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Mi., 15.02.2017, 12:18
Ich habe die Diskussion bisher aus der Ferne verfolgt, wollte jetzt aber doch gern noch den einen oder anderen Aspekt loswerden.
@isabe: Mir ist im Moment noch nicht so richtig klar, was genau du dir von einem "runden Tisch" (oder wie auch immer man es nennen möchte) wünschst oder erhoffst - jenseits des finanziellen Aspektes im Hinblick auf eine Folgetherapie, die aufgrund des Therapiefehlers notwendig geworden ist. Wobei ich hier wie andere auch das Problem sehe, Ursache und Wirkung auseinanderzudividieren, da im Rahmen einer Therapie nicht nur einzelne Wirkfaktoren mächtig sind, sondern ganze Bündel, die sich wiederum gegenseitig bedingen.
Ein Muster, das für mich in der bisherigen Diskussion deutlich wurde, ist:
Da gibt es diejenigen (dazu rechne ich dich jetzt mal, isabe), die sich eine Anerkennung (in irgendeiner Form) ihres Leidens wünschen, das durch den oder die Fehler des Therapeuten entstanden ist. Leiden ist grundsätzlich etwas sehr Subjektives. Wie stark und wie lange und worunter jemand leidet, lässt sich nur schwer verallgemeinern. Wenn es jetzt um eine institutionelle (und ja, ich würde auch einen runden Tisch als Institution sehen) Anerkennung geht, dann muss man das individuell Erfahrene und auch das individuelle Leid in irgendeiner Form "objektivieren" und systematisieren.
Und ich glaube das ist auch der Knackpunkt in dieser Diskussion. Mir scheint, du fühlst dich nicht gesehen mit dem was dir widerfahren ist und auch mit deinem Leiden, das aus den Fehlern des Therapeuten heraus erwachsen ist, wenn von der anderen Diskussionsseite, die das ganze eher von "Außen" betrachten, einige (mMn berechtigte) Fragen aufgeworfen werden.
Ich kann diesen Wunsch nach Klärung, Auseinandersetzung, dem Fragen nach dem Warum gut nachvollziehen. Ich hatte noch lange Zeit nahc meinem Klinikaufenthalt (der über mehrere Monate ging) das große Bedürfnis, meine dortige Bezugstherapeutin mal mit der Frage zu konfrontieren, was sie sich dabei gedacht hat, dass sie mich wiederholt mit Behandlungsansätzen in die Ecke getrieben hat, die mich nur noch destabilisiert haben, was ich ihr auch während meiner Zeit dort immer wieder gesagt hatte. Da ging es für mich vor allem um das "Verstehenwollen". Meinem Leiden einen "Sinn" zu geben, wenn auch einen pervertierten Sinn. Ich habe nach der Klinik noch lange gebraucht, um mich aus dem Loch, in das mich ihre Interventionen mit hineinbefördert hatten, wieder herauszukämpfen. Ich hab dann auf den Arztbericht gehofft, dass dort meine Fragen irgendwie beantwortet werden, dass so eine Art "geheimer Masterplan" deutlich wird (auch wenn er nicht funktioniert haben mag), weil ich den Gedanken, dass die mit mir und meinen Problemen einfach nix anfangen konnten, und deshalb wild im Nebel rumgestochert haben, ziemlich unerträglich fand.
Mit mehr innerem und zeitlichem Abstand zu dem Ganzen muss ich sagen: Selbst wenn sich diese Therapeutin noch auf ein Gespräch (evtl. auch mit Dritten) eingelassen hätte (ich hatte in paar Monate später, als ich mal in der Gegend war, einen halbherzigen Versuch unternommen, der aber unbeantwortet blieb) - dieses Gespräch hätte für mich nichts gebracht - im Gegenteil. Es wäre wahrscheinlich eine erneute Retraumatisierung geworden, weil auf Seiten dieser Therapeutin ganz sicher keine Bereitschaft vorhanden war, sich mit diesen ganzen Fragen und was sie vielleicht dazu beigetragen haben mag, auseinander zu setzen.
Ich sehe es so: Therapeuten die in der Lage sind, sich mit sich selbst und ihrem therapeutischen Handeln (selbst)-kritisch auseinander zu setzen, werden wohl in der Regel nicht die Kandidaten für solch einen runden Tisch sein. Weil ich glaube, dass es mit diesen Therapeuten in 99% der Fälle möglich sein sollte, Unstimmigkeiten, Konflikte und anderes in der Therapie selbst zu klären.
Die Therapeuten, die sich und ihr Handeln nicht kritisch hinterfragen, werden auch an einem runden Tisch nicht auf einmal zu selbstkritischen und selbstreflexiven Wesen mutieren. Weil sie einfach komplett anders funktionieren und Kritik grundsätzlich abwehren und lieber den Klienten weiter pathologisieren als dass sie sich mal fragen, wie es zu der schädlichen Dynamik oder dem Fehler oder was auch immer kommen konnte und was ihr Anteil daran ist.
Auch an einem runden Tisch lassen sich Hierarchien und Abhängigkeiten nicht auf einmal wegdenken, von daher würde ich an solch ein Prozedere keine zu hohen Hoffnungen hängen.
Ich finde es durchaus problematisch, dass das so ist. Ich habe das auch selbst in der Klinik erfahren müssen, dass meine Einwände nicht gehört wurden und nicht ernst genommen wurden, und auch der Oberarzt war dann natürlich auf der Seite seiner Psychotherapeutin, weil ich ja die gestörte und psychisch kranke Patientin war.
Das ist schon eine Form von "struktureller Gewalt", die aber glaube ich auch durch runde Tische nicht auflösbar ist.
Um mich aus dieser strukturellen Gewalt soweit lösen zu können, dass es für mich weitergehen kann, war es für mich total wichtig, dass ich mich von dieser Validierung von außen abkoppeln kann. Meine ambulante Therapeutin hat mich nach der Klinik immer wieder gefragt, warum es mir so wichtig ist, da diese "Anerkennung" zu bekommen, möglichst von meiner Bezugstherapeutin. [Und ja, es ärgert mich auch, dass ich viele von meinen kostbaren Stunden für das Aufarbeiten der Klinikzeit brauchte, obwohl andere Themen (zB Wiedereinstieg im Job) für die Zukunft viel wichtiger waren...]
Diese Validierung wird es in der Regel von den Therapeuten, die nicht lege artis behandelt haben, nicht geben. Das Eingeständnis wird es nicht geben. Und mir hat sich die Frage gestellt: Warum brauche ich dieses Eingeständnis? Warum ist das so wichtig für mich? Nehme ich mich selbst und mein Leiden, das von dieser Person hervorgerufen wurde, so wenig ernst, dass ich einen "äußeren" Maßstab dafür brauche, dass ich einen Großteil meiner Energie und meiner Gedanken darauf verwende, wie ich diese Anerkennung von außen - und zwar von der Person, die mir Schaden zugefügt hatte, bekommen kann?
Das war für mich irgendwie ein Wendepunkt. Das ich mir gesagt hatte, das möchte ich nicht: Ich will mich da nicht noch weiter verstricken, das war alles schon verstrickt genug. Es war für mich glaube ich wichtig, mir diesen Wunsch den ich habe nochmal bewusst zu machen. Und auch von meiner ambulanten VT-Therapeutin darin unterstützt zu werden, mir das nochmal anzuschauen, weil es einfach ganz viel Energie gefressen hat. Aber das Anschauen mündete für mich dann in der Erkenntnis, dass manche Dinge vielleicht auch einfach offen bleiben (müssen). Dass es keine abschließende Klärung gibt oder geben kann. Dass dies nicht der Weg ist, den jeder andere gehen kann oder möchte, ist mir klar.
Ich glaube, jenseits von Institutionalisierung, die in keinem Fall hierarchielos ablaufen wird, ist es wichtiger, auf Prävention zu setzen. In der Therapeutenausbildung die Frage zu behadeln, wie man konstruktiv mit Fehlern umgehen kann. Denn Fehler passieren und werden immer passieren. Es ist der (Nicht-)Umgang damit, der so schädlich ist. Regelmäßige Supervision zur Pflicht zu machen, nicht nur in der Ausbildung. Hier fiel schon der Begriff Fehlerkultur. Das heißt ja gerade nicht, dass die Fehler an sich kultiviert werden, sondern dass ein vernünftiger Umgang mit Fehlern gefunden werden muss.
Ein Gedanke der mir kam, war: Ob man anstelle des Gutachtens bei Verlängerungen nicht eine Art Supervisionstermin für den Therapieprozess als Ganzes durchführen könnte. Also Therapeut und Klient reflektieren mit dem Supervisor/Gutachterin den Therapieverlauf. Was gut und was besser sein könnte und was nicht gut funktioniert. Wo die Reise nohc hingehen soll. Jeweils in Einzelgesprächen und dann auch ncohmal gemeinsam. Ist jetzt nur so ins Blaue hineingedacht, aber ich finde das nicht uncharmant. Das wäre dann möglicherweise auch eine Art Frühwarnsystem, falls Dinge schieflaufen, oder die Therapieform vielleicht nicht geeignet ist...
So, das war jetzt erstmal ein halber Roman, länger als beabsichtigt....
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott