Wie besser mit Sehnsucht und Schmerz umgehen?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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neko
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Beitrag So., 21.11.2010, 09:28

funtionieren - als schimpfwort, nein so weit würde ich nicht gehen. aber funktionieren war lange das einzige, was ich konnt. hat mit meiner "erziehung" zu tun. in meiner kernfamilie hast du nicht nur mächtig ärger bekommn, wenn du nicht zu den besten gehört hast, im sport, in der schule - überall. du hast auch gewaltig ärger bekomen, wenn du saugut warst, aber dich nicht so angestrengt hast, dass du beim sport z.B. kotzend durchs ziel kamst. das galt bei meinem vater als beweis dafür, dass du arrogante kuh dich auf dem, was du kannst, ausruhst, arrogant bist und nicht das beste au dir rausholst. as war charakterliche niedertracht vom feinsten. ein peverses system, das ich lange verinnerlicht hatte.

ich kenn auch das, was müki mit euphorisch werden beschreibt - also, dass du nie genug kriegen kannst z.B. beim arbeiten, immer noch einen drauf setzen musst, keine grenzen setzen kannst und bis zur totalen erschöpfung ackerst und dann auch noch glaubst, jawoll, so muss es sein, das ist glück. das war gruselig, hatte viel von getrieben sein, von sich ablenken durch arbeit, durch "erfolg". das will ich nicht mehr. all das heißt aber nicht, dass ich gerade in den schweren und schmerzhaften meiner therapie es nicht auch mal ganz hilfreich fand, dass ich durch arbeit auch aus meinem gefühlschaos mal rauskam. für mich war das oft so als wenn da eine tür aufgeht, durch die ich durch gehe und dahiinter wartet erst mal ein bisschen ruhe. ich weiß aber, dass ich da ganz doll auf mich aufpassen muss, damit das nicht zur sucht wird.

müki, bei mir war das alles nie so schlimm, wie bei dir. da hab ich glück gehabt. ich bin einmal für 6 wochen in so eine phase gekommen, wo ich gar nicht mehr konnte, wo ich die gedanken nicht mehr abschalten konnte und so wie du es beschreibst sinneseindrücke von außen als viel zu stark empfunden hab. da bin ich eines schönen morgens aufgewacht, wollte "beherzt" mein tagwerk aufnehmen und konnte mich nicht mehr bewegen. glücklicherweise hat mein mann mich da einfach in eine wirklich gute klinik getragen.

es freut mich, dass du die scham hinter dir gelassen hast. denn das ist wrklich das schlimmste, wenn man sich innen auch noch selber fertig macht.

ein bisschen off topic - ich bin früher auch mal leidenschaftlich geritten und träum manchmal davon, damit wieder anzufangen. wie funktioniert denn deine reitbeteiligung und wie hast du die gefunden?

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*AufdemWeg*
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Beitrag So., 21.11.2010, 09:44

@ Seepferdchen

total krass
denn GENAU solche Aussagen in diese Richtung
bekomme ich auch zu hören von meiner Therapeutin
"Sie dürfen da gar nicht erst reinkommen, sonst sind Sie verloren! Sie können das überhaupt nicht kontrollieren und wir wissen, was sie machen, damit es aufhört!".
Sie lässt es auch gar nicht zu,
dass ich mich hineinsteigere
weil ich sonst auch wirklich nicht mehr hinausfinde.
Da ist sie knallhart und wirklich kompromißlos.
Ich könnte sie in solchen Momenten am liebsten an die Wand klatschen und empfinde sie als kalt
aber wenn ich dann zu Hause bin und spüre
dass es so eine enorme Hilfe für mich ist,
dass jemand mich so klar und sicher begrenzt
dann bin ich einfach nur froh
und ich hoffe ehrlich,
dass ich einmal an den Punkt komme mich selbst zu begrenzen und zu schützen...vor meinen eigenen Gefühlen,
denn ich erlebe es in der Tat auch so,
dass Gefühle vernichten können.
bei mir besteht übrigens beides nebeneinander:
das funktionieren und das vernichtet werden von den eigenen Gefühlen
es ist ein innerliches aufgefressen werden
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.



Albert Einstein, 14.03.1879 - 18.04.1955

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Seepferdchen
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Beitrag So., 21.11.2010, 09:49

Ich find's auch nicht beschämend, wenn man Rente kriegt, wenn man halt so krank ist, dass man nicht mehr arbeiten kann. Von außen schimpfen viele, aber die sollen sich doch mal den Spaß gönnen und mit 41 Grad Fieber zu arbeiten. Das würde keiner erwarten. Aber bei psychisch krank heißt's doch immer nur: Zu Hause hocken und sich vom Staat aushalten lassen. So sind die Menschen halt: DUMM

Was nicht geht, geht, münchnerkindl.

Aber Du sagst es ja: Was, wenn die Rente nicht bewilligt wird. Und bei Schülern und Studenten, die krank werden, gibt's keine Rentenansprüche. Die waren nie drin im System und haben gar keine Ansprüche, höchstens auf Grundsicherung, Hartz IV.
Wenn man so sein ganzes Leben vegetieren muss und es finanziell nie reicht, dann ist das Dauerstress, der noch kränker macht. Und wenn Du so depri bist, dass Du nicht mal mehr Formulare ausfüllen kannst, dann kriegst Du nicht mal Geld, obwohl es Dir zustehen würde. Mitwirkungspflichten verletzt, schon werden Leistungen gestrichen. Wovon Du noch Miete zahlen sollst oder einfach die Heizung, interessiert niemanden. Es geht soweit, dass sich Leute Geld pumpen und mit schmierigen Typen ins Bett gehen, weil sie wissen, sie werden nochmal den fragen müssen. Und andere geben einem nichts, weil sie sagen, das sehen sie nie wieder.

Von daher: Funktionieren ist wahnsinnig wichtig. Und wenn Gefühle das unmöglich machen, dann ist es echt Zeit, ihnen den Kampf anzusagen, mit allen Waffen, die es gibt.

Und es geht nicht nur ums Geld. Sondern man möchte auch in einer menschenwürdigen Wohnung leben. Das geht nur, wenn man aufräumen und putzen kann. Man will wirtschaftlich abgesichert sein, geht nur, wenn es eine Geldquelle gibt. Man möchte Freunde haben, geht nur, wenn man nicht dauernd heult, sich in aller Angst an andere klammert. All diese Dinge machen zu extreme Gefühle unmöglich.

Heute hab' ich einen Mann und ein Kind. Das war damals nicht denkbar. Ein Baby war unmöglich. Erstens hätte ich gar keine Beziehung finden können oder haben können. Und wenn das noch geklappt hätte, wäre er gegangen, weil das kein Partner aushält. Und wenn ich ein Kind bekommen hätte, hätte es mir das Jugendamt gleich weggenommen. Und wenn man nie weiß, wann man sich umbringt und keinen Teller abspülen kann, kann man auch kein Baby versorgen.

Insofern: Ich will diese Gefühle nie mehr haben und Funktionieren ist was Schönes und Gutes. Was neko beschreibt, das hat mit Funktionieren doch gar nichts mehr zu tun, das war Schikane, die sie dann verinnerlicht hat und selber gegen sich ausgeübt hat. Das ist nicht Disziplin und nicht Funktionieren, sondern Terror. Und den würde ich niemandem und mir selber auch nicht machen. Aber ein lebenwertes Leben will ich haben und ich bin bereit, dafür Opfer zu bringen. Und das muss man auch, sonst klappt's nicht, wenn ich nicht auch Bedürfnisse zeitweise zurücknehme, kann ich nie eine Arbeit durchziehen, weil ich immer zwischendrin mal müde oder lustlos werde.

Und Ablenken durch Arbeit oder andere Dinge ist wirklich was, was einem zeitweise auch gut helfen kann. Das gehörte auch zu meiner Therapie und man sollte das nicht verteufeln.

@ AufdemWeg:

Das kann ich mir gut vorstellen, dass da ähnliche Dinge kommen. Die Therapeuten sind ja oft in den gleichen Ausbildungsinstituten, aus der Forschung kommen die neuen Dinge, die sich verbreiten.

Hier hat mal eine Userin geschrieben, da ging mir das auch so. Ich könnte wetten, dass die in der gleichen Klinik war wie ich. Zum Teil war das wortwörtlich das Gleiche, was ich von dem Chefarzt dort kannte, wie das, was sie so geschrieben hat. Therapierichtung war auch die gleiche etc. pp.

Dass man hier manches wiederfindet, was man von der eigenen Therapie her kennt, ist von daher nicht so wirklich überraschend.

Dann weißt Du jetzt, dass sie es richtig macht und eben nicht kalt ist, auch wenn sich das so anfühlt.

Es geht um's Gesamtpaket. Da merkst Du schon, ob sie hinter Dir steht!
LG

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*AufdemWeg*
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Beitrag So., 21.11.2010, 09:51

Naja es erstaunt mich schon
so etwas zu lesen.
Zumindest habe ich den Eindruck,
dass die meisten Therpeuten/innen hier
irgendwie "wärmer" sind als meine
aber vielleicht ist das auch nur mein Gefühl...
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.



Albert Einstein, 14.03.1879 - 18.04.1955

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Seepferdchen
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Beitrag So., 21.11.2010, 10:05

Hier liest man ganz oft von solchen "Weichspülkonzentrat-Therapien". Das hatte ich ganz lange. Leider versteht man oft erst im Rückblick, was wirklich geholfen und was geschadet hat. Mit Abstand von mehreren Jahren wird manches klar, was man während der Therapie nie hätte erkennen können.

Wenn Dir Deine Therapeutin zu kalt ist, dann sag's ihr. Man kann auch zu streng sein. Aber dass sie grundsätzlich eben soviel Kontrolle ausübt, darüber, dass Du nicht in die Gefühlssuppe einsteigst, darin hat die gute Frau wirklich 100%-ig recht.

Ich hab' das oben schon geschrieben: Balance zwischen Motivation und Kontrolle in der Therapie sind sehr wichtig.

Und leider, leider machen ganz viele Therapeuten diese Dinge falsch. Ich hatte auch mal eine, die hat sich für mich zum Deppen gemacht. Es ging nie um was anderes, als dass ich ja gute Erfahrungen machen müsste, damit ich wieder Vertrauenkönnen lerne, damit ich mich öffnen könnte und dass ich irgendwann wieder Lust auf Menschen kriege. Dafür hat man so mindestens 5 Jahre Therapie von vornherein angesetzt. Drunter sollte nichts gehen, aber wahrscheinlich würde man eher so an 10 Jahre denken oder für immer therapeutische Betreuung. Es kommt auf ganz andere Dinge an. Und im Rückblick ist so eine REINE Weichspülerkonzentrat-Therapie echt nur ein Reinfall, weil die abhängig und lebensuntüchtig macht. Man verliert immer mehr Selbstvertrauen, die Ängste wachsen und man weiß nicht, warum es einem immer schlechter geht, die macht doch alles und ist super für einen da.....

Soll ich Dir sagen, was da dran ist an diesen Vertrauens- und Beziehungskram?

NIX.

Es kommt darauf überhaupt nicht wirklich an. Und es gibt in der kognitiven Verhaltenstraumatherapie ganz andere Ansätze, da sind Themen, die bei Gesprächstherapien Jahre in Anspruch nehmen, innerhalb von einigen Monaten durch. Und die sind dann wirklich gut be-und aufgearbeitet und was man da lernt, ist wie Radfahren, das verlernt man nie wieder. Die nächsten Schwierigkeiten und Probleme können kommen und man wird sie allein lösen können und keinen Therapeuten mehr brauchen.

Vielleicht kann Deine Therapeutin ja solche Ansätze, viele beherrschen ja mehr als ein Verfahren, mehr als das, was am Türschild steht.

Hirn hat sie jedenfalls. Ich glaube, sie ist sehr tough. Das wird Dir noch sehr nützlich sein.
LG

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*AufdemWeg*
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Beitrag So., 21.11.2010, 10:22

Wenn Dir Deine Therapeutin zu kalt ist, dann sag's ihr.
*lach, das habe ich ihr schon oft, SEHR oft gesagt
und zwar in allen nur erdenklichen Varianten

Was mir nicht so ganz klar ist,
was meinst du mit dieser Aussage?
Soll ich Dir sagen, was da dran ist an diesen Vertrauens- und Beziehungskram? NIX
Weil, ich vertraue meiner Therapeutin schon sehr
also zumindest mehr als sonst einem Menschen
und würde auch sagen, dass ich eine Beziehung mit ihr eingegangen bin...und vor allen Dingen, dass es mir hilft das Vertrauen und die Beziehung zu ihr zu haben

Schliesst das eine wirklich automatisch das andere aus?
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.



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münchnerkindl
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Beitrag So., 21.11.2010, 10:30

Seepferdchen hat geschrieben:Hier liest man ganz oft von solchen "Weichspülkonzentrat-Therapien".
Kann es sein daß du ganz einfach diese weichen Anteile in dir selbst dermassen ablehnst, daß du die Eigenschaft auch in anderen Personen ablehnen musst?

Das erinnnert mich irgndwie an meine Mutter. Die ist im Prinzip eine ganz verletzliche und verletzte Seele, ist aber nach aussen quasi als Schutz laut, verletzend, ohne Gnade.

Wenn jetzt jemand zB weint oder offen und verletzlich ist (zB ich) dann muss sie dies abwerten und in den Dreck treten, weil es sie mit ihrer eigenen, unerwüschten Verletzlichkeit konfrontiert und sie dies nicht erträgt.


Und deshalb ist eine "harte" Therapie die einzige die du verkraften kannst, weil weich dir zu nahe geht, zu sehr an deinen Verletzungen rührt. "Hart" ist sicherer. Weil du, wie du selbst schreibst, dich von Gefühlen bedroht fühlst. Was ja auch irgendwie verständlcih ist, daß du Angst vor ihnen hast bei dem wie es dir gegangen ist in deinem Leben.


Es gibt aber nun ganz viele Leute, die können mit "weich und weichgespült" sehr gut arbeiten, wohingegen für die ein rauherer Ton retraumatisierend ist.


Ich finde es ziemlich interessant daß du weiches agieren hier so abwerten musst und es nicht akzeptieren kannst daß es FÜR ANDERE Leute genau das ist was sie brauchen.
Zuletzt geändert von münchnerkindl am So., 21.11.2010, 10:41, insgesamt 1-mal geändert.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 21.11.2010, 10:37

neko hat geschrieben: ein bisschen off topic - ich bin früher auch mal leidenschaftlich geritten und träum manchmal davon, damit wieder anzufangen. wie funktioniert denn deine reitbeteiligung und wie hast du die gefunden?
Ich bezahle einen Anteil an den Kosten und habe dafür das Pferd für 2 Tage die Woche. Hab es über Vermittlung einer Bekannten die in dem Stall ein Pferd stehen hat.

Das witzige ist, ich hab mich nach 15 Jarhen mal wieder auf ein Pferd gesetzt, das einer anderen Freundin von mir gehört, einfach mal so als Jux und es hat mich wieder erwischt. Ich hab Anfang der 90er mal Pferdewirt gelernt, auch so eine traumatische Gesschichte, aufgrund dessen mit jedliche Freude daran vergangen ist mit Mobbing, ausgenutzt werden, mieserablen Ausbildungsverhältnissen etc, naja egal. Und ich hab festgestellt, so die grundsätzlichen Dinge vergisst man nicht.

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Seepferdchen
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Beitrag So., 21.11.2010, 10:46

@ AufdemWeg:

Nee, das meine ich anders.

Natürlich musst Du mit Deiner Therapeutin/Deinem Therapeuten ein gutes Verhältnis haben, eine zumindest so gute Beziehung, dass Ihr arbeiten könnt. Die Chemie muss stimmen. Und wenn die zu kalt agiert, dann wäre ich da nicht geblieben. Zu hart ist auch nix.

Nein, ich hab' gemeint, dass die Beziehung zum Therapeuten als das Element angesehen wird, was in der Therapie zum Arbeiten herangezogen wird, dass man an dieser Modellbeziehung zur Therapeutin sich verändern soll, ist das, was nix ist.

Das Konzept leuchtet in der Theorie ein. In der Praxis versagt es. Von Therapien, die die Beziehung nicht thematisieren, kann man viel mehr über sich und das Leben lernen und man lernt überhaupt viel mehr und man bleibt unabhängig.

@ münchnerkindl:

Ich werte "soft" nicht ab, ganz im Gegenteil. Meine Therapeutin war ein herzensguter Mensch, mit viel Wärme, mit viel Tiefgang, aufgeweckt und mit viel Liebe zum Menschen. Ohne diese Aspekte in einer Therapie geht's auch nicht. Kein Mensch würde das ohne aushalten, wenn da nur so einer wie ein Bundeswehroffizier agiert. Das meine ich aber gerade nicht, sondern dass zu diesem Weichen und Soften eine wahnsinnige Stärke kommen muss, Führungspersönlichkeit, jemand, der einen kontrolliert und sich einen vorknöpft, wenn man sich in eine negative Entwicklung reinverirrt.

Zuviel Freiraum ist nichts. Nicht in der Erziehung von Kindern und nicht in einer Therapie.

Und davon rede ich, dass man jemanden braucht, der einen auch wieder auf den Boden runterholt, der einem abverlangt, dass man seine Frustrationstoleranz entwickelt, dass richtig fett gearbeitet wird in der Therapie, dass er von Dir Fortschritte sehen will und Dich überprüft, ob Du wirklich dran bleibst, ob Du tatsächlich was änderst, Dich änderst.

Meine hat von Anfang an gesagt:"Verhätscheln und Getätscheltwerden is nicht!".

Trotzdem war sie oft nett, oft lieb, ich hab' auch Dackelblicke gekriegt und ein dahingehauchtes:"Das wird besser! Das versprech' ich Ihnen! Indianerehrenwort!".

Ohne Zuwendung geht keine Therapie. Aber wenn die Zuwendung vom Therapeuten das sein soll, was die Behandlung ist, dann geht das schief und für jede Nettigkeit, die man vorher gekriegt hat, zahlt man später einen hohen Preis. Einen zu hohen Preis. Man bleibt krank, bleibt schwach, abhängig.

Gute Therapie ist phasenweise weich und mittel und hart. Je nachdem, was man grade braucht. Therapie, die einen machen lässt, was man will, die zulässt, dass man sich gehen lässt, dass man sich vernachlässigt, ist miese Therapie. Ein harter Tonfall ist auch nicht automatisch retraumatisierend, sondern auch - wenn die Beziehung tragfähig genug im Gesamtpaket ist - oft das Gegenteil. Ich war ganz froh, wenn Sie mir gesagt hat, dass sie mir verbietet, dass ich mich umbringe. Wenigstens ein Mensch auf der Welt war wohl dran interessiert, dass ich weiterlebe. Ich fand das rührend, wie die getobt hat, obwohl ich während der Stunde Fracksausen hatte. Aber später hab' ich mich sehr wohl damit gefühlt, hatte Halt.

Schönen Sonntag!

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Beitrag So., 21.11.2010, 11:10

@ Seepferdchen,

hm, ich glaube in meiner Therapie ist das dann eine Mischung,
denn ich erlebe die Therapie schon auch so:
Nein, ich hab' gemeint, dass die Beziehung zum Therapeuten als das Element angesehen wird, was in der Therapie zum Arbeiten herangezogen wird, dass man an dieser Modellbeziehung zur Therapeutin sich verändern soll, ist das, was nix ist.
Das kann ich VOLL unterschreiben:
Meine Therapeutin war ein herzensguter Mensch, mit viel Wärme, mit viel Tiefgang, aufgeweckt und mit viel Liebe zum Menschen. Ohne diese Aspekte in einer Therapie geht's auch nicht. Kein Mensch würde das ohne aushalten, wenn da nur so einer wie ein Bundeswehroffizier agiert. Das meine ich aber gerade nicht, sondern dass zu diesem Weichen und Soften eine wahnsinnige Stärke kommen muss, Führungspersönlichkeit, jemand, der einen kontrolliert und sich einen vorknöpft, wenn man sich in eine negative Entwicklung reinverirrt.

Zuviel Freiraum ist nichts. Nicht in der Erziehung von Kindern und nicht in einer Therapie.

Und davon rede ich, dass man jemanden braucht, der einen auch wieder auf den Boden runterholt, der einem abverlangt, dass man seine Frustrationstoleranz entwickelt, dass richtig fett gearbeitet wird in der Therapie, dass er von Dir Fortschritte sehen will und Dich überprüft, ob Du wirklich dran bleibst, ob Du tatsächlich was änderst, Dich änderst.

Meine hat von Anfang an gesagt:"Verhätscheln und Getätscheltwerden is nicht!".

Trotzdem war sie oft nett, oft lieb, ich hab' auch Dackelblicke gekriegt und ein dahingehauchtes:"Das wird besser! Das versprech' ich Ihnen! Indianerehrenwort!".

Ohne Zuwendung geht keine Therapie. Aber wenn die Zuwendung vom Therapeuten das sein soll, was die Behandlung ist, dann geht das schief und für jede Nettigkeit, die man vorher gekriegt hat, zahlt man später einen hohen Preis. Einen zu hohen Preis. Man bleibt krank, bleibt schwach, abhängig.

Gute Therapie ist phasenweise weich und mittel und hart. Je nachdem, was man grade braucht. Therapie, die einen machen lässt, was man will, die zulässt, dass man sich gehen lässt, dass man sich vernachlässigt, ist miese Therapie. Ein harter Tonfall ist auch nicht automatisch retraumatisierend, sondern auch - wenn die Beziehung tragfähig genug im Gesamtpaket ist - oft das Gegenteil. Ich war ganz froh, wenn Sie mir gesagt hat, dass sie mir verbietet, dass ich mich umbringe. Wenigstens ein Mensch auf der Welt war wohl dran interessiert, dass ich weiterlebe. Ich fand das rührend, wie die getobt hat, obwohl ich während der Stunde Fracksausen hatte. Aber später hab' ich mich sehr wohl damit gefühlt, hatte Halt.
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münchnerkindl
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Beitrag So., 21.11.2010, 11:13

Seepferdchen hat geschrieben:Das meine ich aber gerade nicht, sondern dass zu diesem Weichen und Soften eine wahnsinnige Stärke kommen muss, Führungspersönlichkeit, jemand, der einen kontrolliert und sich einen vorknöpft, wenn man sich in eine negative Entwicklung reinverirrt.!
Also ich und vermutlich eine Menge andere Leute wollen und brauchen niemanden der sich andere Leute "vorknöpft". Ich jedenfalls kann auf derartige autoriäre Intervention definitiv verzichten. Und kontrolliert werden ist für mich absolut no-go. Mir wird einfach nur schlecht bei dem Gedanken, so etwas kommt mir ÜBERHAUPT NICHT in mein Leben.

Mir ist klar, daß zB bei der Drogentherapie eine gewisse Führung und Kontrolle vorhanden sein muss. Daß in ganz akuten Kriesen der Therapeut die Führung übernehmen muss.

Aber das was du hier beschreibst ist absolut kontraproduktiv in einer Therapie für sehr sehr viele Menschen und von daher finde ich es ausgesprochen befremdlcih wie du es hier gebetsmühlenartig als alleine seeligmachend für jedliche Probleme, und gerade in der Traumatherapie hochstilisiertst. Weil gerade Traumatherpie ist ein hochsesibler Bereich, wo die Grenzen und die Selbstbestimmung des Klienten immer gewahrt bleiben muss da sonst Retraumatisierung droht, dh, das Erleben daß jemand von aussen über mich bestimmt, oder gar daß Dinge wie "vorknöpfen" passieren hat in einer Traumatherapie absolut nichts verloren.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 21.11.2010, 11:16

Seepferdchen hat geschrieben:Wenigstens ein Mensch auf der Welt war wohl dran interessiert, dass ich weiterlebe. Ich fand das rührend, wie die getobt hat, obwohl ich während der Stunde Fracksausen hatte. Aber später hab' ich mich sehr wohl damit gefühlt, hatte Halt.

Du findest hier ein autoritäres Auftreten Halt gebend. So wie eine Mutter, die mal ganz böse wird und schimpft weil sie sich sorgt, für dich ist das eine starke Form von Anteilnahme, eine positive Form von Nachbeelterung. Das ist aber nicht unbedingt bei allen Menschen der Fall.


Ich finde es absolut nicht schön, wie du hier etwas das dir persönlich hilft zum alleinigen und heilsbringenden Weg hochstilisierst.
Das kommt mir vor wie religiöser Fanatismus. Meine Religion ist die einzige die zum Heil führt und deshalb muss ich alle Leute missionieren, die einer anderen Religionen angehören und ggf sogar mit ihr ausgesprochen glücklich sind.
Zuletzt geändert von münchnerkindl am So., 21.11.2010, 11:23, insgesamt 1-mal geändert.

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Seepferdchen
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Beitrag So., 21.11.2010, 11:23

Aber münchnerkindl, ich sage doch gar nicht, dass für alle genau die gleiche Rezeptur das Richtige ist. Wenn Du bei meiner Therapeutin gewesen wärst, hätte sie sicherlich auch einiges anders gemacht, weil sie gewusst hätte, dass genau da Dein Knackpunkt liegt. Bei mir war's aber anders. Mich hat nie jemand gegängelt oder unter Druck gesetzt. Ich war allein, auf mich gestellt, keiner da auf weiter Flur.

Trotzdem bleibt's dabei: Eine gute Therapie besteht aus guter therapeutischer Arbeit, aus Weiterkommen und nicht aus einer Ersatzbeziehung, in der man einfach nur vor sich hinerzählt, ablädt und dafür bedauert wird und dann geht man wieder, ist happy, weil einen jemand in seinem Leid bestärkt hat.

Und es gibt eben Menschen, die brauchen ein starkes Gegenüber. Ich sage nicht, dass das für jeden gut wäre, wenn man ihn anbrüllt. Aber oft täte es genau denen gut, die von sich glauben, dass das gar nichts für sie ist und ihnen schaden würde. Ich dachte auch, ich bin ja sooo verletzt, dass mich keiner anhusten dürfte. Aber grade die harte Tour hat gefruchtet. Sehr lustig im Nachhinein zu erkennen, wie sehr man sich doch in sich selber täuschen kann.

Keiner hat sich getraut, mich hart anzufassen. Aber sie nicht. Und dafür bin ich dankbar.

So meine ich das.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 21.11.2010, 11:33

Seepferdchen hat geschrieben:
Keiner hat sich getraut, mich hart anzufassen. Aber sie nicht. Und dafür bin ich dankbar.
Und deshalb ziehst du jetzt in Foren in den heiligen Krieg gegen alle "Weicheiertherapeuten", die du alle pauschal als laber-nutzlos Fuzzies aburteilst ?

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*AufdemWeg*
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Beitrag So., 21.11.2010, 11:35

@ münchnerkindl

Und deshalb ziehst du jetzt in Foren in den heiligen Krieg gegen alle "Weicheiertherapeuten", die du alle pauschal als laber-nutzlos Fuzzies aburteilst ?

das macht sie doch gar nicht?
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.



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