'Quiet Borderline'

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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chrysokoll
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Beitrag Di., 12.03.2024, 13:05

candle. hat geschrieben: Di., 12.03.2024, 12:40 Ich hänge gerade an den Auswirkungen fest. Einerseits soll man ja still vor sich hinleiden, aber andererseits ist ein riskantes Verhalten wahrscheinlich auch gefährlich und öffentlich für andere Menschen. Wo soll denn da der Unterschied sein? Oder Selbstverletzungen fallen ja auch auf. Was soll da der Unterschied zum "anderen" Borderliner sein? In beiden Fällen können andere Menschen geschädigt werden und so ist es dann doch nicht so still, sondern in der Öffentlichkeit.
Depressionen kann ich mir da dann gut vorstellen.
also riskantes Verhalten muss weder gefährlich noch offensichtlich für andere Menschen sein. Da gibt es unzählige Varianten die weder auffallen noch andere gefährden.
Und auch Selbstverletzungen fallen doch nicht unbedingt auf. Je nachdem wo die sind sieht die doch niemand oder eventuell dann nur mal ein Arzt, und der hat Schweigepflicht. Durch Selbstverletzung wird doch niemand anders geschädigt.

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candle.
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Beitrag Di., 12.03.2024, 13:25

chrysokoll hat geschrieben: Di., 12.03.2024, 13:05 also riskantes Verhalten muss weder gefährlich noch offensichtlich für andere Menschen sein.
Ich hatte zwar "öffentlich" geschrieben, aber darum geht es mir auch nicht. Was schwebt dir denn als riskantes Verhalten vor?
Ich habe mal erlebt, dass jemand betrunken auf dem Dach rumkletterte. Riskant? Ja! Öffentlich? Ja! Und der Rettungsdienst samt Polizei tauchte auch auf.

Würde mich interessieren wie es anders geht.
Durch Selbstverletzung wird doch niemand anders geschädigt.
Emotional schon! Das will ich einfach nicht mehr unter den Tisch kehren!

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chrysokoll
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Beitrag Di., 12.03.2024, 13:29

also mir "schwebt" da gar nichts vor, aber die Liste an möglichem riskanten Verhalten ist lang.
Und auch wenn es "öffentlich" ist muss es weder für andere sichtbar sein noch andere gefährden.
Wenn du an einem Abhang in der Landschaft balancierst wo niemand ist und dich niemand sieht, dann ist das zwar öffentlich, aber nicht sichtbar und du gefährdest auch niemand (jaja, rein theoretisch kann dann da unten jemand vorbeigehen)

Und ja, wenn du einen Partner hast der deine Selbstverletzung sieht und davon belastet ist, dann betrifft das jemand, schon klar. Aber erstmal kann Selbstverletzung sehr wohl heimlich erfolgen und ohne dass es jemand sieht oder davon betroffen wird.

Klar kann immer irgendwie irgendwas konstruiert werden wie andere trotzdem reingezogen werden. Das muss aber nicht sein und hier kann nur der Fragesteller beurteilen was zutrifft

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lisbeth
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Beitrag Di., 12.03.2024, 14:47

candle. hat geschrieben: Mo., 11.03.2024, 13:14 Und wo steckst du die Wut hin? Das muß ja raus.
Wie "das muss ja raus"? Ja, wäre gut, wenn man die Wut einfach mal schnell rauslassen könnte, das ist aber nicht allen Menschen möglich.

Grundsätzlich finde ich es durchaus logisch und nachvollziehbar, bei BL (oder Emotional-instabiler PS) einen impulsiven "Subtyp" zu unterscheiden, der die Wut (oder was auch immer gerade akut ist) nach außen trägt, und einen "gehemmten" Subtyp, der diesen ganzen Emotionswust eher in sich hineinfrisst und eben nicht an der Umwelt auslässt. Sondern - wenn überhaupt - vor allem an sich selbst. Gleichzeitig sind so viele Überschneidungen im Selbsterleben und im Beziehungserleben da, dass es gerechtfertig ist, das als unterschiedliche Ausprägungen ein- und desselben Krankheitsbildes zu begreifen.

Dass es das bisher nicht als offizielles Diagnosekriterium gibt, heißt nicht dass es nicht existiert, sondern dass die Diagnostiker:innen und Ärzt:innen die falschen Fragen stellen und ihre Beobachtungen an den falschen Kriterien ausrichten. Bei Autismus dachte man auch jahrzehntelang, dass es das bei Frauen/Mädchen nicht oder nur extrem selten gibt. Und heute zeigt sich, dass die einfach die ganze Zeit unter dem Diagnoseradar flogen, weil der oft dorthin ausgerichtet ist, wo die Probleme sich am deutlichsten/markantesten (nach außen) präsentieren. und nicht dorthin wo Betroffene das alles nach innen kompensieren, aber trotzdem einen extrem hohen Leidensdruck haben.
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candle.
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Beitrag Di., 12.03.2024, 15:03

lisbeth hat geschrieben: Di., 12.03.2024, 14:47 wo Betroffene das alles nach innen kompensieren, aber trotzdem einen extrem hohen Leidensdruck haben.
Darum geht es ja. Wut, die sich aufstaut, kann ja extrem massiv sein. Da frage ich mich wirklich wie das adäquat abgebaut werden kann. Unendlich in sich reinfressen, kann ich mir nicht vorstellen... im Umkehrschluß ist es extrem gefährlich.

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sgtmax1
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Beitrag Di., 12.03.2024, 23:07

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Darum geht es ja. Wut, die sich aufstaut, kann ja extrem massiv sein. Da frage ich mich wirklich wie das adäquat abgebaut werden kann. Unendlich in sich reinfressen, kann ich mir nicht vorstellen... im Umkehrschluß ist es extrem gefährlich.

candle
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Ich würde sehr gerne hin und wieder meine Wut rauslassen können, aber es geht halt nach innen, man redet sich vielleicht ein man hätte irgendetwas falsch verstanden und dadurch kränkt man sich selbst und das führt zu Selbsthass bzw. negativen Gedankensätzen.

SSV kann sehr vielfältig sein, ich finde die meisten Dinge sind auch nachvollziehbar warum sie angeführt werden.

Und es kann sehr wohl verdeckt passieren.
Ich habe mich vor ein paar Jahren an den Unterschenkeln geritzt und habe dann, da ich mich schämte und mit niemandem darüber reden wollte, lange Hosen getragen, war halt im Sommer auffällig aber ich habe die lange Hose mit verschiedensten Ideen begründet.

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candle.
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Beitrag Di., 12.03.2024, 23:20

sgtmax1 hat geschrieben: Di., 12.03.2024, 23:07
Und es kann sehr wohl verdeckt passieren.
Ich habe mich vor ein paar Jahren an den Unterschenkeln geritzt und habe dann, da ich mich schämte und mit niemandem darüber reden wollte, lange Hosen getragen, war halt im Sommer auffällig aber ich habe die lange Hose mit verschiedensten Ideen begründet.
Vermutlich liege ich einfach falsch und gehe immer von einer rasenden unkontrollierbaren Wut aus in meiner Vorstellung- so kenne ich das jedenfalls von "Borderlinern".

Vielleicht ist der Unterschied, dass es dann doch kontrolliert abläuft? Dein Beispiel wirkt zumindest so. Und ich liege da völlig falsch!

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reddie
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Beitrag Mi., 13.03.2024, 01:08

JA, rasende Wut kenn ich leider zu genüge (oft auf mich selbst), aber ein bisschen Kontrolle ist immer dabei. Ich rauchte dann wie ein Schlot (bewusst Sargnägel nannte ich die, 40 Stück), trank, nahm Drogen, ungesunde Beziehungen. Ich fand das sogar viel gründlicher in der Selbstzerstörung als Schn..den.

Dinge, die mir wichtig sind, wie mein Smartphone/meine Gitarren oder meine Hände, da pass ich auf, bestimmte Menschen verschonte ich ebenso. Solange keiner fragt, wie es mir geht....

Frag nicht nach dem Blutdruck. Sport kann helfen (aber nie im Akutfall mit Hanteln hantieren).

Und morgens musste doch die Fassade wieder sitzen....

Grüsslis
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sgtmax1
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Beitrag Mi., 13.03.2024, 01:25

Wie schon mal erwähnt ist das perfide an diesen nicht so nach außen offensichtlichen Symptomen, das sie sehr viel schwerer erkennbar sind und dadurch diese PS bei vielen nicht diagnostiziert wird, abgesehen davon das "stilles Borderline" keine offizielle Diagnose ist.

Ähnliches Problem die Vermutung ist, das genau so viele Männer wie Frauen unter Borderline leiden, allerdings scheint in Statistiken oft ein höherer Frauenanteil auf, da Männer mit dieser Störung ein Verhalten aufweisen, welches öfters in Straftaten endet und dadurch, diese schwerer zu erfassen sind.

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lisbeth
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Beitrag Mi., 13.03.2024, 09:23

sgtmax1 hat geschrieben: Mi., 13.03.2024, 01:25 Wie schon mal erwähnt ist das perfide an diesen nicht so nach außen offensichtlichen Symptomen, das sie sehr viel schwerer erkennbar sind
Ich glaube, das ist das Problem mit sämtlichen Psychischen Diagnosekriterien. Das sind alles Beschreibungen und oft auch Zuschreibungen und oft wird dann ja ÜBER die Patient:innen gesprochen und geschrieben und nicht MIT ihnen. Das heißt, das was im Kontakt mit der Umwelt nach außen tritt ist viel präsenter im Diagnose-Prozess als das Innenerleben. Die Fragen, die bei den Standardfragebögen aufs Innenerleben abzielen werden der Problematik meistens nicht gerecht, weil sie zu unscharf oder missverständlich formuliert sind.
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sgtmax1
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Beitrag Mi., 13.03.2024, 09:45

Ich finde ein Problem ist auch Folgendes.

Psychische Erkrankungen sind zu einem großen Teil durch Verhaltensweisen erkennbar.
Nun gibt es aber Erkrankungen bei welchen diese nicht so extrem an den Tag treten.
Man sieht den Facharzt einmal im Monat und den Therapeuten im Gegensatz, wenn man denn einen Therapieplatz gefunden hat, einmal pro Woche optimalerweise.
Die haben quasi keine Kommunikation miteinander.
Beim Facharzt bin ich eine halbe Stunde beim Therapeuten eine Stunde.
Und nur der Facharzt darf eine Diagnose stellen.

Und deswegen denk ich mir sind Diagnosen aus einer Reha oder aus einem psychiatrischen Aufenthalt so viel näher an der Wahrheit, da sich hier Therapeuten und Ärzte absprechen und der Mensch nicht eine Stunde in der Woche, sondern viel mehr beobachtet wird.

Es fehlt meiner Meinung ganz dringend an der Kommunikation zwischen Therapeuten und Facharzt, denn dann können auch nicht so offensichtliche Erkrankungen richtig erkannt werden.

Ja, es ist schwierig wegen der Verschwiegenheitspflicht, aber vielleicht bekommt man es irgendwann hin, denn ein Fachkommentar vom Therapeuten ist gut gemeint ersetzt, aber kein Gespräch.

P.s. Ich will hier jetzt nicht Fachärzte bashen. Ich denke nur diese Person sieht mich einmal im Monat und dann kommt es noch immer darauf an was ich erzähle, was mir an meinem Verhalten vielleicht SELBST AUFFÄLLT und ob ich das als erwähnenswert erachte.

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chrysokoll
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Beitrag Mi., 13.03.2024, 10:19

sgtmax1 hat geschrieben: Mi., 13.03.2024, 09:45 Und nur der Facharzt darf eine Diagnose stellen.

Ja, es ist schwierig wegen der Verschwiegenheitspflicht, aber vielleicht bekommt man es irgendwann hin, denn ein Fachkommentar vom Therapeuten ist gut gemeint ersetzt, aber kein Gespräch.
Dürfen in Österreich wirklich nur Fachärzte Diagnosen stellen?
Wie begründen denn Psychotherapeuten dann eine Therapie? Erfolgt die ohne Diagnostik? Das alles kann ich mir kaum vorstellen.
In jedem Fall ist eine fundierte Diagnostik Grundvoraussetzung. Ich würde mich da nicht auf irgendwas verlassen, was mal als Vermutung geäußert wurde, was auf Zuruf angehängt wurde und was ich mir so anlese. Bei mir passen auch je nach Stimmung eine Reihe von Diagnosen.

Die Kommunikation zwischen Psychiater und Therapeut kann man doch einfach machen, indem man für diesen Zweck die Schweigepflichtentbindung unterschreibt

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sgtmax1
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Beitrag Mi., 13.03.2024, 10:37

Soweit ich es verstanden habe.

Darf der Therapeut einen Verdacht auf eine Diagnose äußern, da er aber kein Arzt ist, darf er keine Diagnose stellen.

p.s. Ja, es gibt auch Fachärzte welche Therapeuten sind, aber das ist eher selten.

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Tröte
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Beitrag Mi., 13.03.2024, 11:45

aber diese Unterscheidung in unterschiedliche Ausprägungen von Krankheiten gibt es ja auch in anderen Bereichen, z.B. Narzissmus.... da gibt es ja auch den allseitsbekannten "größenwahnsinnigen" Narzissmus a la Trump... aber auch den verdeckten (manchmal leider auch weiblichen) Narzissmus, der viel schwieriger zu erkennen und zu diagnostizieren ist.
Daher und gerade, weil die Ausprägungen und "Spielarten" sehr unterschiedlich sein können (wann ist es krankhaft, wann ist es "nur" eine Akzentuierung", sollte meiner Meinung nach die Diagnose von einem Fachmann gestellt werden.
Aber abgesehen davon.... schlußendlich ist es doch auch "egal", was für ein Namensschild (Diagnose) man hat, wichtig ist doch, dass man Mittel und Wege und Lösungen (und Unterstützung) erhält, damit es wieder besser wird.
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chrysokoll
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Beitrag Mi., 13.03.2024, 12:06

Tröte hat geschrieben: Mi., 13.03.2024, 11:45 Aber abgesehen davon.... schlußendlich ist es doch auch "egal", was für ein Namensschild (Diagnose) man hat, wichtig ist doch, dass man Mittel und Wege und Lösungen (und Unterstützung) erhält, damit es wieder besser wird.
ich stimme dir in Bezug auf die Nuancen und Unterscheidungen absolut zu, ebenso dass die Diagnose von einem Fachmann/frau gestellt werden muss.

Aber aus meiner Sicht ist es absolut nicht egal was man für eine Diagnose hat. Das ist doch die Grundvoraussetzung für eine Behandlung. Die Behandlung sieht ja je nach Diagnose komplett anders aus.
Ich hab ja leider selbst erfahren was eine falsche Diagnose mit folgenden Falschbehandlungen gerade auch im Bereich psychische Krankheiten anrichten kann. "Egal" ist da echt gar nichts.

Es käme ja auch niemand auf die Idee zu sagen es wäre wenn man zum Hausarzt geht egal ob man eine Schnittwunde hat, eine Hautveränderung oder eine Prellung

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