Tränen-reich hat geschrieben:
Widow hat geschrieben:
PS: Sprache macht nicht nur etwas mit den Menschen - Sprache schafft Welt, sie bildet sie nicht nur ab.
Okay, deine Meinung
Nö, nich meine Meinung.
Seit etwa 700 Jahren wird zumindest in der 'westlichen' Sprach-Philosophie diese These weitgehend vertreten. Ich schließe mich der an, weil ich sie für volkommen logisch halte. (Und seit etwa 100 Jahren liefert auch die Linguistik für ihre Richtigkeit Belege; und seit etwa 50 Jahren sogar die Neurobiologie - aber bei der zuckt ja auch das Hirn eines toten Lachses, wenn man dem im CT Menschenbilder zeigt ...)
Tränen-reich hat geschrieben: Und: inwiefern schafft Sprache Welt? Wie meinst du das?
Stell Dir vor, Du gehst in einen Dschungel, liebe Träne.
Was siehst Du?
Ganz viel Grün, oder? Pflanzen und Bäume, die grün sind: Hellgrün oder dunkelgrün, flaschengrün, olivgrün, türkis vielleicht gar, aber auf jeden Fall auch tannengrün, gelbgrün, blaugrün, braungrün, zartgrün, intensiv grün, und vielleicht siehst Du noch ein paar andere Grüns.
Es gibt im Amazonasgebiet Populationen von sogenannten Ureinwohnern, die sehen 40 und mehr Grüntöne und haben für jeden dieser Grüntöne (die aber doch für uns einfach nur Grüntöne sind) ein
anderes Wort. Eins, das
so anders ist, wie in unserer Sprache das Wort "tief" und das Wort "rot" anders sind. (Und jetzt stelle Dir bitte mal kurz vor, wie unterschiedlich etwas Tiefes und etwas Rotes auf Dich wirkt, wenn Du Dich außerhalb Deiner geschützten häuslichen Umgebung bewegst.)
Wo Du, liebe Träne, im Dschungel also nur einen Unterschied zwischen diesem und jenem Grün siehst, sehen diese Menschen einen Dschungel, der ganz anders ist als Deiner.
Wer sieht den wahren Dschungel?
Und noch einmal andersherum gedacht:
Ist die Welt nicht nur dann Realität (für den Menschen), wenn sie die Welt der zu Wort gekommenen Dinge* ist?
"Gibt" es (für den Menschen) nicht nur das, wofür der Mensch ein Wort gefunden hat?
Und schließlich, liebe Träne:
Wenn zum Beispiel Rechtspopulisten
fake news in die Welt setzen, also allein durch Sprache eine Wirklichkeit konstruieren, die de facto nicht existiert - erschaffen sie damit nicht am Ende doch genau diese Wirklichkeit (zumindest für unzählige Menschen)?
- Mir ist das jetzt hier zu anstrengend. Wie geschrieben: 700 Jahre vorwiegend europäischer Philosophiegeschichte stecken da drin. Und ich habe ohnehin den Eindruck, dass alles, was ich schreibe, unverständlich ist.
Bin dann mal weg.
* "Die Welt der zu Wort gekommenen Dinge" - so haben die Humanisten des 14./15. Jahrhunderts die Welt genannt; das waren die Philosophen, die erstmalig gedacht haben, dass der Mensch so behindert ist, dass er die Welt erst dann erfassen kann, wenn er sie zu Wort kommen lässt. Und alles, wofür er kein Wort findet, existiert nicht. So wenig wie für Dich, liebe Träne (und natürlich auch für mich), der Dschungel seiner sogen. Ureinwohner.