Ich-Gefühl bei multiplen Persönlichkeiten

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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gesprungenesWasser
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Beitrag So., 23.01.2011, 20:32

Hallo ENA,
ich antworte dir noch. Ich muß nur gerade Luft holen und habe auch sehr wenig Zeit nur. Wird mir gerade etwas viel alles, geht irgendwie gerade nicht.

Danke für deine Worte, tut sehr gut.



LG gW

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ENA
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Beitrag So., 23.01.2011, 20:49

Ist in Ordnung, gesprungenes Wasser.
Lass Dir Zeit. Betrifft Dich ja auch direkt, wovon hier geschrieben wird.
Es freut mich aber sehr, wenn Dir meine Worte gut tun! Ich will hier auch keinen (v)erschrecken, überrennen oder sonst was.

...und nur kurz dazu, weil ich´s grade gelesen habe:
gesprungenesWasser hat geschrieben:Allerdings: Ich möchte überhaupt gar keine vollständige Vereinigung aller. Ich möchte sie alle behalten als diejenigen welche sie sind. Aber ich möchte daß sie besser miteinander kommunizieren, mehr Respekt voreinander haben, besser zusammenarbeiten, daß jeder das Seine dazu beiträgt damit wir das alles schaffen. Und ich möchte daß es denjenigen welchen es schlecht geht, irgendwann einmal besser geht. Und daß es weniger Streit gibt untereinander.
Das finde ich sehr! schön!!!

Gruß, ENA!

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gesprungenesWasser
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Beitrag Mo., 24.01.2011, 16:50

Ich möchte dich gerne noch einmal fragen dürfen, Offy:
dein Sam und das mit ihm verbundene Ich-Gefühl. (bitte fühle dich nicht belästigt und antworte alleine nur wenn es für dich in Ordnung ist!)

Wenn du als Sam ein zerbrechliches Ich-Gefühl hast. So also vielleicht ist es ein nicht aus dir herausgewordenes Ich, sondern ein mehr durch äußere Situationen, Herausforderungen, Notwendigkeiten nach und nach entstandenes Ich?

Zur Zeit bin ich vollkommen mit meiner (geschlechtsneutralen) Doppelidentität Ka/Ba beschäftigt. Das Ich-Gefühl welches ich habe als diese Identität und welches sich mehr an (das aus mir heraustretende und mich von außen anschauende) Ba festmachen läßt, fühlt sich von mir losgelöst an. Ein intensives aber externes Ich-Gefühl. Der Standort von Ka dagegen ist derselbe den auch mein Körper hat. Aber ich spüre meinen Körper weder als Ka noch als Ba. Zerbrechlich fühlt sich dieses Ich nicht an. Allerdings sehr transparent. Wenn du von einem zerbrechlichen Ich-Gefühl als Sam sprichst überlege ich, ob auch dieses ein vom Körper losgelöstes Ich sein könnte. Der seinen Ursprung nicht notwendigerweise in dir hat.

Tut mir leid daß ich dich nicht in Ruhe lassen kann. Aber ich suche im Augenblick verzweifelt eine Beschreibung und damit ein "Gefühl für mein Ich-Gefühl" welche an diese eine Identität gebunden ist.

Liebe Grüße
gW

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Sahra-Marie
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Beitrag Mo., 24.01.2011, 20:21

Elfchen hat geschrieben:oft gerate ich auch "ausser mir", und das empfinde ich auch als eigenartig. letzten dienstag zb. musste ich mit der ambulanz mitfahren. irgendetwas in mir hat dauernd dazwischengequatscht, obwohl das sonst absolut nicht meine art ist. es war wie fremdgesteuert. ich hab mich selber gar nicht wahrgenommen. nur irgendwann war es wie ein erwachen, und da hab ich mich schrecklich geschämt.

ich hab das aber nie mit meiner therapeutin besprochen... ist mir nie in den sinn gekommen.
liebes elfchen ,

das ausser mir sein , reden wie ich sonst nicht tue das kenne ich auch , ist mir später auch sehr unangenehm und muss mich fragen was ich da erzählt habe ?
manchmal bin ich ausser rand und band , albern und muss lachen
frage mich später wie alt ich da wohl war ?

warum hast du noch nicht mit deiner Therapeutin darüber gesprochen ? ich finde das wichtig woher sonst soll die Erklärung dafür kommen ?

manchmal denke ich das die therapeutische Entwicklung mich dahin bringt mich so zu verhalten , bin aber nicht sicher nachdem mein Thera gesagt hat das möglich wäre das abgespaltene Anteile da sein könnten -

schaun wir mal wie es weiter geht , liebe Grüsse Sahra-Marie
Wenn Du etwas von ganzem Herzen willst,
dann können Dich nur deine eigenen Ängste aufhalten.
Sergio Bambaren

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Offy
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Beitrag Mo., 24.01.2011, 20:23

Hi gW,

ist schon okay. Mach dir keine Gedanken.

Deine Beschreibung trifft es ziemlich genau. Sam ist durch äußere Umstände entstandenes Ich. Er ist anders als die anderen. Die meisten bei uns haben alle ihre ganz eigenen Erfahrungen, Sichtweisen, Ängste ...
Sam nicht. Er nimmt alles von den anderen wahr und schützt sie vor Gefahren von außen. Es gibt ihn, weil wir uns nicht selbst schützen konnten. Das habe ich innerhalb des letzten Jahres herausgefunden. Frag mich jetzt nicht wie. Ich weiß es nicht. Da waren mehrere beteiligt, von denen Informationen kamen, die dann zusammengebastelt wurden. Ich denke, der Ursprung liegt schon in mir, aber ich empfinde keine Bindung. Er besteht quasi täglich neben mir. Zusätzlich zum Alltagsbewusstsein.

Uff...ganz schön schwierig. Wenn ich jetzt nicht genau beantwortet habe, worum es dir geht, sag bescheid.
Dann versuche ich es noch mal.

LG Offy
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gesprungenesWasser
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Beitrag Di., 25.01.2011, 01:02

Hallo ENA,
danke dir
Und ich verspreche dir, ich werde dir eine Antwort nicht schuldig bleiben.

LG gW

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gesprungenesWasser
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Beitrag Di., 25.01.2011, 01:09

Hi Offy,
und danke auch dir für deine Geduld mit mir
Offy hat geschrieben:Er ist anders als die anderen. Die meisten bei uns haben alle ihre ganz eigenen Erfahrungen, Sichtweisen, Ängste ...
Sam nicht.
(...)
Ich denke, der Ursprung liegt schon in mir, aber ich empfinde keine Bindung.
Genau das ist es! Alle meine anderen Identitäten haben ihre eigene Geschichte, individuelle Ängste und Erfahrungen, ein daraus entstandenes Welt- und Menschenbild usf. Wie du es eben auch von dir beschreibst. Ka/Ba hat das nicht. Diese Doppel-Identität ist wie Wasser: transparent, klar, sichtbar, fließend und immer in Bewegung und sie ist („geschmacks-“ also) gefühlsneutral. Und sie formt sich um alles herum, sie hat keine eigene Form: Man sieht das was das Wasser birgt, aber man kommt nur dran, wenn man das Wasser durchgreift.

Ich spüre Ka/Ba nicht, habe allerdings ein fühlbares (gefühlloses) Ich. Aber intensiv und außerhalb von mir wahrgenommen. Und genau das ist so merkwürdig: Denn wie auch du es beschreibst von Sam, denke auch ich, hat es den Ursprung in mir. Mal ehrlich, Offy, es kann anders ja auch gar nicht möglich sein. Denn letztendlich sind das alles doch eben wir: ein einziges zersplittertes Ich. Was denkst du?

Du hast mich ein großes Stück weitergebracht, Offy. Vielen vielen Dank. Da kommt aber sicher noch viel mehr…

Ich spreche so viel von mir. Wie geht es dir?
gW

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gesprungenesWasser
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Beitrag Do., 27.01.2011, 04:32

ENA hat geschrieben:Nachdem ich grade eine Vorstellung davon hatte, seinen Körper nicht als zu sich zugehörig zu empfinden, verstehe ich das. Ist es mehr der Eindruck, der Körper gehört nicht zu Dir und Deinem Innenleben oder mehr, dass Du ihn tatsächlich manchmal nicht spürst: Deine Haut, Deine Arme, Dein Herzschlag, Dein Schmerz, Dein Hunger,...?
Beides, leider beides...

ENA hat geschrieben:Wie lange weißt Du das denn schon?....und wie gehen Deine Eltern, Familie, Freunde,...damit um?
Ich erinnere mich nicht genau, ist aber wirklich schon als Kind so gewesen. Und: ich habe mit meiner Familie keinen Kontakt. Unsere Freunde wissen was los ist mit mir. Sie gehen toll damit um, es sind sehr sehr gute Freunde. Und wir haben immer wieder auch sehr viel Spaß mit mir und meinem lebhaften Innenleben

ENA hat geschrieben:
gesprungenesWasser hat geschrieben:Ich habe da Kristof, der für mich arbeiten geht. Andere könnten das gar nicht. Kristof hat aber auch eine "Assistentin". Beide sind sehr zuverlässig. Aber ich habe immer Angst davor daß beide einmal Urlaub nehmen, wenn ich ihn tatsächlich gar nicht habe
Wie bekommst DU das denn mit? Was machst DU während dieser Zeit, wo die beiden agieren? Ist das so, dass Du das wie von Außen mitbekommst, was die beiden machen, aber nicht eingreifen kannst, wenn sie z.B. etwas "Unvernünftiges" machen?
Nein, nein. Ich bin dann Kristof (in diesem Falle. Das ist bei anderen Identitäten aber auch so) – mit den Gefühlen welche zu Kristof gehören, mit seiner Ethik, seiner Logik, seinem Können, seinem Denken, seiner Wahrnehmung, seinem Menschenbild usf. Kristof ist ich. Ich habe ein sehr starkes Ich-Gefühl als Kristof. Kristof macht auch nichts „Unvernünftiges“. Ich kann mich auf ihn vollkommen verlassen. Es kann aber sein daß plötzlich jemand übernimmt, der nicht Kristof ist und also nicht in meinem Beruf (Kristof ist derjenige in mir welcher "meinen heutigen Beruf erlernt hat") professionell arbeiten kann. Der sein Gegenüber anders wahrnimmt, die momentane Situation anders, vielleicht sogar konträr einschätzt und der das soeben von Kristof Gesagte neu bewertet oder schlicht und ergreifend das Gegenteil behauptet. Von einem Augenblick auf den nächsten wechsel ich dann (nicht kontrollierbar) mein gesamtes Wesen. Das passiert, wenn z.B. eine Identität getriggert wird und Kristof (oder eben eine andere Identität welche gerade draußen ist) verjagt. Aber dann habe ich meine „regulierenden Identität(en?)“, welche die Situation entschärf(en)t. Wenn ich diese „Regulierung“ durch mich selbst nicht hätte, ich glaube, ich würde vollkommen verzweifeln. Denn durch diese Instabilität meines Ich fühle ich mich mit mir selbst unsicher genug.

Aber es gibt Unterschiede zu anderen Identitäten. Manche, wie ich schon schrieb, „fühlen sich anders an“. Sie haben ein schwächeres Ich-Gefühl oder sie kommen gar nicht hervor. Sondern sie bleiben in mir „eingeschlossen“. Es ist wirklich ganz schwierig für mich das zu beschreiben. Ich suche die verbale Beschreibung aber in der Hoffnung mehr von mir zu spüren und eine vollständigere ganzheitliche Vorstellung von mir zu bekommen.

ENA hat geschrieben:Hier wieder die Frage: Wie bekommst Du das mit, was machst DU solange,...
Nein, ENA, das hast du falsch verstanden. ICH bin das alles. Ich bin fragmentiert. Es gibt keine Ganzheit in mir. Mein Ich ist aufgeteilt in viele einzelne (in sich geschlossene) Identitäten. Aber jede von ihnen hat ein Ich. Und es ist jedes Mal ein anderes. Das ist mein Elend. Und ich suche (deshalb habe ich auch diesen Thread eröffnet) mein „Gesamt-Ich“, eine zuverlässige Ganzheit in mir: ein stabiles Ich zusammengesetzt aus allen meinen Teil-Ichs. Ich bin auf der Suche. Das ist alles.


LG gW

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Offy
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Beitrag Do., 27.01.2011, 10:46

Hallo gW,
hallo zusammen,
Denn letztendlich sind das alles doch eben wir: ein einziges zersplittertes Ich. Was denkst du?
So ist die Theorie, ja. Ich bin sicher, dass es genau so ist, nur fühlt es sich eben nicht unbedingt so an.
Es ist einen ganz gravierenden Unterschied zwischen den verschiedenen Persönlichkeiten. Ein Teil derer ist aufgrund traumatischer Erlebnisse entstanden, andere wiederum als Schutz/Hilfe. Eigenartigerweise ist mein Ich-Gefühl bei letzteren größer als bei denen, die sich offenbar zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt vom Ursprungs-Ich (was auch immer das sein mag) getrennt haben. Wissenschaftlich erklären kann ich das nicht. Meine Einschätzung ist aber, dass diese "Hilfs-Persönlichkeiten" viel weniger ICH sind als alle anderen. Und doch empfinde ich zu denen mehr Nähe und identifiziere mich eindeutiger mit ihnen. Alles verwirrend und kaum zu erklären...


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MrN
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Beitrag Sa., 29.01.2011, 19:57

Uuuuiiiih, da ist mir das Thema ja ordentlich davongelaufen...
MrN hat geschrieben:Manchmal träume ich noch davon, wie ich mal war, und was ich hätte auf die Beine stellen können, wenn ich gedurft hätte...
ENA hat geschrieben: Wieso durftest Du nicht?

Es ist gar nicht so einfach für mich, auf diese Frage eine schlüssige Antwort zu finden. (Das geht mir häufig so, wenn ich etwas eher gefühlsmäßig meine. Dann kann ich mangels geeigneter Begriffe Ewigkeiten darüber sinnen und grübeln, wie ich zu solch einer Einschätzung gekommen bin. Und übrigens, ENA, genau deshalb ist es gut, wenn Du Deine Fragen stellst. - Da geht es mir auch so ähnlich, wie den anderen Betroffenen hier im Thema: Es hilft mir ungemein, einen Ausdruck für das Unfaßbare zu finden, was irgendwo zwischen Bewußtseinssplittern seinen Platz hat. Brücken zu schlagen zwischen dem "Eigen", dem "Selbst", dem "Man", dem "Ich", dem "Mein", dem "Mich", dem "Mir" - und wie sie noch alle heißen mögen, die Gedankenkategorien, mit welchen ich versuche, die zentralen Bestandteile meiner Identität zu lokalisieren und zu integrieren.) Bei genauerer Betrachtung mußte ich feststellen, daß das meiste dazu hier wohl OT wäre und wahrscheinlich wieder einige Stunden Therapie kosten wird, bis ich diesen wirren Knoten halbwegs geordnet habe. Ich will also nur versuchen, den Teil zu beantworten, der mit dem Thema "Ich-Gefühl" zu tun hat:

Es hat wohl damit zu tun, daß ich immer sehr viel Zeit (wohl "Muße" genannt) benötigt habe, um meine Innenwelt zu ordnen. Und ich war (bin) in starkem Maße davon abhängig, daß die Außenwelt zu meiner Innenwelt paßt. Normalerweise ist das ja wohl umgekehrt. Das läuft in meiner Therapie unter dem Stichwort "Anpassungsstörung".

Als Schüler, Student und in den ersten Berufsjahren habe ich ausreichend Zeit gefunden, um mich zu sammeln und zu motivieren. Wie ich schon schrieb, habe ich mein Identitätsgefühl in den Tätigkeiten gefunden, welche ich ausgeübt habe. Und ich war zeitweilig fähig, mehrere Tätigkeiten gleichzeitig auszuführen, indem ich die Unterbrechungen in der einen Tätigkeit nutzte um mich derweil in etwas anderes zu knien. Während ich also etwas schrieb, konnte ich im Hinterkopf z.B. komplexe mathematische Überlegungen anstellen oder evtl. ein Seminar planen. Wenn ich dann später mit dem Schreiben fertig war, konnte ich das nächste Thema sofort und mit hoher Effizienz bearbeiten, weil ich nur noch die bereits fertigen Denkergebnisse festhalten mußte. So konnte ich problemlos das doppelte bis dreifache Pensum bewältigen, wobei ich mich selbst glücklich und ausgefüllt gefühlt habe. Das allein war mir schon Lohn genug. Das war "Ich" und ich wollte gar nichts anderes sein. Für mich stand fest, "Ich" würde einmal "Professor" und einmalige Resultate liefern, und wenn dann mein Name allgemein bekannt geworden wäre, wäre mir das die ultimative Bestätigung meiner Identität gewesen. Nur so konnte ich mir vorstellen, überhaupt "Wer" zu sein!

Vielleicht wäre alles gut gegangen, wenn ich wirklich eine akademische Karriere eingeschlagen hätte. Doch bei den lebenswichtigen Entscheidungen war ich immer zu nachgiebig und konnte mich schlecht positionieren. Also wurde ich zum Spielball fremder Interessen und habe mich sowohl in der Fachrichtung, als auch im Beruf vertan. Ich lief immer erfolglos gegen bürokratische Widerstände an, wenn ich mir einen solchen Fehler eingestehen mußte und - viel zu spät - versuchte, etwas daran zu korrigieren. Und es gab immer gute Gründe (z.B. ein großartiges Gehalt in zwar mäßig einflussreicher Position, aber mit vielen persönlichen Freiheiten) die inneren Widerstände zu ignorieren und äußere Zwänge "freiwillig" zu akzeptieren.

Ich hatte immer darauf spekuliert, daß meine Leistungen und Resultate mir letztendlich eine Tür in die richtige Richtung öffnen würden. Im Grunde wollte ich mit meinen Ideen immer nur die Welt verändern... (Jetzt sollte sich der geschätzte Leser vielleicht an die "Anpassungsstörung" vom Anfang des Textes erinnern, um mein eigentliches Problem mit der Selbstwahrnehmung zu verstehen!) Natürlich kam es dazu nicht, denn an wesentlichen Fähigkeiten, Karriere zu machen fehlte es mir einfach: Ich sage jetzt einfach mal, ich war (und bin) zu naiv um mich im Wettbewerb durchzusetzen. Da kommen kreative Anteile immer ganz zum Schluß und dann sehr vorsichtig und angepaßt. Bei mir kam der kreative Anteil immer sofort zu Beginn und hat sich am Ende verlaufen und abgenutzt... Und deshalb kann ich mich nicht erinnern, jemals etwas erfolgreich abgeschlossen zu haben.

Dazu hätte ich nämlich echte Unterstützung von außen benötigt, einen Assistenten, jemanden, der meine Außenwelt für mich kontrolliert und geordnet hätte - jemanden, der mir gesagt hätte, wann ich um etwas hätte kämpfen müssen. Denn die kämpferischen Anteile sind bei mir durchaus da und nicht schlecht entwickelt, aber sie sind für den "Ausnahmezustand" reserviert. Ich habe einfach Skrupel gehabt, meine Ellenbogen blind auszufahren. Stattdessen hatte ich gemeint, mit Rücksichtnahme, Rücksichtnahme einfordern zu können, was aber niemals funktioniert hat, denn Beliebtheit ist in der Geschäftswelt halt kein Kapital, sondern eine Einladung, sich ausnutzen zu lassen.
Also bekam ich auch niemanden zur Assistenz - die Mitbewerber schafften es ja auch ohne und meine Leistungen fand man zwar bemerkenswert, jedoch gab es Zweifel z.B. an meiner Zuverlässigkeit, weil ich zwar beizeiten ein enormes Pensum bewältigt habe, aber dafür auch immer mal wieder Auszeiten benötigte, um mich zu regenerieren...
gesprungenesWasser hat geschrieben: Ich finde wichtiger auf das zu schauen was du getan hast.
Was sollte das denn schon groß sein?! - So hatte nämlich nichts, worin ich je Erfolg hatte, meinen Namen, meine Identität gefestigt, sondern ich fühlte mich zunehmend fremdgesteuert und verkauft. Hinzu kam, daß meine Innenanteile unter Termindruck zunehmend verwirrt wurden, weil ich nicht mehr die Gelegenheit bekam, mich ausreichend zu sortieren. Am Ende sind dem Burnout gerade die Anteile zum Opfer gefallen, welche zwischen der Realität und "Mir" vermittelt haben. Geblieben ist "Mir" eine körperliche Hülle, welche "Mich" gekonnt nach außen repräsentiert (welche zu meinem Leidwesen mich immer noch attraktiv und interessant macht) - und ein Sammelsurium von zum größten Teil wenig genutzten Innenanteilen, welche auf ihre "persönliche" Erfüllung pochen und "meine" Interessen zersplittern und mich im inneren Widerstreit über die Maßen verzetteln...
gesprungenesWasser hat geschrieben: Was ist heute dein Gefühl für dich selbst und dein Ich oder dein Gesamt-Ich?
"Ich" fühle "Mich" einfach nur noch hohl und leer - und mag mit Menschen keinerlei Verbindlichkeiten mehr eingehen, weil ich davon überzeugt bin, daß sowieso alles fehlgeleitet und kopflos endet. Sozusagen persönlihces Versagen als Programm. Solche Enttäuschungen möchte ich mir und all denjenigen ersparen, die mir vertrauen...

Ich weiß nicht, ob das eine Antwort auf Eure Fragen war, aber danke dafür, daß ihr mir eine Gelegenheit gegeben habt, mir das von der Seele zu schreiben.
LG
MrN

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ENA
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Beitrag Sa., 29.01.2011, 20:40

So, damit ich nicht wieder allzuviel Text hinterherangel, hier nun meine neuste Antwort:
gesprungenesWasser hat geschrieben:Beides, leider beides...
Ist ja schlimm!...
gesprungenesWasser hat geschrieben:Unsere Freunde wissen was los ist mit mir. Sie gehen toll damit um, es sind sehr sehr gute Freunde. Und wir haben immer wieder auch sehr viel Spaß mit mir und meinem lebhaften Innenleben
Wie hast Du diese Freunde denn kennengelernt und wie hast Du es Ihnen erzählt?
gesprungenesWasser hat geschrieben:Ich bin dann Kristof (in diesem Falle. Das ist bei anderen Identitäten aber auch so) – mit den Gefühlen welche zu Kristof gehören, mit seiner Ethik, seiner Logik, seinem Können, seinem Denken, seiner Wahrnehmung, seinem Menschenbild usf. Kristof ist ich.
Ich krick das noch nicht hin, aber da ich ja fragen darf, tue ich es nochmal:
Wenn Du von "ich bin" sprichst: Wen meinst Du dann?...und mit wem schreibe ich hier?
Du scheinst ja diese Wechsel mitzubekommen,...aber wer ist denn dieser jenige, der diese Wechsel, diese ganzen Persönlichkeiten mitbekommt, wenn nicht Du? Kristof?
Wenn Du merkst, dass sich da jemand nach vorne drängt, dann muss ja etwas da sein, was das merkt: Was bzw. wer ist das?
Ist das vielleicht wirklich nicht so, wie als wenn Du schon Du bist, aber merkst, dass da etwas in Dir handelt und reagiert, wo Du nicht eingreifen kannst? (Wie so eine stille Beobachterin also, die merkt, wie da etwas in ihr für sie reagiert)...oder bist Du dann wirklich weg und nur noch diese Persönlichkeit vorne?
...aber wie bekommst Du das dann mit, dass da jemand nach vorne geht und reagiert und woher weißt Du dann, wie welche Persönlichkeit heißt und reagiert?
gesprungenesWasser hat geschrieben:Es kann aber sein daß plötzlich jemand übernimmt, der nicht Kristof ist und also nicht in meinem Beruf
Warum tut dieser andere das und woran merkst Du das bzw. was merkt es (wenn Du nicht Du bist)?
Ich meine, wenn diese Persönlichkeiten Dich schützen sollen und Kristof vernünftig ist: Wieso überlasst er dann anderen Persönlichkeiten Deinen Beruf? Ich meine, ihm muss ja dann auch klar sein, dass das nur allzu leicht schief gehen kann!!!
gesprungenesWasser hat geschrieben:Der sein Gegenüber anders wahrnimmt, die momentane Situation anders, vielleicht sogar konträr einschätzt und der das soeben von Kristof Gesagte neu bewertet oder schlicht und ergreifend das Gegenteil behauptet.
Wie gehen oder gingen die denn bei der Arbeit damit um? Ich meine, selbst wenn die das nicht wussten: Wenn da verschiedene Persönlichkeiten am Werk sind, die unterschiedlich reagieren und unterschiedlich viel wissen, muss das doch irgendwann auffallen, oder nicht?
gesprungenesWasser hat geschrieben:Von einem Augenblick auf den nächsten wechsel ich dann (nicht kontrollierbar) mein gesamtes Wesen. Das passiert, wenn z.B. eine Identität getriggert wird und Kristof (oder eben eine andere Identität welche gerade draußen ist) verjagt. Aber dann habe ich meine „regulierenden Identität(en?)“, welche die Situation entschärf(en)t.
Hm, dann wäre es ja schön, wenn beide Persönlichkeiten vorne wären-einmal für das Triggern und einmal für den Job.

Was bedeutet eigentlich genau dieses Triggern: Das man "nur" an eine Situation wieder erinnert wird oder sie voll und ganz wieder erlebt, mit Bildern, Gerüchen, Gefühlen, Gedanken, etc.? Also eben wie im Film,...oder sogar einen Moment wie real?
gesprungenesWasser hat geschrieben:Aber es gibt Unterschiede zu anderen Identitäten. Manche, wie ich schon schrieb, „fühlen sich anders an“.
Also muss da ja etwas sein, was das fühlen kann bzw. was die Unterschiede fühlen kann. Was bzw. wer ist das, der diese Unterschiede spürt? Du?...und wer bist Du?
gesprungenesWasser hat geschrieben:Sie haben ein schwächeres Ich-Gefühl oder sie kommen gar nicht hervor. Sondern sie bleiben in mir „eingeschlossen“.
Woran merkst Du das bzw. woher weißt Du das? Weißt Du, wer und wie diese Persönlichkeiten sind?
gesprungenesWasser hat geschrieben:Es ist wirklich ganz schwierig für mich das zu beschreiben. Ich suche die verbale Beschreibung aber in der Hoffnung mehr von mir zu spüren und eine vollständigere ganzheitliche Vorstellung von mir zu bekommen.
Ja!...

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ENA
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Beitrag Sa., 29.01.2011, 20:42

gesprungenesWasser hat geschrieben:Nein, ENA, das hast du falsch verstanden. ICH bin das alles. Ich bin fragmentiert. Es gibt keine Ganzheit in mir. Mein Ich ist aufgeteilt in viele einzelne (in sich geschlossene) Identitäten. Aber jede von ihnen hat ein Ich. Und es ist jedes Mal ein anderes. Das ist mein Elend. Und ich suche (deshalb habe ich auch diesen Thread eröffnet) mein „Gesamt-Ich“, eine zuverlässige Ganzheit in mir: ein stabiles Ich zusammengesetzt aus allen meinen Teil-Ichs. Ich bin auf der Suche. Das ist alles.
Ja, ich verstehe und ich verstehe auch (noch) nicht. Es ist so beides da.
Ich verstehe diese Zersplitterung und ich verstehe, das jedes Teil ein eigenes Ich hat. Nur was ich nicht verstehe ist: Es muss doch irgendwas da sein, was das Ganze spürt, denn ansonsten könntest Du doch gar nicht sagen, dass da noch etwas anderes ist und gar nicht mitbekommen, was der jeweilige Anteil tut, was er kann, welche Charakterzüge er hat. Denn wenn Du oder dieses was das Ganze spürt, nicht da wäre, würde ja kein Teil von dem anderen wissen und z.B. Persönlichkeit A von einer Außenstehenden erzählt bekommen, das da noch andere Teile wären, Persönlichkeit B und C würden das auch hören, aber könnten das überhaupt nicht überprüfen und für sich weiterkommen, weil ja niemand weiß und spürt, dass da noch etwas anderes ist!
"Du" scheinst aber zu spüren und zu sehen, dass da etwas anderes ist. "Du" scheinst die Anteile sogar benennen, differenzieren, charakterisieren zu können, "Du" magst einige Anteile sogar... . Also muss doch irgendwas dieses "Du" sein, was über dem Ganzen oder darum herum ist, denn wenn es nur diese in sich geschlossenen Einzelteile wäre, gäbe es doch dieses Spüren und Unterscheiden können, etc, gar nicht, oder?
Also: Wer bist Du?

Ich hoffe, ich habe Dich oder Euch jetzt grade nicht zu sehr angestrengt. Ich merke auch, dass es für mich anstrengend ist, das klar zu bekommen, aber da ihr mir sagt, dass Euch meine Fragen helfen und ich weiterhin interessiert bin, tue ich es weiterhin-das Fragen!...
Offy hat geschrieben:Meine Einschätzung ist aber, dass diese "Hilfs-Persönlichkeiten" viel weniger ICH sind als alle anderen. Und doch empfinde ich zu denen mehr Nähe und identifiziere mich eindeutiger mit ihnen. Alles verwirrend und kaum zu erklären...
Vielleicht, weil es eben mehr HIlfs-Ich´s sind? Also mehr (wenn ich es überhaupt so sagen darf), Positives in sich haben, als diese Teile, die durch traumatische Erlebnisse entstanden sind? Denn da sind ja Erinnerungen von früher?...Die Hilfs-Ich würde ICH dann jetzt eher als Alltagshelfer für jetzt und in der ZUkunft sehen und haben mit dem Trauma weniger zu tun. Sind also sekundär entstanden, wenn man das so sagen kann.
Weiß nicht, ob das für Dich so passt. Dachte ich mir grade nur so... .
MrN hat geschrieben:Solche Enttäuschungen möchte ich mir und all denjenigen ersparen, die mir vertrauen...
Ich weiß nicht, ob das eine Antwort auf Eure Fragen war, aber danke dafür, daß ihr mir eine Gelegenheit gegeben habt, mir das von der Seele zu schreiben
Das kann ich verstehen. ...und ich danke Dir, dass Du etwas von Dir erzählt hast. Wenn es auch noch Dir geholfen hat, hier zu schreiben: wunderbar!

Lieben Gruß, ENA!

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today
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Beitrag So., 30.01.2011, 17:17

Darf ich mal eine Frage fragen?
Wie fühlt sich euer Traum-ich an, also wie fühlt sich dieses ich an, wenn ihr träumt?
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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Offy
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Beitrag Mo., 31.01.2011, 17:36

Hallo today,

ich weiß nicht genau, ob ich deine Frage richtig verstehe.
Ich versuche es mal.

Wenn ich träume, habe ich entweder ein sehr starkes Ich-Gefühl, so dass ich wirklich alles, was passiert, auch wirklich spüre oder ich bin externer Beobachter meiner selbst. Es gibt beide Varianten. Meistens bin ich aber mitten drin, also direkt betroffen. Ich empfinde Schmerz, Angst etc., was im Alltag oft nicht der Fall ist.

Mh...war deine Frage so gemeint?


LG Offy
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today
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Beitrag Mo., 31.01.2011, 18:05

Hi Offy,

ja das war sie (so gemeint).
Wenn du das >ich< aber so im Traum spürst (m.E. "normales" ich-Gefühl), dann gibt es zumindest eine Vorstellung (der Psyche oder was auch immer), wie sich ein unzersplittertes ich anfühlt, also wie sich das ganz im ich "drin-sein" anfühlt bzw. das s-ich nicht von der "Umwelt" (welches hier die Traumwelt ist) distanzieren anfühlt.

Wie kann das zu erklären sein, dass das geträumte ich nicht fragmentiert?
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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