Da hast du dir ja deine Antwort schon gegeben.mimikry hat geschrieben: ↑Fr., 05.11.2021, 21:38 Ich bin einfach ein sehr rationaler geradelinieger Mensch. Meine Gedanken sind klar und strukturiert. Ich habe aber keinen guten Zugang zu meinen Gefühlen und boykottiere es auch. Im Schreiben kann man die Gefühle irgendwie wegrationalisieren...mann kann es so lange drehen und wenden bis es aufhört "weh" zu tun oder irgendetwas auszulösen. Das habe ich ihm auch in unserem Gespräch so gesagt, vielleicht kam er deshalb zu der Deutung.
Ziel sollte ja nicht sein, dass du keine Gefühle mehr hast ("wegrationalisieren"), sondern dass du lernst, mit deinen Gefühlen umzugehen, dich zu regulieren, auch wenn manchmal schwierige Gefühle auftauchen sollten. Wobei auch positive Gefühle dazu führen können, dass man aus dem Gleichgewicht gerät...
Meine Analytikerin meinte am Anfang der Therapie zu mir, dass sie sieht, dass das Schreiben für mich ein wichtiges Instrument ist bzw war, und dass es mir manchmal auch hilft bzw geholfen hat, Ausdruck zu finden für etwas, worüber ich nicht so gut sprechen kann. Bei mir kam noch hinzu, dass manche Emotionen erst sehr stark zeitversetzt von mir registriert wurden. Und das Schreiben (zwischen den Stunden) dann auch ein Mittel war, diese Dinge noch in den Therapieprozess mit einzubringen, die nachträglich aufgetaucht sind. Bzw diese Emotionen bei jemand anders (Therapeutin) zwischenzulagern, wenn es mir "zu viel" wurde.
Und gleichzeitig fand sie es aber auch sehr wichtig, dass ich anfange, die Alternativen mal zu erforschen. Dass ich übe, in den Kontakt (zunächst zu ihr als Therapeutin, aber auch zu anderen Menschen in meinem Leben) zu gehen und über diese schwierigen Dinge auch zu sprechen. Ihr Verständnis von Therapie sei auch Beziehungsarbeit. Und wenn ich alles schreibend mit mir selbst ausmache, dann findet diese Beziehungsarbeit kaum statt.
Sie hat mir das Schreiben nie explizit verboten. Und in einigen wenigen Ausnahmesituationen habe ich darauf auch wieder zurückgegriffen, was ok war. Aber insgesamt war schon klar (und da hab ich mit ihr auch übereingestimmt), dass ich versuchen muss, in der Therapie die Dinge direkt anzusprechen, wenn sich für mich etwas verändern soll. Und ja, auch ins direkte Erleben/Fühlen zu gehen, damit ich Gefühle nicht weiter vermeide und mir darüber einrede, dass ja alles ok sei, bis dann mal wieder die nächste emotionale Ausnahmesituation ganz unerwartet um die Ecke kommt...