Schock-Trauma / Entwicklungstrauma

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
Benutzeravatar

stern
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 25012

Beitrag Mo., 28.09.2015, 13:03

mio hat geschrieben:Ich persönlich sehe es so, dass wir keine in dem Sinne "einheitliche" Ich-Struktur haben sondern uns immer aus "Einzelteilen" zusammensetzen, die auf Erfahrungen, genetischen Vorgaben etc. beruhen. Nur, wir empfinden sie der Einfachheit halber als "Einheit". Normalerweise.

Wenn jemand über diesen sehr "einheitlichen" Ich-Ansatz heraus "abwehrt", dann muss der natürlich erst mal "geknackt" werden - wie bei "Persönlichkeitsstörung" der Fall. In dem Fall ist eine Analyse wohl sehr hilfreich, weil dann tatsächlich ein "Erkennen" wohl nur über ein "Aufweichen" dieser Struktur möglich ist. ...
ja, die psychische Organisation ist vielleicht manchmal wesentlicher als die Feststellung, ich habe ein Schock- bzw. Entwicklungstrauma erlebt. Letzteres ist vielleicht eher einem Anerkennungsbedürfnis geschuldet (kann, muss aber nicht... und auch das ist natürlich o.k.), ist aber für sich nicht sonderlich aussagekräftig, denn es kann alles oder nichts bedeuten. Und ich würde auch nicht von "besonderer" Therapie sprechen, sondern von "anderer" - je nach Sinnhaftigkeit bzw. Notwendigkeit. Und hier ist wohl wirklich wenig sinnvoll, mit Fachbegriffen zu hantieren, die es dann evtl. doch nicht treffen, sondern vielleicht gar in die Irre führen und, wenn es blöd läuft, gar eine unpassende Behandlung zur Folge haben. Hier ist es wohl auch wichtig, auch etwas der Fachkompetenz des Therapeuten vertrauen zu können. Das sehe ich allgemein so - also in Bezug auf jede Störung. So sagt vielleicht einem Patienten mit Angststörung eher eine Konfrontationstherapie (als eine störungsspezifische Behandlungsmöglichkeit) zu - sofern indiziert. Es gibt ja die freie Arztwahl. Hier würde man auch nicht auf die Idee kommen zu sagen: Der Patient wünscht eine besondere Behandlung... und will implizit zum Ausdruck bringen, dass er besonders schwer krank ist... aber bei einer Traumastörung soll das der Fall sein, hmmm. Auch bei einer Angststörung (als Diagnose) würde man vielmehr schauen, was individuell für den Patienten angezeigt ist und welche Behandlung indiziert ist und welche Alternativen es grds. gibt - wenn der Therapeut vernünftig arbeitet. Auch die Diagnose sagt nur bedingt viel aus, wie jemand organisiert ist... sofern man nicht Schema F folgt zumindest à la z.B.: Borderliner sind besonders schwer gestört. Es gibt vielmehr auch hier Abstufungen und Graustufen.

-----------------------

Die Psyche als Einheit begreife ich inzwischen auch nicht mehr. Ich verwende ursprünglich zwei Modelle - das klassische von Freud aus Es, Ich und Über-Ich, und das Archetypen-Modell von C.G. Jung. Ich bin, das kann ich nicht oft genug betonen, schierer Pragmatiker und insofern natürlich auch Methodenpluralist. Wenn ein Modell für ein Phänomen nicht passt, nehm ich halt das andere, und wenn beide nicht passen, werden sie modifiziert. Es sind eh wirklich nur "Modelle", Schablonen, Hilfsvorstellungen.
Ja, eigentlich gehen sehr viele von verschiedenen Instanzen aus... Modelle die Einheitlichkeit bzw. Eindimensionalität des Menschen explizit als den Normfall ansehen, kenne ich noch nicht einmal. Platt gesagt, gibt es Abstufungen, inwieweit jemand (jederzeit) "weiß", was davon "ICH" ist. Und es versteht sich von selbst, dass auch das einen Einfluss auf die Behandlung haben kann (wie SO VIELES ANDERE AUCH). DIS bringt eine wesentliche Störung bereits über den Namen zum Ausdruck: Störung des Identitätserlebens. Das kann selbstverständlich auch bei anderen Störungen beeinträchtigt sein, aber evtl. in anderem Maße. Ist halt individuelle anzuschauen, was Sache ist und was nicht.

Als besonders schwer traumatisiert/gestört angesehen zu werden (durch einen Therapeuten), würde ich auch nicht als hilfreich, sondern eher als niederschmetternd ansehen...
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

Werbung


mio
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 9268

Beitrag Mo., 28.09.2015, 13:48

Hallo Stern,

ich bin da absolut bei Dir halte allerdings eine Differenzierung gerade aufgrund dessen für wichtig.

Denn wenn ich nicht differenziere, dann laufe ich Gefahr falsch behandelt zu werden. Nun kann ich als "Laie" das nur insofern leisten, als dass ich mich und mein Verhalten/Erleben beobachte, mich beraten lasse, mir Feedback aus meiner Umwelt hole und selbst informiere. Wenn ich Glück habe reflektiere ich mein eigenes inneres Erleben dann einigermassen korrekt und suche mir eine geeignete Form der Hilfe. Wenn ich Pech habe, gelingt mir dies nicht. An der Stelle kommt dann der zweite "Glücksfaktor" mit ins Spiel: Ich gerate trotzdem an eine Fachperson, die in der Lage ist mein Problem (im Gegensatz zu mir) zu erkennen und die es auch schafft, mir bei der Lösung dieses Problems adäquat zu helfen.

Und gerade in Bezug auf "Angststörungen" muss meiner Meinung nach nochmal stark differenziert werden. Nicht jede Form von Angst lässt sich über Konfrontation wirklich auflösen. Ich habe eine Freundin, die auch teilweise unter extremen Ängsten leidet - unter anderem der Angst vor dem Autofahren, obwohl sie früher viel und gerne Auto gefahren ist, längere Geschichte - und sich seit Jahren immer wieder in Situationen aktiv hineinbegibt, die ihr Angst machen. In Bezug auf das Autofahren reicht das von immer wieder Ausprobieren, Fahrtranig, Angstfahrschule über Psychotherapie etc. Geändert hat das alles bisher nichts, die Ängste überkommen sie in bestimmten Situationen immer wieder. Ganz egal, wie oft sie "sieht" dass nichts schlimmes passiert. Und auch meine eigene Angst - die allerdings zu Anfang sehr "richtungslos" und "unspezifisch" war und die ich auch als nicht "zu mir gehörig" empfunden habe - konnte ich eigentlich nur darüber auflösen, dass ich immer mehr herausbekam was dieser Angst/diesen Ängsten eigentlich zu Grunde liegt. Eine reine Konfrontation mit für mich ängstigenden Situationen hat da auch wenig bewirkt. Ich musste "verstehen" was mir diese Angst sagt und woher sie kommt, erst dann konnte ich sie auch verändern. Bei mir bedeutete das konkret: Den Teil, der "in die Situation" aufgrund seiner inneren Zuständigkeit agiert, nicht mehr "allein" agieren zu lassen, sondern einen anderen Teil mit in die Situation reinbringen so möglich. Oder aber auch dem Teil der "mit Symptomen" reagiert einen anderen, aktiven Teil ohne "Symptome" an die Hand zu geben der mit ihm gemeinsam übt.

Am Beeindruckendsten funktionierte dies bei einem "isolierten" Symtom, dass auf einer sehr frühen Traumatisierung (die aus Erwachsenenperspektive absolut harmlos erscheint und mir als "lustige Anekdote" auch stets bekannt war) basierte. Das äußerte sich so, dass ich an bestimmten Tagen (Warum nur dann? Keine Ahnung? Einen Zusammenhang konnte ich da bis heute nicht erkennen.) das Gefühl hatte, nicht wirklich laufen zu können. Dieses Gefühl ging so weit, dass ich nicht bergab gehen konnte und auch beim "Treppe runtergehen" (statt dessen) mich festhalten musste. Es war mir einfach anderes nicht möglich. Bevor ich um die "psychische" Beteiligung wusste, hatte ich dann immer ein wenig Angst vor MS und ich bin nicht besonders "hypochondrisch" veranlagt, weil es einfach unmöglich erschien. Als ich den "Zusammenhang" dann irgendwann in der Therapie klarkam, habe ich mit dem "zuständigen inneren Teil" "aktiv laufen geübt". Immer wieder und wieder. Nach drei Wochen war das Symptom verschwunden und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Mir ist ab und zu noch "wackelig" auf den Beinen, aber dieses extreme Gefühl, nicht bergab gehen zu können hatte ich nie wieder.

Mir persönlich erschließt sich auch nicht, was an einer differenzierenden Herangehensweise so bedrohlich für einige hier scheint. Ich denke da nicht in wertenden Kategorien sondern betrachte das Ganze recht "nüchtern", so es mir um Lösungen und Verständnis geht.

Lieben Gruss,

mio

Benutzeravatar

münchnerkindl
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 38
Beiträge: 9791

Beitrag Mo., 28.09.2015, 16:17

Vincent hat geschrieben:
Möbius hat geschrieben:Vincent steht in der Tat auf "ignore" - ich empfinde ihn (und einige andere) als ausgesprochen destruktiv und entschlage mich der Notwendigkeit des Umgangs mit ihm. Vielleicht ist Vincent ein lieber und netter Mensch und ich tue ihm unrecht, vielleicht ist meine Einschätzung von ihm psychotisch, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß mir der Umgang mit ihm (und einigen anderen) nicht gut tut.
Soweit ich mitbekommen habe, bringt Möbius per 'ignore' vor allem jede Stimme (für sich) zum Schweigen, die es auch nur wagt, seine abstrusen Thesen kritisch anzuzweifeln.

Offenbar hat er sein Weltbild 'fertig'. Und es liegt ihm nur noch daran, es als Dogma zu verbreiten. Aber wehe, es wird nicht angenommen.

Naja, er schrieb ja anderswo bereits, er wäre wohl der ideale KZ-Kommandant geworden.

Beängstigend dieser Mann!


Ich hab auch garnix dagegen, wenn jemand für sich so leben will. Hab gestern einen Podcast über einen schwulen Mann, der in einer seit längerer Zeit stabilen, polyamoren, offenen BDSM Beziehung lebt angehört. Das hat sich wie er über sein inniges Verhältnis zu den Partnern berichtet hat durchaus stimmig angehört und da wünsch ich einfach nur, viel Spass und Erfüllung damit.

Was mich an Möbius stört ist dass er sich in Threads reindrängt, wo sein Promiskuitätsblabla überhaupt nicht Thema ist und da massiv missionierend, wie so ein fanatischer Guru auftritt und andere Leute mit Nachdruck zu seiner Sicht auf Sexualität quasi bekehren will.

Und das von jemandem, der sich dazu bekennt, nicht mal normale Freundschaften führen zu können und ziemlich frauenfeindlich aufgemachte youtube Videos verlinkt. Frauen sind da einfach nur F....k und Triebabfuhrmaterial.

Da hört es bei mir dann aber ganz schnell auf.

Benutzeravatar

münchnerkindl
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 38
Beiträge: 9791

Beitrag Mo., 28.09.2015, 16:28

stern hat geschrieben: Als besonders schwer traumatisiert/gestört angesehen zu werden (durch einen Therapeuten), würde ich auch nicht als hilfreich, sondern eher als niederschmetternd ansehen...

Ist ja auch klar.

Wenn dein Chef dich für kompetent hält arbeitest du auch kompetenter als wenn er dich für unfähig hält. DAS wirkt sich auch auf dein Arbeitsergebnis und dein Arbeitserlebnis aus.

Oder Kinder. Wenn man an ein Kind schon so rangeht, dass das ein besonders schwieriges, gestörtes Kind ist, was glaubst du, wie sich das dann verhalten wird.

Gerade labile Menschen sind sehr beeinflussbar durch das was die Umgebung von ihnen denkt. Darum braucht man auch einen Therapeuten für den das Glas halb voll ist, nicht halb leer (oder gar ganz leer)

Werbung

Benutzeravatar

Möbius
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 53
Beiträge: 1397

Beitrag Mo., 28.09.2015, 20:09

Guten Abend nochmal !

Die Trauma-Fälle sind weit gefächert. Es macht schon einen erheblichen Unterschied aus, ob ein Trauma auf einem Unglücksfall beruht, "Schicksal" ist, wie zB bei einer Naturkatastrophe, oder ob es einen (oder mehrere) konkret Verantwortliche dafür gibt. War der Auslöser des Traumas ein Versehen, daß man dem Verantwortlichen verzeihen kann - war es ein Verbrechen ? Wie hat sich der Verantwortliche nach dem Ereignis verhalten, in welcher Beziehung stand und steht er zum Traumatisierten ? Dann gibt es Traumata, welche die Entwicklung beeinflußen - vornehmlich diejenigen in der Kindheit - und Traumata, welche auf eine an sich gefestigte Persönlichkeit treffen. Und dann gibt es die Fälle der Re-Traumatisierung, bei denen das Ursprungstrauma möglicherweise erst im Rahmen der Therapie zum Tageslicht kommt, und mitunter ein völlig neues Licht auf die Angelegenheit wirft.

Auch die persönlichen Verhältnisse des Patienten spielen eine große Rolle. Wer es sich leisten kann, einen Therapeuten privat zu zahlen (oder über PKV bezahlt zu bekommen), steht sich leichter als derjenige, der auf die gesetzliche KV angewiesen ist. Wer über eine hohe intellektuelle Ausstattung verfügt, kann wesentlich aktiver an seiner Therapie mitarbeiten, als ein eher einfach gestrickter Mensch - stellt aber auch spezifische Ansprüche an den Therapeuten, denen nicht jeder "therapeutische Dünnbrettbohrer" gewachsen ist. Auch das thematische Umfeld des Traumas selbst spielt da eine Rolle. Ich war einmal kurzzeitig und ohne erhebliche Folgen an so einen Dünnbrettbohrer geraten, der schon mit Sexualität an sich nicht umgehen konnte, obschon er sich schon auf seinem Praxisschild als Psychoanalytiker ausgewiesen hatte. Das war eine ziemliche Überraschung für mich gewesen.

Von daher meine ich, daß es eine Reihe von Faktoren gibt, die wesentlich wichtiger sein können als die Frage "Traumatherapie oder Nicht-Traumatherapie".

Auch ich habe Glück gehabt - meine Hautärztin, die meine Analyse begleitet hatte, war es gewesen, die mich nachdrücklich zu meinem jetztigen Therapeuten "geschubst" hat, den sie schon als Dozenten während ihres Studiums erlebt und von zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen her kannte, und der für meine beiden Hauptproblemfelder (Psychodermatologie, sexuelle Störungen) sowohl wissenschaftlich, als auch praktisch-therapeutisch hoch beschlagen ist, und mit dem auch die "chemistry" stimmt.

Aber: "Glück ist eine Eigenschaft!" (Bonaparte)

Bei Mio möchte ich mich noch entschuldigen, nicht auf das Gedicht eingegangen zu sein - Lyrik ist bei mir so ne Sache, und im Moment bin ich wohl eben wegen der "Ver-dichtung" dafür weniger ansprechbar.

Gruß

Möbius

Benutzeravatar

münchnerkindl
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 38
Beiträge: 9791

Beitrag Mo., 28.09.2015, 20:18

mio hat geschrieben: Und gerade in Bezug auf "Angststörungen" muss meiner Meinung nach nochmal stark differenziert werden. Nicht jede Form von Angst lässt sich über Konfrontation wirklich auflösen.

Ja, das funktioniert nur bei rein phobischen Ängsten. Wenn irgendeine Form von Traumatisierung beteiligt ist, vor allem, wenn sie sich schon lange ins Unterbewusstsein gefressen hat wird das von Konfrontation evtl sogar schlimmer.


Vincent
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 41
Beiträge: 1840

Beitrag Mo., 28.09.2015, 20:40

münchnerkindl hat geschrieben:Was mich an Möbius stört ist dass er sich in Threads reindrängt, wo sein Promiskuitätsblabla überhaupt nicht Thema ist und da massiv missionierend, wie so ein fanatischer Guru auftritt und andere Leute mit Nachdruck zu seiner Sicht auf Sexualität quasi bekehren will.
Ja, das ist es!
Aber sei nachsichtig mit ihm. Er bekennt sich ja dazu, unempathisch zu sein. Was soll man da auch erwarten?!

Reg' dich nicht allzu sehr auf über ihn. Er kriegt's ja eh nicht mit.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

Benutzeravatar

münchnerkindl
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 38
Beiträge: 9791

Beitrag Mo., 28.09.2015, 20:53

Vincent hat geschrieben: Ja, das ist es!
Aber sei nachsichtig mit ihm. Er bekennt sich ja dazu, unempathisch zu sein. Was soll man da auch erwarten?!

Naja, wenn er nicht emphatisch ist, dann muss die Botschaft "für so einen Kram lassen wir und nicht instrumentalisieren" eben etwas deutlicher werden.

Und wenn er was vernünftiges scheibt (das nichts mit Sex zu tun hat), so wie gerade eben finde ich ihn völlig okay.


Ich hab so den Eindruck, dass dieses offensive Sexgelaber und das verlinken sexistischer Vidoes auch einfach Getrolle ist, um mit allen Mitteln Aufmerksamkeit zu bekommen.

Ausserdem glaube ich von dem, was er über sein Sexleben in der "promisken Szene" so schreibt den grösseren Teil sowieso nicht. Weil beim Angeln und beim Sex wird bei Nacherzählungen von Erlebnissen wohl am meisten gelogen.


mio
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 9268

Beitrag Mo., 28.09.2015, 21:31

Hallo Möbius,
Möbius hat geschrieben: Von daher meine ich, daß es eine Reihe von Faktoren gibt, die wesentlich wichtiger sein können als die Frage "Traumatherapie oder Nicht-Traumatherapie".
So sehe ich es auch, zumal es ja auch Therapeuten gibt, die ohne explizite Zusatzausbildung sehr hilfreich sein können und sich im Zweifel sogar speziell qualifizieren, so sie sich davon eine Chance für den jeweiligen Patienten versprechen. Der Vorteil, den ich bei ausgewiesenen Traumtherapeuten in Bezug auf bestimmte Traumata sehe, ist, dass die sich eben schon ein wenig intensiver damit beschäftigt haben und da dann auch eine differenziertere Grundhaltung haben aufgrund dieser Tatsache. Wäre ich zB. an einen "Analytiker der alten Schule" geraten, dann wäre das für mich wohl kathastrophal gewesen, so ich das überhaupt durchgehalten hätte. Ebenso wie es für mich hätte katastrophal hätte enden können, so mir meine Hausärztin in der absoluten "Hochzeit" meiner Verzweiflung empfohlen hätte, mich in die Psychiatrische Notaufnahme zu begeben, weil sie hinter meinem "Erlebten" wohl sowas wie eine psychotische Episode vermutete, als ich ihr davon berichtete, damit sie mir was zur Beruhigung verschreibt. Das sie das tat merkte ich (hat mir dann auch schön ein wohl recht leichtes Neuroleptikum verschrieben, dass allerdings nichts gegen meine peitschende Angst bewirkt hat, einzig im Kopf hat es mich ein wenig "benebelt", nur dass ich das überhaupt nicht mag, kenne ich ja so schon zur Genüge, dieses Gefühl) und ich bin bis heute froh, dass wir das gemeinsam im Kontakt abwenden konnten. Ich hätte es zu dem Zeitpunkt nämlich getan, weil ich einfach nicht mehr weiter wusste.
Möbius hat geschrieben:Auch ich habe Glück gehabt - meine Hautärztin, die meine Analyse begleitet hatte, war es gewesen, die mich nachdrücklich zu meinem jetztigen Therapeuten "geschubst" hat, den sie schon als Dozenten während ihres Studiums erlebt und von zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen her kannte, und der für meine beiden Hauptproblemfelder (Psychodermatologie, sexuelle Störungen) sowohl wissenschaftlich, als auch praktisch-therapeutisch hoch beschlagen ist, und mit dem auch die "chemistry" stimmt.

Aber: "Glück ist eine Eigenschaft!" (Bonaparte)
Ja, da gute Beratung zu haben ist Gold wert. Aber man muss sie halt auch aktiv suchen und finden. Glück ist dann wohl, so man das noch kann.
Möbius hat geschrieben:Bei Mio möchte ich mich noch entschuldigen, nicht auf das Gedicht eingegangen zu sein - Lyrik ist bei mir so ne Sache, und im Moment bin ich wohl eben wegen der "Ver-dichtung" dafür weniger ansprechbar.
Kein Problem und kein Grund für einen Entschuldigung von meiner Seite aus. Ich weiss ehrlich gesagt gar nicht, was es in dem Kontext so sollte ... Auf alle Fälle brauchst Du Dir da keine Gedanken zu machen, ich bin niemand, der in einem Forum eine Reaktion auf alles, was ich schreibe erwartet oder es jemandem übel nimmt, so er nicht antwortet. Tue ich selbst auch nicht immer, aus den verschiedensten Gründen, die aber meist gar nix mit dem Gegenüber zu tun haben sondern mehr mit mir selbst. Finde ich in einem solchen Rahmen wie dem diesen hier völlig legitim und nehme ich auch sicher nicht persönlich.

Lieben Gruss,

mio

Benutzeravatar

stern
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 25012

Beitrag Mo., 28.09.2015, 22:10

mio hat geschrieben:Wäre ich zB. an einen "Analytiker der alten Schule" geraten, dann wäre das für mich wohl kathastrophal gewesen, so ich das überhaupt durchgehalten hätte.
Also sehr unbekömmlich erlebte ich ebenfalls bereits die Probesitzungen bei einer Analytikerin. Woran das genau liegt (an Störung oder meiner psychischen Organisation oder an Unerfahrenheit/Fehleinschätzungen oder oder oder), ist letztlich wurscht... wenn etwas zu unbekömmlich ist, passt es eben (für mich) nicht... denn ich brauche sicherlich keine PT, die mich mehr als nötig belastet. Und ja, im ungünstigsten Fall gereicht das auch zum Schaden. Die jetzige Analytikerin arbeitet vielmehr modifiziert (wenn alles klappen sollte)... woran sie das genau festmachte, weiß ich nicht, aber das stand für sie recht früh fest. Vielleicht entspricht das auch eher ihrer üblichen Arbeitsweise, keine Ahnung. Hier merkte ich bereits in den Probesitzungen, dass mir das in irgendeiner Art und Weise hilft, wie sie vorgeht.
Ebenso wie es für mich hätte katastrophal hätte enden können, so mir meine Hausärztin in der absoluten "Hochzeit" meiner Verzweiflung empfohlen hätte, mich in die Psychiatrische Notaufnahme zu begeben, weil sie hinter meinem "Erlebten" wohl sowas wie eine psychotische Episode vermutete, ...
Ich habe mal gelesen, dass das unerfahrenen Behandlern relativ leicht passieren kann, dass sie hier etwas verwechseln... mit dann wohl auch fataleren Folgen für den Patienten. Denn Psychosen machen sicherlich nochmals eine andere Behandlung erforderlich. Neuroleptika haben mittlerweile jedoch einen weiten Anwendungsbereich... gibt auch hier verschiedene Arten. Mein Neuro wollte mir auch mal ein Neuroleptikum aufschwatzen (ich glaube eher für den Notfall, bin aber nicht mehr sicher) . Das habe ich ihm beim nächsten Termin wieder postwendend überreicht. Na ja, gibt auch AD, die das Potenzial haben, mich abzuschalten... das mache ich aber wirklich nur im äußerten Notfall, denn mit happy pills hat das irgendwie nichts zu tun, sondern fühlt sich signifikant anders als "happy" an...

Das kann es jedoch auch bei anderen Störungen geben, dass es zu Fehleinschätzungen und Verwechslungen kommt, weil es Überschneidungen mit anderen Störungen gibt, die der Behandler nicht sauber abgrenzt.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

Benutzeravatar

stern
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 25012

Beitrag Mo., 28.09.2015, 22:27

münchnerkindl hat geschrieben:Gerade labile Menschen sind sehr beeinflussbar durch das was die Umgebung von ihnen denkt. Darum braucht man auch einen Therapeuten für den das Glas halb voll ist, nicht halb leer (oder gar ganz leer)
Nun, leider gibt es auch Therapeuten,die das Glas als leer ansehen... so z.B. ein Mädel in der Klinik, dass von ihrer vorangegangen Psychiatrieerfahrung berichtete à la: So schnell wird sie hier nicht herauskommen... sie wird lebenslänglich Medikamente benötigen und ihr Studium kann sie sowieso vergessen. Sie brach das dann auf eigenes Risiko ab und sprach von der besten Entscheidung ihres Lebens, dass sie in eine psychosomatische Klinik wechseln konnte. Dort hat man dann zunächst die Medikamente herunterdosiert (der Medikamenteneinfluss war immer noch deutlich bemerkbar, so dass ich nicht wissen möchte, was sie vorher schlucken musste)... und das ist schon klar: Auch Medikamente können erhebliche Veränderungen bewirken (nicht nur positive)...und das ist dann evtl. schwer abzugrenzen, was Störung ist und was auf die Medikamente zurückgeht. Sie schaffte es dann auch wieder, ihr Studium aufzunehmen, usw. Auf so eine "Anerkennung", die eher einem vernichtendem Urteil gleichkommt, kann man wirklich verzichten.

Mir persönlich bekommt es auch nicht, wenn ich den Eindruck habe, dass etwas eher an Defiziten ausgerichtet ist und Ressourcen vernachlässigt werden.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)


mio
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 9268

Beitrag Mo., 28.09.2015, 22:36

Hallo Stern,
stern hat geschrieben: Das kann es jedoch auch bei anderen Störungen geben, dass es zu Fehleinschätzungen und Verwechslungen kommt, weil es Überschneidungen mit anderen Störungen gibt, die der Behandler nicht sauber abgrenzt.
ja, ich denke das kommt sogar recht oft vor. Leider. Ist aber ja auch nicht so einfach, weil "reingucken" geht ja nicht und so ich da nicht zumindest irgendwas signifikantes selbst einigermassen "klar" habe, was soll ein Behandler machen? Das braucht dann denke ich schon auch ein wenig Zeit und Umgang miteinander und auch die Offenheit die Richtung im Zweifel zu wechseln (auch von Behandlerseite aus), so sich herausstellt, dass bisher in eine nicht ganz so zielführende Richtung marschiert wurde.

In Bezug auf die psychiatrische Ambulanz, so hätten die mich wohl einfach nur "ruhig" gestellt und das wäre das ablolut am wenigsten hilfreiche für mich gewesen zu dem Zeitpunkt, aber eben sehr wahrscheinlich. Was hätten die auch tun sollen? Ich konnte ja selbst nicht sagen was eigentlich los ist und das akut "erlebte" hätte in der Tat auch auf was "psychotisches" hindeuten können, das war ja sogar mir klar nach ersten Recherchen. Und na ja, was passiert mit Menschen, die aufgrund einer Psychose am Rad drehen? Sie werden erst mal "ruhig" gestellt. Meine Thera hat mir auch irgendwann explizit gesagt, dass ich, so ich mal wieder in einen so extremen Zustand gerate bloss nicht in bewusste Notaufnahme gehen soll. Ist ein "renommiertes" Uniklinikum, by the way...

Lieben Gruss,

mio

Benutzeravatar

Möbius
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 53
Beiträge: 1397

Beitrag Di., 29.09.2015, 19:30

Guten Abend !

Auch wenn ich selbst über meinen "ausgewiesenen Experten" sehr glücklich bin - "Expertise" bedeutet aber auch immer: eingefahrene Routine, "buisness as usual", Betriebsblindheit.

Meine Hautärztin dagegen hatte als psychologische Laiin Schneid genug, um mir bei einer Selbstanalyse Beistand und dann auch analytische Hilfe zu leisten, auf eine geradezu tollkühne Art und Weise, nämlich mit einer "Sexualtherapie": sie hat, nachdem sie eine schon relativ sichere Verdachtsdiagnose gestellt hatte, mich dem "double bind" des Inzesttraumas gezielt ausgesetzt, indem sie mich einerseits mit "mütterlicher" Fürsorge und Großzügigkeit überhäufte, andererseits mit mir plötzlich so derb flirtete (ein "softes" flirting hatten wir schon Jahrelang vorher betrieben, just 4 fun), das es selbst mir in meinem "parapsychotischen" Zustand (wenn man in der Analyse kurz vor einem Trauma steckenbleibt, leidet man wie ein Hund und läuft sehr arg neben der Spur) aufgefallen war, daß da was nicht stimmen konnte und darüber mit ihr mal sprechen wollte, aber: da "flutschte" dann das Trauma schon heraus. 7 Monate nach dem bewußten Vorsatz: "Ich mache eine Selbstanalyse!" Das ist ne Leistung - nicht selten brauchen Analysen Jahre, bis sie zum Ursprungstrauma vordringen.

Wer innerhalb seiner Disziplin ein völlig neues Spezialgebiet betritt, weil ihn der Hafer juckt, der Mandant, Patient, Kunde etc. ihm symphatisch, lieb, wert und teuer ist, der Fall hochinteressant ist, Lorbeeren (und vielleicht auch Knete) verspricht - der gibt alles, was er drinn hat, und schlägt dann noch die Mehrwertsteuer obendrauf ! So macht das zumindest jemand, der seinen Beruf nicht nur der Knete wegen und nicht mit "Beamtenmentalität" ausübt.

Der Wirt (und Koch) meiner alten Stammkneipe, die eigentlich ein Restaurant ist, hat auch mal sowas gebracht:

Meine Ex und ich bekamen Besuch von einer Freundin, die damals an einer exquisiten Zahl von Lebensmittelallergien litt. Die Liste der zu vermeidenden Lebensmittel umfasste 2 DinA-4-Seiten (12er Schrift). Diese Frau, die ein Gourmet und eine leidenschaftliche, hochtalentierte Köchin war, hatte deswegen seit 10 Jahren nie mehr auswärts essen können, aß, wenn sich berufliche dates in Restaurants nicht vermeiden ließen, stets nur "Salat ohne Dressing". Da ich meinen Wirt und seine Berufseinstellung kannte, habe ich ihm den Fall geschildet, ihm diese Diätliste vorgelegt, und ihn gefragt, ob er bereit sei, um diese Liste herum ein Menue mit 4-5 Gängen zu basteln - meine Ex und ich würden natürlich mitessen, damit es sich lohnt. Und wie er über diese Liste drüberlas, habe ich schon "die Denkperlen fallen sehen" auf seiner Stirn. Sein Ehrgeiz war geweckt, es war eine Herausforderung für ihn, und er hat sich dieser Aufgabe mit Bravour entzogen, unsere Freundin mit Handschlag begrüßt, persönlich serviert, sogar ein Melonensorbet für das Dessert extra hergestellt, weil Milch auch zu den Allergenen zählte - und dafür gerade mal ca. 150€ verlangt. Das ist für ein solches Spezial-Menue mit 5 Gängen (das Hauptgericht war Fasan mit Polenta gewesen) für 3 Personen ein Spottpreis. Rein betriebswirtschaftlich gesehen hat er "zugesetzt" - aber er hat es trotzdem mit großer Leidenschaft getan, eben weil ihn diese Herausforderung gereizt hatte "bis auf's Blut".

Auch ein Therapeut, der Berufsanfänger ist, der mit der jeweiligen Thematik noch nie zu tun hatte, aber seinen Beruf mit Leidenschaft und Ehrgeiz ausübt, und für einen interessanten Fall bereit ist, "alles zu geben zuzüglich 19% USt", kann genau der Richtige sein. Er geht nämlich Wege, die zuvor niemand gesehen hat. Er fährt auf der Standspur am Stau vorbei.

Gruß

Möbius, der auch hier vornehmlich schreibt, um öffentlich durch die Hand zu denken.

Benutzeravatar

candle.
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 56
Beiträge: 15210

Beitrag Do., 01.10.2015, 23:54

Ich wollte zum Thema noch einen Link einstellen:

Von dieser Dame gibt es eine Reihe von Videos, die ich gut verständlich finde.

VG candle
Now I know how the bunny runs! Bild

Benutzeravatar

Mia Wallace
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 41
Beiträge: 1288

Beitrag So., 04.10.2015, 14:45

stern hat geschrieben: Ich habe mal gelesen, dass das unerfahrenen Behandlern relativ leicht passieren kann, dass sie hier etwas verwechseln... mit dann wohl auch fataleren Folgen für den Patienten. Denn Psychosen machen sicherlich nochmals eine andere Behandlung erforderlich.

Das passiert gar nicht so selten.
Und Psychosen sind ja nicht die einzige Differentialdiagnose.
Gerne werden auch mal die Symptome einer schweren histrionischen Persönlichkeitsstörung mit einer Traumafolgestörung verwechselt. Diese hochsuggestiven Patienten bieten oft einen bunten Strauß an "merkwürdigen" Symptomen, die einer Traumafolgestörung zum verwechseln ähnlich sein können. Oft nach Erlebnissen, die die Diagnosekriterien für die Traumafolgestörung bei weitem nicht erfüllen, und objektiv eher Bagatellerlebnisse sind.

stern hat geschrieben:Das kann es jedoch auch bei anderen Störungen geben, dass es zu Fehleinschätzungen und Verwechslungen kommt, weil es Überschneidungen mit anderen Störungen gibt, die der Behandler nicht sauber abgrenzt.
Die Grenzen sind aber, denke ich, bei psychischen Störungen ohnehin fließend.

Erfahrung und gute Ausbildung können in keinem Fall schaden.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag