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Do., 06.05.2010, 14:04
Hallo,
bin ja erst mal angenehm überrascht, dass hier meine eigene Zerissenheit oft so ähnlich beschreiben wurde, wie ich es empfinde. Mit solchen Gefühlen nicht alleine zu sein, ist erstmal eine Wohltat...
Die Bandbreite ging bei mir von Parentifizierung, Liebesentzug, Abhärtungstraining, Wegschließen und regelmäßiger Züchtigung bzw. Wutausbrüche mittels Peitsche durch beide Elternteile etc. Was ich teilen kann ist, dass mein Hass sich ebenfalls weniger gegen den tyrannischen Vater richtet, (ist ebenfalls schon seit Jahren tot) als gegen die Verlogenheit und Zweideutigkeit der Mutter, die einer Gehirnwäsche gleichkommt. (Das übliche Bagatellisieren, Beschönigen, Verleugnen, Verdrehen, Abwehren und Schuldumdrehen) Das macht mich oft wahnsinnig, dass ich manchmal jetzt noch nachts durch die Strassen rennen muss, um wieder runterzukommen von dem Trip, auf dem ich alles vernichten könnte. Es gibt dann einfach scheinbar nichts in mir, was mich beruhigen kann.
Ich könnte oft – ja, was eigentlich aus meiner Mutter rausprügeln? Eine Entschuldigung wohl nicht, ...wohl eher was Echtes, Fühlbares... was man natürlich nicht erzwingen kann und jeder Druck würde sie nur bestätigen, sie das Opfer, ich der Täter. Ich könnte durchdrehen oder mich nicht mehr melden, was ich 4 Jahre nicht gemacht habe und es bringt sie nichts von ihrem Kurs ab. Alles wird so hingedreht, dass es auf mich und meine eigene Unzulänglichkeit zurückfliegt und das ist manchmal wirklich die Hölle. Ich hab mich immer gefragt, ob andere das kennen und wie andere das aushalten und bin froh, auf diese Seite gestoßen zu sein. Danke für die wertvollen Beiträge! (Inklusive Auseinandersetzungen…)
Was mich dabei so ohnmächtig macht, ist, kaum eine Chance mehr zu sehen, im eigenen Schmerz und der Wut gesehen – und damit vollständiger? - zu werden und dennoch an der vagen Hoffnung festzuhalten. Weil es eben bei mir auch, wie es hier schon anklang schöne Momente gab, weil es einen Teil gibt, der für Wahrhaftigkeit im Kontakt noch mal durchs Feuer gehen würde und weil man ahnt, dass es unendlich wichtig für das eigene Selbstwertgefühl sein könnte, sich in seiner Wahrnehmung bestätigt zu fühlen (wie Momo schon schrieb). Es ist unglaublich, wie viel Heilung man anscheinend noch für möglich hält, wenn diese unterdrückten oder abgespaltenen Anteile nur integriert werden könnten, sonst würde ich daran wohl nicht so festhalten?
Es wundert mich immer wieder, wie viel Macht man anderen „gibt“ (?), über den eigenen Wert zu entscheiden, wenn man sich seiner selbst nie sicher sein konnte. Aber das ist eben der schneidende Fallstrick der kindlichen Abhängigkeit, die wohl manchmal noch in einem steckt ...auch mit über 40.
Andererseits gibt es manchmal ein Gefühl, jenseits von jedem Selbstzweifel zu sich und in sich stehen zu wollen und vielleicht auch zu können, ohne sich dabei von irgendetwas abhängig zu fühlen. Es scheint aber, als ob man dabei all seine Erfahrungen, auf denen man sein brüchiges Selbstbild aufgebaut hatte, hinter sich lassen müsste. Ich meine nicht, sie zu verdrängen, sondern sie nicht mehr als Grundlage für sein Selbstwert heranzuziehen. Dann wieder halte ich es für völlig unmöglich.
Hat jemand damit Erfahrung oder gibt oder gab es das bei euch vielleicht phasenweise, dass ihr unabhängig von jeder Erfahrung wusstet, welchen Wert ihr habt, einfach weil ihr die seid, die ihr seid? Und konntet ihr darin eine Art Vertrauen (wieder-) entdecken?
Denn ich muss mich auch immer wieder fragen, was verspreche ich mir von einer erneuten, vielleicht letzten Konfrontation, oder worum geht es WIRKLICH bei der Wut? Selbstbehauptung, Vergeltung, Gesehen-Werden, Fühlen-Dürfen, Trauern-Können, Wahrhaftigkeit, Liebe? In jedem Fall scheint sie nicht lockerzulassen oder ich sie nicht, ...keine Ahnung.
Vielleicht fällt jemandem noch was dazu ein, auch wenn der thread fast schon ruht. Würde mich sehr freuen.
Schöne Grüße,
Guts
Der größte und seltenste Mut ist der Mut zu sich selbst. Geh deinen Weg, und wer mit dir geht, wird sich finden.