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Hallo Jenny Doe,
danke für dein letztes Posting. So ähnlich ist bei mir in der 2. Therapie auch vorgegangen worden, also parallel.
Klar gibt es, wie von einigen aufgeführt, unterschiedliche Arten von Traumata, die auch eine unterschiedliche Vorgehensweise/Behandlungsansatz fordern, hängt auch noch von der Struktur des Patienten ab.
Und eine Beziehungsstörung/Bindungsproblematik liegt doch oft auch bei denen vor, die zB. „zur "Luststeigerung" anderer gequält“ wurden (prima Ausdruck). Denn ein Kind, dass eine sicher Bindung an die Eltern hat, in dessen Elternhaus eine vertrauensvolle Atmosphäre herrscht (also nicht beziehung-/bindungsgestört ist), wird auch nicht so schnell Opfer durch Übergriffe anderer.
Unsereins gehört ja auch zu den „Frühgestörten“, was meine erste Thera sehr schnell erkannte und sich darauf einschoss. Begonnen mit der Therapie hatte ich wegen den gravierenden Symptomen einer ausgewachsenen, chronisch gewordenen PTBS, die dann zu diesen willkürlichen "Terrorismus der Seele" führen (Waldschratin, du hast so geniale Ausdrücke). Also wurde an der Beziehung gearbeitet. Immer, wenn eine belastende Erinnerung (nenn ich jetzt so, weil ich damit nicht eines der Traumata meine, sondern eine „normale“ negative Erfahrung) auf den Tisch kam, ich vielleicht dabei noch regredierte, war das natürlich auch schon schwer für mich, denn sie schaffte es nicht gut, mich auch aus diesen kindlichen Gefühlen wieder gut herauszuholen und im Hier und jetzt wieder zu verankern, so das unsereins doch oft halb neben sich stehend die Praxis verließ (gab dann oft Doppelstunden, hatte dann besser geklappt). Sie hatte das wohl auch schon als instabil bezeichnet und sich daher wohl nicht an die schweren Brocken gemacht bzw abgebrochen. Na, ja, die Symptome verbesserten sich ja schon auch, wurden teilweise weniger oder nicht so intensiv, aber richtig weg gingen sie nie.
Mal zwischendurch zusammenfassend zum Thema:
Es wird seitens der Thera sehr stark (in erster Linie) an der Beziehung gearbeitet (weil ja auch oft Bindungsproblematik mit vorhanden ist), was ebenfalls zu einer Stabilität beiträgt. Dadurch kommt es schon zur Symptomverbesserung, was die Theras in ihrer Vorgehensweise auch bestärkt, sie schon als positiv werten. Traumakonfrontation wird hinten an gestell.
Mein jetziger Thera arbeitet ressourcenorientiert und kontrontativ. Wenn man nach den eigenen Ressourcen gefragt wird, fällt einem ja gar nicht alles ein/ist einem bewusst, was man kann. Auch bei ihm kam dann so eine belastende Erinnerung auf den Tisch. Das ist ja auch schon eine Konfrontation mit einem nicht so gravierenden Ereignis. Aber seine/unsere Bearbeitung damit war anders. Durch seine Bearbeitungsart konnte auch ich sehr schnell erkennen, welche Ressourcen ich alles habe und auch lernen/erfahren, mit den aufkommenden Gefühlen und auch den Affekten umzugehen. Am Ende solcher Stunden war ich immer gut aufgestellt. Aber diese frühen Konfrontationen bewirkten noch was anderes ganz gravierend:
Sie wirkten sich sehr positiv auf die Beziehung aus: denn sie waren sehr vertrauensfördernd. Ich konnte seine Verlässlichkeit spüren, auch, dass er meine starken Gefühle aushält. Und auch, das wurde mir erst viel später bewusst, spürte ich, dass auch er mir ein Vertrauen entgegen bringt, dass wir Stärken in uns haben, um Lösungen zu finden. Durch seine Unterstützung in diesen kleineren Konfrontationen erfuhr ich hautnah, dass er mich nicht absaufen lässt (wie es ja bei meiner Ex durchaus passierte), mich souverän begleitet und er mir auch vertraut. Und so etwas förderte dann parallel zur Konfrontation auch die Beziehungsarbeit. Er konnte durch diese ersten harmloseren Konfrontationen auch für sich ausloten, was ich an Ressourcen mitbringe, vor allen die, die ich selber gar nicht verbalisieren konnte. Er hat sich da Schritt für Schritt vorgewagt.
Und dann ging es ziemlich schnell an die Konfrontation bei den Traumata.
Jenny Doe hat geschrieben: Ich selber habe sehr von der Traumatherapie nach Ehlers & Clark uns Steil profitiert, weil die Traumatherapie so durchgeführt wird, dass sie Konfrontation und Stabilisierung zugleich ist. Die Konfrontation wird so durchgeführt, dass sie nicht retraumatisiert oder den Klienten überfordert, sondern stabilisiert und befreiend wirkt und zugleich die negativen Erfarungen ins Autobiografische Gedächtnis integriert.
Genau dieses parallele Vorgehen habe ich erfahren, diese Konfrontation wirkte gleichzeitig stabilisierend und auch sehr fördernd auf die Beziehung. Und so stellt sich Erfolg viel schneller und tiefgreifender ein. Die Symptome, die mit den Traumata im Zusammenhang standen, sind weg.
Jenny Doe hat geschrieben: Dann wird die Konfrontationstherapie vorbereitet. Es werden z.B. stabilisierende Elemente gesucht, die der Klient mit bringt, in sich hat (z.B. positive Erfahrungen im Lebenslauf), die während der Konfrontation traumakompensierend Anwendung finden, so dass man als Klient nicht abstürzt.
-> ressourcenorientiert
Jenny Doe hat geschrieben: Ich habe es so erlebt, dass die Therapiestuden nach der Traumatherpie Huber/Reddemann in der Tat nicht reichen. Die ersten Stunden gehen "dafür drauf", dass eine Beziehung zum Therapeuten aufgebaut wird. Die nächsten Stunden werden in die Stabilisierungstherapie investiert. (…), zieht sich die Stabilisierungstherapie in die Länge. Ehe man sich versieht ist die Therapie vorbei, ohne dass am Trauma gearbeitet wurde.
Genau, bei dieser sequenziellen Vorgehensweise, die wohl meistens durchgeführt wird, sieht sich es ganz schön in die Länge, falls es dann überhaupt noch zur Traumabearbeitung kommt.
stern hat geschrieben:Manche Therapeuten halten die Gefühle des Patienten nicht aus (als weitere Möglichkeit).
=nicht nur subjektive Vermutung. Wird auch teilweise von Fachleuten geteilt, dass das ein Grund sein kann, weswegen nicht konfrontiert wird.
Ja, sehe ich auch so, ist ja nicht jeder gleich belastbar. Und dann traut er sich selber nicht, da hinzugehe, weil er weiß, dass er es nicht kann, er nicht „genug Arsch in der Hose hat“. Daher wird er wohl nur stabilisierend arbeiten und Konfrontationswünsche des Patienten auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben, z.B. mit dem Totschlagargument, er sei noch nicht stabil genug (was natürlich gerade zum Anfang wohl auch stimmen mag).
Waldschratin hat geschrieben: traumatischen Erlebnisse - die ja samt und sonders mit Kontrollverlust und Ohnmachtserlebnissen der absoluten Art einhergingen
Diesen Kontrollverlust und das Ohnmachtsgefühl will man als Traumatisierte natürlich nicht erleben und begibt sich „freiwillig“ natürlich nicht in Situationen, wo das passieren könnte. Durch die vorbereitenden „harmloseren“ Konfrontationen konnte man aber selber erfahren/spüren, das man dem nicht zwangsläufig ausgeliefert ist und traut sich dann auch an die „schwierigeren“ Konfrontationen dran.
Mal wieder so eine kleine Zusammenfassung:
-> manche Theras halten die hefigen Gefühle der Patienten nicht aus und gehen deshalb nicht in die Konfrontation
-> Beziehungsaufbau und Stabilisierung auch durch Konfrontation möglich (parallel)
-> liegt der Fokus auf den Beziehungsaufbau (Bindungs-/Beziehungsstörung), und wird daher sequenziell vorgegangen, reicht die Zeit oft nicht zurTraumakonfrontation