Gutachter-Verfahren pro und kontra (aus: 2-Jahres Frist)

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montagne
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Beitrag Di., 28.02.2012, 19:23

Wenn wir schon bei der Praxis sind:
Es gibt Ernst zu nehmende Studien, die darauf hinweisen, dass nicht die Methode zum Klienten passen muss, sodnern der Therapeut muss passen. Und die auch zeigen, dass die Erfolgsunterschiede zwischen erfahrenen und unerfahrenen Therapeuten größer sind, als zwischen therapeuten unterschiedlicher Schulen.

Denn in der Praxis ist der Unterschied dnan nicht mehr so riesig, wenn es eben um tiefgreifende veränderungen am Klienten geht.
Ein Analytiker sagt vllt: Sie haben da eine negative Übertragung weil ihr Vater und so...
Eine andere Therapeutin, okay meine tss.. würde sagen, bzw. sagt: Sie wiederholen hier etwas aus ihrer Vergangenheit....

Es ist ein anderes sprachliches Symbol, aber es meint doch das gleiche und bewirkt das gleiche.

Klar, warum sollte man keine Unterschiede benennen dürfen... aber um dann das Bild, die Gestalt (; vollständig zu machen, sollten auch gemeinsamkeiten benannt werden.

Letzlich ist es in der Praxis wohl so, dass ziemlich häufig nicht das drin ist, was drauf steht. gerade in die Sparte TFP sind bei der Reform die ganzen Humanistischen Richtungen wie Gestalt- und Gesprächtherapie reingerutscht. DAS ist ganz sicher anders als wirkliches TFP.

Von meiner Therapeutin weiß ich, das sie über VT abrechnet und das stand zumindest mal auf ihrem Schild. Aber sie hat 2 weitere Methoden gelernt, die sie auch einbringt, logisch.

Von daher hilft es letztlich mehr den konkreten Therapeuten zu fragen was er macht, was er plant, statt sich daran festzuhalten was auf dem Schild steht oder auf der Kassenzulassung. und vor allem in sich fühlen ob einem das hilft, gut tut.
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sandrin
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Beitrag Di., 28.02.2012, 19:28

Ich glaube aber kaum, dass ein Verhaltenstherapeut tiefenpsychologische Einflüsse in seiner Therapie hat. Einfach, weil er ein völlig unterschiedliches Verständnis der Genese und Heilung hat. Sicherlich beginnt sich dieser Unterschied etwas aufzuweichen. Und auch meine Therapeutin hatte eine VT-Ausbildung obendrauf, aber es hat einen Grund, warum sie entschieden hat, lieber TFF und PA anzubieten. Sie steht einfach hinter diesen Richtungen mehr.


montagne
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Beitrag Di., 28.02.2012, 19:34

Nachtrag:
Es gibt auch Leute, Wissenschaftler und Praktiker, die sich dafür aussprechen eine sozusagen methodenintegrative Vorgehensweise zu entwickeln, ganz offiziell und diese Art der Therapie aus dem geheimen Kämmerlein vieler Therapeuten zu holen. ich fidne die Idee gut, weil es mir logisch erscheint, sich eben erstmal am Klienten zu Orientieren, aber auch am Therapeuten und nicht am Ausbildungscurriculum.
Ich erlebe es aber auch als befruchtend für meine Therapie. Manchmal anstrengend, weil eben immer wieder etwas ausgehandelt werden muss und es keinen Fahrplan gibt, der uns oder mir vorgegeben wird. Aber eben befruchtend, da ich von VT-Interventionen ebenso profitiert habe wie von anderen.

Klar, gibt auch welche, die sprechen sich explizit dagegen aus und finden das total falsch.


@sandrin: Ich glaube nicht, ich weiß es, aus meiner Therapie. kenne auch die Ausbildungen meiner Therapeutin.
Eine moderne Vt ist auch eh keine kognitive Dressur und eine moderne Analyse ist keine ständige Erkenntnis an der Versagung.
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sandrin
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Beitrag Di., 28.02.2012, 19:39

Nein, der Unterschied ist der, dass ein Verhaltenstherapeut meint, man könne das Problem im Kopf (deshalb ja auch kognitive Verhaltenstherapie) lösen, indem man halt mal einfach ein anderes Denkverhalten an den Tag legt, während sich ein Psychoanalytiker diesem Irrglauben (das ist er nämlich in meinen Augen) nicht hingibt, sondern das FÜHLEN und nicht das DENKEN fördert.
Zuletzt geändert von sandrin am Di., 28.02.2012, 19:42, insgesamt 1-mal geändert.

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stern
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Beitrag Di., 28.02.2012, 19:41

Es gibt viele übergreifende Konzepte (die per se auf verschiedenene methodische Grundlagen zurückgreifen) und das zu einem eigenen Konzept machen (das dann wiederum einer konkreten Richtung zugeordnet wird).

Was die PA z.B. Übertragung nennen mag... benennt ein VTler dann halt meinetwegen als emotionales Muster oder x andere Umschreibungen (das natürlich in der Kindheit angelegt sein kann): insofern: ja:
Es ist ein anderes sprachliches Symbol, aber es meint doch das gleiche und bewirkt das gleiche.
das ist mir schon in ganz vielen Kontexten aufgefallen, das gleiches auch unterschiedlich benannt wird.

Und das kann man nicht unbedingt dadurch korrigieren, dass man jemanden ein paar kognitive Strategien vermittelt und den Ursprung ganz ausblendet...
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stern
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Beitrag Di., 28.02.2012, 19:45

Nein, der Unterschied ist der, dass ein Verhaltenstherapeut meint, man könne das Problem im Kopf (deshalb ja auch kognitive Verhaltenstherapie) lösen, indem man halt mal einfach ein anderes Denkverhalten an den Tag legt
das stimmt echt nicht... VT ist doch nicht nur kognitive VT. Das mag deine Erfahrung sein, dass man ausschließlich so mit dir arbeitete, bildet aber die VT nicht ab (sondern nur einen Ast). Man kann doch nicht alles über den Kopf lösen.

Ich glaube mein Thera hätte mich gelyncht, wenn ich gesagt hätte, ich müsse manches nur noch besser über den Kopf lösen können ... machen wir mal kognitive VT. Dass DER Zugang kein passender für MICH wäre, das sagte mir gleich viele VTler im Probesitzungen auf den Kopf zu. Aber natürlich sind Denkprozesse auch ein Teil der Wahrnehmung, die auch Verzerrungen aufweisen können... z.B. Ellis hat ein Konzept (das ist aber nur eine Facette).

Emotionale Prozesse kann man doch nicht ausklammern, indem man sagt: Die lösen wir jetzt auch über den Kopf (über den Kopf kann man lediglich Denkprozesse korrigieren... aber nicht alle Emotionen).
Zuletzt geändert von stern am Di., 28.02.2012, 19:55, insgesamt 1-mal geändert.
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leberblümchen
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Beitrag Di., 28.02.2012, 19:55

Montagne: Mein Therapeut hat noch nie irgendein Fachwort gebraucht - was ich sehr schätze. Das Wort 'Übertragung' gibt es da nicht. Und dennoch erklärt er mir, dass wir bei ihm alles wiederholen. Also, das Vokabular kann es nicht sein.

Wenn der Therapeut zum Patienten passen muss (was ja unbestritten der Fall ist) und die Therapieform als solche kaum eine Rolle spielen soll - warum, frage ich noch mal, gibt es dann die Unterschiede? Es kann ja nun wohl nicht sein, dass der einzige Unterschied im Setting besteht, oder? Es sind - auch wenn ich keine VT gemacht habe, kann ich das bestimmt so sagen - einfach grundsätzliche Unterschiede, je nachdem, wohin ich die Aufmerksamkeit des Patienten (und meine eigene als Therapeut) lenken will.

Wenn wir in der Therapie nicht darüber reden, wie sich möglichst schnell etwas verbessern lässt, wenn es keine Übungen und Hausaufgaben gibt, die auf ein anderes Denken und Handeln ausgerichtet sind, sondern wenn stattdessen in aller Ruhe und - scheinbar - ohne konkretes Ziel geschaut wird, was mit einem passiert (ist), dann ist das nun mal keine VT. Und umgekehrt kann ich mir also beim besten Willen nicht vorstellen, dass sozusagen eine VT MEHR sein soll als eine Analyse (wenn ja hier wiederholt geschrieben wird, dass auch VTler aufdecken und umstrukturieren), so nach dem Motto: Wir analysieren UND wir streben rasche Verhaltensänderungen an - was ja auch ein Widerspruch in sich wäre.

Ich frage also nochmal: Warum darf man nicht benennen, dass eine Analyse eine Analyse ist und eine Verhaltenstherapie eine Verhaltenstherapie? Innerhalb der aufdeckenden Verfahren gibt es sicher fließende Übergänge (irgendwo mittendrin befinde ich mich); damit kann ich mich auch anfreunden, nicht aber damit, dass ein VTler sozusagen ALLES abdeckt, abdecken kann, was das Herz begehrt. Das gilt für die Analyse nicht, und das gilt sicherlich auch nicht für die Verhaltenstherapie.

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stern
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Beitrag Di., 28.02.2012, 20:05

Unterschiede darf man gerne benennen... aber nicht haltbar wird es halt, wenn dann dabei wieder eine Pauschalisierung rauskommt: Ein VTler sagt, Probleme müssen man über Veränderung des Denkverhaltens lösen.

Ja, das wäre in der Tat ein Irrglauben, wenn man davon ausgehen würde, dass das DIE Lösung für emotionale Schwiergkeiten jedweder Art ist. Genauso ein Irrglaube, wenn man meinte, so läuft VT pauschal, dass sie eine rein kognitive ist, die nur an Denkprozessen ansetzt.

Bei manchen Denkverzerrungen (die neben der emotionalen Wahrnehmung auch ein Teil der Wahrnehmung sind): Nun ja, wenn man situativ manchen Denkverzerrung Beachtung schenkt, die bei einem Patienten augenfällig werden (z.B. Generalisierung wäre eine von vielen): sicher kein Fehler. Iss halt auch abhängig, wo die Schwierigkeiten liegen.

Ich meine, wenn ich analoge Klischees über die PA aufstellen würde (auch hierzu gibt es im Forum einige, bin ich genauso wenig Freund von, kann dazu aber mangels Erfahrung weniger sagen), dann müsste ich mit ebensolchen Widerspruch rechnen.
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stern
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Beitrag Di., 28.02.2012, 20:39

dass sozusagen eine VT MEHR sein soll als eine Analyse (wenn ja hier wiederholt geschrieben wird, dass auch VTler aufdecken und umstrukturieren
Von "mehr" redet keiner... ich will keine Wertigkeit herstellen... beide Methoden sind wirksam, meinetwegen auch gleichwertig wirksam für Störungen (nix anderes schrieb ich, ggf. müsste man Wirksamkeitsnachweise näher ansehen).

Mir geht es eher darum: in einer VT kann u.a. auch aufgedeckt und umstrukturiert werden. Das ist nicht allein einer Methode namens PA vorbehalten (weil du eingangs schriebst, der grundlegende Unterschied der PA zu VT sei die Umstrukturierung).
so nach dem Motto: Wir analysieren UND wir streben rasche Verhaltensänderungen an - was ja auch ein Widerspruch in sich wäre.
Von rasch schrieb ich nie was... eher dass die VT auch soviel Zeit braucht wie notwendig (was Kontingentschwierigkeiten ergeben kann).

Zum Widerspruch: Was heißt Verhaltensänderung: Änderung des Denkens, Fühlen und Handels (Schwierigkeiten dahingehend können sich btw. auch aus Persönlichkeitsaspekten ergeben, die dann sozusagen ursächlich zu korrigieren sind btw.). Wenn davon in der PA nix geändert werden sollte, nun ja, dann WÄRE die Wirksamkeit wohl nicht gegeben. Natürlich erreicht die PA hier auch Veränderungen (teils über andere Zugänge/methodische Ansatzpunkte). Sorry: Insofern halte ich die von dir angesprochene Ziellosigkeit auch für eine scheinbare. Vielleicht besteht ein Unterschied in der Verständigung darüber oder darin, dass man Prozesse möglichst frei ablaufen lassen will, keine Ahnung... ich wurde jedenfalls befragt, was ich mir so vorstelle.

Vokubular wurde bei mir auch nicht immer benannt, manchmal wird es... kommt MIR aber entgegen. Ist ja auch gut, wenn es da individuelle unterschiede gibt... also wenn etwas bei dir gar nicht benannt wird, und dir das entgegen kommt: gut. Meine Thera (formal TFP btw. ) benennt mitunter auch manches beim Namen, weil sie mein Bedürfnis kennt ... aber nicht immer ist das transparent. Wie das bei der PA im allgemeinen aussieht, weiß ich nicht... weil ich auch nicht weiß, was DIE PA im allgemeinen ist... genauso wenig, wie ich DIE VT im grundsätzlichen erfassen kann... sondern nur im individuellen.
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montagne
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Beitrag Di., 28.02.2012, 21:10

Wenn der Therapeut zum Patienten passen muss (was ja unbestritten der Fall ist) und die Therapieform als solche kaum eine Rolle spielen soll - warum, frage ich noch mal, gibt es dann die Unterschiede?
Historisch bedingt und berufspolitisch zementiert.

Es sind zwei völlig verschiedene, voneinander unabhängige Strömungen. PA, aus der die tiefenpsychologischen Verfahren hervorgingen und als Kritik zur PA die humanistischen entstanden. Und dann die Lerntheorie, aus der die VT-Richtungen entstanden.
Früher dachte man das dort mal ja, das man Klienten dressieren könne, das dies zur Heilung reiche. Aber das war in den 60ern! Zu sagen das wäre VT ist wie zu sagen nur Freud wäre PA.
In beiden Richtungen ist SO viel passiert seit dem.
Es gibt mehr als nur Lernen und mehr als nur Triebe.
Objektbeziehungstheorieansätze haben sich zum Beispiel in beiden Richtungen etabliert. und wie gesagt, was Deutshcland angeht sind es auch künstliche Differenzen, die kassenpolitisch/berufspolitisch geschaffen wurden, als es um die verteilung des Kuchens ging.

Wie gesagt werden ja auch immer mehr Stimmen laut, die fordern, dass diese Dünkel der Strömungen endlich beiseite gelegt werden sollen. Moderne, pragmatische Ansätze für bestimmte Störungen wie Borderline oder Traumatherapie sind von Anfang an auf allen drei Säulen aufgebaut: Humanistisch, tiefenpsychologisch-psychodynamisch und verhaltensttherapeutisch.

Es wird sicher immer Therapeuten und damit klienten geben, die auf ihre lupenreines Schulspezifisches Verfahren bestehen und dafür sind, das dies rein zu halten sei. Ja mei.. Hauptsache es hilft dem einzelnen.
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Beitrag Di., 28.02.2012, 21:21

Hallo, montagne,

also mir ist schon klar, dass PA nicht nur Freud ist und VT nicht Dressur bedeutet. Aber das Gegenteil, sozusagen, wonach nun alles eh eine Sauce ist, glaub ich ehrlich gesagt auch nicht.

Mein Therapeut hat mal zu mir gesagt, als nicht sicher war, ob das so passend ist: "Ich bin kein Verhaltenstherapeut und weiß nicht, ob Sie bei mir weiterkommen oder ob wir hier mehr Schaden anrichten" (so ungefähr). Das war zwar der absolute Schock, aber es war immerhin ehrlich und - objektiv betrachtet - irgendwie auch gut. Wir haben das inzwischen geklärt, aber warum ich das erwähne: Wenn ich stern heute gelesen habe, dann kann ich dem, was sie schrieb, NICHT ansatzweise entnehmen, dass es denkbar wäre, dass ihr (bzw. irgendein) Verhaltenstherapeut sagen würde: "Ich bin kein Analytiker. Vielleicht könnte Ihnen eine Analyse mehr helfen" - und das ist es, was mich irgendwie ein bisschen stört. Ich konnte da nicht herauslesen, dass es wirkliche Unterschiede gibt - bin aber ganz sicher, dass das der Fall ist und ich bin ebenso sicher, dass, wenn mein Therapeut sagt, er könne mit mir nicht verhaltenstherapeutisch arbeiten, dass das für einen VTler umgekehrt ebenso gelten wird. Und mir kommt es komisch vor, dass man das hier nicht so sagen darf - so als würden sich die VTler einen Zacken aus der Krone brechen, wenn sie zugeben müssten, keine Analytiker zu sein...

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sandrin
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Beitrag Di., 28.02.2012, 21:25

Wie gesagt, ich kann Überschneidungen bestätigen. Aber ich war wegen ein und derselben Sache sowohl in einer VT als auch in einer PA. Und es waren zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen und auch Sichtweisen! Natürlich hat der Verhaltenstherapeut auch emotionale Dinge mit mir besprochen. Aber alleine schon der Satz "Glauben Sie, diese Denkweise ist realistisch bzw. logisch?" war im Fokus der Therapie. Und dann ging es hauptsächlich darum, dass ich mich mit Freunden verabreden sollte, dass ich aktiver werden sollte und dergleichen mehr. Natürlich ist das wichtig, keine Frage. Aber nie ging es darum, was da IN MIR los ist, warum ich mich so zurückziehe. Ich meine, dann bin ich halt rausgegangen und habe mich verabredet. Dennoch habe ich mich verloren gefühlt, weil man seine inneren Konflikte überall mit hin nimmt. Man kann nicht weglaufen.

Wenn ich jetzt wegen der Essstörung eine VT machen würde, dann würde es hauptsächlich darum gehen, wieder vernünftig zu essen. Und natürlich auch darum, dass mein Körperbild unrealistisch ist, dass es doch Blödsinn ist, sich nur aufs Essen zu fokussieren. Dass ich meinen Selbstwert nicht über den Körper definieren soll. Schön und gut. Aber wird das nur im Ansatz dem gerecht, was sich in mir abspielt? Nein, denn meine Psyche hat sich nicht umsonst diesen Weg ausgesucht, um auf sich aufmerksam zu machen. Gerade bei Essstörungen gibt es viele Studien, die belegen, dass eine rein verhaltenstherapeutisch ausgelegte Behandlung in den meisten Fällen zu Rückfällen führt.
Ich bin eh schon extrem abgespalten von meinem Gefühl, das Letzte, das ICH jetzt brauchen könnte, ist, dass mir jemand sagt, ich müsse mein Denken verändern. Und ich glaube, so geht es vielen. Aber wie gesagt - meine bescheidene Meinung.

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Beitrag Di., 28.02.2012, 21:27

wenn stattdessen in aller Ruhe und - scheinbar - ohne konkretes Ziel geschaut wird, was mit einem passiert (ist), dann ist das nun mal keine VT.
jetzt nur mal ganz blöd gefragt: Wie soll ich es dann anders anstellen, zu schauen, was mit mir passiert, als zu schauen...? Meinst du Selbstwahrnehmung hängt von der Methode ab? Mehr als beobachten konnte ich in der VT (und im RL) auch nicht, um herauszufinden, was mit mir passiert. Und zwar in der Ruhe, die dazu nötig ist (ich kann ja, was in mir abläuft, nicht forcieren). Und ja, in der Therapie, durfte ich das dann auch aussprechen (was dann auch therapeutisch genutzt werden kann)... nahm einigen Raum ein... wovon ich natürlich manches ins RL adaptierte.

Geht doch nicht, dass ich sage: So jetzt beobachte ich mal meine Schamgefühle (Ziel), während in Wirklichkeit meine Denk- und Gefühlsprozesse stark auf Ärger hindeuten. Also ich hab' schon auch das eingebracht, was mich beschäftigt, Schwierigkeiten angesprochen, zum Ausdruck gebracht, was ich jetzt denke, fühle...

Auch achtsame Wahrnehmung hat gerade nichts damit zu tun, etwas festzulegen, was passieren soll... sondern zu schauen was ist, zielfrei (Achtsamkeit bzw. achtsamkeitsbasierte Verfahren, von denen es auch manche gibt, kann auch eine Facette der VT sein)

Die VT ist aber, wenn du darauf hinaus willst, keine Behandlungsmethode, die rein über die freie Assoziation arbeitet (ob das die PA macht, weiß ich nicht, weil ich nicht weiß, was die PA im allgemeinen ist).

Sondern z.B. imaginatives (was dann eher eine bewusste Vorstellung von etwas ist, also ein Zielbild wenn man so will) kann auch Raum haben (aber z.B. auch wieder verbunden damit, was passiert mit mir jetzt)... kann, muss nicht... kommt eben darauf an, wie konkret gearbeitet wird.

Oder ist auch Raum, eine Schwierigkeit zu besprechen, über die ich reden will, weil sie mich die letzte Zeit massiv beschäftigte (unabhängig davon, wie stark sie aktuell in den Gedanken ist... also theoretisch, dass ich etwas berichte, was ich vorher aufgeschrieben habe - was in dem Sinn dann ja keine frei Assoziation ist). Sobald ich aber etwas ansprechen will, ist das auch in irgendeiner Form aktuell in den Gedanken... und wenn ich etwas erzähle, "passiert" etwas mit mir, usw.
Zuletzt geändert von stern am Di., 28.02.2012, 21:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Di., 28.02.2012, 21:44

Meinst du Selbstwahrnehmung hängt von der Methode ab?
Ehrlich gesagt, vermute ich, dass das so ist. Es hängt davon ab, was vom Therapeuten kommt oder gespiegelt wird, vom Setting. Wenn man liegt, dann nimmt man anders wahr, als wenn man sich gegenüber sitzt. Und man verhält sich auch anders. Wenn man einander 2-4x die Woche sieht, ist die Beziehung intensiver, als wenn man sich nur einmal die Woche oder seltener sieht. Wenn man weiß, dass man 300 Stunden Zeit hat, hat man auch mehr Zeit, sich an vermeintlichen Kleinigkeiten sehr lange aufzuhalten und man muss nicht das Gefühl haben, schnell etwas abarbeiten zu müssen. Man kann also besser in sich eintauchen. Das will aber gar nicht jeder! Nicht jedem macht es wirklich Freude, sich zu entblößen. Manch einen würde das überfordern. Manch einer will sein Verhalten ändern, ohne darüber zu grübeln, wie es sich angefühlt hat, von der Mutter im Alter von sechs Jahren gedemütigt worden zu sein. Und manch einer braucht genau dieses Wiedererleben, um zu sich selbst durchzudringen.

Insofern verstehe ich nicht, wo da jetzt das Problem ist, festzustellen, dass eine PA tiefer geht.

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stern
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Beitrag Di., 28.02.2012, 22:53

titus2 hat geschrieben:
Meinst du Selbstwahrnehmung hängt von der Methode ab?
Ehrlich gesagt, vermute ich, dass das so ist. Es hängt davon ab, was vom Therapeuten kommt oder gespiegelt wird, vom Setting.
Was ich wahrnehme liegt NUR in mir... unabhängig davon, ob der Therapeut das zurückspiegelt (Selbstwahrnehmung geht nicht anders als in mir zu suchen... das ist sogar die "reinste" Wahrnehmung... was der Therapeut zurückspiegelt, von dem er ausgeht, das ich fühle, ist bereits durch dessen Gefühle verfärbt... bzw. so gesagt: er ist nicht in mir). Gleichwohl kann Spiegelung eine Hilfe sein, zu erkunden ob an der Hypothese des Thera, was ich fühle, etwas dran ist. Verifizieren kann das nur ich.

Klar, wenn ich fiktiv stinksauer bin, dann liegt die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Thera das zutreffend erfasst. Kann er dann zurückmelden oder nicht. Bei Nuancen wird es schwieriger.

Für die Selbstwahrnehmung braucht man im Grunde niemand anderen als sich selbst, sagt bereits der Name (außer man braucht "Nachhilfe"... aber wahrnehmen kann letzlich nur ich mich selbst).

Wenn man mehr Raum braucht, um in sich hineinzusehen, kann ich nur empfehlen: Darauf hinweisen.
Wenn man liegt, dann nimmt man anders wahr, als wenn man sich gegenüber sitzt. Und man verhält sich auch anders.
Körperlich in jedem Fall (ist ja auch ein Teil der Wahrnehmung ausmacht) . Nachdem ich auch schon mehrmals gelegen war (allerdings in der TFP)... manche Patienten liegen angeblich häufiger als ich, und das ist keine PA : In der Intensität der Emotionen an sich vernahm ich nicht so nen Unterschied. Ist auch ne Frage des eigenen Fokus würde ich sagen... also wenn ich dann nicht mehr auf mich achte (das kann an x Dingen liegen), während ich z.B. rede, nun ja, dann kann das auch im Liegen passieren. Im Sitzen kann man sich auch auf sich fokussieren (wird aber evtl. leichter abgelenkt). Kommt auf den Fokus an. Mein Regressionpotential ist dann erhöht, aber das kann ich auch im Sitzen brilliant ausschöpfen .
Wenn man einander 2-4x die Woche sieht, ist die Beziehung intensiver, als wenn man sich nur einmal die Woche oder seltener sieht.
Das mag sein... in dem Sinne, dass die Beziehung engmaschiger ist, und sich evtl. stärkere Bindung aufbaut. Allerdings frage ich mich: Was macht Intensität aus: Also muss das auch ein qualitativ-emotionaler Unterschied in jedem Fall sein. Ich denke auch in anderen Therapien gibt es starke Emotionen gegenüber dem Therapeut (Scham... Ärger... usw. das emotionale Spektrum ist weit... muss man nur das Forum quer lesen) und auch unabhängig von der Beziehung zum Therapeuten (sondern was das eigene emotionale Spektrum halt so hergibt).

Also "Intensität" liegt auch am Patient, was er an Emotionen aufbringt und mitbringt, was besprochen wird, was das auslöst, usw.

Die Beziehung ist in der PA tendenziell stärker Gegenstand selbst (weil an der Beziehung selbst als Zugangsweg, platt gesagt, vieles "abgearbeitet" wird, methodisch), und das bei höherer Frequenz. Aber als unintensiv würde ich meine Beziehungen nun auch nicht beschreiben (die aber mitunter auch Diskussionsgegenstand sind... gerade bei Beziehungsstörungen wäre das umso wichtiger, da können auch andere Methoden kaum den Beziehungsaspekt ausklammern, im Gegenteil). Bzw. so gesagt: Eine Therapie halte ich per se für intensiv und tiefgehend (unabhängig davon, inwieweit die Beziehung Diskussiongegenstand ist oder andere Inhalte)... außer man arbeitet nur oberflächlich.

Was heißt also tiefer gehen für dich? Emotionale Tiefe z.B. vermisste ich nicht. Auch nicht inhaltliche Tiefe. Auch nicht, was emotionale Tiefen anging . Die PA sieht dafür mehr Zeit vor (auch methodisch begründet)... aber ich halte Intensität im wesentlichen für eine Frage dessen, wie sehr man sich auf die Therapie einlassen kann (wenn der Draht stimmt, braucht das nicht Ewigkeiten dauern bis Vertrauen da ist... allerdings kann eine längere Dauer begünstigen, sich einlassen zu können... oder Schamgefühle abzubauen, sich trauen manches zu thematisieren and so on).

Quantitative Intensität: Da ist der Raum der PA unbestritten höher.
Wenn man weiß, dass man 300 Stunden Zeit hat, hat man auch mehr Zeit, sich an vermeintlichen Kleinigkeiten sehr lange aufzuhalten und man muss nicht das Gefühl haben, schnell etwas abarbeiten zu müssen.
Mit "schnell etwas abarbeiten wollen" kommt man IMO nicht weiter, nicht wenn dann Druck entsteht, halte ich für kontraproduktiv. Denn manches kann man nicht forcieren. Klar, das Kontingent der PA kommt da entgegen, was die Planungssicherheit angeht. Allerdings kann man auch mit einem Therapeuten einen längerfristigen Horizont (bei niederer Frequenz) planen - notfalls auch, dass Teile selbst gezahlt werden, wenn die Zeit nicht reichen sollte. Oder Verfahrenswechsel irgendwann, wenn das Kontingent nicht reicht..
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