Dschungel total

[leberblümchen]

stern, ich frag mal ganz blöd und direkt: Interessiert dich z.B. der link von widow gar nicht? Du sagst, dass du dich für Gruppendynamiken interessierst; da liegt es doch nahe, sich mal anzugucken, was das für Leute sind, die diese Sendung gucken und was sie damit kompensieren.

Wenn mich jemand fragt: "Warum magst du Krimis?" oder: "Warum schreibst du durchschnittlich acht Beiträge pro Tag in einem Internetforum?", dann würde ich versuchen, auf diese Frage eine Antwort zu finden (sofern ich sie nicht schon gefunden habe).

Es geht doch vielleicht nicht darum, wie viele Würmer jemand essen muss und ob fünf Würmer weniger schlimm sind als zehn Würmer, sondern um das Format an sich. Ich hab z.B. immer Schwierigkeiten damit, wenn der 'Anbieter' einer Sache so komplett andere Ziele verfolgt als ich als 'Abnehmer'. Also, dem Anbieter geht es um Geld; vorgeben tut er, es sei alleine die Unterhaltung, die zählt; und der intelligente Mensch weiß: Das, was als 'Unterhaltung' bezeichnet wird, spiegelt unsere Abgründe wider. Allerdings wird das - natürlich - nicht reflektiert, sondern Zuschauer und 'Macher' reden sich ein, sie seien eigentlich nichts Anderes als Bob der Baumeister für Erwachsene. Damit macht man sich jedoch was vor, und das ist es, was mich ärgert.

Ich mag z.B. sehr fack ju göhte - was ja nun auch nicht gerade 'anspruchsvoll' ist; aber hier wird die eigene Dummheit lächerlich gemacht und in einer Deutlichkeit gezeigt, die einem zumindest die Chance gibt, sich mit den eigenen Vorurteilen und Oberflächlichkeiten auseinanderzusetzen. Das ist ein Spiegel der deutschen Schule, so wie sie heute aussieht (machen wir uns nichts vor), und wer sich weiter nicht damit befassen will, der findet es halt nur 'geil'; aber es beinhaltet auch andere Perspektiven.

Das Dschungelcamp spiegelt allerdings etwas, was nicht ausgesprochen werden DARF. Wir können nicht einfach sagen: "Wir als Zuschauer sind pervers. Mitgefühl und Takt gehen uns völlig ab". Das wird nicht thematisiert, und da liegt vielleicht das Hauptproblem: dass man sich wirklich einredet, es hätte eine Bedeutung, ob ein gewisser Hans Wurst ne Made gegessen hat.

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[stern]

Ich glaub dir geht das Gespür dafür ab, worin außer in irgendwelchen Ekelprüfungen möglicherweise die eigentliche Erniedrigung und Demütigung liegen könnte.

Ach, du glaubst mir Gespür absprechen zu können, weil ich eine andere Sichtweise zu Selbstbestimmung als du habe und den Dschungel schaue.

Es empfindet aber nicht jeder erniedrigend und demütigend... vgl. Interviews diverse Teilnehmer. Teilweise ja, habe ich ja geschrieben. Nur das Format ist doch gut durchleuchtet. Ich gehe auch nicht zu DSDS, wenn ich nicht singen kann.

@ leberblümchen: Wenn es der Link ist, den widow jährlich postet, so habe ich mich schon mehrmals geäußert und diesen gelesen.

Ich glaube auch nicht, dass ich Stellvertreter für die gesamte Gesellschaft bin, sondern äußere nur meine Meinung.

[leberblümchen]

Tröte, es stellt sich die Frage, was Massentierhaltung mit der Kritik an dieser Sendung zu tun hat. Es kling so wie ein Vorwurf (kann aber eigentlich keiner sein, da du ja nicht weißt, wie ich selbst zur Massentierhaltung stehe). Es könnte also sein, dass - theoretisch - die Leute, die das Dschungelcamp sehen, dieselben sind, die Eier aus Käfighaltung kaufen...

Übrigens entschuldigt das eigene potenzielle Fehlverhalten ja nicht die Tatsache, dass andere Menschen andere Fehler begehen.

[stern]

Das sind Promis, die bei diesem Formal teilnehmen. Sprich: Sie WOLLEN gesehen werden. Walter WOLLTE, dass über ihn geredet wird. Und es war sicher auch nicht nur Versehen, dass Walter seine Eier in die Kamera gehalten hat (und nein, das brauche ich sicherlich nicht)... in einer Verkaufsendung hat er angeblich sogar seine Hose so präpariert, dass sie in der Sendung nach unten rutscht. Falls es wahr ist, was ich nicht weiß... wenn ja: Solche Typen gibt es halt auch. Oder Mileys die alles mögliche und unmögliche twittert. Leute, die besoffen in Talk-Shows auftreten und anders als Dschungel-Kandidaten nicht mehr so klar denken können. Es gibt Leute, die laden Pornos ins Netz hoch. Und es gibt Leute die schauen sie. Manche aus freien Gründen andere mglw. auch störungsbedingt.

Aber nicht jeder ist automatisch gestört.. auch nicht, wenn niedere Instinkte befriedigt werden... sondern Selbstbestimmung: Das muss man selbst tun, was man macht. In unserem Land kann man sich notfalls auch Hilfe holen, wenn man sich dessen unsicher ist. Und es gibt auch eine Masse an Leuten (wie auch immer diese sich zusammensetzt), die nicht ausschließlich Bildungsfernsehen sehen will.

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[Widow]

Wenn es der Link ist, den widow jährlich postet, so habe ich mich schon mehrmals geäußert und diesen gelesen.

Stern, ich habe den link im letzten Jahr erstmalig gepostet.
Und Du hast damals in ein oder zwei Antwort-postings zwar auf irgendwelche Details aus dem Essay Bezug genommen, nur leider nicht darauf, dass hier ein präfaschistischer, nämlich autoritärer und reaktionärer (alles Begriffe aus dem Artikel), an Demütigung und Niederknüppeln Lust habender Habitus beschrieben wird, der (wie schon vor 80 Jahren) 'aus der Mitte der Gesellschaft' kommt.
Für jemanden, der diese Sendung als

Sozialstudie

bezeichnet hat, interessiert Dich eine solchermaßen soziologische Perspektive überraschend wenig, finde ich.

Beste Grüße
w

PS: Die Marathon-Tänzer in den 1920er "wollten" übrigens auch unbedingt gewinnen ...

[stern]

Menschen können doch auch unterschiedliche Grenzen haben. Ich fände den Dschungel sogar reizvoll, wenn ich die Möglichkeit hätte... würde mir vielleicht ähnlich gehen wie Jörn, dass ich es als Abenteuer sehen würde... echt jetzt. Problem hätte ich aber mit Essen und Insekten (was aber kein absoluter Ausschlussgrund wäre und viiiiielleicht etwas trainier- und überwindbar wäre)... was es aber erheblich erschweren würde, wäre (abgesehen davon, dass ich nicht prominent bin und damit nicht in die Auswahl käme), dass ich nicht der Typ bin, der gerne im Mittelpunkt steht (mit Kameras).

[Mia Wallace]

Ach, du glaubst mir Gespür absprechen zu können, weil ich eine andere Sichtweise zu Selbstbestimmung als du habe und den Dschungel schaue.

jaaa genau

[stern]

@ widow: ja, dann war es eben einmal, dass der Link schon gepostet wurde... du siehst: Ich erinnere mich sogar daran .

@ Mia: Deinen Zynismus kannst du dir sparen. DAS finde ICH gerade naja. Macht aber nichts... also mental verkrafte ich das trotz Traumatisierung . Du wirst mir aber hoffentlich nicht übel nehmen, dass ich mir meinen Teil dazu denke

[Mia Wallace]

Du wirst mir aber hoffentlich nicht übel nehmen, dass ich mir meinen Teil dazu denke

tu dir keinen Zwang an- feel free



p.s. für jemanden, der super Abschalten und Entspannen kann bei Formaten, die die öffentliche Erniedrigung von Menschen zum Inhalt haben (und nein: Insekten verspeisen finde ich nicht erniedrigend- nur völlig sinnfrei) bist du aber ganz schön empfindlich und zimperlich

[stern]

@ Mia: Sowieso nicht. Jeder Beitrag spricht für sich... deine also für dich (und nicht für mich)

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Glaube ich auch wirklich: Wer sich nicht bereits selbst als "unwürdig" wahrnimmt, der erlebt sich auch in einer Schmutzpfütze nicht so. Die Leute, bei denen beides zusammenkommt (also das Format bestimmte Gefühle triggern könnte), sollte sich die Teilnahme wohl gut überlegen. Für mich als Zuschauer wäre es entbehrlich, dass Leute im Schlamm zu suhlen (oder andere Ekel-Prüfungen).

Wie ich schon schrieb: Ich hätte gerne Rebecca öfters gesehen, die gute Laune einbrachte, was aber wohl teils herausgeschnitten wurde. Mehr Gespräche. Also manche Verschiebung finde ich selbst schade, was sich so äußerte, dass ich weniger gesehen habe.

[Mia Wallace]

@ Mia: Sowieso nicht. Jeder Beitrag spricht für sich... deine also für dich (und nicht für mich)

Da stimme ich dir zu: meine Beiträge sprechen nicht für dich.
(deine aber übrigens auch nicht )

[stern]

Wenn mich jemand fragt: "Warum magst du Krimis?" oder: "Warum schreibst du durchschnittlich acht Beiträge pro Tag in einem Internetforum?", dann würde ich versuchen, auf diese Frage eine Antwort zu finden (sofern ich sie nicht schon gefunden habe).

Habe ich doch bereits 2x sogar. Viel tiefenpsychologischer ist das vielleicht auch nicht zu begutachten.

Nur glaube ich nicht, dass ich stellvertretend für die Gesellschaft stehe. Sondern biete lediglich eine Meinung/Sicht.

Selbst als Teilnehmer fände ich das Format reizvoll (mit besagten Einschränkungen).

Ich hab z.B. immer Schwierigkeiten damit, wenn der 'Anbieter' einer Sache so komplett andere Ziele verfolgt als ich als 'Abnehmer'. Also, dem Anbieter geht es um Geld; vorgeben tut er, es sei alleine die Unterhaltung, die zählt; und der intelligente Mensch weiß: Das, was als 'Unterhaltung' bezeichnet wird, spiegelt unsere Abgründe wider.

Klar weiß ich, das RTL Geld verdienen will (die Anrufe kosten auch Geld. Nur rufe ich sicherlich nicht dort an)... Werbeeinblendungen wurden anscheinend auch intensiviert. Natürlich hat es auch was exhibitionistisches, wenn sich jemand im Fernsehen zeigt und etwas voyeuristisches, wenn ich das schaue. Also ich weiß als Zuschauer grob, was mich erwartet...

... und bin sicherlich auch nicht der Typ, der sich völlig empathie- und gespürlos denkt, na hoffentlich fühlt sich Person xy nun entwürdigt und mir die Hände reibe. Aber wenn jemand seine Eier in die Kamera hält (und andere Aktionen), darf ich mir auch meine Teil denken oder mich dazu äußern, dass ich das auch nicht sehen mag... und jemand in Gefahr läuft, sich selbst zu demontieren.

Na klar werden auch niedere Instinkte bedient... aber

Das Dschungelcamp spiegelt allerdings etwas, was nicht ausgesprochen werden DARF. Wir können nicht einfach sagen: "Wir als Zuschauer sind pervers. Mitgefühl und Takt gehen uns völlig ab".

und hier spreche ich für mich: Mitgefühl und Takt gehen mir selbstverständlich nicht ab... daher kann ich das auch nicht behaupten. Wenn jemand so über mich denkt, der mich gar nicht kennt... weil ich ein bestimmtes Format schaue, nun ja, dann nehme ich das zur Kenntnis, mache mir da aber doch natürlich nicht zu eigen.

Das wird nicht thematisiert, und da liegt vielleicht das Hauptproblem: dass man sich wirklich einredet, es hätte eine Bedeutung, ob ein gewisser Hans Wurst ne Made gegessen hat.

Habe ich aber auch nicht behauptet, dass es sonderlich bedeutsam ist, wer eine Made isst. Sondern dass ich es als Unterhaltungssendung anschaue und zum Abschalten (womit nicht gesagt ist, dass mich alles unterhält... wahrlich nicht. Vieles war auch öde oder manches abschreckend oder weckte meine Mitgefühl).

[stern]

Was stört dich eigentlich so, dass du mir so auf der persönlichen Ebene begegnest, Mia, während du dich anderseits so dermaßen über das Format aufregst und konstatierst, dass Menschen zu schützen sind?

[Mia Wallace]

und hier spreche ich für mich: Mitgefühl und Takt gehen mir selbstverständlich nicht ab.

nein selbstverständlich nicht

Ich schätze, dass 100% der Menschen, den Dschungel & Co ansehen das für sich so sehen.
Nur : wer würde schon von sich behaupten, dass er bar jeden Mitgefühls (oder auch nur mit sich in Grenzen haltendem Mitgefühl) und ohne Taktgefühl der öffentlichen Bloßstellung anderer Menschen zusieht, um bei irgendwelchen Perversitäten zu entspannen ?

Das ist ja gerade das, was Leberblümchen sagt.

[leberblümchen]

stern: Aber warum lenkt dich gerade SO ETWAS ab oder unterhält dich? Warum - ich meine jetzt nicht dich persönlich, sondern sozusagen jeden - unterhält dich nicht Chopin? Warum malst du kein Bild? Warum meditierst du nicht? Also, es muss doch einen bestimmten Grund geben, weshalb du sagst: "Ja, genau: Dschungelcamp ist genau mein Ding" - und das halt in dem Wissen, dass du dich damit ja sozusagen automatisch mit Leuten in einen Topf schmeißt, die das gucken MÜSSEN, weil sie nichts anderes KÖNNEN.

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