Gute und schlechte Therapeuten

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

leberblümchen
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Beitrag Mo., 06.07.2015, 15:31

Chaosfee, ich meine auf jeden Fall, dass sich NUR die Frustrierten oder die Verliebten äußern. Ich habe noch nie gesehen, dass überhaupt ein Th. bewertet wurde, aber von Ärzten kenne ich das: Da siehst du 20 Leute, die eine 1,0 vergeben und drei, die eine 5,0 vergeben. Das spiegelt ganz sicher nicht die realen Fähigkeiten des Arztes wider.

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stern
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Beitrag Mo., 06.07.2015, 15:33

chaosfee hat geschrieben:Er hat dinge getan, die grundfalsch sind. Das ist das, was ich gerne rechtzritig erkennen möchte.
hehe, die Antwort darauf hätte ich auch gerne. Mehr in Richtung, dass man rechtzeitig erkennt, ob und wann sich eine Fehlentwicklung anbahnt. In einer funktionierenden Therapie sollte das auch eine Therapeut erkennen können => einen "guten" Therapeuten (mit dem Begriff tue ich mir auch schwer) macht z.B. aus, dass er Therapieverläufe reflektieren und fachlich geeignete Vorgehensweisen anwenden kann. Es gibt Literatur, in der z.B. problematische Entwicklungen beschrieben sind. Hm, vermutlich gibt es davon mehr als man hier sammeln könnte. Nur hilft die Kenntnis solche "objektivieren" Sachverhalte nur bedingt viel. Sondern wichtig ist wohl insbes. auch das subjektive Störgefühl, dass etwas nicht passen könnte. Allerdings kann ich nicht behaupten, dass das immer ausreicht (selbst wenn es der Patient anspricht, dass evtl. etwas aus dem Ruder läuft). Wichtig kann dann sein, Supervision einzuholen (Therapeut, aber evtl. auch der Patient). Fehler macht ja normal niemand absichtlich, sondern sie unterlaufen. Und die Kunst ist in der Tat, sie zu erkennen. Von außen kann das hingegen sehr leicht zu erkennen sein. Ich würde es auch als Qualitätsmerkmal ansehen, wie jemand darauf eingeht, wenn man Bedenken anspricht. Ganz wesentlich ist wohl professionelle Distanz. Leichter zu erkennen ist vermutlich, wenn Aggressionen im Raum stehen. Schwerer z.B. Idealisierung/Verliebtheit, in die evtl. auch ein Therapeut verstrickt sein kann, sprich: Was sich gut anfühlt, muss auch nicht in jedem Fall wirklich gut sein. Aber ein "guter" Therapeut kann dazu angemessene Distanz halten. Fachkompetenz und Erfahrung mit der Problematik des Patienten.
Liebe Grüße
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chaosfee
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Beitrag Mo., 06.07.2015, 15:38

Ich habe das Gefühl, ein ganz dickes Brett vor dem Kopf zu haben und es einfach nicht zu sehen. Wahrscheinlich bin ich therapiemüde.

Es tut mir Leid, dass sich das Thema seit 5 Seiten im Kreis dreht.

Vermutlich gibt es tatsächlich keine Objektivität. Und ich habe nur ein sehr, sehr schlechtes Urteilsvermögen. Ich möchte trotzdem noch einmal die von captcha auf Seite 1 verlinkte Radiosendung zu dem Thema empfehlen, die war wirklich interessant.

Edit: lb und stern nicht gelesen.
"Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen." Adorno

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stern
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Beitrag Mo., 06.07.2015, 16:06

chaosfee hat geschrieben:IAuch die gerade scheiternde Therapie wird von einer Therapeutin durchgeführt, die mir als "gut" angepriesen wurde.
hm, und genau deswegen finde ich es schwer, objektive Kriterien anzulegen.
chaosfee hat geschrieben:IWomit ich zur zweiten Frage komme: Woran soll ich das in 5 Sitzungen erkennen?
Die Frage dürfte auch irgendwo in meinem Blog stehen. Die Antwort habe ich auch nicht... und ich gehe auch nicht davon aus, dass man das in 5 Sitzungen erkennen kann, wie die Therapie laufen wird. Denn es kann so viel in der Zwischenzeit passieren.

Ich werde sicherlich auch einige Bedenken mitbringen, die auch (soweit es möglich war) angesprochen habe. Nun, und dann kann man schauen, wie jemand darauf eingeht. Und nicht ganz unwesentlich ist vielleicht auch, zu schauen, was vorher war... möglichst transparent (natürlich auch nur, soweit etwas Vertrauen vorhanden ist). Manche Therapeuten rechnen wohl damit, dass sich das wiederholen könnte... und je klarer das bereits von Anfang ist, desto eher kann man das im Blick behalten. Bei meiner "Supervision" nannte eine Therapeutin (Beratungsstelle) und eine Analytikern ohne dass ich viel erzählen brauchte (und unabhängig voneinander) 2x das gleiche Schlagwort, das die Situation beschrieb. Und ich glaube, wenn ein Therapeut ausreichend professionelle Distanz wahren kann, desto unwahrscheinlicher werden Entgleisungen eines Therapieverlaufs.

Persönlich kann ich nicht nach objektiven Kriterien gehen (kann aber bei dir anders sein). Sondern ich kann nur schauen, wie etwas auf mich wirkt. Nun, dass das so bleibt, ist vermutlich nie in Stein gemeiselt. Aber dann gilt es wohl, das anzusprechen.

Und je klarer man selbst hat, an welchen Stellen man Schwierigkeiten hat, desto eher kann ein Therapeut abwägen, ob er damit kann oder nicht - wenn man das anspricht.

Ich glaube, es ist noch nicht einmal Aufgabe des Patienten zu erkennen, ob eine Therapie zu scheitern droht (aber natürlich ist es im eigenen Interesse, das zu erkennen). Wichtig ist es, Zweifel anzusprechen. Nur besteht eine Therapie aus 2x Menschen, so dass man dann ja auch darauf angewiesen ist, wie jemand damit umgeht. Und das kann man evtl. bereits etwas in Probesitzungen erkennen.
Liebe Grüße
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montagne
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Beitrag Mo., 06.07.2015, 16:16

chaosfee hat geschrieben:Meinst du, dass 10 Leute, die jemanden empfehlen, alle verliebt sind (ohne Ironie)? Oder dass ein guter Therapeut 10 Frustrierte aus seiner Therapie entlässt?
Ich denke ja.
Hier im Forum lesen wir doch mehrfach die Geschichte von Verliebtheit, die sich zu dem Zeitpunkt, zu dem die User dann hier schreiben, als Übergriffigkeit, als Schein, als schwerer Therapiefehler herausgestellt hat.
Und wir lesen oft über unglaubliche Wut, über das "Wissen", dass die Therapie nun beendet ist. Und dann ging es doch weiter.... und scheint gut zu werden.
Und wenn diese Klienten dann in ihrer Verliebtheit, in ihrer Wut Bewertungen schreiben? Später mag sich alles ganz anders rausgestellt haben, aber nun steht die Bewertung da.

Ich denke es geht kaum anders, als sich selbst zu vertrauen.
Das Gefühl hast du ja in dir. Du wusstest, du fandest es nicht okay für sie das und wie sie die Videoaufzeichnungen ansprach. Es ist ja vielsagend, was am Anfang so passiert. Ich denke nicht nur der Klient zeigt sich am Anfang und gibt eine Gebrauchsanleitung für sich ab (hab das mal so gelesen und würde dem zustimmen), auch der Therapeutin gibt eine Gebrauchsanleitung für sich ab, denke ich.
Zumindest, wenn ich an meine Therapeutin denke, so hat sie, teils in Nebensätzen unbewusst, teils bewusst, aber interessanter war eben das unbewusste, schon in den ersten Stunden gezeigt wo ihre Stärken sind, was sie mir geben könnte und wo sie Grenzen hat. Meine Einschätzung dessen hat sich auch nach mehreren jahren der Zusammenarbeit und vielen Erfahrungen mit ihr, nicht geändert.
amor fati


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chaosfee
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 12:39

Tja, dann hat man wohl Pluspunkte, wenn man ein stabiles Gefühl für eine Beziehung entwickeln kann und Pech, wenn man beziehungsgestört ist. Dann bleibt nur noch Objektivität, und wenn es die nicht gibt, dann bleibt gar nichts mehr außer dem Blindflug.

Ja, ich hatte starke Bedenken wegen der Aufzeichnungen, aber ich konnte anhand dieses Konfliktes zwischen der Therapeutin und mir nicht auf ihre Therapie, ihre Arbeitsweise und ihre Prioritäten schließen und anhand dessen eine kluge Entscheidung für oder gegen die Zusammenarbeit treffen. Ich war nicht in der Lage einzuschätzen, ob das schon wichtig genug war für eine Absage.

@stern: Absichtlich machen sicher die wenigsten Therapeuten Fehler, aber fahrlässig.
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Jenny Doe
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 13:16

Huhu zusammen,

ich starte ja derzeit eine weitere Therapie, .... und gehe diesmal ganz anders vor als sonst. Ich bin diesmal nicht da rein gegangen und habe gesagt "so und so soll se sein", sondern mir Gedanken gemacht, was mir an der Thera gefällt und was nicht. Dann habe ich geschaut, was überwiegt und ob ich mit dem, was mir nicht so dolle gefiel, klarkommen kann. Kann ich. Ich bleib bei ihr. Ob sie mir auch wirklich helfen kann, das wird die Zeit entscheiden. Die probatorischen Sitzungen fühlen sich schon mal ganz gut an.
Sie hat Eigenschaften und Verhaltensweisen, die mir gefallen, die andere Therapeuten nicht hatten. Umgekehrt fehlen ihr Eigenschaften und Verhaltensweisen, die mir an den anderen Therapeuten gefielen.
Wie bei jeder Beziehung so denke ich auch bei der therapeutischen, dass man Kompromisse eingehen muss. So wie es nicht den 100% perfekten Lebenpartner gibt, Macken hat jeder, so gibt es auch nicht den 100% perfekten Therapeuten.
Ihre positiven Eigenschaften und Verhaltensweisen überwiegen.Ich kann mir eine Zusammenarbeit mit ihr vorstellen.
Ob sie für mich eine gute oder schlechte Therapeutin ist, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Das kann ich erst sagen, wenn sich abzeichnet, ob ich mit ihr meine Therapieziele erreichen kann oder nicht. Wenn ich sie erreiche, dann war sie für mich eine gute Therapeutin, wenn nicht, dann war sie für mich schlecht. Derzeit kann ich nur sagen, was mir an ihr gefällt und was nicht, aber das macht sie für mich noch nicht zu einer guten Therapeutin gut. Einen guten bzw. schlechten Therapeuten mache ich am Erreichen meiner Therapieziele fest.
Meine Therapeutin muss nicht perfekt und vollkommen sein. Wichtig ist für mich in erster Linie, dass sie mir hilft.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


montagne
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 13:35

@chaosfee:
Falls du mich meinst. Ich habe meine Therapie auch nicht mit einem sicheren Gefühl für Menschen und Beziehungen begonnen. Ich fühle mich inszwischen sicherer, aber nicht sicher. Die fehlende Sicherheit ist mein Grundthema in der Therapie.
Das ist bedauerlich für Menschen, die diese Unsicherheit in sich tragen, es ändert aber nichts an den Tatsachen.
Ich war nicht in der Lage einzuschätzen, ob das schon wichtig genug war für eine Absage.
Ich verstehe diese Frage sehr gut. So ging es mir nicht nur zu Beginn, sondern immer und immer wieder: Fehler, Dissonanzen passieren. Ist halt so. Und jedesmal frage ich mich: Darf das noch sein? Oder sollte ich gehen?

Ich denke niemand kann dir darauf eine allgemeine Antwort geben (abgesehen von dem, was in der Berufsordnung oder do's und dont's steht. Mehr kann es nicht geben. Das ist schwer auszuhalten. Denke aber anders geht es nicht. Die Sicherheit ist doch für viele erst das Ziel, nicht die Voraussetzung für eine Therapie.
amor fati


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chaosfee
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 13:55

Vielleicht kann man das so flockig dahinschreiben, wenn man eben nicht bei -zig Therapeuten saß und und nach so vielen Jahren die nächste Fehlbesetzung getroffen hat. Schön für dich, wenn du in deiner erfolgreichen Therapie schon was erreicht hast und derzeit die Chance hast, noch mehr zu erreichen. Andere müssen dann eben mit einem "das ist nun mal so" leben. Mehr kann es eben nicht geben. So what.
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montagne
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 14:08

Findest du das locker, flockig? Das war sicher nicht meine Absicht.

Ich sehe das ja auch so, ja es ist erstmal ein Blindflug. Gleichzeitig aber hast du doch schon Erfahrungen gemacht und weißt was du brauchst, was dir gut tut und was nicht.
Kann doch sein, das dies auch die Frage deines Therapeuten war: Wonach beurteilst DU einen "guten" Therapeuten, also einen bei dem du das Gefühl hast, da kommst du voran? Das kann einfach nicht objektiv sein und es kann dir auch niemand sonst sagen.
Aber du weist doch, was tat dir gut, an deinem Therapeuten? Was tat dir nicht gut bei denen, bei denen es gescheitert ist? Woran ist es gescheitert? Da müste sich doch eine ziemliche Liste von Dingen ergeben, die du brauchst, an denen du einen für dich guten Therapeuten erkennst und dan denen du einen für dich schlechten Therapeuten erkennst.

Macht es Sinn mich anzumotzen, weil es keine bestimmt richtigen, gültigen Kriterien (außer eben Berufsordnung und Gesetz) für alle Therapeuten und für alle Klienten, für alle Störungsbilder gibt?
Mehr kann es eben nicht geben. So what.
Deine Worte, nicht was ich gesagt oder gemeint habe.
amor fati


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chaosfee
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 14:19

montagne hat geschrieben:
Macht es Sinn mich anzumotzen
Nein. Das Thema stresst mich extrem. Tut mir Leid.
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Jenny Doe
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 14:26

@ chaosfee
Vielleicht kann man das so flockig dahinschreiben, wenn man eben nicht bei -zig Therapeuten saß und und nach so vielen Jahren die nächste Fehlbesetzung getroffen hat.
Ich gehör ja auch zu denen, die von einer Fehlbesetzung in die nächste geraten ist. Es wundert mich, dass ich noch nicht im Gunisses Buch Der Rekorde stehe. Ich mache jetzt wieder Therapie um endlich an dem Problem arbeiten zu können, mit dem ich eigentlich 1992 meine Therapiekarriere gestartet habe und nur an Therapeuten geriet, die mehr mit ihren eigenen Ideologien beschäftigt waren, als mit meinen Problemen.
Aber ein "Vorteil" haben meine Therapieerfahrungen: Ich weiß heute, was für einen Therapeuten ich brauche und was für einen nicht. Das ist mein Vorteil, den ich "Neulingen" gegenüber habe. Ich bin so erfahren, so dass ich für mich heute deutlich subjektive Kriterien meines guten Therapeuten definieren kann. Nach diesen subjektiven Kriterien suche ich mir heute meinen Therapeuten.
Wenn du von einer Fehlbesetzung in die nächste geraten bist, dann könntest Du Dir mal überlegen, was schief gelaufen ist, was dir nicht gut getan hat, was du gebraucht hättest, was anders hätte sein müssen, .... kurz: Dir überlegen, was deine Kriterien für einen guten Therapeuten sind. Du hast den Vorteil, dass Du über Erfahrungen verfügst. Nutz die Erfahrungen, die du gemacht hast um Deine eigenen Kriterien zu finden.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


montagne
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 14:35

Es tut mir auch Leid, chaosfee, wenn ich doch verletzt haben sollte.

Ich lese hier nur mit, schon die ganze Zeit und wollte dir irgendwie etwas da lassen, was dein vertrauen in deine Wahrnehmung stärkt. Eben weil ich diese verdammte Unsicherheit kenne. Ja, ich hatte Glück mit meiner Therapeutin, echt richtig Glück.
Trotzdem oder gerade deshlab wollte ich dir irgendwie Mut machen, dir mehr zu vertrauen, irgendwie. Mut zum subjektiven. Ist vllt. nicht so gelungen.

Es tut mir ganz aufrichtig Leid, dass du so oft Pech hattest. Ich glaube durchaus, dass es genug Therapeuten gibt, die nicht sorgsam genug arbeiten, nicht achtsam genug sind. Vielleicht sogar Therapeuten, so eine Analytikerin (war auch Supervisorin und Lehranalytikerin) traf ich mal, die fachlich sicher echt versiert sind, für die aber Klienten nur Arbeitsmaterial sind, mit dem sie eben arbeiten, um weiter voran zu kommen, um sich zu beweisen. Den ganzen Mensch sehen sie nicht. Denke sowas gibts zu genüge. Wär nicht mein Ding. Da nehme ich lieber eine fachlich weniger gewiefte Therapeutin, die aber bereit ist, sich auf mich einzustellen, die Klienten als ganze Menschen sieht und überhaupt ein Menschenbild hat, mit dem ich mitgehen kann. Denn fachlich dazu lernen ist einfacher als menschlich lernen zu müssen...
amor fati


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chaosfee
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Beitrag Mi., 08.07.2015, 19:37

Montagne, wenn ich deinen letzten Absatz lese, werde ich sehr traurig, denn es erinnert mich an meinen letzten Therapeuten. Trotzdem danke für deine Erklärung, jetzt verstehe ich besser, was du meintest. Danke auch dafür, dass du dir trotzdem noch Gedanken gemacht hast, auch wenn ich so blöd war.

Ich fürchte, dass ich tatsächlich eine Art "Arbeitsmaterial" für die neue Therapeutin sein könnte. Ich habe nichts dagegen, wenn ein Therapeut einen Fall interessant findet, aber es sollte in erster Linie um den Menschen gehen, nicht um den Fall. Kann man so was einfach so im Erstgespräch fragen? "Geht es Ihnen um den Menschen oder um den Fall?"

Danke auch für's Mut machen, an alle hier, die das immer wieder versuchen, aber da habt ihr mehr Vertrauen in meine Menschenkenntnis als ich. Ich trau mir selbst nicht über den Weg. Die Therapeutin meine Gefühle als Widerstand gegen die Therapie gedeutet. So etwas verunsichert mich. Ich war so verzweifelt, dass es sich nicht wie ein bloßer Widerstand angefühlt hat. Aber es verunsichert mich, wenn jemand darauf beharrt. Meine Wahrnehmung begründet sie als psychischen Defekt. Wem soll ich da trauen - meiner defizitären Psyche oder ihrer Fachkenntnis?

Jenny, was, wenn das, was mir gut getan hat, aber nicht therapeutisch gut war. Was, wenn der Therapeut kontraproduktiv handelt, indem er mir gut tut? Was, wenn der Schmerz der richtige Weg ist?
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Jenny Doe
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Beitrag Do., 09.07.2015, 05:01

@ chaosfee
Die Therapeutin meine Gefühle als Widerstand gegen die Therapie gedeutet. So etwas verunsichert mich. Ich war so verzweifelt, dass es sich nicht wie ein bloßer Widerstand angefühlt hat. Aber es verunsichert mich, wenn jemand darauf beharrt. Meine Wahrnehmung begründet sie als psychischen Defekt. Wem soll ich da trauen - meiner defizitären Psyche oder ihrer Fachkenntnis?
Ich beginne zu verstehen, was Du mit objektiven Kriterien meinst und warum Du nach diesen suchst. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Dieses Therapeutenverhalten war der Grund dafür, warum ich nicht aus den mir schädigenden Therapien rauskam. Wenn die eigene Wahrnehmung als falsch abgestempelt wird, worauf soll man dann noch vertrauen können? Was soll einen dann noch vor schlechten Therapeuten warnen können? Wenn man nicht bei sich selbst bleibt oder bleiben kann und sich zudem durch scheinbar "gute Argumente" und falsche Interpretationen des Therapeuten verunsichern lässt, dann entsteht eine Sehnsucht nach objektiven Kriterien, da man keine subjektiven Kriterien zu haben glaubt und sich nicht auf sich selbst verlässt.
Ich könnte Dir jetzt antworten "Sowas tut ein guter Therapeut nicht". Aber dem ist nicht so. Zum einen können sich auch gute Therapeuten irren, auch ein guter Therapeut ist nicht fehlerfrei. Zum anderen könnte der Therapeut ja auch Recht haben, und man verdrängt, überträgt, vermeidet, unterdrückt, wehrt, ... sich tatsächlich.
Das ist das Dilemma in Psychotherapien. Selbstwahrnehmungen, die uns vor schlechten Therapeuten warnen könnten, können zugleich auch falsch sein.
Ein guter Therapeut wird jedoch nicht darauf beharren Recht zu haben. Er wird sich Deine Selbstwahrnehmungen anhören und keine Scheu davor haben, sich selbst, seine eigene Meinung, Interpretation, Diagnose, ... zu überprüfen und Fehlinterpretationen zu korrigieren.
Wenn Du Probleme damit hast Dir selbst zu vertrauen und auf Dich zu hören, ... Du spürst ja etwas. Du spürst Verunsicherung. Diese Verunsicherung sagt Dir ja, dass etwas nicht stimmt. An diesem Punkt könntest Du eingreifen, indem Du deine Zweifel und Unsicherheiten Ernst nimmst und auf sie hörst. Du könntest mal inne halten, vielleicht eine Therapiepause einlegen, und bei Dir selbst nachspüren, was dich verunsichert, ob Dein Therapeut mit seinen Interpretationen Recht hat oder auf dem Holzweg ist.
Jenny, was, wenn das, was mir gut getan hat, aber nicht therapeutisch gut war. Was, wenn der Therapeut kontraproduktiv handelt, indem er mir gut tut? Was, wenn der Schmerz der richtige Weg ist?
Klar, es ist z.B. ein tolles Gefühl mit dem Therapeuten ins Bett zu hüpfen. Gleichzeitig entsteht entsetzliches Leid und therapeutisch gut ist das gewiss auch nicht.

Ich denke, dass man als Klient nicht umhin kommt dem Therapeuten mit einer gesunden Skepsis zu begegnen, bei sich selbst zu bleiben, auf Gefühle wie Verunsicherung zu hören und diesen auf den Grund zu gehen, zu schauen, ob die Therapie einem gut tut oder nicht, sich selbst und den Therapeuten kritisch zu hinterfragen, ...
denn auch Therapeuten sind nur Menschen. Auch gute Therapeuten können sich irren. Und dann gibt es da noch jene, die ihren Beruf aus dem Machtmotiv heraus ergriffen haben, Recht haben wollen, Begriffe wie Übertragung und Widerstand missbrauchen, um den klienten in die gewünschte Richtung zu manipulieren.

Versuch bei Dir selbst zu bleiben, inne zu halten, deinen Verunsicherungen nachzugehen, ... Denn im Grunde spürst Du ja, dass etwas nicht stimmt, du hörst nur nicht auf dich und Deine Warnsignale. Du lässt dich durch "gute Argumente" verunsichern. Du spürst Verunsicherung. Auf dieses Gefühl könntest Du hören. Dieses Gefühl schützt dich vor schlechten Therapeuten und auch vor guten, die sich irren können, da auch sie nur Menschen sind.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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