Hallo Rilke,
Rilke hat geschrieben:
naja, die Pause war schon seeeehr lang und er sagte, er hätte den Anamnesebogen gern neu ausgefüllt von mir (obwohl er den alten noch vorliegen hatte), da sich ja doch im Laufe der Jahre was geändert haben könnte an meiner eigenen Sicht auf die Dinge.
ah, ok, dann macht es natürlich schon Sinn, da den aktuellen Stand zu ermitteln. Ich bin da von keiner all zu langen Unterbrechung ausgegangen.
Rilke hat geschrieben:
Ich bin nicht sicher, ob ich diesen Absatz von dir richtig verstehe - fühle mich in letzter Zeit oft wie 'auf den Kopf gefallen'...
Ich versuche mal zu erklären, was ich meinte. Denke auch es ist nicht zwingend OT in Bezug auf die Fragestellung, da es da eigentlich um etwas geht, was ich als allgemeines Phänomen in Bezug auf die Bewertung von "Eigenschaften anderer" sehe und was häufig - so es nicht reflektiert wird - zu "Fehleinschätzungen" führen kann.
Du beschreibst Deinen Thera an anderer Stelle als "sehr von sich überzeugt", worüber er sich amüsiert. Dies kommt Dir narzisstisch vor. Und genau da sind wir bei einem wie ich finde sehr spannenden Punkt in Bezug auf "gesunden"/"gestörten" Narzissmus.
Von sich selbst überzeugt zu sein, an sich zu glauben und das auch nach außen zu vertreten ist erst einmal "gesunder Narzissmus", so die Einschätzung (das Selbstbild) eben einigermassen realistisch ist und diese "Überzeugung" nicht zu Lasten anderer (unempathisch) aufgebaut/aufrechterhalten wird. Bei Menschen die "gelernt" haben, dass "von sich selbst überzeugt sein" etwas "böses" ist (oft Kinder narzisstisch gestörter Eltern) kommt dieser "gesunde Narzissmus" dann erst einmal wie etwas "krankes" an.
Aber im Grunde ist es oft so, dass sich dennoch danach gesehnt wird ein Stück weit mehr selbst so zu sein. Denn im Grunde sehnt sich jeder Mensch danach, dass der eigene "Wert" erkannt und anerkannt wird und auch gelebt werden kann und darf. Du gibst diese Sehnsucht nun an den Thera ab, der da "fähiger" zu sein scheint und wünschst Dir, dass er sozusagen "Deine abgelehnten Selbstanteile, die Du selbst aufgrund innerer Verbote nicht zeigen darfst/kannst" entdecken möge. Sozusagen "stellvertretend" für Dich. Weil, wenn er das "tut", dann "tust ja Du nichts böses".
Ich hoffe es ist ungefähr verständlich was ich meine?
(Ich meine jetzt auch nicht, dass das da bei Dir in der Situation so war, sonders nehme die Situation nur als mögliche, exemplarische her, da sie nun mal schon "im Raum" ist.)
Im Grunde geht es darum, dass wir häufig "abgelehnte Selbstanteile" in unserem Gegenüber erkennen und "abwerten/bekämpfen", weil wir uns da was selbst nicht so gut "erlauben" können und dürfen. Das ist eine höchst interessante und auch selbstreflektive Möglichkeit zu schauen, wo man selbst eventuell noch Baustellen hat.
Lehne ich das wirklich ab? (Aufgrund meines ureigenen inneren Wertesystems.) Oder bin ich im Grunde auch ein wenig neidisch und kann/darf mir das nur nicht eingestehen? (Aufgrund eines mir "eingeimpften", fremden Wertesystems.)
Lieben Gruss,
mio