Wenn sich Therapeuten 'verändern'

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jack0815
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Beitrag Do., 27.05.2021, 13:06

captcha hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 10:10 Und jetzt wäre noch interessant, wenn du jetzt ein, wirklich nur ein konkretes Beispiel geben würdest, wie ihre "Gegenübertragung" aussieht. Wie reagiert sie auf dein Verhalten?
Geraten wir in eine Diskussion, nimmt sie ab und an eine Gegenteilige, fast schon "kritisierende" Haltung ein (bevor sich jetzt wieder die ganzen selbstsicheren Schlauberger so zahlreich zu Wort melden...NEIN! Eine kritische Haltung ist genau das, was ein Therapeut auf keinen Fall tun darf, eine etwaige Verurteilung sogar so etwas wie ein Tabu), in der sie dann mitunter wortwörtlich "dagegen" redet, Sie hat auch manche unserer "Diskussionen" als "Machtkämpfe" bezeichnet, in die sie selbst "hineinfällt" weil sie dazu neigt, mit mir "mitzuschwingen".

[...]
chrysokoll hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 10:47 Wenn dir die Therapie nichts (mehr) bringt: warum gehts du dann hin?
Weil ich ein reicher Schnösel bin, der gerne quatscht, wenn der Tag lang ist.

Jetzt im Ernst, wann ist es denn in Deiner Welt "gerechtfertigt", "zulässig" oder "notwendig" in eine Therapie zu gehen? Das würde mich jetzt brennend interessieren.

[...]
Zuletzt geändert von Tristezza am Do., 27.05.2021, 13:19, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Nicht der Netiquette entsprechende Passagen gelöscht.

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Do., 27.05.2021, 13:31

(bevor sich jetzt wieder die ganzen selbstsicheren Schlauberger so zahlreich zu Wort melden...NEIN! Eine kritische Haltung ist genau das, was ein Therapeut auf keinen Fall tun darf, eine etwaige Verurteilung sogar so etwas wie ein Tabu)
Hast du Schlaumeier ein abgeschlossenes Psychologiestudium oder eine sonstige Bestätigung durch Dritte (!) für deine Kompetenz? Ich bin nur neugierig.

Dass sich eine Veränderung nur durch neue - d. h., auch kritische - Inputs ergeben kann, sagt einem die Logik.

Dass viele keine Kritik hören wollen, ändert daran gar nichts. Und es hat auch gar nichts damit zu tun, dass man in einer Therapie alles sagen sollen könnte - der Umgang damit, auch kritisch, kann ja auch sachlich erfolgen.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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lonely69
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Beitrag Do., 27.05.2021, 14:13

jack0815 hat geschrieben: Mi., 26.05.2021, 21:43 .) Mir kam einige Male der seltsame Gedanke, bzw. tat sich bei mir die "Möglchkeit" auf, dass ihr Supervisor vielleicht "eifersüchtig" sein könnte, und sie irgendwie beeinflusst, was nun in diesem "verändertem" Verhalten resultiert. Dieser Gedanke bzw. diese Möglichkeit, nimmt aber einen ziemlich, fast schon surrealen Charakter ein, zudem auch irgendwie "kindisch", worauf ich diesen Gedanken bzw. diese "Möglichkeit" mehr oder weniger aus all den möglichen Möglichkeiten, verbannt habe.
So abwegig finde ich das gar nicht. Es würde ja auch zu der Sache mit dem Dreieck passen. Und es wäre eine Erklärung, warum nicht nur Du, einige Zeit und Energie und Mühe darauf verwendest, die Sache "am köcheln" zu halten, sondern die andern beiden auch.
Was genau lässt Dich weiter in dieser Therapie bleiben? Schau mal, ob es nicht eine Versuchung ist, der Du damit nachgibst. Und ob es nicht gesünder wäre, diese woanders zu bearbeiten - bei jemand, wo diese nicht (so stark) vorhanden ist.
Etwas ähnliches würde ich Deiner Therapeutin übrigens auch raten, fragte sie mich.
LG
Lonely

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captcha
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Beitrag Do., 27.05.2021, 14:18

jack0815 hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 13:06 Geraten wir in eine Diskussion, nimmt sie ab und an eine Gegenteilige, fast schon "kritisierende" Haltung ein
Das nennst du konkretes Beispiel?
Kannst du das zu einem WIRKLICH konkreten Beispiel machen?
Um was ging es bei einer eurer Diskussionen? Was hat sie gesagt, was du?

Und ich erhöhe auf den Wunsch von zwei oder mehr Beispielen.
Dann kann ich dir auch sagen, was mein Eindruck ist, was bei euch läuft.
Zuletzt geändert von captcha am Do., 27.05.2021, 14:21, insgesamt 2-mal geändert.

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DieBeste
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Beitrag Do., 27.05.2021, 14:18

Lonely. So habe ich das gemacht, mir jemand anderes gesucht, aber die Kraft dazu zu haben, das braucht einige Zeit...außerdem braucht man dazu ein hohes Maß an Selbstbeherrschung...

Jack. Ich finde ein Therapeut darf schon auch kritisch sein. Also die zu der ich gehe, ist das sehr oft. Das wirkt auf mich authentisch. Einmal hat die mich ausgelacht, weil ich mal wieder einen Höhenflug hatte... aber das habe ich richtig verstanden, weil wir ein gutes Verhältnis haben und uns schon gut kennen. Hätte das die andere Therapeutin gemacht, in die ich verliebt war, wäre ich mega sauer gewesen und hätte sie versucht verbal zurück zu verletzten, einfach weil da ein anderes Gefälle war, als zu der jetzigen Therapeutin.

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Lilien
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Beitrag Do., 27.05.2021, 15:16

.........ok....ich bin also nicht nur zurückgeblieben dämlich sondern auch noch dement, darüber hinaus scheine ich wohl wirklich zu glauben, die ganze weite Welt, steht nur mir alleine zu Verfügung und alle anderen lassen mir den Vortritt!

Liebe Frau Lilien...ich bin vielleicht ein Narzisst, aber nicht größenwahnsinnig.
Lieber Herr jack,
mit Verlaub, die Behauptung, ich hätte das mit meinem Posting ausdrücken wollen, weise ich strikt von mir. ;)

Aber jetzt mal im Ernst:
Es ging mir eher darum, dass wir (ich fasse es jetzt einfach allgemeiner) immer aus einer Art "inneren Wahrnehmung", aus unserer eigenen kleinen Welt heraus, die Umwelt bewerten und uns nicht selten als Mittelpunkt dieser verstehen, um den sich alles zu drehen scheint.

Auch kann eine therapeutische Situation, da sie in gewisser Form ja eine Art künstliche Beziehung, die ich persönlich in manchen Zügen als widernatürlich beschreiben würde, zu einer Art Wahrnehmungsverzerrung führen. Der Patient sitzt dem Therapeuten für fünfzig Minuten in der Woche gegenüber, er darf sich öffnen, sich vulnerabel, narzisstisch ;-) , egoistisch, kindisch, eifersüchtig bzw. in jeder möglichen Facette seines Innenlebens zeigen und wird dabei angenommen, wie er ist.

In diesen fünfzig Minuten dreht sich alles um ihn und seine Belange, selbst, wenn es andere Menschen in seinem Umfeld auf irgendeine Art und Weise mit einbeziehen würde, in gewisser Weise ist und bleibt der Patient immer Mittelpunkt des Geschehens.

Angenommen, Du sitzt nun Deiner Therapeutin gegenüber. Ihr bearbeitet "Deine Themen", nun stelle Dir das doch mal wie ein Päckchen vor, das in der Sitzung geschnürt wird, das Du (nicht sie) mit nach Hause nimmst, um es immer wieder öffnen zu können. Nach, zwischen und vor der Sitzung, denkst Du über dieses Gespräch nach, die Gedanken kreisen dabei vielleicht um die letzte/n Stunden.

In eurem Falle wirst Du sie vielleicht genau beobachten. Dich fragen, ob sie auf Deine Witze reagiert, ob sie lächelt, vielleicht wie sie sich kleidet - Du fragst Dich vielleicht, ob sie sich für Dich schick macht oder jedes ihrer Komplimente dem Zweck dienen könnte, Dir auf eine romantische Art und Weise zu schmeicheln. Du suchst dabei vielleicht bewusst oder unbewusst nach Bestätigung Deines Gefühls, sie würde für dich empfinden, wie Du für sie.

Du weißt dabei beispielsweise aber nicht, wie sie sich den anderen Klienten gegenüber benimmt - da fehlt Dir der Vergleich. Du kennst sie nicht als Privatperson - da Du sie immer nur für wenige Minuten in der Woche siehst und sie sich zurücknehmen muss, damit ihr an Deinen(!) Themen arbeiten könnt. Bevor Du kommst und nachdem Du gehst, arbeitet sie mit anderen Menschen, d.h. sie hat unmittelbar nach oder vor den Sitzungen somit vielleicht gar nicht die Zeit, sich so viele Gedanken um den Einzelnen zu machen - dazu führt sie noch ein eigenes Leben.

Das heißt natürlich nicht, dass ich behaupte, Du würdest mit Deiner Wahrnehmung falsch liegen. Ich sage damit nur: der Eindruck kann täuschen - weil man ihn als Patient tatsächlich aus einer anderen Perspektive heraus wahrnimmt.

Das hat weder etwas mit Demenz, Dummheit noch Größenwahn zu tun. Ich denke, es ist eine Art Täuschung/Illusion, der wir alle hin und wieder erliegen.


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Beitrag Do., 27.05.2021, 16:29

jack0815 hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 08:19 Um so verwunderlicher ist es dann eben, dass ich dann eben alles mögliche in den Sitzungen versuche (bewusst wie unbewusst) um immer wieder mal in persönliche Dinge/Gespräche zu verwickeln, und so mehr an sie ran zu kommen bzw. ihr zu entlocken, was ich gemeinhin fast schon als "manipulieren" betrachte, was mir auch dieses schlechte Gewissen verursacht, ich aber so gut wie unfähig bin, mich dagegen zu wehren
Und hast du eine Erklärung dafür, warum du das tust? Willst du das grundsätzlich ändern oder nicht?

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jack0815
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Beitrag Sa., 29.05.2021, 18:18

ExtraordinaryGirl hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 13:31 Dass viele keine Kritik hören wollen
Ich gehe davon aus, dass Dein auf mich bezogenes "Schlaumeier" auf schmeichelhafte Weise gemeint war, sonst könnte man unter Umständen annehmen, dass Du Dich durch mein "Schlauberger" angesprochen und zeitgleich als Kritik verstanden hast und nun dementsprechend darauf reagierst, weil Du es nicht hören wolltest, im Zuge dessen man Dir nun ebenso eine verminderte oder nicht vorhandene kritikbezogene Akzeptanz attestieren könnte.
ExtraordinaryGirl hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 13:31 Und es hat auch gar nichts damit zu tun, dass man in einer Therapie alles sagen sollen könnte - der Umgang damit, auch kritisch, kann ja auch sachlich erfolgen.
Sobald der Psychotherapeut Kritik an seinem Klienten äußert, irrelevant ob "sachlich" oder "unsachlich", bringt er seine eigenen, persönlich privaten Sichtweisen und Meinungen und zum Teil auch Wünsche oder ggf. sogar Wunschdenken in die Therapie ein.

Dass so etwas innerhalb einer Therapie nicht vorkommen darf, wäre ja auch durchaus logisch, denn man stelle sich vor...der eine Therapeut äussert kaum Kritik, der andere mehr, der andere weniger und der andere wiederum kritisiert seine Klienten ständig.

Wo würden hier Grenzen gezogen, wenn Kritik innerhalb der Psychotherapie erlaubt wäre und jetzt stell Dir vor, ein Klient der schon von anderen ständig für etwas kritisiert wird, wird auch noch von seinem Therapeuten kritisiert, was glaubst Du, wie wird so einem Klienten/Patienten die Therapie nun helfen, wenn er von seinem Therapeuten die genau gleiche "Behandlung" bekommt, wie von Menschen in seinem Alltag? Da könnte er gleich auch bei irgendwelchen anderen Leuten in "Therapie" gehen, die keine Ausbildungen und Zertifikate besitzen.

lonely69 hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 14:13 So abwegig finde ich das gar nicht. Es würde ja auch zu der Sache mit dem Dreieck passen. Und es wäre eine Erklärung, warum nicht nur Du, einige Zeit und Energie und Mühe darauf verwendest, die Sache "am köcheln" zu halten, sondern die andern beiden auch.
Ja genau das denke ich auch, aber der Gedanke fühlt sich trotzdem so weit hergeholt, weil hier praktisch gleich 2 Therapeuten etwas grundlegend falsches machen würden und der Supervisor hier sogar ziemlich derb versagen würde, nun kann ja jeder Psychotherapeut Fehler machen und tut das auch gelegentlich, wie überall Fehler gemacht werden, aber dieser Grad an Fehl(verhalten), das hier gleich 2 Therapeuten betreffen würde, wäre schon echt heftig, dass dies auf meiner "Möglichkeitsskala" schon wieder einen Platz ganz weit unten einnimmt.
captcha hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 14:18 Dann kann ich dir auch sagen, was mein Eindruck ist, was bei euch läuft.
Dein Eindruck wäre dann besonders nahe an dem was tatsächlich läuft? Inwiefern ist Dein Eindruck so viel näher an vermeintlich Tatsächlichem, als der Eindruck anderer User hier bzw. was unterscheidet Dich von einigen Hobby-Psychoanalytikern hier?

Ich darf vielleicht überhaupt noch mal alle hier Mitlesenden daran Erinnern, was mein "Anliegen" hier eigentlich war:

"Hat jemand ähnliches erlebt und wurde aufgeklärt was es bei Euch auf sich hatte?"

Mit Bedacht auf "hat es sich aufgeklärt", was heißen soll, dass es eine bestätigte Auflösung gab und keine verbleibenden Eindrücke. Genau so bin ich nicht wirklich an den "Eindrücken" anderer User interessiert, zumal diese vielleicht auch noch über keine sonderlich vorhandenen psychologischen Kenntnisse oder Zertifikate verfügen und ich bin auch nicht sonderlich erpicht darauf, von irgend jemandem ein unaufgefordertes Psycho-Profil geliefert zu bekommen, das lediglich aus Foren-Beiträgen zusammengekleistert wurde.
DieBeste hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 14:18 Ich finde ein Therapeut darf schon auch kritisch sein.
Was Du aber findest und was mit Regeln geregelt ist, wäre nicht als gleich zu betrachten, ich würde nämlich auch finden, dass meine Therapeutin sich absolut nicht an die Abstinenzregeln zu halten bräuchte und mich bei Bedarf sehr gerne küssen dürfte, das wäre aber, wie vieles in der Psychotherapie, ein absolut fataler Fehler, rein psychotherapeutsich betrachtet.

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jack0815
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Beitrag Sa., 29.05.2021, 18:22

DieBeste hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 14:18 Einmal hat die mich ausgelacht
Was für "kritisieren" gilt, gilt insbesondere für "auslachen", auf beides sollte ein "guter" Therapeut nicht nur darum verzichten, weil es in diversen Regeln untersagt ist.

Man stelle sich vor, jemand wird wegen seiner sexuellen Probleme ausgelacht oder dafür kritisiert, dass er Frauen nur als Lustobjekt betrachtet. Es ist auch von Klient/Patient zu Klient/Patien von Grund auf verschieden, ab wann jemand etwaiges "Auslachen" oder "Kritisieren" als störend empfindet, wann es jemandem völlig egal ist oder wann es bei einem mitunter eine verheerend starke Triggerfunktion hat, in deren Verlauf womöglich vom Patienten die ganze Praxis in Schutt und Asche gelegt wird, naheligend von den Patienten, die ihr ganzes Leben lang ausgelacht worden und/oder kritisiert worden sind und nun vielleicht deshalb in Therapie gehen.
Lilien hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 15:16 Lieber Herr jack,
mit Verlaub, die Behauptung, ich hätte das mit meinem Posting ausdrücken wollen, weise ich strikt von mir. ;)
:love: das sind die Posts nach meinem Geschmack, nicht zu ernst und mit einem Lächlen auf den Lippen.
Lilien hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 15:16 Auch kann eine therapeutische Situation, da sie in gewisser Form ja eine Art künstliche Beziehung, die ich persönlich in manchen Zügen als widernatürlich beschreiben würde, zu einer Art Wahrnehmungsverzerrung führen.
Dieser Beitrag gefällt mir besonders gut, vor allem "künstliche Beziehung", ich bezeichne diese ab und an nämlich auch als "Simulation" :lol:

Lilien hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 15:16 Du weißt dabei beispielsweise aber nicht, wie sie sich den anderen Klienten gegenüber benimmt - da fehlt Dir der Vergleich. Du kennst sie nicht als Privatperson - da Du sie immer nur für wenige Minuten in der Woche siehst und sie sich zurücknehmen muss, damit ihr an Deinen(!) Themen arbeiten könnt. Bevor Du kommst und nachdem Du gehst, arbeitet sie mit anderen Menschen, d.h. sie hat unmittelbar nach oder vor den Sitzungen somit vielleicht gar nicht die Zeit, sich so viele Gedanken um den Einzelnen zu machen - dazu führt sie noch ein eigenes Leben.

Das heißt natürlich nicht, dass ich behaupte, Du würdest mit Deiner Wahrnehmung falsch liegen. Ich sage damit nur: der Eindruck kann täuschen - weil man ihn als Patient tatsächlich aus einer anderen Perspektive heraus wahrnimmt.
Es ist ja jeder Mensch anders, jeder mit seinen eigenen Macken und es gibt definitiv Menschen, die Probleme mit der Realität haben und dazu geneigt sind, sich ihre eigene zu basteln bzw. die reale nicht akzeptieren können und in Scheinrealitäten flüchten, manche mehr, manche weniger und bei manchen mit fatalen Konsequenzen.

Nun gehöre ich meines erachtens zu den Menschen, die genau dieses Problem nicht haben, ganz im Gegenteil, als Problem könnte man es schon fast bezeichnen, dass ich schon fast krampf- und/krankhaft darum Bemüht bin, der Realität so eindringlich wie möglich ins Auge zu sehen, um Sicher zu gehen, dass hier nicht etwas passiert, dass nur in meiner Gedankenwelt exitierst, von der ich dann vielleicht irgendwann aufwache und erschüttert bin bzw. in Depression verfalle, weil ich erkennen muss, dass die Dinge nicht so toll sind, wie sie in meiner "Scheinrealität" waren.

Dazu habe ich im Laufe meines Lebens auch dieses "Möglichkeitsdenken" bzw. diese "Möglichkeitsskala" entworfen und ausgeweitet, dazu werden gedanklich alle möglichen Möglichkeiten in Betracht gezogen, ausgewertet und auf dieser Skala platziert, worauf ich dann zu erkennen versuche, was wohl die nahe liegendste Realitätsnahe Möglichkeit darstellt und was als "unmöglich" erscheint, auch wenn ich mich am Ende trotzdem nicht auf die daraus erworbene Erkenntnis verlassen kann, weil es immer noch Platz für Irrtümer und Fehleinschätzungen gibt.

Vielleicht hört sich das eben gesagt für einige ziemlich strange, komisch und sehr "aufwändig" an, das ist es aber nicht weil ich dieses Denken ja über mein ganzes Leben lang verteilt immer wieder angewandt, verfeinert, verbessert und perfektioniert habe, wobei diese Gedankengänge so gut wie automatisiert und teilweise sehr schnell abgespielt werden, dass ich in einigen Fällen gar nicht mehr von "Gedanken" sprechen kann sondern schon fast von "Instinkt".

Diese Denkweise/Macke haben sicher auch viele andere, wenn auch nicht in so einer starken/perfektionierten Form, wie meine Psyche sie aufweist.

Ich will damit aber nur sagen, dass ich mir von all dem was Du mir sonst gesagt hast, deshalb voll bewusst bin und natürlich auch alle Möglichkeiten, die Du oder andere in Betracht ziehen, auch ich selbst gezogen habe.

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jack0815
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Beitrag Sa., 29.05.2021, 18:24

Bilderbuch hat geschrieben: Do., 27.05.2021, 16:29 Und hast du eine Erklärung dafür, warum du das tust? Willst du das grundsätzlich ändern oder nicht?
Die Erklärung ist eigentlich naheligend und auch nichts seltsames, denn im Grunde ähnelt mein Verhalten dem eines Balztanzes das jedes Männchen veranstaltet, wenn es ein interessantes Weibchen umwirbt, es versucht also, das Weibchen dahingehend zu "manipulieren" und zu "beeindrucken", dass es sich dann für ihn entscheiden soll. Im Grunde lahme Evolutionslehre und nichts besonderes.

Das schlechte Gewissen kommt jedoch von daher, dass ich ja im Wissen bin, in einer Therapie zu sein, hier alles praktisch nur simuliert wird und die Therapeutin nicht wirklich ein zu umwerbendes Weibchem darstellt, ich es aber trotzdem umwerbe.

Mein Verstand, aber besonders mein Gewissen sagt mir nun, mein Verhalten zu ändern und den dämlichen Balztanz bleiben zu lassen, mein Herz sagt hingegen etwas anderes, denn die Evolution weiß ja nichts von so einem falschen Spiel, wie es in der Psychotherapie gespielt wird.


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Beitrag Sa., 29.05.2021, 20:21

[/quote]

Das schlechte Gewissen kommt jedoch von daher, dass ich ja im Wissen bin, in einer Therapie zu sein, hier alles praktisch nur simuliert wird und die Therapeutin nicht wirklich ein zu umwerbendes Weibchem darstellt, ich es aber trotzdem umwerbe.

Mein Verstand, aber besonders mein Gewissen sagt mir nun, mein Verhalten zu ändern und den dämlichen Balztanz bleiben zu lassen, mein Herz sagt hingegen etwas anderes, denn die Evolution weiß ja nichts von so einem falschen Spiel, wie es in der Psychotherapie gespielt wird.
[/quote]

Klingt logisch und ist es auch.
Ist ähnlich wie bei der Mutterübertragung, die ich hatte. Man weiß, es sind 50 Minuten bezahlte „Traumwelt“, wie im Bilderbuchkino und kann es nicht lassen zu gefallen, gemocht werden zu wollen etc...
Die Gründe bei mir waren jedoch nicht in einer Evolutionstheorie zu suchen, sondern in der Neurose.

Welche Erfahrungen hast du mit „Weibchen“ außerhalb des „Kinos“? Hat das damit ggf. zu tun?

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Solage
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Beitrag Sa., 29.05.2021, 22:00

Hallo jack,

kennst du das Buch von Ilka Quindeau und Wolfgang Schmidbauer: "Der Wunsch nach Nähe- Liebe und Begehren in der Psychotherapie"?

Da wird beschrieben, dass die Gegenübertragung der Übertragung vorausgeht. Dass Therapeuten ihre Gefühle gegenüber Patienten leichter zulassen können, weil sie nicht so abhängig von diesen sind. Dies erweckt wiederum die Liebe des Patienten usw. Es geht um Verführung.

Und aber auch, dass die Übertragungsliebe regelrecht in psychoanalytischen Therapien vorkommt ,wie, dass genauso regelrecht die Liebe des Therapeuten gegenüber der Patientin vorkommt. Oder Therapeutin/Patient usw.

Die Lektüre dieses Buches könnte vielleicht entlastend und hilfreich sein.

Zeitgenössische Psychoanalytiker arbeiten moderner. Schon an Freud gebunden, aber weiterentwickelt.
Ich würde mich deshalb nicht daran orientieren, wie Freud vor etwas warnte und deshalb konstruieren, weshalb die Therapeutin vielleicht anders reagiert. Also eine BEDEUTUNG davon ableiten, die verwirrend ist.

Eher die zwischenmenschliche Verbindung in der therapeutischen Beziehung ansehen. Durchaus auf beiden Seiten. Wie heißt es so schön: "Der Analysand kommt nur so weit, wie es die Grenze des Analytikers zulässt."

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metropolis
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Beitrag So., 30.05.2021, 00:12

Hallo Jack,

schade, dass ich erst jetzt zu dieser Diskussion stoße, denn ich finde mich in vielen deiner Beschreibungen wieder. Ich versuche das Thema mal ein bisschen für mich zu ordnen.

Zu meinem Background: ich war 5 Jahre lang mit über 300 Stunden in einer Psychoanalyse bei einem männlichen Therapeuten. Die Therapie haben wir vor 9 Jahren erfolgreich beendet. Nach einem Jahr Therapie hat sich bei mir quasi über Nacht eine intensive Verliebtheit entwickelt, vor allem in erotischer Form, so dass ich überzeugt war, hier fühlt eine erwachsene Frau für erwachsenen Mann. Also, nichts spürbar von Vater-Tochter-Liebe. Ich kenne sehr gut deine Gedanken zum Balzverhalten und Manipulieren. Ich nannte es damals mein Werben um ihn und meinte damit durchaus ihn zumindest gedanklich, zuweilen auch real verführen zu wollen. Diese Gefühlswelt war sicher das Intensivste, was überhaupt für einen anderen Menschen empfunden habe, was mich nur darin bestätigte, dass ich tatsächlich ihn als Person, nicht nur als Übertragungsfigur und Projektionsfläche meinte. Wir sprachen sehr viel während der darauf folgenden Jahre über meine Gefühle und Wahrnehmungen und Fantasien etc. Bei mir zumindest blieb die Übertragungsliebe bis zum Ende der Therapie bestehen, sie wandelte sich immer mal wieder in Wut und Ablehnung, aber erst in der finalen Abschiedsphase kam die entscheidende Verwandlung. Ich komme darauf vielleicht nochmal zurück.

Der springende Punkt ist aber, dass mein Therapeut mit einer starken Gegenübertragung reagierte, zumindest nahm ich diese sehr stark wahr. Und zwar im positiven und im negativen Sinne. Es würde jetzt zu weit führen, hier alle fragwürdigen und teilweise auch unprofessionellen Verhaltensweisen und Acting outs aufzuzählen, aber dass dort etwas bei ihm am Laufen ist, war für mich klar. Mich hat es nur sehr belastet, dass er nie über sein Erleben sprechen wollte und mir gegenüber explizit zugegeben hat, dass er starke Gegenübertragungsgefühle hat. Ich hing in der Luft und wollte Klarheit, die ich nicht bekam. Gleichzeitig hielt er sich streng an die Abstinenzregeln, antwortete nicht auf Fragen zu seinem Privatleben, es gab keinen Körperkontakt außer den Händedruck. Aber das Strahlen, das war definitiv da und nicht nur das.

Es hat mich schier in den Wahnsinn getrieben, weil ich ihn permanent analysieren musste, da er sich ja so unprofessionell verhielt in manchen Dingen und es offensichtlich war, dass es ein Problem zwischen uns gab durch zu viele Gefühle. Tja, da hilft nur Reden, Reden, Reden. Sicherlich ist die Liebesthematik auch ein wunderbarer Anlass, andere schwierige Themen in den Hintergrund zu schieben. Gleichzeitig ist es auch ein Hauptthema, an dem sich Lebensthemen ausdrücken: Bindung, sich geliebt und angenommen fühlen, sich einlassen, besonders und einzigartig sein.

Ich könnte ewig über dieses Thema schreiben, aber ich versuche es kurz zu halten. Ich bin der festen Überzeugung, dass Therapeuten bei manchen Patienten starke Gefühle im Zuge der Gegenübertragung entwickeln können. Und ich glaube, dass das durchaus auch authentische Gefühle sein können. Am Beispiel meines Therapeuten habe ich lernen dürfen, dass das ruhig da sein darf, ohne dass man die Therapie abbrechen, herunterkühlen oder die Liebe des Patienten aktiv auflösen muss. Man muss diese Gefühle anschauen und bearbeiten (er seine hoffentlich in einer Supervision), aber man muss nicht zwingend gegensteuern. Die Existenz der Gefühle beim Therapeuten muss auch nicht bedeuten, dass die Abstinenz in Gefahr ist und man diesen Gefühlen verbalen oder körperlichen Ausdruck verleihen muss, um sich anschließend endgültig als Therapeut ethisch zu disqualifizieren.

Diese Erkenntnis gipfelte gegen Ende der Therapie in folgendem Wortwechsel, in dem ich versuchte zu erklären, dass wir die Analyse beenden müssten, da die zu starken Emotionen auf beiden Seiten eine Analyse unmöglich machen. Ich: "Analyse und Liebe, das passt nicht zusammen, das kann einfach nicht gleichzeitig da sein. Also muss eines von beiden eliminiert werden. Wir müssen die Analyse zu einem Ende bringen. Analyse und Liebe schließen sich aus." Darauf er: "Oder anders - Analyse ist Liebe". Der hat gesessen und lange nachgewirkt.
...
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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metropolis
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Beitrag So., 30.05.2021, 00:14

...

Schließlich mündete dieser "Kampf" um Liebe in eine gelassene sichere Liebe, weil ich erkannte, dass es keinen Unterschied macht, ob er irgendetwas zugibt, ausspricht, gesteht, bestätigt. Die Gewissheit war da, ohne Beichte. Es war auch irgendwann egal, ob es eine Liebe von Mann zu Frau war oder von (Wahl-)Vater zu (Wahl-)Tochter. Es war egal, was für eine Art von Liebe das war oder welchen Namen man ihr geben würde. Was ich damit sagen will: wenn deine Therapeutin Gefühle dir gegenüber hat, muss das nicht zwingend eine Bedrohung für sie und erst recht nicht für ihre Partnerschaft sein. Vielleicht hat sie nur mittlerweile erkannt, dass du mehr an den darunter vergrabenen Themen eines unsicheren Selbstwerts und einem Wunsch nach Bindung arbeiten solltest, anstatt auf ihre Signale und ihr Strahlen zu warten.

Tut mir leid für den ausführlichen Bericht, aber ich denke deine Verliebtheit ist nicht ohne (Hinter-)Grund da. Sie ist Ausdruck einer viel tiefer liegendenen Sehnsucht und die ist nicht erotischer Natur und hat auch nichts mit typisch männlichem Eroberungsverhalten zu tun. Ich könnte dir noch aufschlüsseln, wofür meine Verliebtheit da war und warum ich sie sozusagen brauchte, aber das ist einfach zu individuell mit meiner Vorgeschichte verknüpft und hilft dir sicherlich nicht weiter. Du müsstest für dich zusammen mit deiner Therapeutin herausfinden, warum dir deine Gefühle für sie so wichtig sind und warum du alles dafür tust, damit sie genauso empfindet. Einfache Antworten genügen nicht, glaub mir. Ich habe lange glauben wollen, dass es einfach erotische Anziehung ist, die nun mal da ist. Aber dahinter steckt viel viel mehr. Es ist kein Zufall, dass du sie ausgewählt hast.

Mich hätte auch interessiert, aus welchem Grund du dich in Therapie begeben hast, aber das wolltest du ja nicht offenlegen. Du sprichst immer wieder von Narzissmus, aber das klingt wie eine Schutzbehauptung, die dein Gefühl von Macht über Andere und den damit verbundenen Schuldgefühlen ausdrücken soll. Narzissten erkennen sich i.d.R. nicht als solche.

LG

metropolis
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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Beitrag So., 30.05.2021, 06:40

nur damit es nicht überlesen wird, was Jack sich von uns wünscht:
jack0815 hat geschrieben: Sa., 29.05.2021, 18:18
Ich darf vielleicht überhaupt noch mal alle hier Mitlesenden daran Erinnern, was mein "Anliegen" hier eigentlich war:

"Hat jemand ähnliches erlebt und wurde aufgeklärt was es bei Euch auf sich hatte?"
Zuletzt geändert von captcha am So., 30.05.2021, 07:01, insgesamt 2-mal geändert.

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