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So., 15.02.2009, 02:18
Hmm...
Ich schreib mal so ins Blaue, ohne speziellen Adressaten.
Zunächst mal fällt mir auf, dass so gut wie jeder für sich weiß, was er mit seinem eigenen Schreiben hier beabsichtigt, aber anscheinend große Unklarheit darüber herrscht, was die anderen damit bezwecken. Da kann die Kommunikation schon mal auf komplett verschiedenen Bahnen verlaufen - meilenweit aneinander vorbei.
Ich hatte das Eingangsposting offenbar auch anders verstanden als der/die eine oder andere. Mir ging es darum, dass anerkannt wird, dass Frauen nicht naturgegeben lammfromm sind, sondern genau wie Männer auch zu Gewalt neigen, und *auf den Threadtitel und den Artikel verweis* zwar ganz konkret in Partnerschaften, Familien. (Sie machen es auch sonst, aber das war ja erst mal nicht das Thema)
Die Anerkennung der Tatsachen geht hier der einen oder anderen Geschlechtsgenossin aber gründlich ab. Das finde ich schockierend.
Kollision mit dem Selbstbild, dem Selbstverständnis als Frau? Blinde Flecken? Männerhass (geboren aus der Projektion unliebsamer Eigenanteile)? Unfähigkeit zur Reflexion? Egal, kommt letztlich alles aufs Gleiche raus. Schlechte Erfahrungen nur mit Männern gehabt und ernsthaft noch nie was von verbal-aggressiven Kampfzicken, tyrannischen (Groß-)Müttern oder 15-jährigen Schlägerbräuten mitgekriegt?
Die Anerkennung, dass es auch männliche Gewaltopfer gibt, die leiden oder litten, schmälert doch nicht die Anerkennung für das Leid von weiblichen Opfern. Was für ein perverser Geschlechterkampf wird denn hier von manchen ausgetragen?!
Ja, wir leben in einer Gesellschaft, die patriarchal geprägt ist. Und es gibt natürlich Männer, die mehr oder weniger bewusst darauf hinwirken, dass sie so bestehen bleibt, keine Frage. Man kann aber nicht allen Männern, die Gewalt von Frauen an Männern untersuchen oder der Männerbewegung angehören, unterstellen, dass sie damit das Geschlechterverhältnis weiter zementieren wollen. Viele haben auch erkannt, dass Männer nicht nur Vorteile genießen, sondern auch auf vieles verzichten müssen, was einseitig Frauen zugeschrieben und zugestanden wird: Erziehungsurlaub, auch mal schwach sein dürfen, andere Identitätsquellen als die der Arbeit usw.
Apropos: Das dem Patriarchat entsprungene und tradierte, noch immer wirksame Männer- und Frauenbild, vermittelt über die Erziehung, hat Einfluss auf die Gewaltformen, die Männer und Frauen überwiegend anwenden. Da können die Männer von heute auch nicht mehr für als die heutigen Frauen, die an der Erziehung von Mädchen und Jungen - hoppla, welche Überraschung! - ja maßgeblich beteiligt sind.
Wenn kleine Jungs sich untereinander prügeln, wird das auch von Frauen anders bewertet, als wenn Mädels sich (mit wem auch immer) kloppen. Das heißt aber nicht, dass sie's nicht machen (können). Aber den Mädels wird eben viel mehr als Jungs nahegelegt, ihre Kämpfe doch bitteschön verbal auszutragen. Und das üben sie; sie haben verbale Schlagkraft trainiert wie kaum ein Mann, wenn sie größer sind. Und diese setzen sie dann auch gekonnt ein.
Wenn ein Junge ein Mädchen schlägt, kriegt er einen auf den Deckel. Sätze wie z.B. "Ein Junge, der ein Mädchen schlägt, ist ein Schwächling." sind es, die Jungs zu hören bekommen. Richtig so. Das hat zur Folge, dass Jungs gegenüber Mädchen und später Männer gegenüber Frauen meistens eine gewisse "Schlaghemmung" haben. Eine, die Mädchen oder Frauen gegenüber Jungs oder Männern in der Form nicht haben. Denn wenn ein Mädchen einem Jungen oder eine Frau einem Mann eine runterhaut, wird das eher nicht problematisch gesehen. Und auch hier haben wir ja so Auswüchse von "Der ist stärker und könnte sich doch wehren!" gehabt. Und dann gibt's noch das Belächeln oder eben die Romantisierung als Leidenschaft. Oder das ist dann eben nachvollziehbar, weil sie sich ob seiner Ignoranz und Respektlosigkeit so hilflos gefühlt hat (Ein Gefühl, das Männer offenbar nicht haben dürfen)... Jedenfalls: physische Gewalt von Frauen an Männern wird kaum ernst genommen, als Problem oder gar Unrecht betrachtet. Sie wird anscheinend überhaupt nicht als Gewalt wahrgenommen. Schon gar nicht von den Frauen selbst. Und das ist der Grund, warum ich den Studien glaube, die zu dem Ergebnis kommen, dass bei häuslicher/partnerschaftlicher Gewalt die Frauen den Männern um eine Nasenspitze voraus sind.
Und es wurde ja schon festgestellt, dass physische Gewalt immer auch eine psychische Komponente hat. Die gibt es nicht nur, wenn Frauen, sondern auch, wenn Männer geschlagen werden - und wenn die Ohrfeige noch so wenig schmerzhaft gewesen sein mag. Das ist demütigend. Für Männer insbesondere dann, wenn die Ohrfeige eben von einer Frau kommt. Denn sie müssen diese Demütigung still ertragen, wollen sie nicht am Ende (wieder mal) die (einzig) Bösen sein.
Und Frauen können sich ja wenigstens noch beklagen (was natürlich kein Trost ist). Männer werden zusätzlich gedemütigt, wenn sie das tun und mitteilen, dass es sie verletzt hat. Denn sie outen sich damit vor dem meisten als Weichei (= unmännlich) oder werden in ihrem Schmerz gar nicht wahrgenommen. Ist hier auch passiert.
Männer untereinander "dürfen" sich wehren, "müssen" es zugleich aber auch tun, weil sie sonst schnell als Feiglinge dastehen - im Übrigen auch in den Augen von Frauen. Und als "Geschlagener" kann man(n) dann wenigstens noch Nehmerqualitäten für sich verbuchen und auf diese Weise seine Geschlechtsidentität und seinen Selbstwert (halbwegs) unangetastet lassen.
"Hättest du sie nicht eben so beleidigen können, sie verbal attackieren, sie beleidigen können?" ... Weil man sich damit auf der gleichen Ebene trifft, oder weil es ja "nur" psychische/verbale Gewalt und deswegen harmloser ist? Wer einmal erlebt oder mitbekommen hat, wie sehr permanente Entwertungen und Kritik, Einschüchterung und Drohungen auf die Psyche schlagen und durch den emotionalen Stress auch massive körperliche Erkrankungen auslösen können, wie sehr einen so etwas an den Rand des Selbstmordes (oder Mordes) treiben und somit genauso wie schwere körperliche Verletzungen durch physische Gewalt lebensbedrohlich sein kann, würde so etwas nicht ernsthaft vorschlagen. Dass es die Ausdrücke "Psychoterror" und "Psychofolter" gibt, hat einen Grund (auch wenn ich nicht davon ausgehe(n mag), dass diese Methoden in Partnerschaften in extremer Ausprägung Anwendung finden).
Für die Verdreher: Das soll keinesfalls heißen, dass ich das Zuschlagen dann in Ordnung finde. Will damit nur aufzeigen, dass Verbalattacken ebenso schlimm sind.
(Und nein, meistens können sich Männer nicht auf die gleiche Weise wehren. Hab jetzt aber wenig Lust, was über die Entwicklung der sprachlichen Kompetenz bei der Sozialisation von Mädchen und Jungen erzählen. Wer sich interessiert, wird sich z.B. mit Dr. Googles Hilfe informieren.)
Heftig finde ich auch, dass spätzündi sich zwar vorwerfen lassen darf, seine Freundin gepackt und geschüttelt und geschubst zu haben, dass aber kein Sterbenswörtchen darüber verloren wurde, dass er gewürgt wurde. Das wird dann einfach nur so zur Kenntnis genommen. Fast so, als ob man/frau davon ausgehen würde, dass das für ihn nicht schlimm war. Oder so, als ob man es selber nicht schlimm finden würde, weil's ja nur einen Mann erwischt hat.
Ich sage nicht, dass Gewalt, die von Frauen ausgeht, schlimmer ist als die von Männern. Sie wird oft nur anders ausgeführt und gerechtfertigt. Zuweilen wird Gewalt von Frauen gegen Männer geradezu legitimiert, wie u.a. die Zitate von Entwurf zeigen. Ein Posten, auf den sich Männer im umgekehrten Fall nicht zurückziehen können. Sollen sie auch nicht. Aber Frauen eben auch nicht. Dass das sehr viele Frauen immer noch und immer wieder machen, ohne dass sie auch nur den leisesten Hauch von Problembewusstsein entwickeln, finde ich äußerst beschämend.
Und als Gewaltopfer von Frauen sind Männer offenbar undenkbar. Warum eigentlich? Guckt da vielleicht die eigene, bei anderen verpönte, weil patriarchale Vorstellung von Männern und Frauen um die Ecke? ...
Gute Nacht,
Taffi
Es ist wichtig, jemanden dort abzuholen, wo er gerade ist. Aber manchmal ist es auch wichtig, jemanden dort zu lassen, wo er gerade sein will.
"Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht." Carlo Levi