur noch eines: Sei glücklich und freue dich.


Tränen-reich
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 14:47

Ich sehe es auch nicht, dass Abhängigkeit ertrebenswert ist. Eher im Gegenteil. Ist sie sehr heftig und hinderlich für die Therapiearbeit, steuert der Therapeut eher dagegen. Meine Erfahrung.
Was ich hier im Forum schon immer mal las, war, dass sie schon auch von Therapeuten forciert werden könnte, wenn er dies als erforderlich erachtet, zum Beispiel, das, was Ziegenkind zuletzt beschrieb.

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Mondin
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 14:50

Wie ich bereits schrieb, meines Wissens nach sind noch vor 10-15 Jahren Therapien, in denen die Anhängigkeit zu groß wurde, rigoros beendet worden (und es wurde an einen Kollegen verwiesen). Ich persönlich finde sowas durchaus nachvollziehbar. Meines Empfindens nach kann es nicht gesund sein oder gesund machen, in quälende Zustände zu verfallen, sich womöglich in der sogenannten Erotomanie wiederzufinden u. ä. m.

Einige Geschichten, die auch hier im Forum zu lesen sind, erzählen von solchen Konstellationen, die allesamt am Ende mit einem Missbrauchsempfinden des Patienten endeten. Da mache ich mir dann schon meine Gedanken zu.

Insofern, nein, ist nicht nötig sowas. Behindert mAn nach eher. Vertrauen und Kompetenzzuerkennung, das sind in meinen Augen die wesentlichen Merkmale einer therapeutischen Beziehung, neben Zuverlässigkeit und Korrektheit.

Grüßerle!
Mondin

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Sehr
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 14:50

Es steht nirgendwo, nur dass das Gefühl, es würde 'etwas fehlen'.

Ich finde, die Abhängigkeit irgendwie schräg und bin erstaunt und erschrocken, dass es so, zu oft dazu kommt.

Warum passiert das?
Oder wie.
Ist das nicht auch unangenehm und anstrengend für den Behandelnden?
[wegzudenken, mehr nicht]


Marilen
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 14:54

mondin, ja, es muss der passende therapeut heran, es passt wirklich nicht immer und nein, sehr, da fehlt nichts, d.h. sie fehlt schon aber das ist kein negatives fehlen wenn die nicht auftaucht, das wäre ja furchtbar wenn es so ein raster gäbe, das auf alle passt. ob die abhängigkeit vermieden wird, also zwar da ist aber eben vermieden wird, auch dazu wird ein fähiger therapeut zugang haben.
mondin, die abhängigkeit behinderte vor allem mein leben und doch, daher musste sie in die therapie und war dort genau richtig,
Rabbi Nachman lehrt uns etwas Bahnbrechendes. Wenn es schwer wird, bleibt dir nur noch eines: Sei glücklich und freue dich.


ziegenkind
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 14:57

meine these: abhängigkeit stellt sich in therapeutischen beziehungen nur dann ein, wenn sie ein lebensthema ist, sei es, dass man in seinem sonstigen leben nahe beziehungen und damit ein stück lebendigkeit aus angst vor abhängigkeit vermeidet, sei es, das man beziehung nur mit haut und haar, also symbiotisch kann. beides kann man im rl bei vielen menschen beobachten. beides bereitet ungemach, nicht nur den betrffenen menschen selber, sondern auch denen, die mit ihnen leben.


zweite these: früher war nicht alles besser.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Tränen-reich
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 14:58

Sehr,
das gründet viel auf die, die zu den Bindungsgestörten gehören. Wurde hier schon erwähnt.
Aber sicherlich nicht NUR bei den Bindungsgestörten.

Und ja, es ist sehr anstrengend und auch ein schmerzhafter Weg, der für mich letztlich heilbar war.
Meine Therapeutin sagte mir mal "da wo es wehtut, da geht es hin"
Kann natürlich für andere auch wieder anders ablaufen. Therapie ist einfach individuell und nicht nach dem Lehrbuch festgeschrieben.

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Mia Wallace
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 15:02

ziegenkind hat geschrieben: Sa., 29.07.2017, 14:57 meine these: abhängigkeit stellt sich in therapeutischen beziehungen nur dann ein, wenn sie ein lebensthema ist, sei es, dass man in seinem sonstigen leben nahe beziehungen und damit ein stück lebendigkeit aus angst vor abhängigkeit vermeidet, sei es, das man beziehung nur mit haut und haar, also symbiotisch kann.
Wow, grandios auf den Punkt gebracht!
Und genau dann ist es auch aus meiner Sicht gut und richtig, wenn das Thema in der Therapie auftritt und somit auf den Tisch kommt.
Dann wird es besprechbar und bearbeitbar.


Voraussetzung ist natürlich, dass der Therapeut das Besprechen, Bearbeiten und v.a. Auflösen seiner Werkzeugkiste durch gründliches Erlernen beigefügt hat (also ein tiefenpsychologisches Verfahren beherrscht).
Und dass der Patient sich drauf einlässt und seinen Teil der Arbeit leistet.

Bei fehlender Koinzidenz dieser Zutaten, ist Abhängigkeit wahrscheinlich meist eher kontraproduktiv.


ziegenkind
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 15:07

oh ja, tränenreich, die worte gab es bei mir auch: immer am schmerz entlang, ich muss sie da berühren, wo es weh tut, möglichst sanft, aber dafür bin ich da

das dilemma: wenn abhängigkeit nicht auftaucht, kann es an zweierlei liegen: (i) ich vermeide noch (ii) es ist nicht mein thema.

1 und 2 auseinander zuhalten, ist sicher eine herausforderung. die zu bewältigen setzt einen ehrlichen patienten und eine fähige therapeutin voraus. an beidem kann es scheitern.

und danach geht es erst richtig los mit den herausforderungen: berühren, wo es weh tut, aber sanft sein; zugewandt sein, aber abhängigkeit nicht fördern. das ist ein balanceakt, der oft scheitert. und oft ist keiner schuld.

meine 3. these: bei allen frühgestörten ist abhängigkeit ein, DAS lebensthema.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Sehr
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 15:10

Also abhängig von der Beziehung? Unabhängig von der Person mit der man diese eingegangen ist.
[wegzudenken, mehr nicht]


ziegenkind
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 15:11

ich glaub, das geht nicht, sehr. das wär alchemie.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Widow
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 15:17

ziegenkind hat geschrieben: das ist ein balanceakt, der oft scheitert. und oft ist keiner schuld.
meine 3. these: bei allen frühgestörten ist abhängigkeit ein, DAS lebensthema.
Ich teile diese Beobachtung und die These.

Wenn ich mir noch eine persönliche Anmerkung erlauben darf: Gerade aus diesem Grunde ist - auch wenn tatsächlich keiner "Schuld" daran hat, weil diese ethische Kategorie meiner Ansicht nach nicht greift: Wenn jemand etwas im emotionalen Sektor nicht 'kann', dann halte ich es nicht für möglich, ihm daran eine "Schuld" zuzusprechen -, also: Gerade, weil es auch mein "Lebensthema" ist, ist es für mich nun so fatal, diese Erfahrung auch in der Analyse gemacht zu haben: Wir konnten beide nicht, jeder auf seine Weise. (So ganz ist das noch nicht bei mir angekommen, glaube ich, vermutlich darf es das nur bröckchenweise.)


Marilen
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 15:21

sehr, genauso habe ich es erlebt. ich habe die person als solche ja gar nicht wahrgenommen, die war ja besetzt voller ideale und illusionen.
Rabbi Nachman lehrt uns etwas Bahnbrechendes. Wenn es schwer wird, bleibt dir nur noch eines: Sei glücklich und freue dich.


mio
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Beitrag Sa., 29.07.2017, 15:23

Sehr hat geschrieben: Sa., 29.07.2017, 15:10 Also abhängig von der Beziehung? Unabhängig von der Person mit der man diese eingegangen ist.
Ich würde das so sehen. Denn es ist ja ein Stück weit "austauschbar" wird aber gleichzeitig jedes Mal aufs Neue übermässig "individualisiert". (Als Muster betrachtet.) Was für mich dafür spricht, dass es nichts mit dem Gegenüber zu tun hat, sondern mehr mit den eigenen Vorstellungen und Wünschen, die auf das Gegenüber projiziert werden. Es muss sich halt "eignen" und "mitspielen", aber mehr braucht es eigentlich nicht für dieses "Geschehen" meiner Meinung nach.

In Therapien sollte sich das allerdings "verändern", dh. dieses "Austauschen" und jedes mal aufs "Neue" idealisieren bzw. dämonisieren soll ja gerade einen "Abgleich" erfahren und eine echte Beziehung - zum tatsächlichen anderen und nicht auf Basis der eigenen Vorstellungen vom anderen - möglich werden.

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