Einsicht ins Gutachten

Hier können Sie Ihre Fragen rund um die Rahmenbedingungen von Psychotherapie (Methoden, Ablauf usw.) anbringen.

leberblümchen
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 12:47

Nein, du gehst nicht richtig - ich habe schon Gutachten gelesen (ich hab mal als Schreibkraft diese Berichte getippt) - aber nicht meines.

Du hast das Vertrauen IN den Patienten erwähnt, und ich antwortete, dass ich diesen Zusammenhang nicht sehe. Du hast erwidert: "ich sehe da sehr wohl einen zusammenhang, denn da fängt bei mir das vertrauen schon an, wenn er es mir nicht zu lesen gibt habe ich zweifel an dem was er sagt" - das hat dann aber was mit DEINEM Vertrauen in IHN zu tun.

Dass es Patienten gibt, die misstrauisch sind, ist doch völlig klar. Und wenn dein Therapeut sehr offen mit den Gutachten umgeht (und: wenn diese Anträge dann auch bewilligt werden...), dann ist es zwischen EUCH ja auch gut so. Problematisch ist es aber, wenn Patienten unbedingt dieses Gutachten lesen wollen und der Therapeut das nun mal nicht für richtig hält. Da kann man meiner Meinung nach nicht sagen, dass das falsch von dem Therapeuten ist. Das habe ich versucht zu erklären.

Ich sehe das so: Du bist einerseits Mensch und andererseits Patient. Und dein Therapeut ist auch einerseits Mensch und andererseits eben dein Behandler. Da nimmt also jeder zwei Rollen ein. Nur auf der Ebene Patient - Therapeut würde so eine Therapie m.E. nicht funktionieren. Dann würde man sich da über Diagnosen austauschen, man würde dem Patienten (wie vor einer geplanten OP) erklären, was vorliegt, was getan werden muss und was dabei beachtet werden muss. Die therapeutische Wirkung wäre vermutlich gleich Null.

Funktionieren tut das dann, wenn ihr als zwei Menschen miteinander interagiert (jeder vor seinem persönlichen Hintergrund als Fachmann bzw. als Patient). Aber dieses Zwischenmenschliche tritt in so einem Gutachten zurück, denn dies erfüllt nur den Zweck, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Alles andere wäre in diesem Fall überflüssig. Somit liest sich so ein Gutachten natürlich auch relativ ernüchternd. Und das kann irritieren und enttäuschen.

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 12:56

Hmm ... Also ich hatte ein solches Gutachten (da war ich allerdings noch nicht bei meinem jetzigen Therapeuten) auch schon einmal in den Händen, obwohl ich nicht explizit darum gebeten hatte.

Und, um ehrlich zu sein: Für mich war es nicht hilfreich.

Denn was dort so an Diagnosen und an Beschreibung von Problematiken stand, war für mich alles andere als schmeichelhaft.

Mir ist es viel wichtiger (und vielleicht gelingt es mir da sogar, an deinen Beitrag anzuknüpfen, titus), dass ich mit meinem Therapeuten in der Stunde, auf der menschlichen Ebene gut zurecht und vorwärts komme. Und nicht, wie er mich als psychisch kranke Patientin beurteilt.

Was mich noch interessieren würde: 4evergone, was befürchtest du eigentlich genau in Bezug auf das Gutachten? Was steht da im schlimmsten Falle für dich drin?
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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Beitrag Sa., 02.06.2012, 13:15

Und noch etwas, was ich in einem der letzten Beiträge schon verdeutlichen wollte: Willst du zukünftig dein Vertrauen damit verknüpfen, alles zu kontrollieren?

Und darauf wird es hinaus laufen, fürchte ich.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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4evergone
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 13:54

titus2, ich kann nicht verstehen, warum so ein gutachten, (vorausgesetzt man möchte es selbst lesen,) nicht gut für einen sein soll. jeder der zu einem thera geht hat ja wohl probleme sonst würde er ja nicht hin gehen, und wo liegt nun das problem wenn diese in schriftlicher form vor einem liegen? sorry aber das ist der punkt den ich nicht verstehe.

ich kann nicht bestätigen, dass sich mein gutachten, ernüchternd liest, es hat mich auch in keinster weise irritiert oder gar enttäuscht. es hat mir genau erklärt warum ich dieses und oder jenes problem habe, warum ich so oder so reagiere.

mein thera sagte zu mir, ich soll es genau durchlesen damit auch er weiss, dass er nichts falsch verstanden habe.



ExtraordinaryGirl, da es mir sehr wichtig ist die gutachten zu lesen, habe ich auch keinerlei befürchtungen, ich weiß ja was drin steht.

auch mir ist es sehr wichtig mit meinem therapeuten in der stunde, auf der menschlichen ebene gut zurecht und vorwärts zu kommen, aber ist dies ausgeschlossen wenn ich die gutachten lese? wohl eher nicht.

mein thera sieht mich absolut nicht als psychisch kranke Patientin, ganz und gar nicht. dieses wissen habe ich aus den gutachten, ich weiss sehr wohl wie er mich und meine probleme sieht, und das gibt mir ein gutes und auch sicheres gefühl mich bei ihm gut aufgehoben zu fühlen.

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 14:03

Na, aber irgendeine Befürchtung muss da sein, sonst wäre es dir ja nicht so wichtig, die Gutachten zu lesen - oder?

Und selbstverständlich schliesst es sich nicht aus, darauf zu bestehen, Einblick in die Gutachten zu kriegen und auf menschlicher Ebene gut zusammen klar zu kommen. Aber ich bin neugierig, weshalb du Ersteres brauchst, wenn doch offenbar Zweiteres gut funktioniert?

Die Frage stelle ich mir übrigens auch hier:
mein thera sieht mich absolut nicht als psychisch kranke Patientin, ganz und gar nicht. dieses wissen habe ich aus den gutachten, ich weiss sehr wohl wie er mich und meine probleme sieht, und das gibt mir ein gutes und auch sicheres gefühl mich bei ihm gut aufgehoben zu fühlen.
Wenn du dich doch so gut und sicher bei ihm fühlst, weshalb dann der Einblick in das Gutachten? Oder beruht dein Gefühl alleine darauf, dass du die Unterlagen einsehen kannst?

Das finde, wie gesagt, zumindest ich höchst problematisch. Weil ich mir sicher bin, dass ein gesundes Vertrauen nicht an Kontrolle verknüpft ist. Das schliesst sich sogar ab einem gewissen Punkt gegenseitig aus.
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4evergone
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 15:00

ich denke nicht, dass ich ein gesundes vertrauen zum thera habe, ganz und gar nicht. ich habe es sehr oft immer wieder versucht und übe noch heute!

das ist schon ein teil meines problems, nur mir gibt die einsicht in ein gutachten eben so viel vertrauen um überhaupt eine therapie machen zu können.

ich möchte hier auch nicht rechthaberisch oder streitsüchtig sein, es geht mir alleine darum wie ich es eben sehe, und für mich, und nur für mich, ist es eben sehr wichtig.

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 15:15

Na gut, das ist ja in Ordnung.

Wünschenswert für dich fände ich es nur, wenn das Vertrauen, welches du eben beispielsweise durch die Einsicht in ein Gutachten kriegst, irgendwann dazu führt, dass du ein gesundes Vertrauen innerhalb (und ausserhalb) der Therapie aufbauen kannst - und damit eines, welches keine Kontrolle braucht.
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leberblümchen
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 18:13

4evergone, ich bin darüber gestolpert, dass du sagst, dein Therapeut hält dich nicht für psychisch krank? Dazu fallen mir zwei Dinge ein:

Erstens: Die Therapie wird nur bei einer Störung mit Krankheitswert durch die Kassen finanziert. Da ich davon ausgehe, dass der Antrag bewilligt wurde (oder steht das noch aus?), muss auch etwas Entsprechendes dort aufgeführt sein. Und das führt zum zweiten Punkt: Was ist für dich 'psychisch krank'? Und: Ist es das, was dich besonders beschäftigt, dass man dich für psychisch krank halten könnte?

Der Punkt, den du bei mir nicht verstehst, ist, dass die Dinge, die in solch einem Gutachten stehen, definitiv nicht schmeichelhaft sind. Nun muss da auch nicht immer der absolute Horror stehen, aber besonders liebenswürdig ist das eben auch nicht verfasst. Die Menschen haben unterschiedliche Probleme. Ich zum Beispiel kann meinem Therapeuten sehr gut vertrauen, dafür bin ich phasenweise recht 'wackelig' und ich könnte nicht sicher sagen, dass es mich nicht umhauen würde, wenn da steht, wie verkorkst ich bin. Wenn ich ganz sicher wüsste, dass ich psychisch so stabil bin, dass ich das ertragen würde, dann wäre ich zumindest neugierig... Ist vielleicht so wie bei Kindern, die Zeugnisse bekommen: Wenn ich ein gutes Zeugnis erwarte, freue ich mich. Wenn ich davon ausgehe, dass das Zeugnis schlecht ausfällt, hab ich Angst. Nun weiß ich aber, dass mein Therapeut diese Dinge nicht aufschreibt, um über mich 'abzulästern', sondern weil das einfach zu meiner Störung gehört, was dort steht, und weil der Gutachter das ja wissen muss, um halbwegs objektiv entscheiden zu können, ob die Therapie erfolgversprechend ist.

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lostsheep
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 14:44

Meine Güte... ich frage mich grad, warum hier einige von euch ein Problem damit haben, wenn jemand sein Recht (!) einfordert, das Gutachten lesen zu wollen. Im Grunde könnten wir die Ansicht auch umdrehen: Warum möchte jemand dieses Recht nicht wahrnehmen, sich dem nicht stellen... wieso hat er ein Problem damit?

Ich möchte es aber nicht umdrehen, denn: Jeder Mensch ist anders.

Wenn jemand das Gutachten nicht lesen möchte, gut. Wenn jemand das Gutachten lesen möchte, gut.

Und das alles hat nicht einmal etwas mit Vertrauen zu tun. Also, es ist überspitzt zu sagen, die Patienten, die ihr Gutachten lesen möchten, vertrauen nicht.

Ich zum Beispiel möchte einfach lesen, was über MICH geschrieben wird, ich möchte Teil des Prozess' sein... für MICH ist das wichtig... ach, ich könnte hier endlos schreiben.

Fakt ist, und das ist auch gut so, dass es das Recht eines Patienten ist, in ALLEN Unterlagen einsehen zu dürfen. (Ja, persönliche Notizen darf der Therapeut überkleben, beim kopieren - aber das liest ja auch nur er und GAR KEIN anderer).

Wenn der Therapeut einen richtig verstanden hat UND einem selbst seine Situation klar ist... dann dürfte so ein Gutachten auch niemandem schaden. Wer doch dieser Ansicht ist, der - wie erwähnt - muss es ja nicht lesen.

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candle.
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 14:46

Nur mal nebenher Variante 3: Ich habe Gutachten auch mit Therapeuten ausarbeiten dürfen.

candle
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 14:49

Ich finde die Formulierung 'sein Recht einfordern' bemerkenswert. Wenn die Beziehung so aussieht, dass der Eine etwas nicht geben will und der andere es als sein Recht einfordert, ist sowieso fraglich, was das Ganze noch bringen soll...

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lostsheep
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Beitrag Mo., 11.06.2012, 08:18

So ist es titus!

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debussy
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Beitrag Mo., 11.06.2012, 08:48

vielleicht solltest du das ganze als eine art "übung" ansehen.
verzichte doch einmal einfach auf "dein recht". das macht richtig stark - und nebenbei gesagt natürlich auch einen ticken sympatisch

denn letztenendes steht doch nur eine sache im mittelpunkt. du und deine "heilung".
und da ist es unerheblich, was in diesem gutachten steht.
das einzige was zählt und auch zum erfolg führen wird ist, ob DU es schaffst, zu deinem thera eine funktionierende beziehung aufzubauen oder nicht.
mit "recht einfordern" kannst du es schon einmal vergessen. so funktionieren das nicht. damit machst du schon im vorfeld so ziemlich alles kaputt.

führ dich doch nicht auf wie deine eigene rechtsanwältin. hast du das echt nötig?


kaja
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Beitrag Mo., 11.06.2012, 10:55

"sein recht einfordern" klingt für mich absolut nachvollziehbar.
schliesslich handelt es sich nicht um einen partner oder freund sondern um einen dienstleister.
warum sollte man also zulassen das einem informationen vorenthalten werden ?
bei dem kunden handelt es sich nicht um ein kleines kind sondern um einen erwachsenen der selbst entscheiden kann ob er das gutachten einsehen möchte oder nicht.
After all this time ? Always.

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candle.
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Beitrag Mo., 11.06.2012, 11:22

In Gedanken schon lange hierzu denke ich, dass es hier nicht ums "Recht haben" geht sondern um Kontrolle des Raumes Therapie. Ist die Frage, ob sich das auch in andere Bereiche des Lebens zieht.

candle
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