Wie weit darf Aufklärungsunterricht gehen?

Fragen und Erfahrungsaustausch über sexuelle Problembereiche wie Sexualstörungen, rund um gleichgeschlechtliche Sexualität und sexuelle Identität, den Umgang mit sexuellen Neigungen wie Fetischismus, S/M usw. - ausser Aufklärungs-Fragen.
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luftikus
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 09:10

stern hat geschrieben:Im rot-grünen Antrag hieß es, dass nach wissenschaftlichen Schätzungen 5 bis 10 Prozent aller Menschen lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell oder intersexuell sein sollen.
10 % scheint mir etwas zu hoch gegriffen zu sein, es dürften wohl gefühlt eher 5 % sein (was aber nichts heißen muss). Denn man sieht es den Menschen ja nicht an, wenn man sie auf der Straße sieht oder nur flüchtig kennenlernt. Aber auch 5 % sind immer noch viele Menschen - auf die Gesamtbevölkerung Deutschlands bezogen immerhin 4 Millionen.

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Krang2
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 12:08

Nun ist die Frage, aus welchen Stichproben diese Prozentzahlen errechnet wurden und wie ehrlich die Leute geantwortet haben, ich halte die Zahlen für realistisch, die hohe Schwankung in der Angabe für normal. Ich habe übrigens einigen Leuten Homosexualität schon "angesehen", andere Neigungen hingegen nicht. 5% rechtfertigen eine Erwähnung, ja, aber diese Leute für "Gender"-Pläne zu instrumentalisieren und die Lehrer gleich mit, ist im Grunde ein ideologisch motivierter Eingriff in den Sexualkundeunterricht, der so wie der Biologieunterricht insgesamt eher wissenschaftlich und wertfrei geführt werden sollte. Na, ich lasse mich überraschen, Vieles steht und fällt mit dem Lehrer, nicht mit dem Rahmenplan.


leberblümchen
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 12:54

Es gibt ja auch Modelle, nach denen die sexuelle Orientierung keine Frage von "entweder-oder" ist. Oder die 'Kategorie' MSM für diejenigen, die sich nicht als homosexuell sehen (wollen?). Wenn man die MSM einschließt in die Überlegungen, wie viele Menschen 'nicht primär heterosexuell' sind (von den homoerotischen Phantasien, von denen niemand was erfährt, mal abgesehen), dann bleibt vom Normalitätspostulat der Heterosexualität nicht mehr viel übrig... Oder, wie Oscar Wilde sagte: "a love that dare not speak its name".

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stern
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 13:10

Wobei ja auch bisher sich der Schulstoff nur bedingt an der quantitativen Häufigkeit des Vorkommens orientiert... also mglw. gibt es auch von ausgestorbenen Tierrassen überproportional mehr Abbildungen als von einem Tier, das in rauen Mengen vorkommt. Ich halte es schlichtweg für Polemik des Journalismus, wenn man Extrema heranzieht, Quellen verzerrt oder sich auf etwas bezieht, das schlecht recherchiert ist (wie das mglw. bei dem Schulbuch der Fall ist).

Da homo- und bisexuell sowie transsexuell als auch intersexuell einbezogen sind, kann ich mir 5-10% schon vorstellen... und es gibt ja auch (wissenschaftliche ) Sichtweisen, die die sexuelle Orientierung auf einem Kontinuum mit fließenden Übergängen verortet. Insofern bringt es vielleicht auch für denjenigen eine gewisse "Normalisierung", der sich zwar als hetero bezeichnen würde, aber z.B. homoerotische Fantasien hat. Ist wohl so: Wenn man abweichende sexuelle Orientierungen nicht berücksichtigt (die auch nicht als Störung gelten, sondern als normale Entwicklung gelten!!), so kann das das Signal setzen, dass das ein Tabu ist oder evtl. doch unnormal ist. Je normale der Umgang für etwas Normales, desto besser. Problem ist eher, dass es manche Menschen anscheinend doch nicht als normal ansehen, eine abweichende Orientierung zu haben...
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stern
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 13:35

Und wenn jeder seine sexuelle Orientierung leben würde, würde vielleicht auch in der Gesellschaft offensichtlicher werden, dass man nicht die Nadel im Heuhaufen suchen muss. Noch ist es ja so, dass viele das gar nicht öffentlich machen/leben, sondern verheimlichen (müssen). Insofern wird vielleicht von einer Normalität/Realität ausgegangen, die es so gar nicht gibt (in Ländern, in denen sogar Strafen blühen, ist das Vorkommen von Homosexuellen sogar noch seltener... nahezu bei 0 . Aber sicher nicht unbedingt, weil es dort keine abweichenden Orientierungen gibt. Es wird halt gesellschaftlich sanktioniert... in manchen Ländern sogar mit Todesstrafe. Und so gibt es Stimmen: Bei uns gibt es das nicht).

Schon allein, dass sich die Medien überschlagen, wenn Tim Cook oder Hitzelsperger verkünden, dass sie schwul sind, zeigt, wie wenig "Normalität/Selbstverständlichkeit" dem selbst hierzulande anhaftet... sonst bräuchte man es nicht berichten und spekulieren: Wann folgen die nächsten Manager/Fussballer/etc.
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luftikus
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 14:41

Ja, das denke ich auch: je restriktiver eine Gesellschaft ist, umso weniger sichtbar sind Homo- und Bisexualität, was aber nicht heißt, dass sie nicht existieren würde. Vielmehr können sich die Hardliner dann einfach bloß lautstark versichern, dass es das "bei uns nicht gibt!". Denn man sieht es nicht...

Sogar bei uns, wo das Klima inzwischen im weltweiten Vergleich relativ aufgeschlossen geworden ist, gibt es immer noch viele Homosexuelle, die es vorziehen, ihre Orientierung zu verbergen. Da wird der Umgebung immer noch eine Pseudo-Heterosexualität vorgespielt, mit angeblicher Partnerin (oder man behauptet, Single zu sein, obwohl man einen gleichgeschlechtlichen Partner hat).

So kommt es, dass immer noch viele Leute glauben, dass gleichgeschlechtliche Orientierung etwas Seltenes, irgendwie Obskures ist, mit dem man noch nie zu tun hatte... Dabei weiß man vielleicht bloß nicht, dass der Nachbar, der Arbeitskollege, der Onkel schwul ist.... Der doch nicht, der ist doch immer so nett. Und das würde man doch sehen... also, der bestimmt nicht....


leberblümchen
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 14:59

Du wirst einfach ständig irgendwie etikettiert: Neulich war ich bei einer Bekannten, die einen neuen Nachbarn hatte und dem wir begegnet sind. Sie meinte mit so einem typischen pseudoaufgeklärten Lachen: "Bei dem denke ich immer, dass er schwul ist, aber er hat ein Kind". Ich stelle mir das umgekehrt vor: dass ich irgendwo einziehe und ein schwuler Nachbar seinem Bekannten sagt: "Bei der denke ich immer, dass sie hetero ist". Das ist einfach nicht denkbar. Es ist deshalb nicht denkbar, weil die Homosexualität immer thematisiert werden MUSS als "abweichendes Verhalten". Denn wenn niemand auf die Idee käme, es als etwas von der Norm abweichendes zu betrachten, würde man es nicht thematisieren. Niemand würde sagen: "Bei meinem Nachbarn denke ich immer, dass der Schuhgröße 42 hat".

Und solange das so ist, dass du als Schwuler ständig denken musst, dass dein Innenleben ein Thema wird, wenn du dich IRGENDWIE verhältst, kannst du nicht wirklich frei sein. Du 'darfst' vielleicht de jure homosexuell sein, aber die Nachbarn, Arbeitskollegen, Mannschaftskameraden lassen dich nicht entkommen. Da bleibt dir dann nur, es zu ertragen, dass ständig hinter deinem Rücken getuschelt wird - oder in die Offensive zu gehen und endlich deine Ruhe zu haben.

Von homophoben Straftaten mal ganz abgesehen.

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luftikus
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 15:00

Krang2 hat geschrieben:Ich habe übrigens einigen Leuten Homosexualität schon "angesehen", andere Neigungen hingegen nicht.
Bei einigen kann man es vielleicht erkennen, oder besser gesagt, vermuten. Meiner Erfahrung nach kann man die gleichgeschlechtliche Orientierung nur einem relativ kleinen Anteil der Leute am Verhalten, der Stimm-Modulation, an den Gesten ansehen, dem Großteil aber nicht.

Viele Schwule neigen meiner Erfahrung nach eher zu maskulinem Auftreten (manchmal übertrieben - vielleicht, um Verdächtigungen vorzubeugen). Muskeln, Bart und deftig-männliche Kleidung sind im Trend. Ganz im Gegensatz zum Klischee des femininen Schwulen mit sanften Gesten und plüschigem Outfit, wie es noch in vielen Köpfen herumgeistert.


leberblümchen
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 15:04

Meine Tochter (9) hat mir gerade erzählt, dass sie heute das Thema 'Bordell' im Sachkundeunterricht hatten - allerdings im Zusammenhang mit Kinderprostitution. Sie hat es überlebt.

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luftikus
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 15:11

leberblümchen hat geschrieben:Es ist deshalb nicht denkbar, weil die Homosexualität immer thematisiert werden MUSS als "abweichendes Verhalten". .
Naja, zum Glück nicht mehr immer. Wenn die Leute erstmal dran gewöhnt sind, dann wird es zunehmend als normal angesehen, wenn jemand einen gleichgeschlechtlichen Partner hat.

Insofern hab ich Glück bei meinem Arbeitgeber: längere Zeit war hier sogar unser Abteilungsleiter offen schwul (er ist immer noch schwul, aber inzwischen woanderes tätig), das hat die Einstellung der Leute hier geprägt. Seitdem ist sowas eigentlich kein Thema mehr.


leberblümchen
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 15:28

Naja, aber ich glaube, es wird fast überall eben doch thematisiert als so ein "stell dir mal vor" oder "ich weiß was, was du nicht weißt". Es ist zunächst mal 'das Auffällige'. Natürlich gibt es auch Situationen / 'Gemeinschaften', wo es nicht wichtig ist, wer du bist. Vielleicht ist das an der Uni anders als in der Bank oder in Friedrichshain anders als in Tempelhof, aber ich glaube, das sind die Ausnahmen, dass eine homosexuelle Orientierung mal nicht wichtig ist als 'besonderes' Persönlichkeitsmerkmal eines Menschen, dem man neu begegnet.

Und um zum Thema zurückzukommen: Die große Chance liegt darin, es mit den Kindern gemeinsam zu betrachten. Kinder können mit vielen Dingen umgehen, vor denen Erwachsene Panik haben. Die müssen nicht sagen: "Wir haben einen Lehrer, der behindert ist, aber der ist trotzdem gut" - so, wie Erwachsene das tun. Und je früher (es kann nicht früh genug sein!) Kinder lernen, dass es keine Sensation ist, wenn jemand nicht sieht, wenn jemand nicht gut Deutsch spricht, wenn jemand stottert, wenn jemand dick ist oder sich nicht gut konzentrieren kann oder wenn ein Mann einen Mann liebt - umso größer ist die Chance, dass die Gesellschaft sich öffnet. Ich würde das nicht alleine dem Zufall überlassen wollen! Und ein verlorener Alibi-Türke in vier Grundschuljahren ist als Ausbeute an Diversity 'n bisschen mager...

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stern
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 16:43

Man (vgl. Medien) regt sich über ein (angebliches) Schulbuch auf, in dem es Häuser gibt, in denen LGBT-Familien wohnen. Ich denke ein wesentlicher Punkt ist, dass von der Hetero-Normalität ausgegangen wird... und so einige Leute durch das Raster fallen. Das ist nicht unbedingt böse Absicht, sondern dass in vielen Köpfen Mutter-Vater-Kind als wahrscheinlicher oder ausschließlicher Normalfall vorausgesetzt wird... nicht nur auf Sexualität bezogen, sondern auch was verschiedene Lebensformen angeht (und so soll es nach Ansicht einiger Demonstranten wohl auch bleiben). Man denke z.B. an einen handelsüblichen Fragebogen, in dem als Ankreuzalternativen dann nur ledig und verheiratet, verwitwet stehen. Die Frau, die gefragt wird "und was macht ihr Mann", usw. Auch das, was leberblümchen anspricht: Der Schwule nebenan oder Tim Cook ist ein Thema (da bemerkenswert). Bei der Frau, die einzieht, würde man der Nachbarin vermutlich eher nicht sagen: Ich glaube, die ist hetero. Wenn man darauf achten würde begegnet einen Hetero-Normalität vermutlich recht häufig. Und wenn verschiedene sex. Orientierung normal sind, kann man diese ja auch entsprechend behandeln... außer eben man sagt: Nein, das sehen wir (als Gesellschaft) nicht als normal an, was dann auch ein gesellschaftliches statement wäre (das manche ja auf Demonstrationen setzen).

Ansonsten wäre das in etwas so, wenn man gesagt hätte: Also wir haben nichts gegen Emanzipation. Aber waaaaaaaas: Das soll auch Thema in der Schule sein??? Dann aber bitte bestenfalls im Fach "Emanzipation"... in anderen Fächern und Schulbüchern sowie in Textaufgaben gehen wir aber natürlich ausschließlich vom Patriarchat aus... sonst würden Kinder ja Vorstellungen entwickeln, dass nicht immer der Mann die Hosen anhat *wie schrecklich*. Das hätte dann eher Pseudocharakter à la "wir haben ja nichts dagegen, aber..."

Vor 50+ Jahren gab es sicherlich auch kaum Textaufgaben mit berufstätigen Frauen in leitender Funktion, die für ihre Familie sorgen. Oder Singles: Man spricht immer von Zunahme... ich weiß nicht so recht. Wäre das vor +50 Jahren genauso toleriert, hätte es damals vielleicht auch mehr Singles gegeben. Ich glaube, was (quantitative) Minderheiten sind, kann man eh erst dann sagen, wenn Entfaltungsfreiheit gegeben ist. Wenn auch nicht gesetzlich, aber gesellschaftlich gibt es mitunter schon noch so eine Art von Anpassungsdruck (aber auch je nach Bereich). Ich glaube mit Pluralisierung von was auch immer hat es schon immer Schwierigkeiten gegeben, weil bestehende Strukturen dem Aufbrechen derselben entgegen wirken...

Aber selbst wenn die Schule nicht gleichermaßen mitziehen würde, so kann man nicht leugnen, dass sich Lebensformen zunehmend pluralisieren. Und es soll ja auch so sein, dass gerade die Menschen die meisten Vorurteile haben (auch egal, worum es geht), womit sie noch gar nicht in Berührung gekommen sind. Ein Kind, dass in einem Viertel aufwächst, in dem viele LBGT-Familien aufwachsen, findet das vielleicht gar nicht sonderlich beachtlich, wenn er zwei Männer sieht, die Händchen halten. In einem traditionell streng katholischen Kleindorf würde man sich vielleicht das Maul zerreißen: Will heißen: Als je normaler man etwas ansieht, desto mehr verliert es ja auch wieder an Gewicht i.S. öffentlicher Aufmerksamkeit.

Und natürlich flossen in der Schule (z.B. auch in Deutsch-Aufsätzen) schon immer auch Themen ein, die gesellschaftlich gerade relevant bzw. aktuell sind (und je nach Jahrzehnt waren das sicherlich teilweise abweichende Themen)... und natürlich fließen gesellschaftliche Entwicklungen auch in Schulbücher ein, die von Zeit zu Zeit aktualisiert werden... während man ein altes Schulbuch teilweise bereits an alten gesellschaftlichen Themen/Fragestellungen ausmachen konnte, die der Zeit mehr oder weniger hinterher hinkten.
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 17:21

stern hat geschrieben:Wenn man darauf achten würde begegnet einen Hetero-Normalität vermutlich recht häufig.
Ja, klar, überall... Aber im Laufe des Lebens gewöhnt man sich daran, dass man da in vielen Fällen quer läuft, oder dass es in vielen Fällen irgendwie nicht passt. Bei Fragen nach dem Familienstand beantwortet man dann eben brav mit "ledig", was strenggenommen ja stimmt.

Auch das gemeinsame Beziehen eines Hotelzimmers als gleichgeschlechtliches Paar führt immer noch zu Irritationen. Wenn es sich nicht gerade um ein großes internationales Hotel handelt, erntet man beim Einchecken meistens fragende Blicke, oft gefolgt von der Frage: "Sie hatten nur ein Zimmer gebucht. Ist das korrekt?" In kleineren Pensionen wird einem meistens eine Verwandtschaftsbeziehung unterstellt. Dann ist man eben mit Bruder oder Cousin unterwegs.

Zumindest bleibt es bei uns in Mitteleuropa in der Regel bei irritierten Blicken, ohne weitere Konsequenzen. Anders fühlte ich mich bei unserem Stopover in Dubai, wo ich leicht panische Angstvorstellungen hatte, dass man uns aus dem Hotelzimmer heraus verhaften könnte. Hatte da ernsthaft überlegt, zwei getrennte Zimmer zu buchen.... Ich finde es immer wieder bizarr, dass man in vielen Ländern allein für eine unveränderliche Eigenschaft schon verhaftet werden kann... Da muss man noch nicht mal was tun, um straffällig zu werden. Straffällig per Existenz....

Man stelle sich vor, ein Land würde z.B. Rothaarigkeit für strafbar erklären. Man kann sich höchstens schützen, indem man die Haare anders färbt, aber auch das muss heimlich geschehen... So ungefähr ist das in manchen Ländern....

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stern
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 23:23

Auch i.w.S. passend zum Thema: Die ARD Themenwoche Toleranz, deren Werbung und Ausgestaltung aber teilweise ziemliche Kritik einfährt: viewtopic.php?f=41&t=33085 (weil es hier ja auch um die Fragestellung ging, was ist normal... wer legt das fest...).
Müssen "wir" also Schwule, Behinderte, Flüchtlinge, Schwarze, Ex-Knastis, Juden oder Sinti ertragen? Denn um diese Gruppen geht es vor allem in der Themenwoche, also um alle, die in Deutschland gemeinhin als Randgruppen oder Minderheiten bezeichnet werden. Stigmatisiert trifft es wohl besser.

Denn wer definiert hier eigentlich, was normal ist? Wer gehört zu einer Minderheit? Und wer kann für sich in Anspruch nehmen zu definieren, wie viel Toleranz "zumutbar" ist? Wie kommt eine Mehrheit dazu, Menschen in Schubladen wie "Bereicherung" oder "Belastung" einzusortieren, so wie es auf einem Plakat der Themenwoche heißt? Die Ankündigungen zur Themenwoche klingen so, als verlange alles, was anders ist, als die vermeintlich normale Mehrheit, Toleranz. Wie viel, darüber lässt sich demnach verhandeln. Ein Luxus, den sich viele Menschen nicht leisten können.
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ ... nz140.html
Psychisch Kranke hätte man evtl. auch noch aufnehmen können... .
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Beitrag Mi., 12.11.2014, 23:57

ja, hierzulande wird immerhin einiges toleriert, was in anderen Ländern unter Strafe steht. Ich finde es jedenfalls o.k., wenn ab und an in einer Matheaufgabe eine LGBT-Familie auftaucht (wenn Aufgaben jedoch ausschließlich Minderheiten aufgreifen würden, fände ich jedoch auch schräg... halte das aber eher für irrationale Ängste). Eigentlich sind das nur Kleinigkeiten... aber ich glaube schon, dass das etwas bewirken kann. Wenn man quasi ausgespart wird (in Schulbüchern, auf Formularen, bei der Urlaubsbuchung, etc.) fordert das jedenfalls nicht gerade Integration. Die Schule würde lediglich gesellschaftliche Strömungen aufgreifen, die es ohnehin bereits gibt. Und auch was Aufklärung angeht, ist es angebracht, dass Schule zeitgemäß ist. Durch das Internet ist für Jungs und Mädels ja so gut wie alles verfügbar... so dass man bereits deswegen von "Generation Porno" in den Medien gesprochen hat und spricht. Auch das ist also nichts, was die Schule generiert, sondern dem wird Rechnung getragen. Wenn Kinder/Jugendliche etwas aufhschnappen, aber nicht darüber reden können, ist das vielleicht viel weniger förderlich (sicherlich obliebt das inbes. auch den Eltern... aber auch die Schule hat einen Auftrag). Weiß nicht... ich bin jedenfalls der Überzeugung, dass jede Generation ihre Themen hat (wobei der Bildungsplan auch einen Schwerpunkt auf Berufsorientierung, etc. setzen soll... aber solche Themen gehen dzt. etwas unter)... und gesellschaftliche Entwicklungen lassen sich auch staatlich nicht aufhalten, höchstens mehr oder weniger bremsen.
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