Angst nach der Stunde/Therapiepause

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Saly
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 14:20

Malia hat geschrieben: Mo., 02.11.2020, 14:08 die Frage ist vielleicht:
Was vermeidest du, wenn du diese Liste nicht schreibst?
Naja ich vermeide zum einen, mal alle Probleme auf den Tisch zu legen.
Und ich vermeide Fehler. In meinem Kopf muss die Liste vollständig und gut formuliert sein (ja, eigentlich weiß ich, dass das außer mir keiner erwartet)
Und ich vermeide Zurückweisung wegen dem, was ich inhaltlich schreibe.

Ich weiß, dass das alles alt ist. Die Therapeutin hat mir mehr als einmal gesagt, dass alles ok ist was ich anspreche. Und dass ein Problem dann eines ist, wenn sich etwas für MICH schlecht anfühlt. Eine andere „Bewertung“ von Problemen akzeptiert sie nicht. Die Rahmenbedingungen sind perfekt, aber ich bin total blockiert, den nächsten Schritt zu gehen.

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Montana
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 15:02

Das ist aber im Grunde jetzt Problem Eins deiner Liste. Deine Gewichtung wäre vielleicht anders, aber DAS jetzt ist EIN wichtiges Problem. Es bringt gar nichts, wenn du dich zusammenreißt um eine Liste abgeben zu können. Dann bearbeitest du DIESES Problem nämlich nicht.

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candle.
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 15:17

Saly hat geschrieben: Mo., 02.11.2020, 14:20 alle Probleme auf den Tisch zu legen.
Ich finde es erstaunlich, dass du alle Probleme kennst.

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Saly
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 15:24

Ok ich korrigiere: „alle für mich erkennbaren Probleme“ :-D aber wie gesagt für meine Therapeutin sind Probleme für mich diejenigen Dinge, bei denen es mir nicht gut geht. Und diese Dinge kenne ich durchaus ;-)

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candle.
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 15:35

Saly hat geschrieben: Mo., 02.11.2020, 15:24 sind Probleme für mich diejenigen Dinge, bei denen es mir nicht gut geht. Und diese Dinge kenne ich durchaus ;-)
Das finde ich beeindruckend, weil ich oft nicht weiß warum es mir nicht gut geht. :-((

candle
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Saly
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 15:39

Ja das geht mir auch oft so. Aber ich nehme dann erstmal die ganze Situation so als „Problem“ hin. Und ich versuche das dann in der Therapie zu besprechen oder selbst zu reflektieren. Klappt auch nur manchmal...

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Malia
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 15:51

Könnte es auch sein, dass du eine neue, gute Erfahrung vermeidest? Eine, die dir ein Stück Kontrolle nehmen könnte?
Bei einem gewissen Stande der Selbsterkenntnis und bei sonstigen für die Beobachtung günstigen Begleitumständen wird es regelmäßig geschehen müssen, dass man sich abscheulich findet.
Franz Kafka

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candle.
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 15:56

Saly hat geschrieben: Mo., 02.11.2020, 15:39 Ja das geht mir auch oft so. Aber ich nehme dann erstmal die ganze Situation so als „Problem“ hin.
Das ist ja dann doch schnell "abgegrast", sage ich mal so und dann die Frage wie es weitergehen soll. Deswegen frage ich mich auch immer was das Verarbeiten sein soll. Wobei ich das im Forum auch noch nie gelesen habe.

Aber ich will dich hier nicht aufhalten, ich habe nur immer irgendwelche Gedanken dazu.

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lisbeth
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 16:34

Saly hat geschrieben: Mo., 02.11.2020, 11:58
Aber gerade holt mich die Angst eben wieder ein.jetzt haben wir das ausgemacht und sie erwartet, dass ich was schreibe. Wir wollten es ja ausprobieren und jetzt trau ich mich nicht. Obwohl ich ihr wirklich abgenommen habe, dass alles ok so ist. Ach, ich weiß auch nicht...
Hallo Saly,

Vielleicht ist es auch diese Erwartung, dass die Angst sich nicht zeigen darf oder soll, die dich irgendwie blockiert? Denn damit setzt du dich ja selbst irgendwie unter Druck (würde mir zumindest so gehen).

Vielleicht geht es darum, (d)einen Umgang mit der Angst zu lernen, der dir neue Möglichkeiten eröffnet und nicht darum, dass die Angst verschwunden sein muss? Im Grunde ist so ein Angst/Panik-Zustand ja extreme Dysregulation. Und vielleicht ist es hilfreicher zu schauen, wie du dich - Schritt für Schritt - aus der Dysregulation wieder rausholen und stabiliseren kannst, anstatt zu sagen: Das darf gar nicht passieren.

Versuche mal, dir das wie ein Pendel vorzustellen. Jetzt holt dich grade die Angst ein. Aber du kannst auch einen Minischritt in die andere Richtung machen, und dich einen Minischritt wieder rausbewegen. Und dich selbst und deine Reaktionen mal ganz genau dabei beobachten. Das ist kleinteilig und mühsahm. Und es gibt nicht die große Erleuchtung und den großen Knall und die Angst ist fort. Aber darüber merke ich (bei mir selbst) wie ich mehr und mehr in der Lage bin, mich selbst aus diesen extremen Zuständen wieder rauszuholen.

Und da geht es nicht darum, dich selbst zu "zwingen", keine Angst zu haben. Sondern darum, zu beobachten. Ja, da ist die Angst. Aber gibt es vielleicht einen kleinen Schritt, den du für dich selbst tun kannst, trotz der Angst? Zb der Therapeutin zu schreiben, dass du es grad nicht schaffst, wie von Montana (?) vorgeschlagen. Oder es dir aufzuschreiben als "Einkaufszettel", aber noch nicht einzuwerfen, wenn das zuviel auf einmal sein sollte? Und stattdessen einfach zur Stunde mitbringen?

Wenn der eine Schritt zu groß ist (und Angst ist oft ein Signal für zu große Schritte, jedenfalls bei mir), dann verlangsame und mach kleinere Schritte. Und auch mit kleinen Schritten kommt man vorwärts.
Und so eine Liste muss weder perfekt noch abgeschlossen sein. Das ist eine Momentaufnahme. Und im nächsten Moment kann die schon wieder anders aussehen. Was wichtig ist, wird immer wieder auftauchen, in allen möglichen Zusammenhängen.

LG lisbeth
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Saly
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 19:33

Malia hat geschrieben: Mo., 02.11.2020, 15:51 Könnte es auch sein, dass du eine neue, gute Erfahrung vermeidest? Eine, die dir ein Stück Kontrolle nehmen könnte?
Was meinst du mit Kontrolle? Hm hab ich bisher noch nicht so bedacht. Ich bin halt eher misstrauisch bei neuen (guten) Erfahrungen. Zb wenn jemand nett zu mir ist oder mich mag ohne, dass ich etwas dafür tun muss.

Versuche dann aber immer alles gut und richtig zu machen, um diese eigentlich „gute“ Erfahrung nicht kaputt zu machen. Hoffe du verstehst was ich meine. Sorry ziemlich wirr vermutlich...

Lisbeth und Candle noch nicht gelesen.

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Saly
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 19:40

candle. hat geschrieben: Mo., 02.11.2020, 15:56
Das ist ja dann doch schnell "abgegrast", sage ich mal so und dann die Frage wie es weitergehen soll. Deswegen frage ich mich auch immer was das Verarbeiten sein soll. Wobei ich das im Forum auch noch nie gelesen habe.

Aber ich will dich hier nicht aufhalten, ich habe nur immer irgendwelche Gedanken dazu.

candle
Du hältst mich nicht auf ;-)

Was meinst du mit abgegrast? Bei mir geht’s beim „Verarbeiten“ immer erstmal um das verstehen: warum belastet es mich? Wie kommt es dazu? Wo
kommt es her? Was muss ich tun, um mich nicht mehr so zu fühlen? Welche Bedürfnisse stecken dahinter?
So etwa in der Reihenfolge. Wohlwissend, dass die Gefühle dem Verstand immer hinterher hinken. Aber wie gesagt, ist jetzt nicht so, dass das immer klappt. Das ist die Theorie.

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Saly
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 19:54

@Lisbeth

Danke für deine ausführliche Antwort.
Ja, in der Theorie klingt das echt gut. Die Angst da sein lassen und zu schauen wie ich mich da rausholen kann. Das wäre auch echt so ein Endziel für mich.

In der Praxis ist das etwas, das noch überhaupt nicht funktioniert. Ich habe ja schon geschrieben, dass ich in so extremen Anspannungs- und Angstzuständen sehr destruktiv werde. Im Klartext heißt das, ich werde sehr schnell aufbrausend. Ich esse und kotze willentlich. Heißt ich komme an einen Punkt, an dem ich den Anfall überhaupt gar nicht verhindern will. Im Gegenteil, ich will essen und kotzen. Und ich will mich selbst verletzen. Ich bin dann einfach nicht in der Lage mich zu stabilisieren.

Wenn das Anspannungslevel niedriger ist, schaffe ich das besser. Dann kann ich achtsam sein, wenn die Angst kommt.

Ich bin froh, dass ihr alle die Möglichkeit einfach über das jetzige Problem mit der Liste zu schreiben, gar nicht so abwegig findet. Ich Trau meinen eigenen Gefühlen da oft nicht. Aber sicherlich werde ich mir erstmal total blöd vorkommen. Keine Ahnung wir haben in der letzten Stunde besprochen, dass wir Dinge einfach ausprobieren wollen. Dann ist das jetzt eben so eine Sache, die ich einfach mal anders mache. Nicht „Augen zu und durch“, sondern mal bewusst kleinere Schritte.

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Saly
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Beitrag Mo., 02.11.2020, 22:47

Ich hab nochmal über das was Maila geschrieben hat nachgedacht. Tatsächlich glaube ich, dass in mir etwas diese positive Erfahrung mit der PT abblockt.
Ich spüre, dass dieses gemocht / geliebt (geliebt geht bei der PT natürlich zu weit) werden ohne Bedingungen und das „okay“ zu sein so wie man ist, das sind so enorm unerfüllte Bedürfnisse der „Kleinen“ (des inneren Kindes). Und ich blocke das ab, weil es in der Therapie zum einen ja nur etwas vorübergehendes ist. Und auch etwas konstruiertes in Teilen. Und vor allem weil es nie so weit gehen würde und andauern würde, wie die kleine es bräuchte. Und ich habe Sorge, dass es niemals „genug“ sein wird. Und diesen Schmerz des unerfüllten Bedürfnisses (nochmal) erleben zu müssen, dazu fehlt mir die Krafr...

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Vivy
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Beitrag Di., 03.11.2020, 09:16

Liebe Saly!

Jetzt möchte ich dir einfach mal ein bisschen Mut machen.
Ja, du bist erwachsen.
Ja, da gibt es diese unerfüllte Sehnsucht.
Ja, du kannst es nicht nachholen, dass für die kleine Saly bedingungslos 24 Stunden am Tag jemand da ist.

Aber
Ich finde ein bisschen geht es doch. Ich erlebe das in meiner Therapie, dass es geht.
Bedingungslos angenommen zu werden, egal was ist. Und wenn mal was ist, womit es ihm nicht gut geht, dann sagt er das, aber das bedeutet nicht, dass er mich dann ablehnt.
Und ich finde schon, dass das bedeutet, von ihm geliebt zu werden. (Und bitte nicht missverstehen, soweit das halt den Rahmen einer Therapie nicht sprengt)
Ich kenne das auch, dieses Gefühl, dass es nie genug ist, was er mir (und damit den kleinen) geben kann. Dass wir am liebsten von ihm adoptiert werden wollen oder bei ihm einziehen.
Ich merke aber tatsächlich, dass sich da in winzigen Schritten (und das trotz Corona) was verändert. Und es verändert sich dann, wenn ich/wir das nehmen, was er in diesem Rahmen geben kann. Wenn wir das Risiko eingehen, dass es weh tut (und das tut es).

Ich verstehe deine Angst.
Vielleicht schaffst du es, ihr das zu sagen.
Und wenn nicht, vielleicht wäre der allererste Schritt, zu überlegen, welches der erste Schritt sein könnte. Der darf doch winzig sein. Viele winzige Schritte bringen auch vorwärts.
Wenn das nicht geht mit dem aufschreiben, dann geht es eben nicht. Vielleicht kannst du ihr schreiben, dass es nicht geht.

Alles liebe, vivy
»Man versteht nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs.
aus: Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry

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Montana
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Beitrag Di., 03.11.2020, 10:00

Saly hat geschrieben: Mo., 02.11.2020, 22:47 Und ich blocke das ab, weil es in der Therapie zum einen ja nur etwas vorübergehendes ist.
Das stimmt zwar, aber überleg mal wie es sonst im Leben ist. Ist es nicht immer vorübergehend? Wenn man nicht grad heiratet und sich die ewige Liebe verspricht (was auch keine Garantie ist), dann ist der gemeinsame Weg immer zeitlich begrenzt. Schule und Ausbildung/Studium gehen zuende. Umzüge finden statt und Jobwechsel. Eine Veränderung der Lebenssituation, z.B. die Geburt eines Kindes, ändert alles. Menschen gehen aus deinem Leben und neue kommen.
Die Therapie ist vielleicht dazu geeignet, ein Kommen und ein Gehen ganz bewusst zu erleben, mit allen dazugehörigen Gefühlen. Und dann zu wissen, dass das immer wieder passiert und dass es ok ist. Was du machst: aus Angst vor dem Gehen lässt du das Kommen nicht zu. Das ist eigentlich nur eines: schade.

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