Bin ich falsch?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Nico
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 18:15

Ach dann geht es beim sozialen Umgang also nur um Übung und nicht um Einfühlungsvermögen ?
Ich dachte HSP erfühlen die Stimmung ihres Gegenüber, dabei geht es nur um das Einüben von Floskeln und Verhaltensweisen?
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Tristezza
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 18:18

Stell dir mal vor, es geht um beides. Und jetzt überlass ich der TE, ob sie mit meinen Überlegungen was anfangen kann oder nicht.


mio
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 18:21

Zum Forschungsstand:

http://www.spektrum.de/news/hochsensibi ... it/1412989

Nix genaues weiss man nicht...

Dass die TE unsensible gewesen sein soll, kann ich nicht wirklich erkennen. Ich denke auch, dass es eher ein Missverständnis war. Mir ist mal was ganz ähnliches passiert, nur dass es da um das "Warentrennholz" ging.

Ich hatte vergessen, es hinter meinen Einkauf zu legen und der Mann hinter mir bat mich, ihm das "Ding" zu geben. Woraufhin ich freundlich meinte: Sie meinen das Warentrennholz (nicht um ihn zu belehren, sondern weil ich das Wort so gerne ausspreche) und es ihm lächelnd gab. Und plötzlich fing der an so richtig scheiße zu werden und mich zu beschimpfen, wie rücksichtslos ich doch wäre etc. pp.. Ich meine gut, vorher war er jetzt auch nicht der entspannteste, aber soweit normal. Und dann fing er plötzlich an lautstark zu motzen, ohne dass ich verstand warum eigentlich. Dass er sich wohl "belehrt" fühlte, ging mir erst ewig später auf, einfach weil das überhaupt nicht meine Absicht war und ich derartige "Dialoge" über "Warentrennhölzer" des öfteren führe ohne dass irgendwas "negatives" folgt.

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Nico
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 18:25

ich meinte ja auch für eine eventuell hochsensible Person etwas unsensibel
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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blade
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 18:31

In einer übervollen Postfiliale kommt es bei ungeübten HSPlern zum Maximum Overdrive, zum Overload.

Da läuft dann nichts mehr mit Einfühlen.
In einer derartigen Situation sind ....durchschnittlich sensible Zeitgenossen/und Innen deutlich im Vorteil.

Die Balance aus Focus (Brennpunkt des Bewusstseins) und Aufmerksamkeit (Weite des Bewusstseins) geht verloren.

Doch - nur meine Meinung (ich denke es verhält sich so, natürlich könnte ich mich auch irren) -
das Hauptproblem ist der Verlust der Selbstwahrnehmung.

Könnte man sich selbst im Fokus behalten, dann wäre das ein mehr als ausreichender Ersatz für umfassende Aufmerksamkeit (weil ich denke, daß sich Inneren ohnehin die äußeren Faktoren wiederspiegeln werden und man damit zwei Fliegen mit einer Klappe trifft. Nämlich Fokus und Aufmerksamkeit durch Konzentration auf sich selbst)
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Sunna
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 18:44

@ Kaonashi

Genau das spreche ich an. Das Gefühl des falsch seins hat vielleicht gar nichts mit der Gegenwart zu tun, sondern wird womöglich nur von der Gegenwart aktualisiert. Man kann noch solange an der Gegenwart herumanalysieren wie man möchte, ohne die Vergangenheit zu betrachten, wird man nie auf die Ursache für dieses Gefühl kommen. Erst wenn man das weiß, kann man wieder zur Gegenwart zurückkehren und dort weiterarbeiten.
Für mich ist klar, was in mir das Gefühl des falsch Seins ausgelöst hätte. Es wäre bei mir jedoch nur sekundär im Verlauf der Situation entstanden, bekäme aber sofort den höchsten Stellenwert bei mir. Was wiederum die Geschichte primär für mich bedeuten würde, wäre für mich eine untergeordnete Angelenheit. Allein aus der Gegenwart würde ich mein Gefühl niemals ableiten können.
Danke für den Buchtipp, ich werde es mir mal anschauen. Noch stehe ich am Anfang von allem und bin mit jeglichem Fachwissen unterversorgt. Mir fehlen sogar noch Begriffe für mich selbst, da drücke ich mich wahrscheinlich unnötig kompliziert aus. Und andere zu verstehen, die schon in der Materie drin sind, ist auch nicht immer einfach.


mio
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 21:08

blade hat geschrieben:das Hauptproblem ist der Verlust der Selbstwahrnehmung.
Dass es was mit Wahrnehmung zu tun hat glaube ich auch. Wobei ich glaube, dass das was verunsichert der Umstand ist die "Dinge nicht zusammenzubekommen". Also ich nehme eine "freundliche Situation" wahr, der andere aber scheinbar eine "unfreundliche" und so muss ich herausfinden, was denn nun stimmt? Meine Wahrnehmung oder die des anderen? Es entsteht sozusagen eine Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild die dann auch ein Stück weit "lähmt".

Im "Normalfalle" wird das nicht so weit gehen, dass ich darüber mein Selbstbild in Frage stelle (also meiner Selbst- aber auch Fremdwahrnehmung nicht mehr vertraue), sondern das würde wahrscheinlich mit irgendeinem Abwehrmechanismus verteidigt werden. Der andere hat nen schlechten Tag, ist eben ein dummer Depp usw. usf.. Dass es soweit geht zeigt, dass da was ist, was mich "tiefer" verunsichert (also das was Sunna und Kaonashi bereits ausgeführt haben, dass der Auslöser gar nicht in der Situation zu suchen ist, sondern woanders), so dass ich mir nicht mehr selbst vertraue, sondern ins zweifeln komme, ob mit mir wirklich alles stimmt. Wo doch der andere mich so anders wahrzunehmen scheint, als ich selbst. Vielleicht täusche ich mich ja auch und "übersehe" irgendwas...

Und da sind wir dann wieder bei der Selbstwahrnehmung und dem was Sie wohl meinen Herr Blade, denn je mehr ich mich gedanklich/emotional "mit der äußeren Situation" beschäftige, desto weniger bin ich bei mir. Aber um zu mir zurückkommen zu können, muss ich "vermeintlich" die äußere Situation wieder "sicher" bekommen. "Klarheit" gewinnen, sozusagen. Erst dann wird auch mein "Selbstbild" wieder klar und ich kann mich wieder "gefahrlos" selbst wahrnehmen.

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Beitrag Mi., 28.12.2016, 23:17

mio hat geschrieben:
Kann es sein, dass es Dich verunsichert, wenn Du eine Situation nicht verstehst? Dass Du dann "Ordnung schaffen" musst für Dich? Und es Dich deshalb so lange beschäftigt?
Ja, das ist so.

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Beitrag Mi., 28.12.2016, 23:21

mio hat geschrieben: Ich hatte vergessen, es hinter meinen Einkauf zu legen und der Mann hinter mir bat mich, ihm das "Ding" zu geben. Woraufhin ich freundlich meinte: Sie meinen das Warentrennholz (nicht um ihn zu belehren, sondern weil ich das Wort so gerne ausspreche) und es ihm lächelnd gab. Und plötzlich fing der an so richtig sch*** zu werden und mich zu beschimpfen, wie rücksichtslos ich doch wäre etc. pp.. Ich meine gut, vorher war er jetzt auch nicht der entspannteste, aber soweit normal. Und dann fing er plötzlich an lautstark zu motzen, ohne dass ich verstand warum eigentlich. Dass er sich wohl "belehrt" fühlte, ging mir erst ewig später auf, einfach weil das überhaupt nicht meine Absicht war und ich derartige "Dialoge" über "Warentrennhölzer" des öfteren führe ohne dass irgendwas "negatives" folgt.
Ja, so ähnlich fand ich meine Situation auch, nur das der Mann anfänglich vollkommen neutral wirkte, dann freundlich lächelte und dann sich plötzlich das Blatt wendete. Mir war das völlig unerklärlich in dem Moment und diese Irritation machte mir zu schaffen. Ich überlegte was ich falsch gemacht habe, wie ich seine ja offensichtlich kritische Einstellung hätte abwenden können und dann überlegte ich natürlich, warum das so intensiv auf mich gedanklich und emotional wirkte.

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Beitrag Mi., 28.12.2016, 23:27

Tristezza hat geschrieben:Ich würde eher sagen "ungeschickt". Vielleicht, weil sie im sozialen Umgang nicht so geübt ist. Kenne ich von mir. Gehe gerne Menschen aus dem Weg (früher noch viel mehr), um potenzielle Verletzungen zu vermeiden, was dann aber aufgrund der mangelnden "Übung" gerade zu Verletzungen führen kann.
Ich bin geübt im Umgang mit Menschen, dennoch stresst er mich, vor allem wenn ich Menschen direkt gegenübertrete. Mich stressen die Botschaften, die Menschen ausstrahlen sehr, so dass ich immer froh bin, wenn ich wieder raus bin aus der Situation. Ich habe gelernt, freundlich zu sein, aber es ist grundsätzlich nicht mein Ding. Ich bin lieber mit einer oder zwei Personen allein im Dialog, dann aber richtig, direkt und ehrlich, humorvoll und einfühlsam. Dabei kann ich auch solche Situationen wie in der Post, also das ich so sehr in einem scheinbaren Missverständnis hängen bleibe, weitestgehend vermeiden, da ich die Dinge im jetzt auflösen kann.

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Beitrag Mi., 28.12.2016, 23:33

Nico hat geschrieben:Ach dann geht es beim sozialen Umgang also nur um Übung und nicht um Einfühlungsvermögen ?
Ich dachte HSP erfühlen die Stimmung ihres Gegenüber, dabei geht es nur um das Einüben von Floskeln und Verhaltensweisen?
Ich denke, HSP spüren das wirklich. Was sie dann deuten, ist noch mal was anderes.

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Beitrag Mi., 28.12.2016, 23:44

mio hat geschrieben:
blade hat geschrieben:das Hauptproblem ist der Verlust der Selbstwahrnehmung.
Dass es was mit Wahrnehmung zu tun hat glaube ich auch. Wobei ich glaube, dass das was verunsichert der Umstand ist die "Dinge nicht zusammenzubekommen". Also ich nehme eine "freundliche Situation" wahr, der andere aber scheinbar eine "unfreundliche" und so muss ich herausfinden, was denn nun stimmt? Meine Wahrnehmung oder die des anderen? Es entsteht sozusagen eine Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild die dann auch ein Stück weit "lähmt".
Ja, genau das traf zu.
mio hat geschrieben: Im "Normalfalle" wird das nicht so weit gehen, dass ich darüber mein Selbstbild in Frage stelle (also meiner Selbst- aber auch Fremdwahrnehmung nicht mehr vertraue), sondern das würde wahrscheinlich mit irgendeinem Abwehrmechanismus verteidigt werden. Der andere hat nen schlechten Tag, ist eben ein dummer Depp usw. usf.. Dass es soweit geht zeigt, dass da was ist, was mich "tiefer" verunsichert (also das was Sunna und Kaonashi bereits ausgeführt haben, dass der Auslöser gar nicht in der Situation zu suchen ist, sondern woanders), so dass ich mir nicht mehr selbst vertraue, sondern ins zweifeln komme, ob mit mir wirklich alles stimmt. Wo doch der andere mich so anders wahrzunehmen scheint, als ich selbst. Vielleicht täusche ich mich ja auch und "übersehe" irgendwas....
Ja, hier gebe ich auch allen recht, die diese Deutungs-Richtung verfolgen. Mir fällt leider immer noch nicht ein, woher es kommen könnte. Auch im Gespräch mit dem Psychologen fällt mir nichts konkretes ein. Es scheint wie eine Kette von immer sich wiederholendem gleichen Abfolgen und Mustern und Emotionen, deren Ursache nicht zu ergründen ist. Ich kapiere es auch nicht.
mio hat geschrieben: Und da sind wir dann wieder bei der Selbstwahrnehmung und dem was Sie wohl meinen Herr Blade, denn je mehr ich mich gedanklich/emotional "mit der äußeren Situation" beschäftige, desto weniger bin ich bei mir. Aber um zu mir zurückkommen zu können, muss ich "vermeintlich" die äußere Situation wieder "sicher" bekommen. "Klarheit" gewinnen, sozusagen. Erst dann wird auch mein "Selbstbild" wieder klar und ich kann mich wieder "gefahrlos" selbst wahrnehmen.
Vielleicht ist es das, dass ich mich zu sehr in andere einfühle und dabei ständig mich selbst vergesse. Jedenfalls ist das ein Punkt, den nicht nur der Psychologe bei mir immer wieder anspricht, sondern auch andere Menschen aus meinem Umfeld, die mich näher kennen. Es scheint schwierig zu sein, zu sagen, wer ich überhaupt bin...Natürlich kann man das ständige Einfühlen auch mit Kindheitserlebnissen begründen, aber die gab es bei mir nicht in der negativen Form. Ich hatte schon als Kind große Probleme mit dem, was ich bei Anderen wahrgenommen habe. Ich wusste es nicht zu deuten und es machte mir Angst.

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Möbius
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Beitrag Do., 29.12.2016, 14:02

Die threadstarterin hat die neuerliche Frage aufgeworfen, warum ihr solche Fehlleistungen so schwer auf der Seele liegen, sie belasten, runterziehen - "wurmen" wäre vielleicht ein passender Ausdruck dafür: wie ein ekliger Wurm eben, der sich durch die Seele frisst, die Tage verdüstert und den Schlaf raubt.

Auch hierfür vermag ich eine Erklärung zu bieten, die allerdings auf dem Boden der m.E. gelungen Analyse ihrer Fehlleistung vom "Kinderwagenmann" verbleibt, auch wenn die threadstarterin selbst das Ergebnis der Analyse vielleicht nicht zu konsentieren vermag. Auf eine eventuell übersteigerte Sensibilität brauche ich zumindest nicht zurückzugreifen - was aber keineswegs heißt, das andere Meinungen unzutreffend sein müssten.

Zu meiner Darstellung wähle ich die Exemplifizierung mit meinem Lieblingsbeispiel vom Schlüsselbund mit dem Wohnungsschlüssel, den ich nicht auffinden kann, wenn ich die Wohnung verlassen will. Er gehört bei mir von innen in die Wohnungstür gesteckt, aber manchmal ist er halt einfach nicht da, wo er hingehört. Wenn ich etwa mit dem Fahrrad 10 km durch Regen und Kälte nachhause mußte, durchnässt, gut durchgekühlt und "völlig fertig" endlich im Trockenen und Warmen angekommen bin, kann es sein, daß der Schlüssel "einfach irgendwo hinfliegt" und dann in dem Chaos auf meinem Tisch untergeht, auf dem Flurregal abgelegt wird - einmal war er sogar auf der Waschmaschine im Bad, in daß ich zuallererst gegangen war, um die nassen Klamotten "überschwemmungsfrei" loszuwerden. Jacken und Hosentaschen sind auch beliebte Fundstellen. Das sind die einfachen Fehler, durchaus keine "Freudschen Fehlleistungen". Sie finden sofort nach dem Auffinden des Schlüssels ihre Aufklärung - wir wissen genau, wie es dazu kam und brauchen uns keine Gedanken mehr darüber zu machen. Zumal es ja zumindest bei mir noch niemals so gewesen war, daß ich wegen der Suche nach dem Schlüssel zu spät zum Zug gekommen wäre oder dergleichen.

Auch machen wir uns auch keine langen Gedanken über Fehlleistungen, die witzig, komisch, lustig sind wie Freuds Beispiel vom Trinkspruch auf den "sehr verkehrten Herrn Direktor" - solche Freudschen Versprecher in der Öffentlichkeit führen oft zu größerer Heiterkeit, als der beste Witz und diese Heiterkeit, in die nicht nur der "verkehrte Herr Direktor", sondern auch der Versprecher selbst meist alsbald einstimmen, schwemmt die Verlegenheit über den fauxpas in aller Regel restlos davon und aus der peinlichen Fehlleistung wird eine lustige Andekdote, die wir noch nach Jahr und Tag gerne erinnern und erzählen. Ein guter Teil von dem, was wir Humor oder "Commedy" nennen, beruht ohnehin auf - simulierten - Fehlleistungen: "Palim, Palim - Guten Tag, ich hätte gerne eine Flasche Pomm' fritt's!" Auch Loriots berühmter "Kosakenzipfel" weist in diese Richtung. (Freud hat sich sehr ernsthaft mit Witzen beschäftigt: "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten" - ein m.E. leider recht langatmiges, schwächeres Buch)

(Fortsetzung folgt)

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Möbius
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Beitrag Do., 29.12.2016, 14:04

Die Fehlleistungen aber, die uns nachgehen, "wurmen" und buchstäblich um den Schlaf bringen können, das sind diejenigen, die wir uns "beim besten Willen" nicht erklären können:

Der Wohnungsschlüssel ist nicht da - er steckt nicht innen in der Tür, liegt nicht im Flurregal, das Chaos auf dem Wohnzimmertisch haben wir sorgfältigst durchwühlt, auch alle Jacken- und Hosentaschen, auf der Waschmaschine liegt er ebensowenig, wie im Kühlschrank. Und gerade, als wir uns schon völlig entnervt eine Zigarette anstecken wollen, springt er uns ins Auge: der Wohnungsschlüssel - dieses Schwein ! - er steckt ja doch innen in der Tür ! Wir haben doch genau hingesehen ! 2x sogar ! Zumindest bilden wir uns das ein. Gut, ok - wir hätten Licht machen sollen im Flur und wahrscheinlich haben wir wirklich nicht so genau hingeguckt, wie wir dachten und vielleicht hing die Jacke davor, oder ihr Schatten ... aber manchmal können wir uns nicht so einfach beruhigen, denn die Erinnerung ist wirklich untrüglich: wir haben Licht gemacht, sind zur Türe hingegangen, haben die Jacke weggenommen, ja sogar auf dem Boden davor gesucht und am Türgriff, im Schloss war wirklich absolut nichts zu sehen von dem Schlüssel !

Gewiss bereiten wir uns beruhigende Erklärungen, aber begründen kann man bekanntlich alles, auch das Gegenteil. Wir vermögen auch all diese Erklärungen nicht so recht zu glauben, eigentlich garnicht, wenn wir nicht ein enormes Talent haben, uns selbst "in die Tasche zu lügen". Es ist ja auch in der Tat beängstigend: In meinem Beispiel vom Schlüssel, der "wirklich" weg gewesen war, haben wir eine Dissoziation gehabt, eine regelrechte Halluzination. Eine unheimliche Instanz in unserem Unbewußten hat unsere Wahrnehmung von der Wohnungstür verfälscht und durch ein älteres Erinnerungsbild von der Tür ohne einsteckenden Schlüssel ersetzt. Derartige Schizophrenien kommen häufiger vor, als wir denken wollen - auch bei psychisch "unauffälligen" Menschen.

Wer häufiger Fehlleistungen an sich bemerkt, und emphatisch "in sich hineinzufühlen" vermag, der wird auch jenen merkwürdigen Stress, die Aufgeregtheit erkennen, der oftmals in den Situationen dieser Fehlleistungen wahrzunehmen ist - obschon für solchen Stress überhaupt kein äusserer Anlaß vorgelegen hatte. Und doch treiben uns diese banalen Fehlleistungen, die keine Gefahren mit sich bringen, keinen Schaden erzeugen - manchmal buchstäblich den Schweiß auf die Stirn, eben weil sie durch einen innerpsychischen Aufruhr verursacht wurden. "Die Mächte der Finsternis" pochen an die Tür zu unserem Bewußtsein und drängen aus ihrem Gefängnis - dem Unbewußten - heraus, wenn diese elegische Methapher einmal gestattet sein soll. Unser aller Alltag steckt eben voller Psychopathologie - Freud hat ja nicht umsonst ein ganzes Buch darüber geschrieben.

(Fortsetzung folgt)

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Möbius
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Beitrag Do., 29.12.2016, 14:13

Und das sind genau die Fälle, die uns ängstigen - "Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu ?!" Als ob der Schlüssel von einem Geist heimlich abgezogen und dann heimlich wieder reingesteckt worden wäre ! Paranoid Veranlagte können dann tatsächlich auf solche Ideen verfallen, von Geistern verfolgt zu werden "wie im Horrorfilm". Nicht umsonst kommen solche Szenen in Horrorfilmen, Thrillern usw. immer wieder vor: irgendwelche Gegenstände, die für den Helden überlebensnotwichtig sind, sind urplötzlich verschwunden und tauchen später in der Hand des blutrünstigen Monsters wieder auf. Der Horror, der mit solchen Szenen immer wieder zuverlässig erzeugt wird, hat vielleicht genau hierin seine Erklärung - er knüpft nämlich an jenes sehr reale Gruseln, den sehr realen inneren Aufruhr an, der mit jenen "echten" Fehlleistungen des tatsächlichen Lebens verbunden ist.

Vor allem ängstigen und "wurmen" solche Fehlleistungen natürlich, wenn sie keine vereinzelten Ereignisse bleiben, sondern sich häufen, ständig und immer wieder vorkommen - "uns verfolgen". Da sich diese Fehlleistungen dann auch sehr gerne um einzelne Lebensbereiche, Orte, Gegenstände, Personen(gruppen) oder Zeiten herum "häufen", können sich regelrechte Phobien ausbilden - und nicht zuletzt können Fehlleistungen auch sehr aktute Gefahren bergen: meine eigene psychoanalytische Beschäftigung mit den Fehlleistungen begann eigentlich erst, als ich mir schon nach dem ersten Wiedererleben eines Traumas in 24 h dreimal in der Küche in den Finger geschnitten hatte. So oft habe ich mich in den letzten 10 Jahren nicht geschnitten - ich hantiere mit Messern etc. gewohnheitsmässig äusserst vorsichtig. Die Analyse ergab einen latenten Kastrationswunsch. Es gibt eben nicht nur absichtliches "Selbstverletzendes Verhalten" sondern auch "selbstverletzende Fehlleistungen", auf die ich für meine Person streng achten muß. Sie finden bei mir v.a. auf höheren Ebenen statt - meine Analysetermine zB lasse ich mir derzeit lieber von der netten Krankenschwester, welche die Zeit meines Überpsychos verwaltet, in meinen Terminskalender schreiben, nachdem zuletzt mehrere solche Fehlleistungen mit Terminen vorgekommen waren. Mein eigenes Leben ist nicht erst in letzter Zeit "fehlleistungsbedroht" - da die psychischen Ursachen jedoch weitgehend geklärt sind, kann ich relativ gut vorbeugen, die Zeit wohl überbrücken, bis die "Mächte der Finsternis" auf kontrolliertem Wege, in der Analyse nämlich, ans Tageslicht gelassen werden und dann - hoffentlich - keinen Grund mehr haben, mir den Wohnungsschlüssel oder Therapietermine vor der Nase weg "zu verstecken".

Amen.

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