Psychologe berichtet von Dingen, die nicht stattgefunden haben

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Thread-EröffnerIn
Sonnenblumenblau
sporadischer Gast
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Beitrag Di., 30.05.2023, 15:02

Hallo zusammen,
ich würde mal sagen: Ich bin schon beruhigter. Was ich von der Sache halten soll, weiß ich aber trotzdem nicht so recht.

Jetzt bewegt es sich allerdings in einem Bereich, wo ich sagen würde: Das muss mein Partner für sich einordnen, ich bin nicht dabei und er muss schauen, ob das alles für ihn schlüssig ist. Ansonsten äußere ich mich wieder, wenn er fragt.

Trotzdem möchte ich die gestellte Frage beantworten: Beide Situationen ereigneten sich im Streit mit seiner damaligen Frau, eine in der gemeinsamen Wohnung, die andere auf einem Parkplatz.

Lg

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diesoderdas
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Beitrag Di., 30.05.2023, 19:31

Aber woher weiß man denn, dass dein Partner das damals wirklich gemacht hat? Wenn nur die Frau da war und die beiden noch dazu gestritten haben.... (also keine "Zeugen")
Ist der Frau denn zu vertrauen, dass sie die Wahrheit sagt?
Und woher weiß der Therapeut davon? Das muss dein Partner dann ja erzählt haben?

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 30.05.2023, 20:58

Ich bin mal aus einer psychotherapeutischen Klinik mit einer kompletten Fehldiagnose entlassen worden von der ich vermute dass es die Diagnose meiner vorzeitig rausgeworfenen Zimmergenossen gewesen ist.

Das war "emotional instabile Persönlichkeitsstörung Typ impulsiv". Ich bin aber nicht impulsiv, auch nicht wenn provoziert, ich werde höchstens recht zynisch aber ansonsten wenn mich was richtig triggert bin ich der Typ still einfrieren, dissoziieren.

Aber die Zimmergenossin ist rausgeflogen wegen Ausrasten. Als ich sie um 10 Uhr abends gebeten habe aufzuhören am Handy zu telefonieren und SMS zu schreiben, was sie den ganzen Abend ständig getan hat, mit den Worten, ein Doppelzimmer ist keine Telefonzelle, sie soll wenn sie am Abend länger telefonieren will auf die Terrasse gehen, ist sie so ausgeflippt dass sie Handy udn Ladegerät durch an die Wand knallen zerstört hat, und dann unter wüsten Kraftausdrücken über die Station getobt ist. Mir war die ganze Situation extrem unangenehm, ich bin dabei aber weder laut oder unhöflich geworden.

Und dann bekomme ich in den Entlassungspapieren genau die Diagnose die auf die Zimmergenossin passt? Schon seltsam...

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Montana
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Beitrag Di., 30.05.2023, 21:21

Ist nicht so selten, solche Fehler in Berichten. Mir wurde mal bescheinigt, ich hätte gelernt, die Konflikte mit Mitpatientinnen zu lösen. Dabei hatte ich nie welche und man schafft es eigentlich auch nicht, mit mir in Konflikt zu geraten. Das war eine Reha-Klinik, es gab ausschließlich Einzelzimmer, also reichlich Raum sich zurückzuziehen. Auch Konflikte zwischen anderen Patienten konnte ich nicht beobachten.

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Sydney-b
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Beitrag Di., 30.05.2023, 22:48

Die Selbstwahrnehmung entspricht nicht immer der Fremdwahrnehmung….

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Montana
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Beitrag Di., 30.05.2023, 22:58

Das war ein Beispiel. Da stand auch drin, ich hätte erfolgreich am Nordic Walking teilgenommen, was ich nicht getan habe, da ich aufgrund einer Hüftdysplasie überhaupt nicht schmerzfrei gehen konnte. Ich war also offiziell gar nicht dazu angemeldet. Und weitere Fehler gab es auch noch, jede Menge. Mit falscher Wahrnehmung hat das nichts zu tun.

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Tobe
Forums-Gruftie
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Beiträge: 614

Beitrag Mi., 31.05.2023, 01:49

Hallo,

das es zu Fehlern in Berichten kommt, kenne ich auch. Zwar noch nicht bei mir selber, aber bei anderen Patienten habe ich so etwas schon mitbekommen.

Mich beruhigt das Update von Sonnenblumenblau schon, auch wenn mich eine solche Situation auch verunsichern hätte.
Jedoch darf man hierbei auch nicht den “Stille Post Effekt“ vergessen...
Sonnenblumenblau war bei der Sitzung schließlich auch nicht anwesend und bekam diesen Vorfall womöglich noch aufgebracht und unreflektiert durch ihren Mann geschildert, der die Aussage des Therapeuten ggf. auch missverstanden oder fehlinterpretiert hatte.

Dies kann bei ihr unbewusst wiederum auch ggf. alte Ängste hervorgeholt haben. Somit könnte sie in diese Schilderung ihres Mannes auch etwas hineininterpretiert haben.
Und erst diese vielleicht veränderte Version war dann hier zu lesen.

Es ist also gut möglich, daß der Vorfall sich so ereignet hatte, wie er jetzt “korrigiert“ geschildert wurde. Dies weiß keiner, der nicht anwesend war.
Nur ihr Mann kann dies mit dem Therapeuten klären und auch ein eventuelles Missverständnis aus dem Weg räumen.
Alles in allem scheint dennoch eine relativ stabile Therapiebeziehung möglich zu sein, schließlich scheinen beide miteinander diese Situation und Interpretation klären zu können.

Und dieses Gefühl “die aktuelle Sitzung hat mir nichts gebracht“, kennt glaube ich jeder.
Bei mir ist es sogar recht häufig so und erst im Nachhinein merke ich, daß mir die Sitzung doch etwas gebracht hat, weil die Verarbeitung auch nicht immer sofort eintritt, sondern auch nachwirken kann.
Deshalb fällt es mir auch oft sehr schwer eine Antwort darauf zu finden, wenn mein Therapeut mich am Ende einer Sitzung fragt “Was nehmen sie aus der heutigen Sitzung mit?“.
Manchmal merke ich dann, wenn ich wieder zuhause bin und über diese Sitzung nachdenke, was ich daraus mitnehme. Manchmal aber auch erst am nächsten oder übernächsten Tag.
Ich denke das da auch vieles im Unterbewusstsein passiert und arbeitet. Dies kann man dann auch nicht sofort merken.

Da sollte man m.E. auch eher auf eine Tendenz (Gefühl) über mehrere Sitzungen schauen, als auf eine einzelne Sitzung.

L.G. Tobe
Haltet die Welt an, ich will aussteigen.
Wenn du den Tag wie die Nacht empfindest,
Einsamkeit mit Schicksal verbindest,
Traurigkeit dein Leben hüllt,
weisst du, wie sich meiner einer fühlt.

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stern
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Beitrag Mi., 31.05.2023, 07:24

Aus "Mein Partner habe nicht gegen den Stuhl getreten, sondern so frustriert gewirkt, als würde er das gleich tun." zu machen, dass ein Patient gegen einen Stuhl getreten hat und sich nicht mehr erinnert, ist ziemlich krass... nicht auszumalen, wenn sowas in einem Bericht steht. Als Patient kann man frustriert schauen, wie man lustig ist... sogar dürfte man äußern, dass man liebsten das Inventar zertrümmern würde. Einzig tun sollte man es nicht.
Aber die Missverständnisse entstanden ja dadurch, dass sich der Therapeut etwas zusammengereimt hat, was tastsächlich nicht war. Es sei denn, es wurde die allererste Aussage gänzlich falsch verstanden.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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umso mehr Fliegen sitzen drauf
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münchnerkindl
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Beitrag Mi., 31.05.2023, 07:50

Sonnenblumenblau hat geschrieben: Di., 30.05.2023, 13:40 Anschließend hat er bei meinem Partner durch gezielte Fragen zwei Situationen in Erinnerung gerufen, in denen er schon einmal im Affekt etwas getan und es anschließend verdrängt hat. Einmal hat er im Streit im Auto eine Milchpackung in den Kofferraum geworfen und diese ist geplatzt, einmal hat er gegen eine Schranktür gehauen.


Und was soll daran therapiewertig sein? Das ist normales menschliches Verhalten ohne jeden Krankheitswert. Ich denke mal das es wenige Leute gibt die nicht in einer Stresssituation schon mal ähnliches getan haben.

Ehrlich gesagt, ich finde dass die Geschichte jetzt munter modifiziert wird noch schlimmer als wenn sie sich zB einfach bei den Aufzeichnungen geirrt hätte.

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SinnIch
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Beitrag Mi., 31.05.2023, 08:00

Ich hoffe auch, dass deinem Partner nicht vom Therapeuten irgendwelche Probleme "angedichtet" werden. Es klingt so, aber wie schon von anderen geschrieben, kann es ja auch sein, dass anders hier rüberkommt als es war und im Kontext Sinn machte.

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diesoderdas
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Beitrag Mi., 31.05.2023, 08:02

Ich hatte in Berichten auch schon Sachen stehen, welche die Phantasie vom Behandler waren, aber eben nicht die stattgefundene Realität...

Es wurden auch schon Familienmitglieder zu Tätern gemacht, die nie Täter waren oder Situationen geschildert, die von mir nie erzählt wurden (da nie stattgefunden).

In einem Klinikbericht war auch eine Therapie aufgeführt, die ich so gar nicht hatte.

Frage mich bei so Sachen nur, ob die schreibenden Personen den Inhalt tatsächlich glauben - was ich beängstigend und beunruhigend finden würde - oder ob da bewusst falsche Sachen aufgeschrieben werden, weil man von ausgeht,dass es der Patient selbst nie lesen wird. Vielleicht will man vor anderen Ärzten mit der tollen Behandlung glänzen und dichtet noch etwas blumig hinzu, vielleicht wird etwas bewusst positiver (oder auch negativer) dargestellt, wie es tatsächlich war, um in Berichten die Richtung vorzugeben, die gewünscht ist.

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Montana
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Beitrag Mi., 31.05.2023, 08:20

Bei Reha-Berichten ganz sicher, denn die bekommt ein Patient ja nur, wenn er die explizit beim Kostenträger anfordert. Und hat man ihn dann in den Händen, ist es für Korrekturen lange zu spät. Bei einer völlig falschen Diagnose würde ich tatsächlich ein Fass aufmachen, aber ansonsten ärgere ich mich nur im Stillen, denn einen fehlerfreien Bericht habe ich persönlich noch nie gesehen, auch nicht als normale KH- oder Arztbriefe. Das liegt vermutlich hauptsächlich daran, dass die Berichte von Schreibkräften verfasst werden die die Patienten nicht kennen.

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stern
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Beitrag Mi., 31.05.2023, 08:25

münchnerkindl hat geschrieben: Mi., 31.05.2023, 07:50
Ehrlich gesagt, ich finde dass die Geschichte jetzt munter modifiziert wird noch schlimmer als wenn sie sich zB einfach bei den Aufzeichnungen geirrt hätte.
Stimmt. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Er hat ja behauptet, es steht in den Aufzeichnungen. Das würde ich auf jeden Fall nochmals hinterfragen.

Denn es macht einen Unterschied, was sich ein Therapeut zusammenreimt, was ein Patient tun könnte oder ob jemand tatsächlich agiert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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diesoderdas
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Beitrag Mi., 31.05.2023, 08:58

stern hat geschrieben: Mi., 31.05.2023, 08:25
münchnerkindl hat geschrieben: Mi., 31.05.2023, 07:50
Ehrlich gesagt, ich finde dass die Geschichte jetzt munter modifiziert wird noch schlimmer als wenn sie sich zB einfach bei den Aufzeichnungen geirrt hätte.
Stimmt. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Er hat ja behauptet, es steht in den Aufzeichnungen. Das würde ich auf jeden Fall nochmals hinterfragen.
Eben. Finde, er verheddert sich in Widersprüchen. Und an irgendeiner stelle kann ja etwas zwangsweise nicht stimmen.
Entweder er hat aufgeschrieben oder nicht. Entweder richtig oder falsch. Und seine Erinnerung sollte in dem kurzen Zeitraum doch eigentlich auch ohne Hilfe von Aufzeichnungen korrekt funktionieren. Finde das insgesamt merkwürdig.

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chrysokoll
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Beitrag Mi., 31.05.2023, 09:07

es klingt auf jeden Fall merkwürdig, denn das ist ja keine Kleinigkeit.
Gegen etwas in der Praxis treten oder so gucken als würde man das gerne tun macht ja einen gravierenden Unterschied. Auch in den Aufzeichnungen.

Das ist nicht sowas wie wenn der Therapeut die Anzahl der Geschwister des Patienten verwechselt oder sich den Namen eines Freundes des Patienten nicht oder falsch merkt.

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