StefanM hat geschrieben:Naja, ich sags mal so: Du hast damit natürlich das perfekte Argument zum Hierbleiben gefunden.
Ein Argument zum Hierbleiben wollte ich damit eigentlich gar nicht suggerieren. Im Grunde war mein Statement zum Thema recht wertfrei und sollte nur meine eigene Position darlegen. Und die ist - ich will`s nochmal kurz wiederholen und auf Foren begrenzen: Der Mangel an einer vor allem sachlichen Tiefe im Real-Life läßt sich in Internet-Foren vorzüglich kompensieren. Das soll aber nicht heißen, daß das Leben da draußen zu meiden wäre oder daß es aufhört zu existieren. Aber es soll auch nicht heißen, daß zumindest ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden Ebenen bereits bedenklich wäre. Jedenfalls nicht aus meiner Sicht.
Um den empfundenen Mangel an Tiefe mittels Internet-Möglichkeiten auszugleichen wird ein einziges Forum wohl nicht ausreichen. Denn das Interesse eines jeden erstreckt sich ja günstigerweise gleich auf mehrere Bereiche. Wenn du also die virtuellen Diskussionen lobst - und gerade jene im PT-Forum - so würde ich dem entgegenhalten, daß "hier" ja bestenfalls nur "Nischen-Bereiche" des Lebens abgedeckt werden. Wenn ich mich aber auch noch für Politik, Philosophie und Naturwisschenschaften interessiere, so bin ich hier falsch und werde zusätzlich auf andere Foren ausweichen (müssen).
Ich will nicht unnötig abschweifen, sondern damit nur sagen, daß das aktive und passive Zubringen in sämtlichen Foren, die eines oder mehrere persönliche Interessensgebiete abdecken, womöglich den ganzen Tag in Anspruch nehmen kann - und das Tag für Tag, vielleicht bis das Gefühl einer Befriedigung oder Übersättigung einsetzt. Und wenn es dann überhaupt keinen Ausgleich bzw. überhaupt kein Leben da draußen mehr gibt, an dem man teilnimmt, dann wird das unweigerlich zur Abhängigkeit führen. Einmal nur für mich gesprochen: Bisher habe ich immer nach einer Weile intensiverer Internet-Nutzung ein Gefühl der Übersättigung empfunden und damit das Bedürfnis zurück zum nicht-Virtuellen, zu dem ich dann wieder zurückkehren konnte. Und allgemein: Zieht es denn nicht jeden immer wieder zurück ins Leben?
Jetzt bin ich wohl tatsächlich sehr weit abgeschweift. Zumindest würde eine Fortsetzung obiger Gedanken die Diskussion wohl in eine unerwünschte Richtung lenken.
StefanM hat geschrieben:Worum es den Leuten hier geht, ist aber etwas anderes: Hier haben sich Leute versammelt, die ihren Internet-Konsum für sich als krankhaft (Antonia, Mitsukuo, Gothika) oder zumindest bedenklich (meine Wenigkeit) erkannt haben. Da ist Dein Argument sozusagen gar kein Gegenargument.
Eben. Auch ich würde meinen Internet-Kosum eher als bedenklich bewerten, weil er schon eine ganze Weile beinahe die gefühlte Hälfte meiner Freizeit einnimmt. Würde ich diese Grenze der Hälfte überschreiten, wäre ich geneigt, mich als "süchtig" einzuschätzen. Solange ich aber den überwiegenden Teil meiner Freizeit mit "realen" Dingen fülle, wie z. B. Gespräche führen, ein Buch lesen, einen Waldspaziergang machen, so ist die Zeit, die ich online verbringe absolut legitim (vor mir selbst).
Übrigens: Wenn jemand schon nach technischen Möglichkeiten sucht, um seine erkannte Sucht unterbinden zu wollen , dann halte ich das unbedingt für sehr bedenklich - und ich halte es für Blödsinn. Das wäre ja fast so, als würde ein Alkoholiker seine Schnaps-Reserven vernichten und sich gleich im nächsten Supermarkt wieder neu eindecken. Kann mir nicht vorstellen, daß das wirklich funktioniert.
StefanM hat geschrieben:Insgesamt ist das, was Du ausdrückst, natürlich schon die Grundlage jeder Sucht: Man möchte eigentlich "A" (gute Gespräche im RealLife), hält "A" aber in der Form für schwer erreichbar, und weicht stattdessen auf "B" aus (Gespräche im Internet).
Es ist ja hoffentlich klar, daß Gespräche im Internet niemals Gespräche im Real-Life ersetzen können. Wenn man als "User" aber die Qualitätsunterschiede beider Ebenen bewußt im Auge behält und jeweils nur ausgleicht (nicht zu ersetzen versucht), dann müßte die "gesunde" Mitte doch eigentlich gefunden werden können.
StefanM hat geschrieben:[...]Ich weiß, bei dem Vergleich werden jetzt viele aufschreien, und natürlich ist Internet-Sucht zum Glück wesentlich weniger schädlich als Alkoholismus. Aber der Mechanismus ist derselbe, davon bin ich überzeugt.
Da stimme ich dir natürlich zu - der Mechanismus ist wohl immer: Kompensation. Dennoch finde ich, daß Sucht relativ ist und daß die Sucht-Art entscheidend ist. Gerade gestern hatte ich`s noch mit meiner Mitbewohnerin davon. Ich machte sie auf ihren in letzter Zeit erhöhten Alkoholkonsum aufmerksam und sie entgegnete mir ernsthaft, daß ich zuviel Kaffee trinken würde. Lenke ich denn mit Kaffeetrinken von meinen Problemen ab, oder will ich Mängel kompensieren? Nein, würde ich mal sagen.
Gruß,
Saul