Bereue, in der PT ein Thema angesprochen zu haben

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lisbeth
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Beitrag Fr., 30.10.2020, 06:36

hey_jude hat geschrieben: Do., 29.10.2020, 23:21 Mir fällt das deswegen ein, weil sie mich ja stattdessen positiv bestärken könnte oder mir Mut machen könnte (ressourcenfördernd eher), aber sie zielt eher auf "machen sie mal langsam, nehmen sie Druck raus" ab...das verunsichert mich leider eher. Anscheinend hält sie mich für mich ziemlich fertig oder inkompetent. Ich dachte oder denke, ich muss da kämpfen, sie scheint zu meinen, dass ich aufhören soll zu kämpfen, ich verstehs nicht ganz. Ist mir aber erst später auf- und eingefallen. Und wie kommt sie darauf,ich sollte hinschmeißen und aufgeben, hoffnungsloser Fall? Oder hält sie mir nur den Spiegel vor ?
Frag sie doch, oder sag ihr, dass du dir mehr positive Verstärkung wünschst. Ich glaub nicht dass sie dich für inkompetent hält. Da gehst du wieder von Tatsachen aus, die überhaupt keine sind, sondern "nur" deine Annahmen, die sich aus deinen bisherigen Erfahrungen heraus ergeben. Vielleicht meint sie, dass du dir selbst zu viel Druck machst und dass das aber nicht dein "Eigenes" ist sondern Überzeugungen und Erwartungen an dich selbst, die du dir im Laufe des Lebens angeeignet hast. Es könnte auch sein, dass sie dir einfach Raum geben will, dass du zu deiner eigenen Einschätzung kommst, dass du deine eigene Wahrnehmung ernst nehmen kannst und danach handeln kannst. Denn wenn du so auf die Bestärkung von außen angewiesen bist, dann ändert sich ja erstmal nichts, wenn die Therapeutin dir das immer wieder liefert. Für den Moment scheint das hilfreich, aber wenn die Therapie zu Ende ist, stehst du wieder genauso da und bist immer noch auf jemanden im "Außen" angewiesen, der für dich die positive Verstärkung übernimmt.

Edit: Dass sie sagt, du sollst aufhören zu kämpfen, bedeutet ja nicht, dass du alles hinschmeißen sollst, oder? Da gibt es ja auch noch Abstufungen dazwischen... zB ein entspanntes Vorangehen im eigenen, passenden Tempo.
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lisbeth
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Beitrag Fr., 30.10.2020, 06:56

Montana hat geschrieben: Fr., 30.10.2020, 00:29 Ja, ich habe eine Wunschvorstellung davon, was von dem, was ich erlebt habe, schlimm war und was vielleicht nicht. Aber das nützt mir gar nichts, weil nicht ich dem eine Bedeutung geben kann. Ich kann mich nur anpassen. Lebe ich in einer Welt, in der man das mit Kindern machen darf, dann ist das so. Das registriere ich und passe mein Verhalten an. Auch in Therapie. Sogar gerade da, denn da bin ich besonders verletzlich.
Aber auch damit lässt sich arbeiten und auch das kann sich - schrittweise - verändern. Ich kenne diesen "Anpassungsdruck" auch, immer und überall, auch in der Therapie. Und ich hab mit der Analytikerin anfangs ziemlich gekämpft, weil ich es nur schwer ausgehalten habe, dass sie mir da relativ wenig "Vorgaben" gemacht hat. Und ich mich damit also selbst mehr zeigen und positionieren konnte. Soll heißen: Sie hat sich da zurückgehalten, damit ich in dem Raum der entsteht, lernen kann, mehr bei mir selbst und meinen Dingen zu bleiben. Das ist eine totale Gratwanderung, für beide Seiten, weil ich bei einem total abstinenten Gegenüber auch total absaufe, das ist dann viel zu viel Raum, in dem ich mich dann wiederum verliere. Und ja, das hat viel mit frühkindlichen Defiziten zu tun.

Natürlich ist es für mich bequemer, wenn sie "präsenter" ist, weil ich mich dann instinktiv wieder in die Anpassung begebe. Und auch ich weiß oder erahne da ganz vieles per Osmose, ohne dass sie es explizit äußern oder zeigen müsste. Wenn sie mir Raum gibt, dann ist das unbequem, ungewohnt und allein das macht mir schon Angst, ohne dass irgendwas "Schlimmes" passiert sein müsste. Aber ich bin dabei, es zu lernen, diesen Raum schrittweise für mich selbst in Besitz zu nehmen und den Dingen MEINE eigene Bedeutung geben kann, ohne das als eine Bedrohung empfinden zu müssen und ohne auf die Genehmigung oder Bestätigung von außen warten.

Das hat bei mir gut zwei Jahre gedauert, bis ich überhaupt in Minischritten anfangen konnte, diesen Raum mal selbstständig ein wenig zu erkunden, ohne dass ich vor Angst gleich wieder komplett erstarrt bin. Und auch jetzt bin ich da noch ziemlich am Anfang. Und das Ganze ist ja eine dynamische Beziehung. Jedesmal wenn wir uns sehen, müssen wir uns wieder neu aufeinander einstellen. Was in der letzten Stunde ging, muss heute nicht unbedingt wieder möglich sein, weil mir zwischendurch vielleicht die eine oder andere Laus über die Leber gelaufen ist. Oder weil sie anders drauf ist. Aber damit das in diesem dynamischen Miteinander klappen kann, muss ich mich auch ein Stückweit zeigen und offenbaren. Und das ist ja immer wieder das Dilemma: Der Wunsch nach Kontakt und Verbindung und nach "Gesehenwerden". Aber gleichzeitig die Angst vorm Gesehenwerden, weil das aufgrund der Erfahrungen viel zu gefährlich erscheint... Ich habe für mich gemerkt, dass es hilft, wenn ich mich immer wieder aus der Deckung wage. Und auch, dass sie mich da immer wieder herausfordert. Nicht streng-fordernd. Sondern aus Interesse heraus, weil sie sich da ein Stückweit mit mir auf eine Reise begibt, deren Weg ich bestimmen und gestalten darf.
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Montana
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Beitrag Fr., 30.10.2020, 10:13

hey_jude hat geschrieben: Fr., 30.10.2020, 00:44 Analysierst du den Therapeuten oder ist das eher "normale Wahrnehmung", bekommst du dich selbst dann noch mit ?
Soll keine Ausfragerei sein. Kenne das ein wenig.
Nein, ich analysiere niemanden. Ich bekomme ohne zu wollen mit, wenn Worte nicht zur restlichen Kommunikation passen, oder wenn jemand zwar nichts sagt, aber auf anderen Wegen viel mitteilt. Man könnte ja denken, Therapeuten hätten ein stärkeres Bewusstsein dafür als Durchschnittsmenschen, aber das scheint nicht der Fall zu sein.

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Haithabu
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Beitrag Fr., 30.10.2020, 17:35

Hey_jude,
dein Post spricht mich an, weil ich nun mittlerweile mit beidem Erfahrung habe.
Ich war längere Zeit bei einem Analytiker, der sich auch sehr zurück gehalten hat mit Feedback/Wertungen/Einschätzung zu meiner eigener Wahrnehmung usw. Im nachhinein kann ich darin durchaus einen Sinn erkennen, weil eben alles aus mir selbst entstanden ist/ entstehen musste. Diese Fragen nach Desinteresse, Zuvielsein, Sympathie, Ablehnung, die im Laufe der Zeit mal mehr oder weniger subtil im Raum standen, hat er mir nie beantwortet und überließ das vollends meiner eigenen Interpretation. Das war in manchen Punkten auch gut so, weil ich im Verlauf der Therapie sicherer über die Antwort wurde.
Dennoch löste es auch oft ein Gefühl von Verunsicherung und Alleinsein aus. Wir haben mehrmals darüber gesprochen, aber es war seine grundsätzliche Haltung an der ich auch nichts ändern hätte können. Als immer tiefergehende Themen auftauchten für mich, die auch mit viel Scham- und Schuldgefühlen verbunden waren und ganz sicher auch mit einer eher verqueren Eigenwahrnehmung ging das dann nicht mehr dort für mich. Weil ich meinte eine gewisse emotionale Resonanz zu brauchen und mir vor allem eben auch bewusst war, dass es eine eklatante Lücke zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung klafft. Ich war bei bestimmten Themenkomplexen schon auf externes Feedback angewiesen und da hat die Methode "selbst irgendwann die Erkenntnis haben" nicht funktioniert und ich habe die Therapie unter anderem deshalb bei diesem Therapeuten abgebrochen.

Nach einer längeren Suchphase, in der auch ganz klar die Erkenntnis stand, dass das schon auch wesentlich von der Person des Therapeuten abhing und nicht von der analytischen Therapieform an sich, bin ich nun bei einer Therapeutin die anders arbeitet. Sie gibt mir häufiger ein Feedback, auch zu nonverbalen Signalen und ist transparent in ihren Empfindungen und Einschätzungen. Könnte also alles gut sein :cool: Aber es wurde schnell deutlich, dass auch das problematisch sein kann, weil die gewonnenen Erkenntnisse dann oft kein Ergebnis eines längeren Denkprozesses sind, sondern mitunter eben nur das Ende einer kurzen Konversation. In manchen Dingen ist das hilfreich, vor allem wenn wir unsere Wahrnehmung für bestimmte Konflikte abgleichen können oder sie mich auf unbewusst ablaufendes Verhalten hinweist (Körperhaltung usw.). Wenn es jedoch um die Einschätzung von ihr zu tiefergehenden Themen geht, ist mir das oft zu viel oder zu schnell. Ich bin innerlich noch nicht soweit anzuerkennen, dass ich mich nicht für xyz schämen müsste (nur ein Beispiel) und es löst dann lediglich Widerspruch aus, wenn sie das so klar in den Raum stellt. Auch nur leicht tendenziös urteilende Aussagen ihrerseits zu meinen Eltern gehen gar nicht. Sie darf das nicht sagen, obwohl wir beide wissen, dass es so ist wie sie es sagt. Ich sehe da ganz deutlich den Knackpunkt, dass es nicht reicht etwas auf verbaler und rationaler Ebene zu wissen. Und es reicht auch nicht, wenn sie sagt, dass sie xyz betroffen macht (auch nur ein Beispiel). Das muss in mir wachsen und ich muss es selbst fühlen, erst dann wird es vielleicht ankommen und sich verändern.

Was ich sagen will: ich wünsche mir manchmal schon den Analytiker zurück, der mich mehr in Ruhe gelassen hat und so auch nicht tempomäßig an mir vorbei ziehen konnte. Aber ich glaube auch, dass die deutliche Positionierung der Therapeutin irgendwo in mir Wurzeln schlägt und auch ihr Feedback zu dem was zwischen uns passiert zu meiner weiteren Entwicklung beiträgt. Eine Mischung wäre gut :)
Etwas was sich jedoch immer als extrem wertvoll herausgestellt hat, ist über genau diese Dinge mit dem jeweiligen Therapeuten zu sprechen. Weil mir auch nur darüber klar wurde, was ich eigentlich will und brauche und erwarte. Niemals hätte ich nach dem Therapieende mit dem Analytiker gedacht, dass mir die Zugewandtheit und Offenheit der Therapeutin so sehr zu schaffen macht, wo es doch genau das war, was ich meinte bei ihm so zu vermissen.

Nun kann ich dir nicht empfehlen erst einmal eine Runde bei einem anderen Therapeuten zu schauen, wie sich ein anderer Stil anfühlt, um eventuell zu erkennen, dass auch trotz der Zurückhaltung ein bei-dir-sein möglich ist.
Aber was ganz sicher so ist, dass ein aus-dem-Fenster-schauen kein Zeichen von grundsätzlichem Desinteresse ist und ein Grund, um aufzuhören über die ganz tiefergehenden Themen zu sprechen. Da fehlt vielleicht wirklich erstmal noch ein Gespräch über eure Kommunikation und deine Erwartungen/ Wünsche/ Interpretationen usw. Kann sein, dass deine Therapeutin dir darauf auch keine konstruktiven Antworten geben kann oder will, aber du gewinnst für dich mehr Sicherheit in deinem Anliegen.
Für mich stand dann eben nach einigen dieser Gespräche ganz klar fest, diese fehlende Transparenz und emotionale Resonanz ist bei vielem akzeptabel und vielleicht auch nützlich, aber es gibt für mich einige wenige Themen bei denen das nicht funktioniert. Doch das war das Ergebnis einer recht lang andauernden Auseinandersetzung und Konfrontation mit dem Therapeuten und hat nicht nur in mir selbst an Bedeutung gewonnen.

Ich wünsche dir also den Mut deine Eindrücke genauer zu hinterfragen und da mehr in die Offensive zu gehen.

Viele Grüße
Haithabu

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hey_jude
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Beitrag Sa., 31.10.2020, 13:00

Danke Haithabu für das Teilen Deiner Erfahrungen !

Ich denke, dass es besser ist mit der Therapeutin zu sprechen, wenn mein Gefühl so bleibt. Ich bin da ambivalent. Auf der einen Seite denke oder fühle ich: ich bin ihr total egal, sie mag mich nicht und deswegen möchte ich mich zurückziehen und auf der anderen denke ich, dass ich ihr nicht wichtig sein muss, sondern, dass ich ja meinetwegen da bin und die Hauptsache ist, dass die Therapie mir irgendwie hilft. Und diese Tendenz, die da aufkommt, dieses "nee, ich zeige jetzt keine Gefühle mehr und ziehe mich emotional in mich selbst zurück" ist etwas, dass ich mir angucken könnte, mit der Therapeutin, innerhalb der therapeutischen Beziehung, aber entkoppelt von der Person "Therapeutin", sozusagen, als eins meiner Muster.

Bisher ignoriere ich es und tue so als wäre nichts, in der Stunde, sage mir eben das es okay ist, weil die Therapeutin mich nicht mögen muss und sich auch nicht interessieren muss.... rational und ein wenig trotzig, vllt.
Ich versachliche das, versachliche vllt auch die Therapeutin, sie macht ihren Job und hat keine Gefühle (kein Gefühl zu mir- hat sie vermutlich auch nicht, oder hat man immer ein Gefühl zu anderen Personen, wenn man jede Woche eine Stunde mit der Person "verbringt", auch wenn man das beruflich macht?- hmm...und was für eine Rolle spielt das überhaupt ?).Sie hat das Ziel, Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen, aber es ist egal welchen Menschen. Man könnte vllt auch sagen, dass ich die individuelle therapeutische Beziehung negiere und ihr unterstelle sie sieht mich als Ding das repariert werden muss/will und ich sehe sie als Ding, das die richtigen Werkzeuge zur Reparatur hat.
Verstehe man das ? Tatsächlich ist das vlt ein Schutz davor zu spüren, dass ich ihr ganz in Wirklichkeit egal bin und sie mich nicht leiden kann oder andersrum, dass ich ihr nicht egal bin und sie mich leiden kann- auch das wäre irgendwie schwieirg...Ein Konstrukt von "es gibt keine "Gefahr", denn es gibt berechtigterweise keine Gefühle"

Darüber könnte man vlt wirklich mal sprechen. Das ist jetzt auch nicht ganz ohne Scham. Irgendwie instrumentalisiere ich die Therapeutin dadurch und unterstelle ihr, dass sie mich als Objekt (ihrer Arbeit) sieht. Und dann behaupte ich auch noch, das es okay ist. wäre es nicht, oder ? Also, es ist auch nicht realitsisch oder gesund oder? Da bin ich mir jetzt gerade nicht mehr sicher. Vllt ist das dieser(oder einer dieser) Schutzmechnismus/-nismen der das Gefühl echter Nähe verhindert…auch in privaten Beziehungen. Der/ ein Grund warum ich mich irgendwie innerlich einsam fühle und, trotz Freundschaften/Bekanntschaften, kein Gefühl der Zugehörigkeit empfinde. Das Gefühl ich bin jederzeit austauschbar für Freunde oder Bekannte (oder ich bin es tatsächlich- vor allem für meinen Familie, denen bin ich so richtig sch*iß-egal) . Ich kann das Gefühl, dass jemandem (irgend-)etwas (nicht Funktionales) an mir liegen könnte nicht zulassen. Wenn ich das schon schreibe regt sich Widerstand, vor allem, weil ich es so unvorstellbar (dreist) finde, sich so etwas zu wünschen oder zu glauben, das ein anderer Mensch so für mich empfinden könnte. Und was empfinde ich denn eigentlich wirklich für andere oder spezielle andere ? Und da weiß ich intuitiv gar nicht was okay oder zu viel/zu wenig usw ist, wie sich das anfühlen sollte/müsste, wie sich das ausdrückt, wie ich das fühlen und ausdrücken würde, ob ich das fühle(n) (kann oder möchte)...:crazy:

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Montana
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Beitrag Sa., 31.10.2020, 23:23

Ich denke ganz ähnlich. Und rein rational weiß ich aber auch dies:
- Es gibt eigentlich gar keine Menschen, die ich persönlich nur gut oder nur doof finde. Alle sind irgendwo dazwischen und bewegen sich auch mit einer eigenen Dynamik zwischen diesen Polen hin und her. Ich kann ja durchaus differenzieren zwischen verschiedenen Eigenschaften einer Person. Und jeder hat gute und schlechte Tage. Warum sollte das bei Therapeuten denn anders sein?
- Es gibt (inzwischen) sehr klare Beweise dafür, dass ich oft falsch lag mit der Vermutung, dass ich für alle total doof oder uninteressant bin. So hat z.B. ein ehemaliger Mitschüler über 10 Jahre nach der Schule meiner Schwester erzählt, dass er total in mich verknallt war. Mir war es aber nicht möglich gewesen, das zu erkennen. (Schade, denn ich fand den auch nett.) Offensichtlich stimmt dann da etwas an meiner Wahrnehmung nicht. Wenn ich aber total überzeugt davon bin, dass mich niemand mögen KANN, wie könnte ich dann jemals richtig einordnen, wenn mir jemand zeigen möchte, wie sehr er mich mag? Solche Signale werden von einer Therapeutin natürlich nicht kommen, aber der innerliche Film ist ja der gleiche.

Ach, und noch ein Gedanke. In einer Therapie hatte ich mal geäußert, dass ich doch als Patientin total unausstehlich sein müsse, weil ich so kompliziert war und so viel dissoziierte. Als Antwort kam nicht etwa: nein, alles in Ordnung, das macht mir nichts. Zum Glück, denn das hätte ich sowieso nicht geglaubt. Es kam sowas: für mich ist das auch nicht einfach, andere Stunden mit anderen Patienten sind oft viel angenehmer, aber mit Ihnen hatte ich auch schon Erfolgserlebnisse, die umso wertvoller waren, weil sie nicht so leicht zu erreichen waren. Mit so einer Aussage kann ich etwas anfangen. Das kann ich nachvollziehen.


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hey_jude
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Beitrag So., 01.11.2020, 11:29

lisbeth hat geschrieben: Fr., 30.10.2020, 06:36
Frag sie doch, oder sag ihr, dass du dir mehr positive Verstärkung wünschst. Ich glaub nicht dass sie dich für inkompetent hält. Da gehst du wieder von Tatsachen aus, die überhaupt keine sind, sondern "nur" deine Annahmen, die sich aus deinen bisherigen Erfahrungen heraus ergeben. Vielleicht meint sie, dass du dir selbst zu viel Druck machst und dass das aber nicht dein "Eigenes" ist sondern Überzeugungen und Erwartungen an dich selbst, die du dir im Laufe des Lebens angeeignet hast. Es könnte auch sein, dass sie dir einfach Raum geben will, dass du zu deiner eigenen Einschätzung kommst, dass du deine eigene Wahrnehmung ernst nehmen kannst und danach handeln kannst.

Edit: Dass sie sagt, du sollst aufhören zu kämpfen, bedeutet ja nicht, dass du alles hinschmeißen sollst, oder? Da gibt es ja auch noch Abstufungen dazwischen... zB ein entspanntes Vorangehen im eigenen, passenden Tempo.
Wenn ich so überlege, möchte ich gar nicht, dass sie mich positiv bestärkt und somit weiter voran treibt. Ich dränge mich schon ziemlich selsbt. Es geht irgendwie auch um meine Existenz und ich muss irgendwo funktionieren. Das ist nicht unbedingt Lebensqualität, aber wahrscheinlich geht es jedem mal so.
Alles etwas entspannter sehen zu können wäre sicherlich ein Fortschritt. In emotionalen Momenten neige ich dazu , die Dinge schwarz oder weiß zu sehen.

Ich ändere meine Einstellung leider manchmal sehr schnell und wechsle hin und her. Das ist irgendwie nervig und verunsichernd. Habe ein ziemlich wackeliges Selbstbild und konträre Emotionen zu ein und derselben Sache, anscheinend...Als wäre ich an dem einen Tag überzeugte Vegetarierin und im nächsten Moment liebe ich Steaks. Das empfinde ich als gestört und als störend. Ich wäre gerne etwas gradliniger und emotional stabiler in so manchen Dingen. Ich habe das Gefühl, ich muss bei mir intervenieren, damit ich vernünftige Entscheidungen treffe und nicht impulsiv agiere. Vernünftig ist es bspw. den Job weiterzumachen, egal wie ich (in den verschiedenen Momenten) dazu fühle. Vernünftig wäre es aber auch, sich weniger Druck zu machen,den Druck bekomme ich nicht wirklich raus. Der ist irgendwie immer da, mal mehr, mal weniger. Ich habe kein Mittel dagegen. Vllt macht mich das krank/ mache ich mich damit krank ?! Ich würde so gern "alles" richtig machen, endlich mal etwas richtig machen und mir selbst nützlich und hilfreich sein... damit habe ich kaum bis gar keine Erfahrungen.


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Beitrag So., 01.11.2020, 11:42

lisbeth hat geschrieben: Fr., 30.10.2020, 06:56
Ich kenne diesen "Anpassungsdruck" auch, immer und überall, auch in der Therapie. Und ich hab mit der Analytikerin anfangs ziemlich gekämpft, weil ich es nur schwer ausgehalten habe, dass sie mir da relativ wenig "Vorgaben" gemacht hat. Und ich mich damit also selbst mehr zeigen und positionieren konnte. Soll heißen: Sie hat sich da zurückgehalten, damit ich in dem Raum der entsteht, lernen kann, mehr bei mir selbst und meinen Dingen zu bleiben.

Natürlich ist es für mich bequemer, wenn sie "präsenter" ist, weil ich mich dann instinktiv wieder in die Anpassung begebe. Und auch ich weiß oder erahne da ganz vieles per Osmose, ohne dass sie es explizit äußern oder zeigen müsste. Wenn sie mir Raum gibt, dann ist das unbequem, ungewohnt und allein das macht mir schon Angst, ohne dass irgendwas "Schlimmes" passiert sein müsste. Aber ich bin dabei, es zu lernen, diesen Raum schrittweise für mich selbst in Besitz zu nehmen und den Dingen MEINE eigene Bedeutung geben kann, ohne das als eine Bedrohung empfinden zu müssen und ohne auf die Genehmigung oder Bestätigung von außen warten.

Das hat bei mir gut zwei Jahre gedauert, bis ich überhaupt in Minischritten anfangen konnte, diesen Raum mal selbstständig ein wenig zu erkunden, ohne dass ich vor Angst gleich wieder komplett erstarrt bin.
Das finde ich sehr interessant.
Ich neige (auch) dazu zu erspüren, was der andere wohl wollen könnte und mich dann anzupassen. So dass ich nicht überlegen oder besser noch erspüren muss, was ich möchte und empfinde. Das Erspüren, was ich möchte oder wie es mir geht (mit etwas) kann ich nicht gut. Wäre aber wichtig ! Ich habe, denk ich, eine innere Überzeugung, die meint, dass ich nicht weiß was gut (für mich) ist, ich bin sowieso immer falsch und ich bekomme auch wenig innere Resonanz, da ist oft kein Gefühl, welches mir sagt, so und so empfinde ich das als richtig (für mich) oder so und so fühle ich "zu etwas", also ,das ich mich (klar) und längerfristig positionieren könnte, so dass ein Weg für mich entsteht, den ich überzeugt gehen könnte oder, dass ich zu Vergangenem eine Position und ein konstantes Gefühl haben kann...also weiche ich aus, auf einen Anderen, instiktiv-


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Beitrag So., 01.11.2020, 11:55

Montana hat geschrieben: Sa., 31.10.2020, 23:23 Ich denke ganz ähnlich. Und rein rational weiß ich aber auch dies:
- Es gibt eigentlich gar keine Menschen, die ich persönlich nur gut oder nur doof finde. Alle sind irgendwo dazwischen und bewegen sich auch mit einer eigenen Dynamik zwischen diesen Polen hin und her. Ich kann ja durchaus differenzieren zwischen verschiedenen Eigenschaften einer Person. Und jeder hat gute und schlechte Tage. Warum sollte das bei Therapeuten denn anders sein?
Ja. Das denke ich "normalerweise" auch. Aber, manchmal werde ich schwarz/weiß, das nervt und stresst mich. Dann habe ich plötzlich Horrorphantasien, ich bin dann innerlich ein Nervenbündel, das sich von allen Seiten bedroht fühlt.
Montana hat geschrieben: Sa., 31.10.2020, 23:23- Es gibt (inzwischen) sehr klare Beweise dafür, dass ich oft falsch lag mit der Vermutung, dass ich für alle total doof oder uninteressant bin.

Offensichtlich stimmt dann da etwas an meiner Wahrnehmung nicht. Wenn ich aber total überzeugt davon bin, dass mich niemand mögen KANN, wie könnte ich dann jemals richtig einordnen, wenn mir jemand zeigen möchte, wie sehr er mich mag? Solche Signale werden von einer Therapeutin natürlich nicht kommen, aber der innerliche Film ist ja der gleiche.
Diesen Film kenne ich sehr gut. In den Momenten fühlt es sich leider sehr realitisch an. Bin ich etwas entspannter kommt es mir selbst schräg vor und ich kann die Dinge wieder differenzierter wahrnehmen. Das mich jemand wirklich mögen könnte, ist allerdings....das ist schwierig. Ich kann es glauben, aber nicht fühlen. Und ich suche eher nach Beweisen und Gründen, warum mich jemand mögen/nicht mögen könnte. Das Gefühl bleibt aus, bzw unsicher. Ich weiß auch nicht woher es kommen sollte...oder wie ich es empfinden kann, wie ich mir sicherer werden kann mit mir und anderen. Ist wohl ein langfristiges Unterfangen. Läuft aber auch schon eine zeitlang, ich bin froh, dass ich mittlerweile Freundschaften aufrechterhalten kann, also glauben kann, dass es welche sind....auch nicht ganz konstant, aber "ich bleibe" und setze mich, bei zu starken Zweifeln,die nicht von allein verschwinden mit der Person real auseinander.

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Montana
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Beitrag So., 01.11.2020, 14:27

Das kann ich z.B. noch nicht; ich habe keine Freundschaften. Nur Bekannte. Etwas anderes ist die Beziehung zu meinem Ehemann. Nicht nur sehe ich den jeden Tag, er hat auch ganz offiziell ein Eheversprechen abgegeben. Damit ist da tatsächlich ein "harter Beweis": der hat sich dafür entschieden.


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Beitrag Di., 03.11.2020, 17:14

Ich finde Partnerschaft schwieriger. Bin aber auch noch nicht so lange getrennt und Nähe/Distanz war immer eher problematisch, stressig. Habe noch nicht die richtige Person gefunden.
Meine Bedürfnisse an Freundschaft und Bekanntschaft sind moderater oder ,ich kann sie besser moderat halten, das passt eher. Ich glaube, dieses "es moderat halten wollen" ist so ein Punkt, Gefühle und Nähe machen mir nach wie vor Angst oder sind in irgendeiner Art konfliktbehaftet und ich hab damit zu tun, das zu kontrollieren, mich zu kontrollieren, wie auch immer...
Es gibt in den privaten zwischenemenschlichen Bezieheungen schon Ausschlägen(emotional) nach oben und unten, ich mache das dann meist mit mir aus, ausser ich bekomme das Gefühl, ich bin kurz davor, mich von der Person komplett distanzieren zu wollen und halte das für eine eigentlich übertriebene oder voreilige (emotionale) Reaktion von mir. Da versuche ich entspannter zu bleiben, Zeit vergehen zu lassen oder neue positive Momenten mit der Person zu teilen (sozusagen Beweise im Kontakt zu der Person finden, dass ich übertrieben zu etwas gefühlt habe, etwas nicht direkt bedeutet, dass ich doch nicht gemocht usw,u.ä....werde) oder wenns immer noch nicht geht darüber zu sprechen...

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Beitrag Di., 03.11.2020, 22:05

Das würde ich z.B. nie tun. Gibt es irgendwas komisches, meist ist das nur längere Zeit, die vergeht, dann ist die Verbindung weg. Ich laufe niemals hinterher.
Vor meinem Mann habe ich gelegentlich Angst, so dass es in irgendeiner Form zur Konfrontation kommt, weil er mein Verhalten nicht versteht. Also, ich kann schonmal aus Angst, das Schlafzimmer zu betreten, wenn er schon schläft, im Bad auf der Matte liegen.


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Beitrag Do., 12.11.2020, 14:20

Ich nutze diesen Thread jetzt einfach mal, um ein wenig zu reflektieren, denn irgendwie hängt das was so "passiert" immer noch mit der Überschrift zusammen. Denn das, was mir (anscheinend) anfänglich so große Sorgen gemacht hat, "bereuen etwas erzählt oder gezeigt zu haben in der Therapiestunde" ist derzeit komplett verschwunden ! Vielmehr befinde ich mich jetzt in einem rationalen Modus.
Es existiert derzeit kein emotionales Problem. Weil ich hauptsächlich im Kopf bin. Und das auch andauernder, nicht nur in der Therapiestunde. Ob das gut oder schlecht ist, weiß ich nicht. Es verschafft mir auf jeden Fall Luft und macht mich ruhiger. Ich betrachte das alles eher analytisch und forschend im Moment. Aus einer Distanz, als ob ich selbst ein Fall wäre, den ich lösen möchte...was ohne meine Emotionen vllt nicht ganz so gut geht (?!?)- da ist dann kein "Fall"...bzw nur aus der Erinnerung.

Für Therapie ist das glaube ich nur mittelmäßig günstig (?), weil ich eben emotional ziemlich weit weg bin. Ich merke schon, wenn mich Themen belasten (marginal), genaueres kann ich dazu nicht sagen, schon gar nicht wie sich das anfühlt. Das ist nicht greifbar, nur so ein latentes "Gefühls-Gewusel" das wie eine Nebelwolke über mir hängt.
Aus meiner Erinnerung, an der ich mich emotional im Hier und jetzt nicht beteiligt fühle, weiß ich dass ich dazu mal etwas gefühlt habe. Ich frage mich, welche Lösung, ganz praktisch, es dafür geben könnte und wenn es keine zu geben scheint, wird es als sinnlos, dazu etwas zu fühlen abgehakt. Darüber nachzudenken ist tlw. okay, weil man das rational analysieren kann. Das ist interessant.

Ist das jetzt ein psychischer Abwehrmechanismus oder ein Fortschritt, ein gesunder Abwehrmechanismus oder tatsächliche Verarbeitung? Oder nur ein Abwehrmechanismus, eher kontraproduktiv, weil es nur eine Verdrängung ist, die bei der nächsten (keine Ahnung wie gearteten) Gelegenheit zusammenbricht? Das würde mich mal interessieren. Wird wahrscheinlich die Zeit zeigen...Vllt kennt das ja jemand...?

Ich habe außerdem die Therapeutin besser wahrnehmen können und konnte mehr auf sie reagieren. So schnelle Fortschritte ? Erscheint mir unrealistisch-
Auf dem Weg der Besserung....mglw.


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Beitrag Sa., 26.12.2020, 01:27

anders überlegt

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