Anna-Luisa hat geschrieben: ↑Do., 27.06.2019, 20:00
Möglicher Hintergrund eines solchen Vorschlags kann es sein, dass der Therapeut Probleme damit hat, seine Gruppe zu füllen. "Umsonst" schlägt er es sicher nicht vor - bleibt die Gruppe leer, geht auch Geld flöten.
Nö, die Stundensätze sind inzwischen nach Teilnehmerzahl gestaffelt. Wenn es weniger Teilnehmer sind, gibt's mehr Geld pro Teilnehmer, so dass es für den Therapeuten mehr oder weniger auf das Gleiche rauskommt.
Ich denke übrigens nicht, dass man eine Therapieempfehlung mit einer vorgeschlagenen OP vergleichen kann. Ich denke, weder der Therapeut muss immer am besten wissen, was die richtige Therapie für den Patienten ist, noch muss es der Patient selbst immer am besten wissen. Einerseits findet die Entscheidung über die Therapieform ja i.d.R. zu Beginn der Therapie statt, wo der Therapeut, den Patienten noch gar nicht gut genug kennen kann, um alle Faktoren überblicken zu können, die für die Wahl der richtigen Therapieform notwendig sind. Da ist er m.E. schon auch etwas die Einschätzung des Patienten selbst angewiesen. (Wenn der Therapeut allerdings nach einer geraumen Anzahl von Stunden zu der Ansicht gelangt, dass der Patient besser in einer Gruppe weitermachen sollte, sollte man das - sofern man bis dahin mit dem Therapeuten zufrieden war - m.M.n. schon ernst nehmen und nicht einfach als "ungeeignet" vom Tisch wischen, sondern sich zumindest ergebnisoffen seine Gründe erläutern lassen).
Andererseits gibt es aber auch Patienten, bei denen gerade Vermeidungsverhalten eine große Symptom aufrechterhaltene Rolle spielt. Der Patient, der z.B. eine soziale Phobie hat, wird vermutlich auch der festen Überzeugung sein, eine Gruppe sei für ihn überhaupt nicht das Richtige, weil er sich dort nicht wohlfühlt, aber in dem Fall wäre es ein Vermeidungsverhalten, dass zur Aufrechterhaltung der sozialen Phobie beiträgt. In so einem Fall wäre es gerade hilfreich, sich in der Gruppe mit den sozialen Ängsten zu konfrontieren. Das Vermeidungsverhalten ist da ein schlechter Ratgeber. Nicht immer ist das, was sich in der Therapie am angenehmsten anfühlt, auch das therapeutisch effektivste Vorgehen.
Ich finde es daher wichtig, dass beide, Therapeut und Patient, dem jeweils Anderen gut zuhören, warum wer von beiden, eine Gruppe für geeignet hält oder nicht. Im besten Falle sollte dann eine gemeinsame Entscheidung auf der Basis gegenseitigen Respekts getroffen werden.
Das ist auch deshalb wichtig, weil es, wie Piano ja schon geschrieben hat, keinen Sinn hat, jemanden "zwangsweise" in eine Gruppe zu stecken. Das ist mit der Gruppentherapie nicht anders als bei jeder anderen Form von therapeutischer Arbeit: Wenn der Patient nicht mitarbeitet, kann es nicht funktionieren. Wenn jemand also mit vorgefasster negativer Meinung in eine Gruppe geht und sich dort nicht einbringt und sich dann auch kein Therapieerfolg einstellt, ist das noch lange kein Nachweis für die grundsätzliche Unwirksamkeit von Gruppentherapie.
Was ich gar nicht nachvollziehen könnte, wäre, wenn jemand bei einem Therapeuten, dem er unterstellt, er würde die Patienten quasi "missbrauchen", um seine Gruppe voll zu kriegen, dann anschließend Einzeltherapie bei diesem Therapeuten machen würde. Da wäre dann bei mir auch das Vetrauen für eine Einzeltherapie weg.