Habt ihr Eure Eltern mit ihren Taten konfrontiert?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
Benutzeravatar

Elfchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 2845

Beitrag Mi., 27.01.2010, 20:18

@momo_will_leben:
Elfchen hat geschrieben: Glaub mir, es geht mir nicht besser, wenn es anderen schlecht geht. Was ich im Übrigen alles erlebt habe, muss erst mal überboten werden .
Dieser Satz war wirklich nicht sehr angebracht von mir. War eine Reaktion, die ich mir sonst nicht erlaube. Du hast natürlich Recht mit dem, was du dazu schreibst.

lg
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

Werbung

Benutzeravatar

Innere_Freiheit
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
männlich/male, 50
Beiträge: 845

Beitrag Mi., 27.01.2010, 22:22

Hallo,

auch bei mir ist es so, dass ich verschiedenes mitbekommen habe, was mich in meinem heutigen Leben sehr einschränkt - was mich jahrzehntelang beim Knüpfen sozialer Kontakte seehr einschränkte, und es auch heute noch tut.

Vor kurzem habe ich dann eine andere Art von Konfrontation - oder besser gesagt von "Versöhnung" vorgenommen. Mit Hilfe von Anleitungen auf CDs ("Der Vater meiner Kindheit" und "Die Mutter meiner Kindheit" von Robert Betz) begegnete ich zunächst meinem Vater und ein paar Tage später meiner Mutter jeweils in einer Art Fantasiereise in einem blauen Raum. Hier war es zunächst wichtig, all das Auszusprechen, was schon immer ausgesprochen werden wollte.
Erst als die fertig war wurden in einem nächsten Schritt alle Verstrickungen zwischen mir und dem Elternteil gelöst - alle Forderungen, Erwartungen, Wünsche, ... die ich an das Elternteil hatte - und alle alle Forderungen, Erwartungen, Wünsche, ... die das Elternteil an mich hatte... Alle negativen Bindungen und Verstrickungen wurden gelöst.
Dann war Zeit, Positives auszudrücken, zu schauen, ob und wieviel Herzensverbindung man vielleicht haben will....
aber in Zukunft unabhängig meinen eigenen Weg zu gehen (und die Eltern ihren Weg gehen lassen).

Ich fand dies schon beeindruckend, hilfreich, lösend.... aber hatte dann nicht die Motivation, diese Reise mehrmals zu machen, was eigentlich empfehlenswert wäre.

Ja, ich finde, auch bei Vorwürfen, Hass, Schuldzuweisungen bleibt Verstrickung zurück, eine negative Art von Gebundensein - Unfreiheit!

(Ich wollte dies hier mal einwerfen. Ich kann die nächsten Tage nicht ins Internet, werde mich daher hier also mehrere Tage nicht mehr einbringen können. )

Lieben Gruß

Innere Freiheit
Das was ich ablehne, bleibt an mir kleben!

Benutzeravatar

Shiri
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 32
Beiträge: 7

Beitrag Di., 02.02.2010, 15:55

Ich habe nach dem Tod meines Vaters meine Mutter konfrontiert. Es war nicht geplant oder überlegt, ich bin einfach geplatzt (muss 18 oder so gewesen sein). Ich habe einfach nicht mehr diese ständige "warum sterben die besten immer so früh" etc. ausgehalten. Es war nicht das erste mal dass ich sie angesprochen habe auf das was mein Vater gemacht hat, ich erinnere mich an ein mal mit 12... da sagte sie wenn ers nochmal macht soll ichs ihr sagen. Und einmal als er schon tot war und ich ausgezogen. Ich wollte wissen ob sie sich noch dran erinnert als ich sie damals angesprochen hab und sie hat sich verplappert... sie sagte "ja aber da warst ja noch so klein, Kinder vergessen sowas". Ich hab nur grosse augen gemacht und gefragt wie klein?? Sie hat sich erst gewunden und dann gesagt "na so 5 oder 6". Das würde ich aber nicht als Konfrontation bezeichnen. Ich hab einfach geforscht.
Nur das eine mal wo ich explodiert bin... ihre Antwort war wie ich sowas über ihn sagen könnte, sie hätte das schlagen ja immer falsch gefunden aber er hätte da schon Recht gehabt und ich hätts verdient. Sie hätte es genauso machen sollen all die Jahre.

Unnötig zu sagen dass mir das nachhängt.... Die Antwort hatte Vor und Nachteile für mich. Auf der einen Seite einfach ein erneutes Trauma, man kanns nicht schönreden, eine Weile hatte ich es sogar verdrängt. Auf der anderen Seite Klarheit. Danach ging es zwar noch eine Weile weiter in der sie auf der einen Seite so getan hat als wär nix, und mich auf der andren Seite bestraft hat so wie immer mit Nichtachtung, Liebesentzug und gleichzeitig mit unter die Nase reiben wie sehr sie meinen jüngeren Bruder lieb hat... aber es gehört zu den Ereignissen die mir klar gemacht haben: Meine Mutter liebt mich nicht, sie hat mich nie geliebt (nur ihre Traumvorstellung von einer Tochter in ihrer idealen Familie die sie selber als Kind nie hatte), und sie wird es auch nie. Ich weiss das. Es ist sehr sehr schmerzhaft aber unumstösslich. Sie hat es bei mehr als dieser einen Gelegenheit ganz klar gemacht. Damit hat sie alle meine Hoffnungen die ich bei ihr hatte, und meine Illusionen so brutal zerstört dass ich vor Jahren den Kontakt abgebrochen habe und ihn auch nie mehr wollte. Ich weiss dass ich nie eine Mutter in ihr haben werde, jeder Versuch sinnlos.

Das ist ein Riesenverlust für mich der mit Trauer verbunden ist, so ähnlich als wäre jemand gestorben. Aber ich habe auch noch immer eine Riesenwut in mir die immer mal wieder hochkommt. Ich konnte mich von ihr noch nicht befreien und denke dass sie einfach noch ihren Platz braucht denn sie ist gerechtfertigt und natürlich und durfte nie raus. Verzeihen kann ich meiner Mutter nicht. Ich habe die erwachsene Frau von dem Kind getrennt das sie einmal war und das selbst schlimmes durchlitten hat, und festgestellt dass ich dieses Kind sehr lieb habe. Von der erwachsenen Frau möchte ich nichts mehr wissen.

Die Wut auf meinen Vater der mich geschlagen, missbraucht und terrorisiert hat ist gar nicht mal so stark. Mag sein dass da noch was verdrängt ist, es kann aber auch an was andrem liegen, an einem Schlüsselerlebnis das ich als teenie hatte. Ich hatte immer Todesangst vor ihm, denn ausser mich zu schlagen hat er auch so Sachen gemacht wie mir Mund und Nase gleichzeitig zuzuhalten, oder mich mit Gesicht voran auf die Matratze zu drücken sodass ich keine Luft bekomme. Er hat das recht lustig gefunden und laut gelacht dabei. Aber als teenie wurde ich zunehmend rebellischer, und eines Tages als er mich ins Gesicht geschlagen hat, habe ich ihm direkt in die Augen geschaut voller Wut und sehr intensiv und zu ihm gesagt "du bist _so dumm_". Ich hatte immer angenommen der erschlägt mich in so einem Fall aber er hat umgedreht und abgewunken und ist grummelnd weggegangen. Und ich habe mich einfach toll gefühlt, nein himmlisch. Ich habe gewonnen an dem Tag damals, so hat es sich angefühlt. Ich habe es sogar damals in mein Tagebuch geschrieben damit ich es nie vergesse. Eigentlich war auch das eine Konfrontation und es war ein extrem wichtiges Erlebnis.
Ich hasse ihn nicht weil ich ihn gar nicht erst geliebt habe. Ich hatte immer nur Angst vor ihm, er hat mir zu was anderem nie Anlass gegeben. "Vater" war für mich immer nur ein Mann vor dem man Angst hat und der einen bestraft, nicht mehr. Ich war froh als er weg war. Komischerweise habe ich mir von ihm auch gar keine Liebe erhofft, das war nur bei meiner Mutter so stark. Ich wollte einfach nur dass er weg ist. Im Grunde war er immer ein Fremder für mich. Verlust fühle ich nur dann wenn ich normale Väter sehe weil ich sowas nicht kenne. Ich vermisse was ich nie hatte, meine Eltern aber nicht.

Zwei sehr unterschiedliche Konfrontationen also....

Benutzeravatar

Shiri
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 32
Beiträge: 7

Beitrag Di., 02.02.2010, 16:20

Hm... das mag jetzt seltsam sein dass ich mir selber antworte aber mir ist grade eben etwas bewusst geworden durch meine eigenen geschriebenen Worte was mir nie aufgefallen war... und das ist etwas sehr Wichtiges für mich.

Wie ich geschrieben habe, hab ich mir immer nur gewünscht das er weg ist. Ich habe mich schon als kleines Kind gefreut wenn ein Anruf kam dass er Überstunden macht, und zwar hab ich offen gejubelt. Eine Weile dann hiess es später von meiner Mutter sie will sich scheiden lassen weil sie so unzufrieden ist in der Beziehung und ich war gleich total erfreut und dafür, wollte sie sofort unterstützen. Ich war ein teenie und natürlich hat sie es nie gemacht. Ich hab mir immer vorgestellt... wenn er nur weg wäre, dann wäre alles gut, dann hätte ich ein schönes Leben und eine super Familie. Das war mein Traum.
Und eines Tages ist es passiert. Er war weg, weg für immer, tot. Und mein Traum hat sich nicht erfüllt, sondern das Gegenteil ist passiert. Meine Mutter war voller Trauer, hat ihn immer hochgelobt und verteidigt, mein Leben deprimierend und beschissen weil sie dauernd nur geweint hat und ich sie eine Weile sogar füttern musste weil sie zu nix mehr imstande war. Mein Traum ist zerplatzt.. und dann bin ich geplatzt, voller Wut und Enttäuschung. Und an dem Tag als ich diesen Traum restlos begraben habe, habe ich den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. Ich habe ihre Träume zerstört in ihren Augen, und sie meine in meinen Augen. Jeder musste den seinen beerdigen, den Traum von der Familie die er nie hatte. So waren wir bei der Konfrontation beide gleichermaßen verzweifelt.
Das ist 10 Jahre mindestens her (bin so schlecht mit Zahlen) und eine erneute Annäherung sehe ich als ausgeschlossen weil wir beide auf unserem Standpunkt beharren werden. Und darum... ist das das Ende der Geschichte mit uns beiden, aber nicht das Ende der Wut. Weil sie mir etwas genommen hat das mir so wichtig war.

Werbung

Benutzeravatar

nichtmehrda
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 99
Beiträge: 399

Beitrag Di., 02.02.2010, 20:06

hallo shiri!
verblüffend, wie deine geschichte der meinen ähnelt...
Shiri hat geschrieben:Ich habe die erwachsene Frau von dem Kind getrennt das sie einmal war und das selbst schlimmes durchlitten hat, und festgestellt dass ich dieses Kind sehr lieb habe. Von der erwachsenen Frau möchte ich nichts mehr wissen.
das ist ein total starkes bild... find ich echt super... manchmal taucht das bei mir auch auf - aber irgendwas wehrt sich noch sehr in mir, dieses kind zu lieben, obwohl gleichzeitig jemand sehr danach sehnt, in gedanken dieses kleine mädchen in den arm zu nehmen... im gegensatz zu uns hatte es wahrscheinlich nie die chance oder die kraft oder die unterstützung oder weiß ich was, ihre traumata zu überwinden und zu heilen.
aber noch kann ich wie gesagt das noch nicht zulassen... zu verletzt ist mein inneres kind wohl noch, dass die erwachsene frau damals gewusst hat und nicht unternommen hat. aber ich wünsche mir (und meinen innenkindern) dass wir das irgendwann einmal hinkriegen.
Die Wut auf meinen Vater der mich geschlagen, missbraucht und terrorisiert hat ist gar nicht mal so stark.
das geht mir eigenartigerweise auch so... magst durchaus recht haben mit deinen vermutungen, wieso das so ist.

danke für deine gedanken!
lg momo
VERGANGENHEIT
ist
wenn es nicht mehr weh tut
Mark Twain

Benutzeravatar

speedone
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
männlich/male, 31
Beiträge: 2

Beitrag Mo., 08.02.2010, 11:37

Hallo zusammen,

ich weiss jetzt nicht ob das noch dazu Passt, da ich nur die ersten Beiträge gelesen habe. Ich kann ja mal schreiben wie ich meine Eltern mit Ihren Taten Konfrontiert habe.

Kurz zu meiner Geschichte...meine Mutter leidet unter starken Depressionen und würde ohne Tabletten nicht Lebensfähig sein. Ich wurde schon als kleines Kind von Ihr öfter Geschlagen und Seelisch verletzt. Sie hat überhaupt keine Schuldgefühle in jeder hinsicht..sie ist die Arme Frau die von allen nur schlecht behandelt wird.

Ich wurde älter und im Streit habe ich Ihr gesagt was ich von der Erziehung halte. Meinen Vater habe ich damit Konfrontiert, das er all die Jahre nur zugesehen hat. Obwohl wir doch auch seine Kinder waren.

Keine Ahnung ob die überhaupt wissen was sie mir über die Jahre angetan haben.. Menschen müssen auch einsehen können, sonst nützt das meiste reden nichts
Der Liebeskummer wird nie vergehen aber wir werden uns wiedersehen

Benutzeravatar

Keksin
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 26
Beiträge: 100

Beitrag Mo., 08.03.2010, 19:25

Hallo !

Meine Mutter weiß es im Grunde ja, aber sie verdrängt es immer wieder ...
Aber ich habe mir fest vorgenommen, dass ich sie jedes Mal, wenn sie wieder über andere Leute und ihre Kindererziehung meckert, sie ein Stück mehr konfrontieren werde.
Das muss ich mir echt nicht mehr anhören.
Einiges weiß sie schon, was sie früher nicht wusste.
Ich war da bisher im Konfrontieren sehr vorsichtig, weil ich keine Lust auf ihre Kommentare hatte und sie das schnell umwerfen könnte.
So werfe ich ihr also kleine Bröckchen zum ärgern vor, aber nicht um sie vordergründig zu ärgern, sondern auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
Es hat mich viel Übung und Arbeit an mir gekostet, das so zu formulieren, dass sie nicht gleich sauer ist ... also ohne Vorwurf. Einfach eine Nennung von Fakten, und das kann sie ja schwer bestreiten.

Ich würde ihr gern noch so viel mehr erzählen, aber so weit ist sie noch nicht und das würde auch (noch) nichts bringen. Würde nur unnötig aufbauschen und dann würde es verdrängt werden.

Lg, Keksin

Benutzeravatar

guts
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
männlich/male, 43
Beiträge: 3

Beitrag Do., 06.05.2010, 14:04

Hallo,
bin ja erst mal angenehm überrascht, dass hier meine eigene Zerissenheit oft so ähnlich beschreiben wurde, wie ich es empfinde. Mit solchen Gefühlen nicht alleine zu sein, ist erstmal eine Wohltat...

Die Bandbreite ging bei mir von Parentifizierung, Liebesentzug, Abhärtungstraining, Wegschließen und regelmäßiger Züchtigung bzw. Wutausbrüche mittels Peitsche durch beide Elternteile etc. Was ich teilen kann ist, dass mein Hass sich ebenfalls weniger gegen den tyrannischen Vater richtet, (ist ebenfalls schon seit Jahren tot) als gegen die Verlogenheit und Zweideutigkeit der Mutter, die einer Gehirnwäsche gleichkommt. (Das übliche Bagatellisieren, Beschönigen, Verleugnen, Verdrehen, Abwehren und Schuldumdrehen) Das macht mich oft wahnsinnig, dass ich manchmal jetzt noch nachts durch die Strassen rennen muss, um wieder runterzukommen von dem Trip, auf dem ich alles vernichten könnte. Es gibt dann einfach scheinbar nichts in mir, was mich beruhigen kann.

Ich könnte oft – ja, was eigentlich aus meiner Mutter rausprügeln? Eine Entschuldigung wohl nicht, ...wohl eher was Echtes, Fühlbares... was man natürlich nicht erzwingen kann und jeder Druck würde sie nur bestätigen, sie das Opfer, ich der Täter. Ich könnte durchdrehen oder mich nicht mehr melden, was ich 4 Jahre nicht gemacht habe und es bringt sie nichts von ihrem Kurs ab. Alles wird so hingedreht, dass es auf mich und meine eigene Unzulänglichkeit zurückfliegt und das ist manchmal wirklich die Hölle. Ich hab mich immer gefragt, ob andere das kennen und wie andere das aushalten und bin froh, auf diese Seite gestoßen zu sein. Danke für die wertvollen Beiträge! (Inklusive Auseinandersetzungen…)

Was mich dabei so ohnmächtig macht, ist, kaum eine Chance mehr zu sehen, im eigenen Schmerz und der Wut gesehen – und damit vollständiger? - zu werden und dennoch an der vagen Hoffnung festzuhalten. Weil es eben bei mir auch, wie es hier schon anklang schöne Momente gab, weil es einen Teil gibt, der für Wahrhaftigkeit im Kontakt noch mal durchs Feuer gehen würde und weil man ahnt, dass es unendlich wichtig für das eigene Selbstwertgefühl sein könnte, sich in seiner Wahrnehmung bestätigt zu fühlen (wie Momo schon schrieb). Es ist unglaublich, wie viel Heilung man anscheinend noch für möglich hält, wenn diese unterdrückten oder abgespaltenen Anteile nur integriert werden könnten, sonst würde ich daran wohl nicht so festhalten?
Es wundert mich immer wieder, wie viel Macht man anderen „gibt“ (?), über den eigenen Wert zu entscheiden, wenn man sich seiner selbst nie sicher sein konnte. Aber das ist eben der schneidende Fallstrick der kindlichen Abhängigkeit, die wohl manchmal noch in einem steckt ...auch mit über 40.

Andererseits gibt es manchmal ein Gefühl, jenseits von jedem Selbstzweifel zu sich und in sich stehen zu wollen und vielleicht auch zu können, ohne sich dabei von irgendetwas abhängig zu fühlen. Es scheint aber, als ob man dabei all seine Erfahrungen, auf denen man sein brüchiges Selbstbild aufgebaut hatte, hinter sich lassen müsste. Ich meine nicht, sie zu verdrängen, sondern sie nicht mehr als Grundlage für sein Selbstwert heranzuziehen. Dann wieder halte ich es für völlig unmöglich.

Hat jemand damit Erfahrung oder gibt oder gab es das bei euch vielleicht phasenweise, dass ihr unabhängig von jeder Erfahrung wusstet, welchen Wert ihr habt, einfach weil ihr die seid, die ihr seid? Und konntet ihr darin eine Art Vertrauen (wieder-) entdecken?
Denn ich muss mich auch immer wieder fragen, was verspreche ich mir von einer erneuten, vielleicht letzten Konfrontation, oder worum geht es WIRKLICH bei der Wut? Selbstbehauptung, Vergeltung, Gesehen-Werden, Fühlen-Dürfen, Trauern-Können, Wahrhaftigkeit, Liebe? In jedem Fall scheint sie nicht lockerzulassen oder ich sie nicht, ...keine Ahnung.

Vielleicht fällt jemandem noch was dazu ein, auch wenn der thread fast schon ruht. Würde mich sehr freuen.

Schöne Grüße,

Guts
Der größte und seltenste Mut ist der Mut zu sich selbst. Geh deinen Weg, und wer mit dir geht, wird sich finden.

Benutzeravatar

TimpeTe
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 58
Beiträge: 467

Beitrag Fr., 07.05.2010, 11:10

Ich hoffe, ich wiederhole nicht schon Gesagtes,- aber das durchlesen des ganzen Threads war mir zuviel.

In der Klinik wurde eher zur Vorsicht geboten. Wenn Konfrontation- dann nur gut vorbereitet und begleitet, weil sonst die Gefahr besteht, wieder zum Opfer gemacht zu werden, sich mehr zu schaden, denn davon zu provitieren. Es hat mich sehr nachdenklich gemacht dies in einem dramatischen Fall in der Klinik mitzuerleben,- die Frau ist fast daran verzweifelt, dass der Täter alles leugnete.

Meine Empörung ob all den Grausamkeiten die geschehen konnten, endete nie bei den Tätern. Ich konnte nie verstehen, warum die NACHBARN schwiegen. Man muss! uns Kinder schreien gehört haben, denn er verprügelte uns fünf Kinder kollektiv- und mit allem was ihm in die Hände geriet. Es muss gehört worden sein!!!!

DIE LEHRER:...sie haben unsere Körper gesehen, die Striemen und die Wunden- das liess sich nicht verbergen, weil es früher keine langen Turnhosen gab. Der Mittelstufenlehrer "profitierte" davon, indem er seine sadistische Ader an uns ****kindern auslebte, weil er wusste, dass wir von den Eltern keinen Schutz erhalten würden, - nur zusätzliche Prügel...Ich habe diesen Menschen abgrundtief gehasst, so sehr, dass ich noch jahrzehntelang meine Teppiche nach draussen geschleppt habe um sie mit dem Teppichklopfer zu bearbeiten und mir vorzustellen, es wäre dieser Lehrer. Er hat mein Leben versaut, weil meine Noten infolge meiner grossen Angst vor diesem schwarzen Pädagogen in den Keller sausten. Von anfänglichen "fast" Bestnoten...zu einem "fast" behinderten Kind eingestuft....niemand hat was unternommen, niemand hat dies hinterfragt...

DAS SPITAL: Nach einem Velounfall bin ich mit einem komplizierten Unterschenkelbruch dort gelandet. "Man" war sehr erstaunt, dass ich anscheinend schon meine Mens hatte.(Ich war in der dritten Klasse). Dann wurde "man" aber anscheinend "stutzig" und es erfolgte eine Untersuchung in Narkose. Die müssen! doch gesehen haben, dass da was nicht stimmte. Und auch die haben geschwiegen!!

Irgend etwas in mir muss unglaublich robust sein, denn die Vergangenheit holte mich erst im Alter von fast fünfzig Jahren ein. Inzwischen sind die Hauptübeltäter tot, und die Frage, nach einer Konfrontation erübrigt sich.

Ich möchte mit den Worten eines Klinikarztes schliessen, die ich hier (glaub ich) schon mal irgendwo hineingeschrieben habe. Auf meine Klagen, dass ich mich so sehr dafür hasse, nicht mehr funktionsfähig zu sein, - sprich ein unnützes Mitglied der Gesellschaft geworden zu sein- hat dieser mir folgendes zur Antwort gegeben: " Die Gesellschaft hat weggeguckt, als sie hätte hingucken müssen, jetzt ist die Gesellschaft verpflichtet, ihnen zu helfen, dies wiedergutzumachen.

medusa
Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt. (Mark Twain 1835-1910)

Benutzeravatar

Offy
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 38
Beiträge: 470

Beitrag Fr., 07.05.2010, 12:35

Hallo medusa,

dein Beitrag hat eine Menge in mir ausgelöst.
All die Fragen, die du dir stellst, habe ich mir genauso auch schon tausend mal gestellt. Ich weiß, dass wir nie ein Antwort darauf bekommen werden, aber es ist einfach so unverständlich, dass es schwer fällt, es als gegeben hinzunehmen.
Ich meine...wir haben ja schließlich nicht in einer Höhle gelebt, wo uns keiner gesehen hat. Wie kann es dann sein, dass nicht ein Einziger Erwachsener jemals hinterfragt hat, was da eigentlich bei uns zu Hause passiert? Ich kann und will es nicht verstehen.

Ich bin ziemlich sicher, dass mir damals sowieso niemand geglaubt hätte. Meine Mutter war schließlich Erzieherin und demnach entsprechend geschult im Umgang mit Kindern. Dass sie ihre eigenen Kids aber schlechter behandelt hat als die fremden Kinder in ihrer Obhut, hätte doch keiner für möglich gehalten.

Bei solchen Berichten wie deinem habe ich immer wieder ein ganz bestimmtes Bild vor Augen: Die Kleine liegt zusammengerollt am Boden, zusammengeschlagen von der eigenen Mutter, Schmerzen am ganzen Körper... und sie will einfach nur noch sterben. Sie ist fünf Jahre alt.

Zum eigentlichen Thema des Threads: Ich habe meine Mutter eher auf eine etwas subtile Art konfrontiert. Es gab häufig Bemerkungen von ihr, sinngemäß: "Du bist immer so kalt und emotionslos. Ich weiß gar nicht, wo das herkommt..."
Meine Reaktion ist meist eher zurückhaltend, aber ich sagte ihr schon mehrmals, dass sie daran ja auch nicht ganz unschuldig ist. Das streitet sie rigoros ab. Von ihr könne ich das nicht haben.
Nun ja...ich dachte dabei auch weniger an eine Vererbung...
Heute weinte ich –
aber keine Träne benetzte eine Blume.
Still, leise und nutzlos!
Werde ich auch so von der Welt gehen?

Benutzeravatar

TimpeTe
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 58
Beiträge: 467

Beitrag Fr., 07.05.2010, 13:42

Hallo Offy
Ich bin ziemlich sicher, dass mir damals sowieso niemand geglaubt hätte. Meine Mutter war schließlich Erzieherin und demnach entsprechend geschult im Umgang mit Kindern. Dass sie ihre eigenen Kids aber schlechter behandelt hat als die fremden Kinder in ihrer Obhut, hätte doch keiner für möglich gehalten.
Deine Zeilen erinnern sehr an die öffentlich gewordenen Dramen im Zusammenhang mit den katholischen Priester. Auch da hat die Gesellschaft nicht glauben wollen, dass "sowas" ausgerechnet von "heiligen Brüdern" bei Kindern ausgelebt wurde.
Bei solchen Berichten wie deinem habe ich immer wieder ein ganz bestimmtes Bild vor Augen: Die Kleine liegt zusammengerollt am Boden, zusammengeschlagen von der eigenen Mutter, Schmerzen am ganzen Körper... und sie will einfach nur noch sterben. Sie ist fünf Jahre alt.
*umarm*

Bei mir war's der Vater...., die Mutter war "weniger" schlimm..Die war passiv-agressiv. Vordergründig eine Märtyrerin- und versteckt, verdrängt.. ...ohje....die hab ich mehr gehasst, als den Erzeuger, weil nicht fassbar. Solche Menschen sind üüüüüübel.
Nun ja...ich dachte dabei auch weniger an eine Vererbung...


ein lieber Gruss zu dir...medusa
Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt. (Mark Twain 1835-1910)

Benutzeravatar

guts
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
männlich/male, 43
Beiträge: 3

Beitrag Fr., 07.05.2010, 13:56

So schrecklich die Geschichten sind, es tut gut, von euren zu lesen.

Bei uns gab es eine ältere Nachbarin, zu der ich gehen konnte. Sie hat alles Wand an Wand mitgekriegt, war meist selbst empört aber Vater und Mutter sollten weiterhin gnadenlos geehrt werden. Außerdem war mein Vater Offizier und danach Bürgermeister der Stadt und gesellschaftlich und persönlich machtvolles Auftreten scheint viele wohl auch heute noch sehr einzuschüchtern oder ein Recht des Stärkeren zu suggerieren.
Meine Mutters Fürsorge bestand die erste Zeit in Zwiebelscheiben, die sie uns zum Abschwellen für die Striemen gegeben hat. Spätestens ab 10 Jahren hat sie sie selbst fabriziert, ...und wir wussten ja mittlerweile, wo die Zwiebeln sind. Sportlehrer haben weggeguckt, außerdem hab ich das selbst lieber verborgen.
medusa52 hat geschrieben:Die Gesellschaft hat weggeguckt, als sie hätte hingucken müssen, jetzt ist die Gesellschaft verpflichtet, ihnen zu helfen, dies wiedergutzumachen.
gefällt mir, macht Mut sich nicht mundtot machen zu lassen, auch wenns mich heute nach wie vor komplett verwirrt, zu fürchten, dass ich "Nestbeschmutzung" zu meinem eigenen Schaden begehe, wenn ich das Umfeld der Familie mit meiner Geschichte konfrontiere, ...die u.U. auch nicht gehört werden will.
Aber ich denke, es ist oft und gerade diese tiefe Verunsicherung, ob es "erlaubt" oder berechtigt ist, was schon von Vornherein mir den Schneid abkauft.

guts
Der größte und seltenste Mut ist der Mut zu sich selbst. Geh deinen Weg, und wer mit dir geht, wird sich finden.

Benutzeravatar

TimpeTe
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 58
Beiträge: 467

Beitrag Fr., 07.05.2010, 15:54

Liebe guts
gefällt mir, macht Mut sich nicht mundtot machen zu lassen, auch wenns mich heute nach wie vor komplett verwirrt, zu fürchten, dass ich "Nestbeschmutzung" zu meinem eigenen Schaden begehe, wenn ich das Umfeld der Familie mit meiner Geschichte konfrontiere, ...die u.U. auch nicht gehört werden will.
Aber ich denke, es ist oft und gerade diese tiefe Verunsicherung, ob es "erlaubt" oder berechtigt ist, was schon von Vornherein mir den Schneid abkauft.
Man kann kein Nest beschmutzen, das eh schon dreckig ist! Und alle Opfer haben das Recht zu reden. Ob es Sinn macht, das nächste Umfeld der Herkunftsfamilie damit zu konfrontieren - das ist eine andere Frage. Braucht es ein klärendes Gespräch, weil man mit den Personen in nahem Verhältnis lebt? Oder sucht man die Konfrontation um innern Frieden zu finden? Den einen mag es helfen- den andern wird es verm eher schaden. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, nicht unbedacht zu handeln.

Wir Geschwister sind uns einig- die Mutter emotional total abwesend, der Vater ........!

Und ausser uns Kindern gibt's keinen mehr...

ein lieber Gruss zu dir...medusa
Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt. (Mark Twain 1835-1910)

Benutzeravatar

Blondie 40
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 40
Beiträge: 5

Beitrag Sa., 08.05.2010, 17:39

Hallo,
ich habe jetzt nicht den ganzen Thread durchgelesen, sondern möchte gleich aufs Thema eingehen.
Ja, ich habe meine Eltern damit konfrontiert und danach habe ich den Kontakt abgebrochen.
Das tut weh, das ist nicht leicht, es ist, wie wenn sie schon gestorben sind. Und manchmal wünsche ich mir auch, dass ich endlich die Todesnachricht von den beiden bekomme. Aber die sind ja zäh!
Es ist schwierig, wenn man ganz alleine ist, auf der anderen Seite kann man auch nichts mehr verlieren.
Irgendwas muss nämlich auch ziemlich stark in mir sein, und so habe ich schon seit Jahren einen Partner, mit dem ich sehr glücklich bin. Sozusagen meine eigene kleine Familie.
Ja, es tut weh, wenn man heiratet, und niemand von der eigenen Herkunftsfamilie ist dabei, nur Freunde und die Eltern und Geschwister des Partners. Ja, da gibt es dann auch Fragen, die ich aber entweder umgehe, oder einfach sage, dass es halt schwierig ist. GSD sind die Eltern meines Mannes auch sehr zurückhaltend.
Anfangs dachte ich, nur er war schuld. Nur er hat es getan, im Rahmen meiner Therapie kam aber immer mehr raus, dass erstens meine Mutter es wusste. (Ich kann mich an Szenen erinnern, wo sie dabei war!).
Ja, und verprügelt und gewürgt, (bis zur Ohnmacht) sind wir nicht nur von ihm sondern auch von ihr!
Mir geht es gut, keinen Kontakt zu haben!
Ich möchte das jetzt auch so lassen.
lg Blondie

Benutzeravatar

tiffany
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 22
Beiträge: 25

Beitrag Mo., 10.05.2010, 22:27

nein meine mutter weiß es nicht. als ich ca 12 oder 13 jahre alt war, kam raus dass meine ehmaliger steifvater (mein peiniger) ein mädchen aus der nachtbarschaft über jahre hinweg sexuell mißbraucht wurde.
daraufhin hatte mich meine mutter auch gefragt, ob er mir irgentwas angetan hat.
da ich mich aber geschämt habe und auch nichts irgentwie in der familie kaputt machen wollte, habe ich gelacht und gesagt "nein, hätte er es nur versucht hätte ich mich gewährt" abgesehen davon, wuste ich ja auch nicht, ob es mir überhaupt jemand glauben würde.
ich bereue es heute noch, dass ich es ihr nicht erzählt habe.
sie ist vor 3 jahren gestorben und ich habe mir immer wieder gesagt "sie ist gegangen und ich habe es ihr nie erzählt"
und einen vater hatte ich nie, aber ich hätte sowieso nicht mit ihm darüber geredet.
ich kann darüber nicht sprechen, selbst wenn ich es mal jemand erzählen möchte ich kann es nicht erzählen, es geht einfach nicht.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag