Kann ein Thread über 'Erfolgsberichte' funktionieren?

Themen und Smalltalk aller Art - Plaudern, Tratschen, Gedanken, Offtopic-Beiträge (sofern Netiquette-verträglich..) und was immer Sie hier austauschen möchten.

Jenny Doe
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Beitrag Fr., 15.05.2015, 21:47

@ Widow
Das liegt nicht zuletzt daran, dass mir im ersten Falle die selbsterbrachte 'Leistung', auf die man - wie es hier hieß - "stolz" sein könne, deutlich unklarer zu sein scheint als im zweiten.
Warum überlässt Du es nicht dem anderen selbst zu beurteilen, was für ihn Erfolg und Leistung ist und worauf er stolz sein kann? Warum glaubst du etwas beurteilen und über andere urteilen zu können, was Du gar nicht beurteilen kannst? Warum glaubst du, dass Du mehr weißt und besser weißt, als der Betreffende selbst? Wenn etwas für dich unklar ist, muss es nicht auch bei anderen so sein.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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leberblümchen
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Beitrag Fr., 15.05.2015, 22:39

Ach, Lynn, du hast fachliche Ansprüche an Äußerungen? Gilt das auch für deine eigenen? Ich frag mich das nur, weil dazu in erster LInie Wahrhaftigkeit gehören würde, meine ich. Ich denke nicht, dass ich das hier ausführen muss (es sei denn, ich hab deine 'Vorstellung' hier irgendwie verpasst).

Jenny, wegen des leeren Blattes in der Schwindelklinik: Ich weiß nicht, ob ich es begründen kann, aber ich sehe einen großen Unterschied darin, am Anfang des Klinikaufenthaltes sein Leid zu klagen - oder am Ende vor Anderen aufzuzählen, was man alles gelernt hat (MIR fällt da tatsächlich zuallererst ein, dass der Therapeut das womöglich für SEIN Ego gut gebrauchen konnte, aber klar: kann ich nicht beurteilen; war nur eine Assoziation). Jedenfalls verspürt der Patient am Anfang des Aufenthaltes einen großen Leidensdruck (DRUCK!). Am Ende ist im Idealfall dieser Druck weg. Das ist dann ein Erfolg. Aber da wo kein Druck ist, da drängt vielleicht auch nichts, oder? Und wenn nichts drängt - wozu muss ich es dann öffentlich berichten? Das erschließt sich mir gar nicht.

Ich selbst habe keine Klinik- oder Gruppentherapie-Erfahrungen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass ich zumindest gerne die Möglichkeit hätte, diesen Erfolg für mich selbst zu spüren und ihn nicht so gerne auf Knopfdruck abliefern wollen würde.

Was jammerndes Schreiben im allgemeinen betrifft: Darin bin ich auch ganz groß. Aber auch da: Ein aufmerksamer Leser wird erstens merken, WO er sich befindet (wobei es mir immer wieder ein Rätsel ist, wieso jemand den Blog eines Anderen liest, nur um die dortigen Texte dann als 'Furz' zu bezeichnen; was sagt das über den Leser aus? In anderer Leute Klo glotzen???): Also konkret: Handelt es sich um eine Austausch-Rubrik oder um eine 'ich mit mir fast alleine'-Rubrik? Und zweitens wird der aufmerksame Leser merken, ob der Betroffene in einem "immer-sind-alle-anderen-schuld-nur-ich-bin-geil"-Modus unterwegs ist (und zwar dauerhaft), oder ob er (der Begriff ist aus der Literatur geklaut) "an sich selbst leidet". Manchmal verschwimmen die Grenzen, logischerweise. Ist einfach so bei Menschen, dass die sich oft blöd verhalten und jammern, wo's nüscht zu jammern jüpt. Aber eben nicht immer oder hauptsächlich. Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir ehrlich gesagt kein (!) User ein, der in seinem Blog sich selbst ganz toll und die Umwelt ganz blöd findet. Insofern ist das, wie widow sagt, einfach ein Protokoll einer jeweiligen Stimmung (meist eher zu ehrlich als zu 'schön', übrigens (worin m.E. eigentlich der hauptsächliche Vorteil dieser 'Protokolle' liegt: ehrlich runterschreiben, wie sich gerade was anfühlt)).


Jenny Doe
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 05:21

@ leberblümchen
Jenny, wegen des leeren Blattes in der Schwindelklinik: Ich weiß nicht, ob ich es begründen kann, aber ich sehe einen großen Unterschied darin, am Anfang des Klinikaufenthaltes sein Leid zu klagen (...)
Das war aber nicht der Grund für die Reaktion der Gruppenmitglieder. Der Grund war der, den ich genannt habe. (Ich war dabei, ich weiß, was die Gruppenmitglieder berichtet haben und auch wie es mir selber mit der Aufgabe ging )Es war allen unangenehm darüber nachzudenken, was man alles kann, was man alles an sich mag und das vor allen zu sagen. Es enstand bei allen ein unangenehmes Gefühl, ein Gefühl von Arroganz und Überheblichkeit. Hingegen Schwächen, Fehler und Leid zu berichten, fiel allen wesentlich leichter als zu erzählen, "wie toll" man sich selber findet.

Lies dir beispielsweise mal die Threads zum Thema Hochsensibilität durch. Wenn User berichten, dass ihnen ihre HS auch Vorteile bringt, man z.B. Dank der HS hochbegabt ist, ... dann kommen sofort Antworten derart, HSP würden sich für etwas Besseres halten. Berichten HSP hingegen nur, wie sehr sie leiden, dann sind alle glücklich.

Versuch es selber mal. Erzähl mal einer Gruppe, was Du alles kannst und an Dir selber magst oder eröffne mal einen Thread hier und erzähl "ich bin intelligent, ich bin hochbegabt, .." Ich bin sicher, Du wirst schnell Antworten bekommen derart "Du bist eingebildet, arroganz, hochnäßig, du blickst auf andere herab, ..."
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


leberblümchen
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 06:36

Aber WARUM sollte ich denn einen solchen Thread eröffnen? Ich glaube wirklich (!!!) nicht, dass alleine das Berichten positiver Dinge die Mitmenschen neidisch macht oder sie denken lässt, der Andere sei arrogant. Das hängt unheimlich vom Kontext ab und von der Person desjenigen, der schreibt oder spricht.

Vielleicht könnte man es auch als Frage formulieren: Würdest du denn ausschließen, dass irgendjemad zu einem anderen Menschen sagen könnte: "Herrlich, wie toll es mir gerade geht, denn...", um anzugeben?

Dass Menschen, die sagen, es geht ihnen schlecht, mehr Zuwendung erhalten, finde ich eigentlich logisch und auch wichtig.

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**AufdemWeg**
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 06:45

Hier in diesem Forum ist niemand gelandet weils ihm gut geht.
Da geht jeder seinen Weg und jeder weiss woher er kommt.
Wenn dann nach langer Zeit eine Besserung kommt und die mitgeteilt wird dann komme ich nicht mal auf die Idee darin Angabe zu sehen sondern vielmehr Freude oder auch Erleichterung.

Die Menschen sollen sagen wenn es ihnen schlecht geht
was ist aber mit denen
die nicht sprechen können?

Was ist wenn diese Menschen sich am Guten im Leben festklammern um nicht abzusaufen?
Zuletzt geändert von **AufdemWeg** am Sa., 16.05.2015, 06:50, insgesamt 1-mal geändert.
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leberblümchen
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 06:49

Ach, und welche Leute geben dann an? Das sind auch Menschen, denen es nicht gut geht und die ihre innerpsychischen Gründe für dieses Verhalten haben. Das Forum ist ganz sicher kein Ort der 'ausschließlichen Opfer'.

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**AufdemWeg**
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:01

ist wirklich moeglich mit psychischem Wohlbefinden anzugeben?

Angeben ist fuer mich materiell verbunden
aber das nicht automatisch verknuepft mit psychischem Wohlbefinden.

Ausserdem ist es doch hier schon so
dass die Wege der User gesehen werden.
Das kommt ja nicht ueber Nacht, dass jemand schreibt es geht ihm gut.

Und was heisst das schon bei der Psyche: gut gehen?
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**AufdemWeg**
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:12

und was ich auch nicht verstehe ich der Ansatz: Erfolg sollte gelebt werden.

ch versuche mir vorzustellen wie mein 10 jaehriger seinen Erfolg bei Jugend musiziert leben soll ohne dass er uns gegenueber auessern darf dass er sich freut.
Ist es nun kein Erfolg mehr?
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leberblümchen
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:17

Jenny, nochmal, ich würde noch gerne was zum Thema 'Tabu' ergänzen: Meine Auffassung ist, dass nicht die positiven Dinge wie Erfolg, Selbstbewusstsein, Freude und Freunde tabusiert sind, sondern dass das so ziemlich einzig wirkliche Tabu destruktive Gefühle sind: Du kannst leiden, krank sein und ein Opfer - und du wirst Solidarität erfahren (zum Glück). Du kannst glücklich sein und vielleicht gelingt es dir sogar, den Einen oder Anderen mitzureißen mit deiner Lebensfreude.

Was du dir aber never ever erlauben darfst, ist, Neid zu empfinden. Und wenn, dann muss der sich in Bewunderung äußern (was dann aber m.E. kein Neid wäre, sondern eben Bewunderung; Neid ist ja ein wirlich schlimmes Gefühl, das keinen Raum mehr lässt für schöne Gefühle wie Bewunderung). Du darfst nicht neiden und nicht hassen. Gehört sich einfach nicht. Angeben darfst du auch nicht; Angeben ist die Kehrseite des Neides: Da zeigt sich sozusagen der 'Gegen-Neid' als ein Gefühl von: "Endlich muss ich niemanden mehr beneiden".

Angeben und Neid sind so stark tabuisiert, dass man darüber einfach von sich in der ersten Person nicht sprechen darf. Man darf es nicht einmal wahrnehmen an sich; deshalb muss es verdrängt werden. Viel schlimmer als die Hemmung, über etwas Positives zu schreiben, finde ich daher die Unmöglichkeit, das wirklich Schlimme zu erkennen (an dieser Stelle, auch wenn's nicht ganz passt, ein Hoch auf die Psychoanalyse, wo solche Gefühle plötzlich da sind und wo niemand sagt: "Du bist ja blöd, weil du neidisch bist").

Ich glaube, nichts ist so stark tabuisiert wie der Neid: Du kannst - zumindest in der Millionenstadt - nackt und mit pinker Glatze und zehn Ratten auf der Schulter rumlaufen, und kaum jemand wird Notiz nehmen. Aber zeige jemandem deinen Neid (und mit 'zeigen' meine ich 'zeigen' und nicht, es bereits analysiert zu haben und darüber sprechen können), und sämtlicher Hass dieser Welt wird auf dich projiziert.

Mit dem Angeben ist das noch mal raffinierter, denn um jemandem vorwerfen zu 'dürfen', er könnte angeben wollen, muss man bereits durch das 'Neid-Tal' gegangen sein, ansonsten, klar, wird dieser Vorwurf natürlich abgeschmettert, denn wer will sich schon sagen lassen, er sei neidisch? Wo das doch das Schlimmste ist, was einem an Reaktionen widerfahren kann. Schon alleine die theoretische Frage, OB Angeben überhaupt existiert, wird negiert; das heißt, sogar das DENKEN darüber verbietet sich. Zu gefährlich. Dabei wäre das eigentlich meiner Meinung nach WIRKLICH spannend, weil man so die Ebene des bloßen Beschuldens verlassen könnte und die Sache sozusagen anthropologisch betrachten könnte.

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**AufdemWeg**
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:21

es ist doch dann aber die Frage wie gehe ich mit meinem Neid um?

Der wird ja nicht weniger indem ich versuche den Anderen runter zu setzen?
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leberblümchen
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:30

Ich glaube, einen wirklichen Umgang kann man nur dann für sich finden, wenn man den Neid in einem Kontext äußern bzw. zeigen darf, wo er nicht tabuisiert ist. Also, hier geht das nicht, weil es einfach zu viele Menschen gibt, die einem den Neid vorwerfen. Geradeso, als würde man sich dieses Gefühl bewusst aussuchen, weil es einem so gut steht. Das ist der Witz an einem Tabu, dass man es nicht antasten darf. Weil der Neidvorwurf zum Neid gehört: Indem ich jemandem vorwerfe, neidisch zu sein, zeige ich ja selbst etwas von meiner eigenen 'Neid-Disposition'; ansonsten müsste ich den Neidenden ja nicht hassen. Auf ihn wird der eigene Neid projiziert, und das muss so sein, denn sonst könnte man mit seinem eigenen Neid ja gar nicht umgehen. Man ist froh, jemanden gefunden zu haben, bei dem sich dieses Gefühl unterbringen lässt. Und zwar auf eine - wie praktisch - 'sozialverträgliche' Weise, denn darin, den Neidenden zu hassen, ihn hassen zu dürfen, sind sich die Guten ja einig.

Wie gesagt: Für mich untrennbar mit der Neid-Diskussion verbunden, sollte eine Angebe-Diskussion erlaubt sein. Ist sie aber nicht. Weil dies noch mal die Steigerung des Neidvorwurfes wäre. Das 'den-Anderen-Runtersetzen' ist u.U. eine Reaktion auf ein empfundenes Angebe-Verhalten, von wegen: "Komm mal wieder auf den Teppich", aber: ist halt tabuisiert.

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**AufdemWeg**
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:39

Aber beinhaltet Neid immer ein es dem anderen nicht goennen?

Um mal wandelroeschens Thread zu nehmen:

ich bin neidisch wie komplikationslos sich die Beziehung zu ihrem Ex Therapeuten gestaltet.
Ich krieg nen Klos im Hals und im Magen weil das bei mir und meiner TfP nicht funktioniert...wir sehen uns auch, reden auch offener aber weit entfernt von etwas freundschaftlichem.
Ich spuer schon noch ganz genau welche Stellung sie hat.
Deswegen mein Neid
aber der beinhaltet definitiv nicht, dass wandelroeschen das, was sie erlebt, nun auch nicht haben soll weil ich das nicht habe.
Haette sie es nicht wuerde sich an meiner Situation genauso wenig veraendern wie jetzt wo sie es hat.
Was ich aber sehr wohl denke: aha das gibt es also doch die Bezuehung zu ueberfuehren.
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Nico
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:49

Ich finde das wird hier alles viel zu sehr hochgespielt. Wo wird hier denn jetzt plötzlich Hass empfunden ? Hey das ist ein Forum mit mehr oder weniger nichtexistenten Usern und Charakteren in einem sozial nichtexistenten Verhältnis zueinander.
Ich glaube es geht hier wiedereinmal nur um das gute alte Rechthaben um jeden Preis.
Und Neid darf hier doch nahezu in jeder Form ungeniert ausgelebt werden, wenn dem nicht so wäre, gäbe es hier doch so manches Posting und den dazugehörenden User schon längst nicht mehr. Also ist das alles doch eh offiziell vom Admin abgesegnet und bloß künstlich erzeugte Empörung.
Oder geht es eher darum hier den Neid als besonders edle Form und den Erfolg und die Zufriedenheit als besonders verwerflichen Auswuchs zu positionieren ?
Worin liegt eigentlich der anscheinend als so gravierend empfundene Unterschied ob hier Erfolg und Zufriedenheit öffentlich gemacht wird oder Versagen und gelebte Destruktivität ?
Letzteres gilt hier als Normalität, Ersteres ist verpönt.

Und ausserdem: Neid muss man sich ja auch erst einmal verdienen, oder ?
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)


leberblümchen
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:51

ADW: Natürlich kann jemand empfinden: "A hat was, was ich auch gerne hätte. Das schmerzt, aber ich gönne es ihm". Egal, ob man das als 'Neid' bezeichnet oder nicht: Es gibt aber dieses menschliche Gefühl, dass der Schmerz über das Nicht-Haben größer ist als die Fähigkeit, dem Anderen das Haben zu gönnen. Das gibt es einfach. Punkt.Dieses Gefühl ist jedoch tabuisiert. Und mit einer entsprechenden Intensität entlädt sich dann der Hass und die Projektion der 'Anderen' auf den Neidenden: Das sind ja fast explosionsartige Äußerungen, wie sie widow in diesem Faden irgendwo zitiert hat. Der Andere wird z.B. als 'solche Menschen' tituliert, was einzig den Zweck haben soll, sich selbst sauber zu halten (was wiederum bedeutet, dass der, der das schreibt, seinen eigenen Dreck auf diese Weise entsorgt). Dieser Diskussionsstil zeigt ja dann, dass es um den Inhalt gar nicht geht, sondern nur um die Beschuldigung und Abwertung eines Anderen, um sich selbst zu erhöhen.

Wenn ich aber sage: "XY, du hast dies und jenes geschrieben, mir fällt aber auf, dass...", dann ist das zunächst mal eine Beobachtung auf der Inhaltsebene. Die könnte man diskutieren, also von wegen: "Ich glaube, wenn du mir vorwirfst, anzugeben, dann ist das dein eigener Neid, weil ich denke, dass..." oder so ähnlich. Aber es ist nicht möglich, so miteinander zu reden.


ziegenkind
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Beitrag Sa., 16.05.2015, 07:58

ja, neid ist tabuisiert richtig. ich finde es interessant zu fragen, warum. tabus sind zwar in der regel nicht gut, sie haben aber gleichwohl fast immer einen rationalen kern.

neid ist für den, der ihn empfindet, ein schweres gefühl, glaub ich. eins, das schwer auszuhalten ist, schwerer noch als trauer oder wut. da ist die Verlockung unheimlich groß, es gleich weghaben zu wollen, dem anderen zuzuschieben. u.a. indem man sagt, du hast es ja aus allerlei billigen gründen nur darauf angelegt, dass ich neidisch bin.

und ja, ich glaube auch, dass das vorkommt, dass andere neid erwecken wollen. ich glaube weiterhin, dass das fast jeder schon einmal selber versucht hat, neid in anderen zu erzeugen. ich hab das auf jeden fall schon einmal getan. bin ich so was von gar nicht stolz drauf. fühlte sich auch jedes mal schäbig an.

aber wie dann weiter? wenn ein anderen meinen neid anstachelt, wär es dann nicht immer noch gut, bei mir zu bleiben und sich dort um das gefühl zu kümmern? wie könnte ein kümmern aussehen?

für mich wichtig und immer noch sauschwer, ist der erste schritt, Verantwortung für MEIN gefühl zu übernehmen, mich fragen, wo es her kommt und was ich jetzt mit ihm machen möchte. darum ist es in meiner Analyse gegangen: Gefühle spüren UND ansehen. ansehen heißt immer etwas Distanz gewinnen, mir selber über die schulter gucken, das gefühl nicht sofort regieren zu lassen, sondern es in einen Dialog mit meinem ich treten zu lassen.

noch einmal: mit neid ist das sehr schwer. ich war übrigens auch neidisch auf wandelröschen, und zwar v.a. darauf, dass sie so spontan hingegangen ist. das könnte ich (noch?) nicht. und mein neid hat mir gezeigt, dass ich das sehr, sehr, sehr gerne können würde.

von daher: wer schön, wenn das ginge, sagen zu können ich bin neidisch und dann nicht sofort dem anderen die schuld zuzuschieben mit dem satz: und du hast mich neidisch machen wollen und deshalb bist du jämmerlich und deshalb muss ich gar nicht neidisch sein, weil ich weiß ja, du bist nur eine arme socke, ärmer sogar als ich. das ist für mich ausdruck einer Unfähigkeit, sich und seine Gefühle ernst zu nehmen, erwachsen die Verantwortung für sich zu übernehmen..

und auch das noch: ich zumindest kann das nicht, 24 h am tag erwachsen die Verantwortung für mich zu übernehmen.

p.s. wenn das mit dem gönnen nicht geht, dann ist das meiner Einschätzung nach nicht eine folge davon, dass das gefühl des neids so groß und so wuchtig ist. es hat eher damit zu tun, dass die eigene Fähigkeit mit den eigenen gefühlen umzugehen (noch?) nicht so entwickelt ist. die entwickelt sich aber nicht dadurch, dass ich die Wuchtigkeit meiner Gefühle beschwöre und flugs jemanden suche, mit dem ich die Verantwortung für meine wuchtigen Gefühle teilen kann.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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