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So., 23.08.2015, 16:12
Ich hab dein Eingangspost gelesen und dann den Rest zum Teil.
Erst mal, eins sollte dir klar sein: Diese psychische Krankheit hat 2 Jahrzehnte Vernachlässigungen und Misshandlungen gebraucht um sie zu "erschaffen", dir die emotionalen Defizite in sozialen Beziehungen anzulernen, die du heute hast. Ein emotinal "normal entwickelter" junger Erwachsener braucht 20 Jahre Entwicklung um durch Kindheit und Jugend zu gehen, mit Bezugspersonen die einen grossen Teil jeden Tages mit ihm verbringen um da das ganze emotionale Rüstzeug zu lernen, das ein gesunder Erwachsener hat.
Jetzt überleg mal: Eine Psychotherapie von ein Mal die Woche soll in ein paar Monaten das alles, was bei dir fast 20 Jahre lang schiefgegange ist nachträglich ins Lot bringen? Das ist doch eine unrealistische Erwartungshaltung an dich selbst, oder? Ich meine Klavierspielen, das muss man Jahre lang jeden Tag üben, damit man es einigermassen gut beherrscht. Stell dir doch "soziale Beziehungen offen, vertrauensvoll und gesund führen" als dein persönliches Klavierspielen vor. Es ist möglich es zu erlernen, aber es wird eine Menge GEDULDIGE Übung mit passender Anleitung über eine längeren Zeitraum brauchen. ngefangen hat.
Für mich hört sich das ganze Szenario ja hochgradig heftig an und ein paar Sachen finde ich fragwürdig.
Erstens: Wurde bei dir vor Therapiebeginn eine ausführliche Diagnostik gemacht, um festzustellen, welches Störungsbild unter deinen Symptomen liegt und welche Therapieform für dich überhaupt sinnvoll wäre?
Und zweitens, welche Rolle spielt deine Lebensgestaltung in diesem Prozess. Weil derzeit betreibst du ja ganz offensichtlich eine Lebensgestaltung die deiner Genesung nicht förderlich ist und Raubbau an deinen bereits sehr eingeschränkten Ressourcen betreibt. Du hast eine Tendenz auf Biegen und Brechen eine heiles Fassadeleben (die Hochzeit deiner Angehörigen, die eigene Hochzeit, die mehreren geplanten Kinder obwohl du jetzt schon nur noch auf dem Notstromaggregat fährst, die Beziehung die du durch dein längerfristiges Belastetsein auf Dauer auch gefährden wirst etc) aufrechtzuerhalten. Das Problem ist, das ist auf Dauer so kraftzehrend, das geht nicht ewig gut.
Irgendwann klappt der stärkste Mensch in so einem Lebensszenario zusammen und das Notstromaggregat, das für sowas überhaupt nicht ausgelegt ist macht dir die Grätsche. Niemand kann sagen, ob, wann und wie du dann genau dekompensieren wirst, aber eins solltest du wissen: Sollte das passieren, dann geht erst mal für lange Zeit GARNIX mehr, und die Frage ob du Medikamente willst, ob du in eine Akutklinik willst, ob du noch weitere Kinder willst oder nicht, die stellt sich dann nicht mehr. (glaub mir, ich hab das durch, komplett dekompensieren, das willst du NICHT, weil da ist das was du jetzt erlebst nichts dagegen)
Für mich stellt sich die Frage, wäre nicht zu diesem Zeitpunkt etwas strikt verhaltenstherapeutisches, wo es nur um die Verbesserung deiner Ressourcen und Fähigkeiten geht, erheblich sinnvoller, als eine Therapie, die dich in einem Jahr bisher so destabilisiert hat, dass du wieder ritzt, kotzt und dich mit -suizidgedanken plagst. Das mag ja okay sein, wenn es mal nach einer besonders intensiven Sitzung zeitweilig passiert, aber hier geht ja die Tendenz generell abwärts, und ich sehe nicht, wo diese Therapie ein stützendes, dich ganz praktisch fürs Leben fähiger machendes Element hat, etwas das du derzeit offenbar ganz dringend benötigst. Du hast nicht die Kraft dich selbst zu stabilisieren und du lernst es in der Therapie auch anscheinend nicht.
Und ich frage mich, warum sieht diese Therapeutin, gerade auch in Anbetracht, dass du hier ein kleines Kind zu versorgen hast nicht, dass du im Moment für diese Form von Therapie, die offenbar vorrangig tiefenpsychologisch ist so nicht stabil genug bist? Bzw warum nimmt das Thema "deine Stabilität" in den Sitzungen offenbar absolut keinen Raum ein? Warum bekommst du keine Hilfe, mit deinen Gefühlen besser umgehen zu lernen? Weil du sagst zwar, dass du nichts fühlen kannst, nicht sagen kannst, aber das sind ja auch Gefühlsäusserungen, die hier und jetzt vorhanden sind, mit denen man arbeiten kann und muss. Was gibt sie dir an ganz konkreten Hilfsmitteln an die Hand, damit für dich besser mit exakt dieser Situaton umgehen zu lernen?
Ich habe den Eindruck, dass das nicht vorankommt, weil sie dich ganz einfach mit ihrem Therapieansatz nicht da abholt wo du jetzt gerade stehst.