Therapeut ist eingeschlafen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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CrazyChild
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Beitrag So., 19.07.2015, 09:01

Ich denke es war kein Vergleich sondern nur ein Beispiel daß es sowas auch in anderen Berufssparten gibt.
LG, CrazyChild

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viciente
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Beitrag So., 19.07.2015, 09:07

.. ja klar gibt es sowas, nur sind eben die auswirkungen vom jeweiligen kontext abhängig. dein partner hört dir nicht zu, liest zeitung und sagt immer nur ja, ja? kein problem, ist mir bei einem seminar neulich auch passiert, dass viele nicht bei der sache waren.

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Möbius
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Beitrag So., 19.07.2015, 09:08

Die Annahme von viciente, der Therapeut müsse stets "aufmerksam "da" sein" halte ich für falsch. Sie beruht nämlich auf der Annahme einer symetrischen Kommunikation, die bei einer Psychotherapie eben nicht vorliegt. Die Kommunikation ist asymetrisch, muß es sein: der Therapeut ist dem Patienten überlegen - freilich nur in dem Fachgebiet, um das es gerade geht. Ein "Profi" gleich welchen Faches verhält sich gegenüber dem "Laien" eben kommunikativ anders: er filtert aus den Mitteilungen des Laien nur das heraus, was er für seine jeweilige Aufgabe benötigt. Er "verhört" den Laien - auch wenn dieses Verhör meistens in den äusseren Formen eines symetrischen Gespräches stattfindet, der Profi dem Laien als Kunden sogar häufig mit großer Höflichkeit, ja einer gewissen Devotion begegnent. Aber das ist nur die äussere Form !

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viciente
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Beitrag So., 19.07.2015, 09:10

Möbius hat geschrieben:Sie beruht nämlich auf der Annahme einer symetrischen Kommunikation, .......
.. ! .. nicht notwendiger weise in bezug auf inhalte, symmetrisch auf die achtung und den respekt aber sehr wohl! grade in einer "überlegenen" position hab ja ich die verantwortung dafür, u.a. auf die form zu schauen; wenn ich gar nicht "da" bin, geht das nicht. die einstellung "lass sie mal labern, und ich mach derweilen was anderes" teile ich jedenfalls nicht; wenn ich z.b. schlafender weise gar nicht wahrnehme, was sie sagt - wie sollt ich dann darauf bezug nehmen? wär für mich eine ziemlich abstruse form der "gesprächs"führung - nicht denkbar, vor allem nicht im einzelgesprächskontext.

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Möbius
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Beitrag So., 19.07.2015, 09:58

Es ist aber in der Tat so: durch die Professionalisierung überhebt man sich gegenüber dem Laien. Der Laie verliert gegenüber dem Profi viel von seiner Menschenwürde: er wird "objektiviert", zum "Material", an dem man als Profi arbeitet. Meist bemüht man sich als Profi, den Laien dies nicht merken zu lassen, versucht gerade, den gegenteiligen Eindruck größter Dienstbeflissenheit und Aufmerksamkeit zu erwecken - aber dahinter steht immer auch ein gerütteltes Maß an regelrechter Verachtung für den Laien. Er wird als Mensch nicht mehr ernst genommen - ernst genommen wird nur noch der "Kollege" - nur der wird als gleichrangig angehen und mit echter, nicht nur geheuchelter Aufmerksamkeit und Höflichkeit behandelt, ist Gegenstand von Solidarität - "Kollegialität". Ein "Collega" war im alten Rom Mitglied eines "Collegiums", einer Behörde, die gegenüber den Bürgern hoheitliche Befugnisse ausgeübt hat - also den Bürgern gegenüber höherrangig.

"Laie" - der Ausdruck wird, soweit ich weiß, kulturgeschichtlich auf die Unterscheidung zurückgeführt zwischen den Klerikern, welche die niederen oder höheren Weihen der Kirche empfangen haben, und der miserima plebs derer, die diesen Weihen nicht teilhaftig geworden sind. Spätestens ab den höheren Weihen - Priesterweihe aufwärts - wird der Mensch zu "etwas besserem", was sich in der Sozialordnung des Mittelalters und der frühen Neuzeit ja auch drastisch durch zahlreiche Privilegien ausgedrückt hat. Eines dieser Privilegien gilt sogar noch heute: das "Beichtgeheimnis". Die Vorstellung der Aufklärungszeit von der Gleichheit aller Menschen ist zwar eine sehr schöne Vorstellung, aber, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: eine gänzlich Unrealistische.

Das ist zwar vielleicht nicht schön so und man mag es sich vielleicht nicht vorstellen, aber anders geht es auch nicht. Ein Chirurg etwa, kann in dem Patienten, der vor ihm auf dem OP-Tisch liegt, nur das "Operationsmaterial" sehen - würde er in ihm den "Bruder Mensch" sehen, würde ihm das Skalpell aus der zitternden Hand fallen. Und diese Objektivierung des Menschen zum Material kann man eben nicht wie eine Tischlampe ein- und ausknipsen. Deswegen haben ja auch Angehörige dieser Berufe regelmässig große Schwierigkeiten, ihren Beruf gegenüber Nahestehenden auszüben: Ärzte können oft ihre Freunde und Angehörige nicht behandeln, Anwälte sie nicht vertreten, Psychotherapeuten sie nicht therapieren usw. Das ist auch der Sinn, der hinter zahlreichen Regelungen über Abstinenz, Befangenenheit und ähnlichem steht (wenn auch nicht alleine).

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viciente
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Beitrag So., 19.07.2015, 10:22

.. .. verstehe - also mittelalter und so - hmmm .. ja, "ok" .. sowas gibts auch - .

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Miesel
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Beitrag So., 19.07.2015, 11:18

leberblümchen hat geschrieben:
Falls es nicht verstanden wurde, gerne noch mal: Es geht nicht darum, das Schlafen "nachzusehen", sondern darum, es zunächst mal so anzunehmen, als etwas, was geschehen ist, und dann damit umzugehen. Mit diesem "das darf aber nicht sein" vertut man diese Chance. Aus Angst, nehme ich an.
Das sehe ich vollkommen anders.
Ein Therapeut bekommt nicht wenig für eine Stunde, damit er mir aufmerksam zuhört und eben nicht einschläft.
Auch ein Therapeut, der so tut als würde er zuhören, aber stattdessen über seine Essensplanung, oder Freizeitgestaltung nachdenkt, handelt nicht korrekt.
Korrektes Handeln in den Rahmenbedingungen ist allerdings das mindeste, was ich von einem Therapeuten erwarte (wie auch von allen anderen Dienstleistern).

Ist das nicht gegeben, verpasse ich keine Chancen, sondern werde schlichtweg verarscht.
Ich wüsste auch nicht, warum auch gerade einem Therapeuten, nämlich DEM Menschen, den man dafür bezahlt, dass er in dieser Stunde aufmerksam beim Patienten ist, da irgendwas nachsehen sollte, auch nicht annehmen und ich will auch nicht dazu gezwungen werden, mit sowas umgehen zu müssen.
Es gehört zu seiner Sorgfaltspflicht, nicht in der Stunde einzuschlafen und schläft er trotzdem ein hat er diese verletzt.

Wie man dann danach damit umgeht, wenn es doch passiert, ist sicher unterschiedlich.
Verzeihen könnte ich das nicht.

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stern
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Beitrag So., 19.07.2015, 11:32

Ob und inwieweit jemand (noch) bei der Sache ist, sollte man herausfinden können. Das ist fundamentale Basis eines Gesprächs, dass der Gesprächspartner Mitteilungen aufnehmen kann. Wenn nein, so ist das eine 1a Kommunikationsstörung auf Kosten der Zeit eines Patienten.

Wenn jemand sagt, dass er gleich einschläft, so ist für mich jedoch in keiner Weise ablesbar, ob überhaupt ein Bezug zur Sitzung/Patient besteht. So hätte eine selbstbewusstere Person vielleicht gefragt, ob sich der Therapeut einen Kaffee holen möchte. Denn ist es sehr unklar formuliert, was den Patient auch noch veranlasst, nachfragen zu müssen, wie das gemeint ist (wenn man es denn wissen will).

Wenn Therapeuten aufgrund äußere Umstände beeinträchtigt waren, wurde das gleich am Sitzungsanfang mitgeteilt (war aber wie gesagt selten nötig). Wenn sowas häufiger vorkommt, so wäre es evtl. besser, eine Sitzung zu verlegen. Denn ist die eigene Zeit... und insofern ist es nicht unbedingt ratsam, wenn man zuviel hinnimmt.

Es kann auch ein Indikator für die Beziehungsgestaltung sein (auch die VT erkennt das übrigens an... es besteht als nicht einmal ein wesentlicher Unterschied zwischen den Methoden). Nur sind die Aussagen zu unklar, um das auf jeden Fall anzunehmen.

Ich weiß nicht, wie man das nennt. Aber Menschen können ihre Aufmerksamkeit unterschiedlich bünden bzw. streuen. So konnte ich immer lernen, selbst wenn der Fernseher nebenher lief. Oder während des Studiums erweckte ich wohl manchmal den Eindruck nicht bei der Sache zu sein, wenn ich (manchmal) etwas nebenher machte. Wenn ich dann angesprochen wurde (in Form einer Frage) stellte sich eigentlich immer heraus, dass ich sehr wohl bei der Sache war und die passende Antwort geben konnte, weil ich trotzdem zuhören konnte Wenn man müde ist, kostet es mehr Anstrengung, seine Aufmerksamkeit zu behalten. Wenn man diese nicht aufbringen kann, so ist die Folge wohl wirklich ein Aufmerksamkeitsverlust. Ob jemand bei der Sache ist, sollte man eigentlich herausfinden können.
Liebe Grüße
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Mia Wallace
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Beitrag So., 19.07.2015, 12:53

Miesel hat geschrieben:

Das sehe ich vollkommen anders.
Ein Therapeut bekommt nicht wenig für eine Stunde, damit er mir aufmerksam zuhört und eben nicht einschläft.
Auch ein Therapeut, der so tut als würde er zuhören, aber stattdessen über seine Essensplanung, oder Freizeitgestaltung nachdenkt, handelt nicht korrekt..

Das sagt Leberblümchen ja auch nicht.
Ich glaube, sie meint einfach, dass ein Müdewerden oder Einschlafen ja Teil der Beziehungsdynamik zwischen Therapeut und Patient ist und somit ein wertvolles und wichtiges Thema, das besprochen werden sollte, so es denn geschieht.
Wird es vom beiden oder auch nur von einer Seite mit einer Entschuldigung, einem flapsigen Kommentar, oder einem gekränkten "ich habe daran keinen Anteil, der Therapeut hat sie zu entschuldigen und dann gucke ich mal, ob ich es ihm verzeihe") vom Tisch gewischt, geht die Chance verloren, diesen Aspekt der Beziehung, der ja vielleicht sehr wichtige Themen zum Vorschein bringt, gemeinsam zu beleuchten.

Miesel hat geschrieben: Korrektes Handeln in den Rahmenbedingungen ist allerdings das mindeste, was ich von einem Therapeuten erwarte (wie auch von allen anderen Dienstleistern).
Ist das nicht gegeben, verpasse ich keine Chancen, sondern werde schlichtweg vera***...
Ich gebe zu bedenken, dass ich ein Überziehen des zeitlichen Rahmens -also der 50 Minuten- ein unkorrektes Handeln außerhalb der eigentlich so wichtigen Rahmenbedingungen ist.....

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Ephraim
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Beitrag So., 19.07.2015, 13:30

Möbius hat geschrieben:Die Annahme von viciente, der Therapeut müsse stets "aufmerksam "da" sein" halte ich für falsch. ... er filtert aus den Mitteilungen des Laien nur das heraus, was er für seine jeweilige Aufgabe benötigt.
Wenn er nicht ständig aufmerksam ist, kann er nicht feststellen, ob etwas wichtiges erzählt wird oder nicht.

Du argumentierst vom Ende, Ergebnis her, was an Relevantem übrigbleibt, aber das kann der T. ja nicht vorher wissen. Du ignorierst wie er dahin kommt.
"Sometimes we battle to protect someone, sometimes we battle to protect someones honor" Ichigo Kurosaki; Ich stelle keine rhetorischen Fragen


pandas
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Beitrag So., 19.07.2015, 14:08

stern hat geschrieben: Da käme ich mir als Patient vor wie in einer Feedbackrunde eines Rhetorikkurses Und ich halte solche Rückmeldungen auch nicht für üblich und angebracht. Ich empfände es sogar als untherapeutisch.
Eine derartige Rückmeldung ist doppelt fragwürdig, da sie dem Patienten auch signalisiert: Ich muss meine Stimmlage am besten ändern, dass der werte Herr Therapeut nicht einpennt. Ergo: Es liegt (auch) an meinen Schilderung. Dabei ist es alles andere als zwangsläufig, dass Monotonie Wegnicken zur Folge hat. Und Und wenn man dann bemüht ist, seine Erzählungen zu Erlebnisberichten aufzupimpen, so kann viel Authentizität verloren gehen.
Aber stern, dass mit der Stimmlage war doch nur ein Beispiel! D.h. ich meinte nicht, dies sei DAS Rezept für die Pennsituation. (Ich schrieb ja auch z.b.) SONDERN dass es nicht das 1x1 einer gelingenden Therapie ist, dass der Therapeut dann sagt, ja, schauen Sie, dass ist meine wertvolle, in zig-Stunden Lehranalyse erworbene Gegenübertragung; das sagt etwas auch über Ihre allgemeine Beziehungsgestaltung; sie bringen wohl ihre Mitmenschen immer zum einschlafen; was macht das jetzt mit Ihnen, wenn ich Ihnen meine Gegenübertragung mitteile. Im übrigen ist es, wenn die GÜ so überstellt wird, eine manipulativ verborgene Aufforderung zur Verhaltensänderung, welches beiderseitig unauthentisch ist.
stern hat geschrieben:Das ist eher eine Information für den Thera, dass ein Patient vielleicht ziemlich depressiv sein könnte oder was weiß ich. Als Hypothese, die dann evtl. in folgenden Gesprächen festigt werden kann oder auch nicht. Oder wenn ein Patient aufgebracht, zieht der Therapeut z.B. in Erwägung, dass den Patienten etwas nahegeht.
Natürlich sollte Aussagen des Therapeuten immer als Hypothesen formuliert werden, welches aber nicht allgemein anerkannt ist. Gerade im analytischen Bereich wird oft davon ausgegangen, dass die Deutungen des Theapeuten, gerade auch im Rahmen der Gegenübertragung, sehr feststehend sind. So ist es ja auch eine weitgreifende Behauptung, wenn gesagt wird, die Gegenübertragung sei verallgemeinerbar auf jegliche Beziehungsgestaltung des Patienten. Dies ist aber leider noch weitverbreitet im Therapiewesen, wie man ja auch hier an manchen Beiträgen sieht.

Übrigens, Diagnosen an sich gehören aber nicht zu den Hypothesen in dem Sinne. Vielmehr sind sie eher Ausgangshypothesen, die dann wieder - unabhängig vom Diagnosenspeech - verfeinert werden durch das jeweilige Geschehnis der fortlaufenden Therapie. Also, wenn mir ein Therapeut im Laufe einer Therapiestunde sagen würde: ja, kann es sein, dass Sie wirklich depressiv sind, so wie es ihre Eingangsdiagnose ist. käme ich mir vera**** vor. Das finde ich auch so bei Deinen zweiten Beispiel, wenn der Patient etwas aufgebracht erzählt, so geht ihm etwas nahe. DAS finde ich nun naheliegend. DAS ist ja nahezu Urwissen. Das würde mir als Aussagen in einer Einzeltherapie überhaupt nicht reichen. Zumal es in Therapie auch immer um Veränderung geht. Das ist nur manchmal nicht so offen.
Mir ging es mit meinem Post, auf welches Du Dich beziehst, vor allem darum, dass offener gearbeitet werden sollte - und nicht so shredderig, wie in dieser Döselsituation, die in diesem Thread geschildert wurde.
Der Therapeut bezieht sein Döseln auf die Situation: Wir müssen etwas tun, sonst schlafe ich ein.
Sieht man dies nun als Gegenübertragung, wie von einigen hier vorgeschlagen, so finde ich es eben nicht weiterführend, wenn er dann lediglich deutend auffordert: schauen Sie mal, was in Ihrer Beziehungsgestaltung dies bewirkt. Als Fachmann weiss er mehr und dies sollte er offen ansprechen, sonst kommt es wie eine Schuldzuschreibung herüber.
Stattdessen kann er mE eben durchaus sagen: Zur Depression kann eine Monotonie in der Stimmlage gehören. Dies wirkt auf das Unbewusste Ihres Gegenübers mitunter in Richtung einschläfernd.
DANN kann dies besprochen werden, wie jede andere Hypothese auch: Kann die Patientin damit etwas anfangen? Und sie erhält die Möglichkeit darauf zu achten, ob und wie sich das im Laufe einer möglichen Besserung der Depression verändert. Es kann auch sein, dass es sich automatisiert hat. Dann bleibt das Phänomen bestehen, auch wenn die Depri sich bessert. Somit, wenn ihr das keiner sagt, fällt ihr das selbst aber nicht auf. Man wundert sich nur, warum der andere wegdöselt ...
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stern
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Beitrag So., 19.07.2015, 14:10

Ephraim hat geschrieben:Wenn er nicht ständig aufmerksam ist, kann er nicht feststellen, ob etwas wichtiges erzählt wird oder nicht.
ja, sehe ich so. Er muss die Mitteilungen erst zur Kenntnis nehmen. Nur würde ich die Einschränkung treffen, dass er höchstens sagen kann was er als wichtig ansieht. Also ob es das ist, ist damit noch nicht gesagt... sondern vielleicht erkennt er auch nicht, worum es dem Patienten geht.

Und wenn ein Patient die Sitzung über erzählen würde, wie toll es in der Eisdiele mit der Freundin war. Und die Sonne schient auch so toll, so macht das ein Patient evtl. auch nicht grundlos. Vielleicht traut sich ein Patient ja bloss noch nicht, bestimmte Themen anzusprechen. Und wenn dann jemand flapsig dahersagen würde "jetzt hören Sie doch mal auf, um den heißen Brei zu schleichen", so kann das exakt das Gegenteil bewirken. "Sie mal spontan" funktioniert ja bekanntlich auch nicht immer.

Wichtig ist aus meiner Sicht nur, dass der Therapeut registriert, dass Müdigkeit nicht unbedingt heißt, dass der Therapeut übernächtigt ist (das kann es aber auch heißen! Manchmal ausschließlich). Sondern dass aufkommende Müdigkeit auch bedeuten kann, dass der Patient vermeidet. Und das wäre dann evtl. noch etwas näher einzukreisen. Zu sagen: Hopp, legen sie los, hilft vielleicht manchen, intime Dinge zu berichtigen... aber in den meisten Fällen ist das eher plump und kontraproduktiv behaupte ich... und wie der Patient tickt, kann so auch nicht erkannt werden. Dazu braucht es denn Patienten ebenfalls. Und ein Therapeut kann auch nicht allein erkennen, was wichtig ist.
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pandas
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Beitrag So., 19.07.2015, 14:12

stern hat geschrieben: Der nächste blinzelt vielleicht mit den Augen. So registriert der Therapeut vielleicht Nervosität, die der Patient vielleicht verspürt (Hypothese). Aber in den allermeisten Fällen wird das aktiv nicht angesprochen, dass man blinzelte.
Naja, weil Blinzeln hier zum einen beim Patienten liegt und nicht den Patienten als Verhalten des Therapeuten verunsichert, wie der wegdöselnde Therapeut es tat. Und Blinzeln nicht so eine Wirkung auf die Interaktion hat.
Wenn man Blinzeln aber auf diesen Thread bezieht, wäre es, wenn jemand schreibt: "Mein Therapeut blinzelt ständig. Ich habe das angesprochen. Er sagte wir müssen etwas tun, sonst bin ich (der Therapeut!) nervös." Nun würde der TE auch fragen: "Meint der Therapeut damit es liegt an mir? Das kränkt mich. Und woran genau liegt es? Am Anfang sagte er, ich kann in der Therapie so sein wie ich bin, nun sagt er doch aber, dies macht ihn nervös und wir müssen etwas tun?" ich hoffe, der Unterschied wird klar. Es würde hier in der Tat in ähnlicher Weise wie das Wegdöseln besprochen. Mein Ex-A hatte übrigens in Krisensituationen beim Gegenübersitzen indisches Kopfschieben parat. ich bereue, dass ich ihn nicht darauf angesprochen habe. Es war sehr irritierend (und sollte es wohl auch sein).
stern hat geschrieben: Und dann könnte er z.B. die Frage in den Raum stellen: Es scheint ihnen ziemlich nahezugehen, wenn ihre Mutter (...)? Aber NICHT: Ihre Erzählungen sind aufgebracht geschildert. Jetzt schauen wir mal, wie sich das ändern könnte. Denn sonst bringt mich das auch auf (Gegenübertragung=eigene Gefühle des Thera). Ich hoffe, der Unterschied wird klar. Es wäre vielmehr untherapeutisch, wenn der Therapeut dauernd seine eigenen Gefühle (ich nenne das gerne auch Gegenübertragung) einbringt und dem Patienten ein Feedback zu seinen Schilderungen verpasst.
Aber stern, ich habe doch gerade an die Gefühlseinbringerei-Gegenübertragung angeknüpft und gesagt, dies ist nicht ausreichend, es wäre angebrachter, da konkreter zu werden und auch mehr beim Patienten zu bleiben. Nur sagte ich, der Th könne z.B. konkreter sagen, was ihm zum Wegdöseln gebracht hat, wie zB Symptom Stimmlage und das er dies mit "wir müssen etwas tun" meinte.
Was Du hier benennst kann beides zu einem therapeutischen Vorgehen gehören. Die Kunst für den Therapeuten liegt darin, eine Balance zu finden.
Es reicht aber nicht aus, immer auf die Mutter zurückzukommen o.ä., denn zu einer Veränderung gehört auch die Jetztsituation bei allen Verfahren. Der Patient schildert dem Therapeuten - das ist nunmal unwiderlegbar.
Was Du obig beschreibst (als nicht sinnvolles Vorgehen aus Deiner Sicht) kann in einer Therapiephase durchaus sinnvoll sein. Natürlich in einem größeren, feineren Vorgehen. Aber es reicht nie, nur in der Vergangenheit zu bleiben.
Mittlerweile gibt es da auch Therapieverfahren, die dies genau so zusammenbringen.
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stern
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Beitrag So., 19.07.2015, 14:42

pandas hat geschrieben:[So ist es ja auch eine weitgreifende Behauptung, wenn gesagt wird, die Gegenübertragung sei verallgemeinerbar auf jegliche Beziehungsgestaltung des Patienten. Dies ist aber leider noch weitverbreitet im Therapiewesen, wie man ja auch hier an manchen Beiträgen sieht.
ja, teile ich. Umso krasser, wenn ein Therapeut im Gegenzug für sich geltend macht, dass er xy selbstverständlich nur aus der Beziehung mit Patient xy kennt, um zu untermauern, dass das also viel mit dem Patienten zu tun hat. Guter Hinweis. Man muss wirklich aufpassen, ob man das wirklich auf die Beziehungsgestaltung eines Patienten im allgemeinen beziehen kann.

Auch in Buch, auf das lb hingewiesen hat, wird hervorgehoben, dass Müdigkeit des Therapeuten auch immer vom Patienten unabhängige Gründe hat.
DAS finde ich nun naheliegend. DAS ist ja nahezu Urwissen. Das würde mir als Aussagen in einer Einzeltherapie überhaupt nicht reichen. Zumal es in Therapie auch immer um Veränderung geht. Das ist nur manchmal nicht so offen.
DAS würde mir selbstverstänlich auch nicht reichen. Und so meinte ich das auch nicht. Sondern eher, dass das ein Aufhänger sein kann, das näher zu eruieren. Ein Therapeut kann ja nicht wissen, was den Patienten bewegt. Sondern anstelle von Schnellschüssen, die plump und kontroproduktiv sind, ist das zunächst herauszufinden anstelle einfach mitzuteilen, was der Therapeut empfindet und wie der Patient wirkt.
wie von einigen hier vorgeschlagen, so finde ich es eben nicht weiterführend, wenn er dann lediglich deutend auffordert: schauen Sie mal, was in Ihrer Beziehungsgestaltung dies bewirkt.
Wenn sich herausstellt, dass ein Patient gekränkt ist, so ist das höchstens ein Parallelthema bzw. eine Effekt aus einer deplatzierten Intervention. Wenn man Müdigkeit als Hinweise auf die Beziehungsgestaltung versteht, so geht es meines Verständnisses eher darum zu verstehen, dass Müdigkeit hier vielleicht bedeutet, dass der Patient etwas vermeidet (oder oder oder).
Stattdessen kann er mE eben durchaus sagen: Zur Depression kann eine Monotonie in der Stimmlage gehören. Dies wirkt auf das Unbewusste Ihres Gegenübers mitunter in Richtung einschläfernd.
Da bin ich wiederum ganz anderer Meinung. Sondern wie schon oft gesagt: Das nimmt ein Therapeut wohl eher zur Kenntnis und mit der Zeit und ihm Austausch wird dann hoffentlich deutlicher, dass die Müdigkeit i.d.R. mit depressiven Zuständen des Patienten einhergeht. Dass Monotonie als einschläfernd oder beruhigend empfunden werden kann, ist den meisten Menschen ja auch klar und keine sonderliche Therapieerkenntnis. Wichtig ist aber zu erkennen, dass depressive Zustände des Patienten Thema sind, während er vom tollen Tag in der Eisdiele erzählt. Und DAS ist nach meinem Verständnis primär herauszufinden. Wenn ein Kränkung zusätzlich zu Tage tritt, so wäre wiederum zu schauen: Ist das ein wesentliches Thema eines Patienten oder ist diese hier wegen einer deplazierten Äußerung passiert. Eine Mitteilung, dass man einschläfernd wirkt, finde ich wenig hilfreich, sondern eher deplatziert... und ist auch nicht unnormal, wenn man dann leicht gekränkt ist. In dem Fall sehe ich dann auch keinen Bearbeitungsbedarf.
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pandas
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Beitrag So., 19.07.2015, 14:53

stern hat geschrieben:Einen Mitteilung, dass man einschläfernd wirkt, finde ich wenig hilfreich, sondern eher deplatziert... und ist auch nicht unnormal, wenn man dann leicht gekränkt ist.
Eher kurz ( der Tag draußen ruft):

Gut, ich glaube wir sind uns einig, dass die Aussage des Therapeuten der TE deplaziert war, in der Art und Weise, wie sie gegeben wurde.

Aber:
stern hat geschrieben:Dass Monotonie als einschläfernd oder beruhigend empfunden werden kann, ist den meisten Menschen ja auch klar. Nicht aber unbedingt, dass der Patient depressive Zustände des Patienten Thema sind, während er vom tollen Tag in der Eisdiele erzählt. Und DAS ist nach meinem Verständnis primär herauszufinden.
Da würde ich so nicht mitgehen. Dann muss man das wahrscheinlich individuell sehen.
Ich muss zugeben, ich habe mich erst vor kurzem bewusst und im Detail mit dem Thema Stimmlage beschäftigt.#
Aber wenn ich mich so umsehe (oder höre) so denke ich, ist dies einigen Menschen nicht so bewusst. Es gibt bspw. so viele sprachlich schlechte Vorträger ...

Wiederum etwas anderes hineinlegen als der Patient theamtisch erzählt, finde ich schwierig. Das würde ja bedeuten, Therapeut schlägt vor, der Tag in der Eisdiele wurde gar nicht von der Patientin als toll empfunden, weil er, der Therapeut, schläfrig wird. Da würde ich mich als Patientin nicht ernst genommen fühlen bzw. nicht getützt, eher sogar miesmachend in die Depri geschubst, währenddessen ich mich doch annähere, etwas schönes auch als schön und toll zu empfinden ...
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