Ist emotionaler Missbrauch in der Kindheit die Ursache, wenn man ständig überfordert ist?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Dantana
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 35
Beiträge: 45

Beitrag So., 24.06.2018, 16:29

Vielen Dank für die zahlreichen Antworten!
Es tut mir leid, wenn ich im Moment nur auf die beiden letzten Antworten eingehe.

@ Lilli81

Ich vermute auch, dass meine heutige Problematik überwiegend mit der Lieblosigkeit und Vernachlässigung in meiner Kindheit zusammenhängt.
Wegen der ständigen Beleidigungen und Drohungen konnte ich ja überhaupt kein Selbstvertrauen entwickeln. So stehe ich mir heute bei neuen Herausforderungen mit meinen Ängsten und dem Druck, den ich mir selbst auferlege, ständig im Weg. Ich scheitere im Endeffekt sogar in einfachen Jobs, die ich mir im Vorfeld noch zugetraut hatte.

Manchmal hatte ich den Eindruck, dass meine Mutter sich zwanghaft auf meine Kosten erhöhen wollte, indem sie mich als leistungsschwach hinstellte. Sich selbst stellte sie hingegen immer als so intelligent und tüchtig hin. Damals sei sogar ihre Lehrerin zu den Eltern nach Hause gekommen und habe auf sie eingeredet, meine Mutter möge doch das Gymnasium besuchen. Auch habe angeblich ein Rechtsanwalt, bei dem sie ein Praktikum gemacht hatte, sie gern als Auszubildende gehabt. Doch meine Großeltern setzten ihren Willen durch und meine Mutter musste mit im Geschäft ihrer Eltern arbeiten. Aber auch da sei sie von irgendwelchen Lieferanten für ihr Organisations-und Rechentalent bewundert worden.

Dabei halte ich meine Mutter nicht für besonders intelligent. Sie plappert oft nur nach, was andere denken und hat nie eine eigene Meinung. Manchmal möchte sie sich gewählt ausdrücken, aber bringt von anderen übernommene Worte in einem Zusammenhang, wo sie absolut nicht passen. An logischem Denken mangelt es ihr genauso wie mir.

Leider ist auch das eine Seite an ihr, die ich ihr nicht so recht verzeihen kann. Nie würde sie zugeben, dass sie in der Schule auch keine Leuchte war oder dass auch sie niemals einen Bürojob geschafft hätte.
Dabei müsste ich ihr eigentlich verzeihen, denn es macht ja auch deutlich, dass sie im Grunde auch wenig Selbstwertgefühl hat.

Ich glaube auch, dass man manchmal sicherlich länger suchen muss bevor man den für sich passenden Therapeuten gefunden hat. Ich habe vielleicht zu schnell aufgegeben, weil es zweimal nicht geklappt hat.
Ein Bekannter hat mir mal zu einer tiefenpsychologischen Therapie geraten. Da könnte man evtl. besser bei mir ansetzen als bei der Verhaltenstherapie, die ich damals angefangen habe.

@ Jenny Doe

Meine Geburtsakte würde mich sehr interessieren. Ich habe auch schon mal daran gedacht, mich an das Krankenhaus zu wenden. Dann habe ich es wieder verworfen, da nach fast 40 Jahren bestimmt keine Akte mehr existiert.
Dabei ist das Problem mit dem Sauerstoffmangel bei meiner Geburt möglicherweise nicht ganz von der Hand zu weisen.
Leider gibt es keine Verwandten, die ich zu meiner Geburt befragen könnte. Meine Großeltern sind alle verstorben und meine Eltern haben beide keine Geschwister.

Ich habe mal über die cerebrale minimale Dysfunktion gelesen, die bei Schädigungen während der Schwangerschaft oder Geburtskomplikationen auftreten kann. Heute ist der Begriff MCD wohl nicht mehr geläufig und man spricht von AD(H)S. Viele der Symptome treffen auf mich zu. Leider gibt es nur sehr wenige Ärzte, die sich auf die Diagnostik von AD(H)S im Erwachsenenalter spezialisiert haben.

Hierzu fand ich auch interessant, von dir zu lesen, dass für deine Problematik eine organische bzw. genetische Erkrankung verantwortlich ist und nicht der emotionale Missbrauch in der Kindheit.

Wie ist es bei dir zu der Diagnose gekommen?
Hat dir ein Arzt geraten, dich auf eine bestimmte Erkrankung untersuchen zu lassen oder war es eine Zufallsdiagnose?

Ganz ehrlich, wenn ich wüsste, dass eine organische Erkrankung mit verantwortlich ist für meine ständige Überforderung und mein berufliches Scheitern, könnte ich besser mit den Schwierigkeiten umgehen. Ich könnte meiner Mutter dann eher verzeihen, wie sie mit mir umgegangen ist.

Werbung

Benutzeravatar

spirit-cologne
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 1435

Beitrag So., 24.06.2018, 16:44

Lilli81 hat geschrieben: So., 24.06.2018, 14:24 Ich habe auch 2 Therapien hinter mir. Geholfen haben sie mir schon, aber ich kann jetzt erst bei der dritten Therapie sagen, dass sie mir wirklich weiterhilft, denn es geht um emotionale Dinge. Nicht jede Therapie ist hilfreich, nicht jeder Therapeut ist gut.
Ich bin auch der Ansicht, dass nicht jede Therapie gleich hilfreich ist, allerdings glaube ich auch, dass eine Therapie, wenn man sie denn voll durchgezogen hat und "o.k," fand, also keine wirklich schlechten Erfahrungen gemacht hat, auch schon ihren Sinn hatte (sonst hätte man ja abgebrochen).

Ich glaube, dass man oft aus den Augen verliert, dass man sich ja auch selbst verändert und weiterentwickelt und deshalb spätere Therapien oft schon allein deshalb "wirksamer" sind, weil man schon einiges an Vorarbeit geleistet hat und jetzt eher in der Lage ist, das was einem in der Therapie angeboten wird, auch anzunehmen. Der erste Therapeut "sät" sozusagen die neuen Gedankenmuster, zwischen den Therapien kann die Saat dann in dir wachsen und der nachfolgende Therapeut "erntet" dann sozusagen die "Erkenntnisse". D.h. u.U. hätte deine dritte Therapie nicht den gleichen Erfolg, wenn du nicht in den ersten 2 Therapien die Grundlagen dafür gelegt hättest. Muss nicht so sein, liegt aber nahe.

Ich erwähne das nur, weil ich mich daran erinnere, dass es meine erste Therapeutin am Anfang auch extrem schwer mit mir hatte, ich steckte in einer wirklich schwierigen Lebenssituation und traute mich einfach nicht den Absprung zu wagen, weil ich dachte, es gebe keine Alternative. Wir haben und oft im Kreis gedreht und sie hat das Ganze geduldig mit mir getragen. Ich habe vieles zu dieser Zeit noch gar nicht an mich ran lassen können, weil ich noch sehr in der Abwehr war und sie hat dann auch viel "psychoedukativ" erstmal erklärt, wenn sie das gemerkt hat. An meinen Symptomen hat sich erst Jahre später etwas wesentlich verbessert, aber ich weiß sehr genau, dass ich ohne sie die Weichen niemals hätte in die richtige Richtung stellen können und heute nicht da wäre, wo ich bin. Ich glaube daher, dass die Aufgabe, als erste Therapeutin mit einem Menschen zu arbeiten, (sofern es sich nicht um leicht aufzulösende Probleme handelt, wie z.B. eine spezifische Phobie) häufig "undankbar" ist und die Leistung dieser Therapeuten oft unterschätzt wird.

Genauso wird oft die Zeit unterschätzt, die es braucht, sich aus dysfunktionalen Mustern zu lösen und die Tatsache, dass es "nicht schnell genug geht" der (mangelnden) Fähigkeit des Therapeuten zugerechnet wird, aber jeder braucht in der Therapie seine Zeit: "das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht"(chinesisches Sprichwort). Meine erste Therapeutin sagte mir, so lange, wie die Störung bestehe, so lange werde es wahrscheinlich auch dauern, bis sie wieder weitgehend verschwunden sei. Damals hat mich das sehr wütend gemacht und es war außerhalb meiner Vorstellungskraft, dass man das so lange aushalten könne, aber heute rückwirkend betrachtet muss ich sagen: Sie hatte Recht..."
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

Benutzeravatar

ENA
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 46
Beiträge: 9840

Beitrag So., 24.06.2018, 17:59

Dantana hat geschrieben: So., 24.06.2018, 16:29 Ein Bekannter hat mir mal zu einer tiefenpsychologischen Therapie geraten. Da könnte man evtl. besser bei mir ansetzen als bei der Verhaltenstherapie, die ich damals angefangen habe.
Das kann ich mir auch gut vorstellen. Vielleicht eine Therapie, die zwar auch Interesse am Verstehen-wollen hat, aber eben auch guckt, wie es heute besser, anders werden kann. Denn selbst wenn die Mutter "alles Schuld" wäre, von früher, braucht es ja dennoch irgendwas um aus dem, was heute ist, für einen selbst, das möglichst Beste zu machen.

Benutzeravatar

Sintje
Helferlein
Helferlein
anderes/other, 27
Beiträge: 149

Beitrag So., 24.06.2018, 18:12

Wenn wir schon beim Thema Geburt sind: Ein Kaiserschnitt kann einem Kind ebenfalls genau das vermitteln: Du bist unfähig, du bist zu langsam, du kriegst es nicht hin, du hast nichts zu entscheiden. Sicher kann diese Erfahrung auch wieder ausgeglichen werden. Ein Kind, was nach einer gewaltsamen Entbindung liebevoll gebunden wird, wird wohl weniger Folgen haben. Aber für als brüchiges Fundament für weitere Einschnitte ist sowas ganz prima geeignet. Da braucht nichtmal ein Sauerstoffmangel dazusein.
Oha, ich duck mich schon mal vor den Grundsatzdiskussionen :versteck: .

Werbung

Benutzeravatar

ENA
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 46
Beiträge: 9840

Beitrag So., 24.06.2018, 18:14

Jow. Dann können wir auch darüber reden, wie es wohl um die Bindung steht, wenn ein Kind bereits mit einem halben Jahr in eine Kita abgegeben wird. Soll ja schon Eltern gegeben haben, die geklagt haben, weil sie für ihr unter 1 Jahr altes Kind, keinen U3-Platz bekommen haben.
....aber lassen wir das jetzt mal. ;-)

Benutzeravatar

Krümmelmonster
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 47
Beiträge: 569

Beitrag So., 24.06.2018, 18:21

Hallo Dantana,
dein Bekannter hat dir einen Guten Tipp gegeben, dass würde ich dir auch empfehlen und ausprobieren.
Du darfst auch auf deine Mutter wütend sein, weil sie hat auch Fehler gemacht, die waren auch nicht in Ordnung.




.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Dantana
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 35
Beiträge: 45

Beitrag So., 24.06.2018, 18:22

Sintje hat geschrieben: So., 24.06.2018, 18:12 Wenn wir schon beim Thema Geburt sind: Ein Kaiserschnitt kann einem Kind ebenfalls genau das vermitteln: Du bist unfähig, du bist zu langsam, du kriegst es nicht hin, du hast nichts zu entscheiden. Sicher kann diese Erfahrung auch wieder ausgeglichen werden. Ein Kind, was nach einer gewaltsamen Entbindung liebevoll gebunden wird, wird wohl weniger Folgen haben. Aber für als brüchiges Fundament für weitere Einschnitte ist sowas ganz prima geeignet. Da braucht nichtmal ein Sauerstoffmangel dazusein.
Oha, ich duck mich schon mal vor den Grundsatzdiskussionen :versteck: .
Deine Überlegung kann ich verstehen.
Nur: ist es bewiesen, dass sich ein Kaiserschnitt schädigend auf die weitere Entwicklung eines Kindes auswirken kann?
Denn es ist ja so, dass heutzutage viele Frauen einen Kaiserschnitt wünschen, obwohl medizinisch gar keine Notwendigkeit besteht.


Jenny Doe
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 56
Beiträge: 5037

Beitrag So., 24.06.2018, 18:23

Hallo Dantana
Wie ist es bei dir zu der Diagnose gekommen?
Hat dir ein Arzt geraten, dich auf eine bestimmte Erkrankung untersuchen zu lassen oder war es eine Zufallsdiagnose?
Ich habe viele Jahre wiederholt Psychotherapie gemacht. Da diese keine Besserung der Symptomatik bewirkte, ließ ich nicht locker, bis die richtige Ursache, und damit auch Diagnose, gefunden wurde und die richtige Behandlung eingeleitet werden konnte. Es reicht nicht nur subjektiv von einer angenommenen Ursache überzeugt zu sein. Die angenommene Ursache muss auch objektiv stimmen, damit die richtige Behandlung erfolgen kann. Wenn die Ursachenzuschreibung falsch ist, dann ist auch die Diagnose falsch und es kann logischerweise auch nicht die Behandlung erfolgen. Mein Weg zur Findung der richtigen Ursache ist ein sehr langer, mit vielen Kontroversen mit meinen Psychotherapeuten, die fest von ihrer Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung überzeugt waren, die glaubten die Ursache in meiner Kindheit gefunden zu haben und mir mangelnde Krankheitseinsicht vorwarfen, weil ich weiter nach der richtigen Ursache suchte. Für mich war klar: da es mir trotz aller Psychotherapie nicht besser geht, kann etwas mit der angenommenen Ursache, mit der Diagnose und mit der Behandlung nicht stimmen. Ich sollte Recht behalten, es stellte sich heraus, dass ich eine neurologische Erkankung habe, die die Smptome bewirkt.
Ganz ehrlich, wenn ich wüsste, dass eine organische Erkrankung mit verantwortlich ist für meine ständige Überforderung und mein berufliches Scheitern, könnte ich besser mit den Schwierigkeiten umgehen. Ich könnte meiner Mutter dann eher verzeihen, wie sie mit mir umgegangen ist.
Das ist ein weiterer Grund dafür, warum man sich nicht einfach mit der erstbesten Erklärung zufriedengeben sollte. Wenn Du Deine Mutter für Deine Symptome verantwortlich machst, dann sind Deine Gefühle ihr gegenüber logischerweise anderer Art als wenn sich herausstellten sollte, dass Deine Kindheit zwar nicht schön war, sie aber nicht die Ursache für Deine Probleme ist. Von der Suche nach der richtigen Ursache hängt sehr viel ab. Wenn sich herausstellen sollte, dass Deine Kindheit nicht ursächlich ist, dann könntest Du mit Deiner Kindheit abschließen. Wenn sie jedoch ursächlich ist, dann sieht es anders aus. Dann beeinflusst sie noch heute Dein Leben und müsste anders behandelt werden als wenn sie keine Folgeschäden hinterlassen hat.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Dantana
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 35
Beiträge: 45

Beitrag So., 24.06.2018, 18:25

Krümmelmonster hat geschrieben: So., 24.06.2018, 18:21 Hallo Dantana,
dein Bekannter hat dir einen Guten Tipp gegeben, dass würde ich dir auch empfehlen und ausprobieren.
Du darfst auch auf deine Mutter wütend sein, weil sie hat auch Fehler gemacht, die waren auch nicht in Ordnung.




.
Danke, dann wäre das wohl ein sinnvoller Schritt.

Ja, ich bin beides, wütend und traurig. Manchmal empfinde ich es so, dass meine Mutter nur Fehler und nichts wirklich richtig gemacht hat.
Sicher, sie hatte auch eine schwierige Kindheit, aber ihr Verhalten war auch extrem egoistisch.

Benutzeravatar

Krümmelmonster
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 47
Beiträge: 569

Beitrag So., 24.06.2018, 18:34

Sicher, sie hatte auch eine schwierige Kindheit, aber ihr Verhalten war auch extrem egoistisch.
wow das du das schreiben kannst, könntest du dies auch äußern bei deiner Thera, wenn du eine Therapie machst?

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Dantana
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 35
Beiträge: 45

Beitrag So., 24.06.2018, 18:52

@ Jenny Doe

Leider gibt es viele Ärzte, die manches einfach vorschnell auf die Psyche schieben. Ich glaube, man merkt selbst am besten, ob das wirklich alles ist oder ob noch andere Ursachen infrage kommen.
Es muss für dich eine Erleichterung gewesen sein, als du festgestellt hast, dass du mit deinem Empfinden richtig gelegen und endlich eine Diagnose bekommen hast.

Mittlerweile vermute ich, dass bei mir verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Einen großen Anteil hat wahrscheinlich der emotionale Missbrauch in der Kindheit, einen kleineren Anteil evtl. eine Erkrankung wie AD(H)S oder wie bei dir eine neurologische Erkrankung.
Da du von einer neurologischen Erkrankung bei dir geschrieben hast, wollte ich noch schreiben, dass ich daraufhin auch schon mal untersucht worden bin. Mein Hausarzt hat mich zu einem Neurologen überwiesen wegen des Verdachts auf Epilepsie. Die Untersuchungen waren aber alle unauffällig. Der Neurologe wollte mich daraufhin auf eine Panikstörung hin behandeln. Ich bin aber nicht mehr hingegangen, weil ich schon Antidepressiva nehme.

Für mich wäre es definitiv einfacher, wenn ich wüsste, dass meine heutigen Probleme nicht nur aufgrund der ganzen Erziehungsfehler meine Mutter entstanden sind. Ich könnte dann viel besser loslassen und würde mich nicht ständig darin verbeißen, was sie mir alles angetan hat. Auch wenn ein Ex-Freund von mir mal meinte, dass es kein Wunder sei, dass ich heute so bin, wie ich nun mal bin. Dass meine Eltern aus mir einen seelischen Krüppel gemacht haben.
Ich wehre mich allerdings dagegen, seine Sichtweise zu übernehmen, weil ich sonst meinen Eltern gar nicht mehr begegnen könnte.

Benutzeravatar

spirit-cologne
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 1435

Beitrag So., 24.06.2018, 19:00

Jenny Doe hat geschrieben: So., 24.06.2018, 18:23 Das ist ein weiterer Grund dafür, warum man sich nicht einfach mit der erstbesten Erklärung zufriedengeben sollte. Wenn Du Deine Mutter für Deine Symptome verantwortlich machst, dann sind Deine Gefühle ihr gegenüber logischerweise anderer Art als wenn sich herausstellten sollte, dass Deine Kindheit zwar nicht schön war, sie aber nicht die Ursache für Deine Probleme ist. Von der Suche nach der richtigen Ursache hängt sehr viel ab. Wenn sich herausstellen sollte, dass Deine Kindheit nicht ursächlich ist, dann könntest Du mit Deiner Kindheit abschließen. Wenn sie jedoch ursächlich ist, dann sieht es anders aus. Dann beeinflusst sie noch heute Dein Leben und müsste anders behandelt werden als wenn sie keine Folgeschäden hinterlassen hat.
Das sehe ich anders... Emotionale Misshandlung oder Deprivation hinterläßt immer Spuren. Sicherlich gibt es auch noch andere Faktoren, die auch für sich genommen zu einer Symptomatik führen können, aber in jedem Fall wird die Symptomatik durch so tief eingebrannte negative Erfahrungen beeinflusst, sprich verschlimmert. Auch wenn ich leider zusätzlich eine schlimme somatische Erkrankung habe, so bleibt die Erfahrung, dass meine Mutter mir keine Liebe zeigen konnte, doch immer auch für sich alleine ein echtes "Brett", das die Psyche erst mal verarbeiten muss. Eine Misshandlung ist ja nicht weniger schlimm oder verletztend, weil es auch noch andere Faktoren gibt, die mein Leben zusätzlich negativ beeinflussen.

Deshalb bezweifle ich, dass man, wenn man von dem Verhalten der Eltern tief verletzt ist, mit der eigenen Geschichte einfach "abschließen" kann, nur weil man weiß, dass die derzeitigen Symptome nicht darauf zurückgehen. Verletzt ist man ja trotzdem. Ich glaube auch nicht, dass man alles, was einem geschehen ist, "verzeihen" muss, um gesund zu werden. Es gibt Dinge, die muss man nicht verzeihen. Welche Dinge das sind, muss jeder für sich selbst entscheiden. Das Einzige, was man tun muss, damit es einem besser gehen kann, ist loslassen, d.h. akzeptieren, dass es nicht mehr änderbar ist, dass man selbst keine "Schuld" daran trägt (Kinder können niemals Schuld daran sein, wenn sie schlecht behandelt werden) und dass man selbst die Entscheidung trifft, ob man den "Dämonen" der Vergangenheit heute noch Macht über das eigene Leben einräumen will. Erst, wenn man gelernt hat loszulassen, kann man wirklich mit der eigenen Vergangenheit abschließen und seinen Frieden damit machen. Damit man loslassen kann, ist es aber meist notwendig, dass man als Erwachsener noch einmal durch alle Gefühle des Kindes durchgeht, sie durchlebt, sie verarbeitet und sie für das Kind ausdrücken kann und darf, was dem Kind ja nicht erlaubt war. Und ich bin nach wie vor der festen Überzeugung: Kein echtes Loslassen passiert ohne vorherige Trauerphase. Wie lange die dauert ist sicherlich höchst individuell, aber sie ist keinesfalls "unnötig".
It is better to have tried in vain, than never tried at all...


Jenny Doe
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 56
Beiträge: 5037

Beitrag So., 24.06.2018, 19:15

Hallo Dantana
Einen großen Anteil hat wahrscheinlich der emotionale Missbrauch in der Kindheit, einen kleineren Anteil evtl. eine Erkrankung wie AD(H)S oder wie bei dir eine neurologische Erkrankung.
Du solltest das ärztlich abklären lassen, denke ich. Bei dir stehen so viele mögliche Erklärungen im Raum, wie Sauerstoffmangel bei der Geburt, Epilepsie, AD(H)S, eine neurologische Erkrankung und der emotionale Missbrauch in der Kindheit.

@ spirit-cologne
Emotionale Misshandlung oder Deprivation hinterläßt immer Spuren.
Das mag bei Dir so sein. Es gibt aber auch Menschen (Nochmal: Stichwort "Resileinz") bei denen es anders verläuft. Dantana sagt doch selber, dass die Ursachenzuschreibung einen Einfluss auf ihren Umgang mit ihrer Vergangenheit hat. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Nicht nur das was man erlebt hat beeinflusst einen. Auch der Umgang mit dem Erlebten im Erwachsenenalter hat einen Einfluss darauf wie es einem mit dem Erlebten in der Kindheit geht.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

Benutzeravatar

Lilli81
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 36
Beiträge: 86

Beitrag So., 24.06.2018, 19:33

spirit-cologne hat geschrieben: So., 24.06.2018, 16:44
Lilli81 hat geschrieben: So., 24.06.2018, 14:24 Ich habe auch 2 Therapien hinter mir. Geholfen haben sie mir schon, aber ich kann jetzt erst bei der dritten Therapie sagen, dass sie mir wirklich weiterhilft, denn es geht um emotionale Dinge. Nicht jede Therapie ist hilfreich, nicht jeder Therapeut ist gut.
Ich bin auch der Ansicht, dass nicht jede Therapie gleich hilfreich ist, allerdings glaube ich auch, dass eine Therapie, wenn man sie denn voll durchgezogen hat und "o.k," fand, also keine wirklich schlechten Erfahrungen gemacht hat, auch schon ihren Sinn hatte (sonst hätte man ja abgebrochen).

Ich glaube, dass man oft aus den Augen verliert, dass man sich ja auch selbst verändert und weiterentwickelt und deshalb spätere Therapien oft schon allein deshalb "wirksamer" sind, weil man schon einiges an Vorarbeit geleistet hat und jetzt eher in der Lage ist, das was einem in der Therapie angeboten wird, auch anzunehmen. Der erste Therapeut "sät" sozusagen die neuen Gedankenmuster, zwischen den Therapien kann die Saat dann in dir wachsen und der nachfolgende Therapeut "erntet" dann sozusagen die "Erkenntnisse". D.h. u.U. hätte deine dritte Therapie nicht den gleichen Erfolg, wenn du nicht in den ersten 2 Therapien die Grundlagen dafür gelegt hättest. Muss nicht so sein, liegt aber nahe.
Ich habe ja nicht gesagt, dass mir die ersten beiden Therapien nicht geholfen haben. Meine Ängste konnten sie zum Großteil lösen und ich habe dadurch an Lebensqualität gewonnen. Jedoch ist das ursächliche Problem dadurch nicht gelöst worden und das haben sich beide Therapeuten überhaupt nicht angesehen. Was mich gewundert hatte war, dass beide sich kaum für meine Vergangenheit interessiert haben. Ich habe es beiden einmal erzählt und dann wurde nur noch in der Gegenwart geschaut wegen den Ängsten. Gut es war eine Verhaltenstherapie, aber genau das wurde ich mir von diversen Psychiatern auch immer empfohlen. Nun mache ich aber eine Verhaltenstherapie mit Schematherapie. Hier geht es auch in die Vergangenheit und hier wurde erst bewusst, welche Dinge aus der Vergangenheit mich in der Gegenwart noch triggern. Das ist wichtig zu wissen, damit ich überhaupt meine Verhaltensmuster ändern kann. Ich denke dies hätte auch dem ersten Therapeuten auffallen müssen. Durch solche festen Blockaden kann man zB gestresster sein, obwohl real gesehen kein Stress da ist.

@Datana:
Ich denke, dass es gut ist, wenn ein Psychiater dir sagt, welche Therapieform für deine Geschichte am besten geeignet ist. Nicht jeder, der eine gleiche Diagnose hat, braucht die gleiche Therapieform. Es kommt immer auf die Lebensgeschichte an.

Es kann gut sein, dass sie dich schwächen wollte. Vielleicht hatte sie ihre Möglichkeiten nicht nutzen können und hat es dir damit auch nicht gegönnt. Allerdings würde ich versuchen mich vom Wutgefühl zu lösen. Wut ist ein starkes negatives Gefühl und es wird eine Probleme nicht lösen. Wie du selbst siehst, bist du nun erwachsen und für dich selbst verantwortlich. Man könnte sie für die Vergangenheit verantwortlich machen, aber für die Gegenwart und Zukunft bist du verantwortlich.

Ich denke nicht, dass du damals einen Sauerstoffmangel hattest und ich denke, dass du froh darüber sein kannst, denn dann könntest du nichts dagegen machen. Schau mal im Internet über Trauma (es müssen auch keine schwerwiegenden Dinge vorgefallen sein, um ein Trauma zu haben), Schematherapie, Gestalttherapie oder so. Schau mal in wieweit du damit was anfangen kannst. Dort geht es sehr viel um Emotionen, Bindungen usw. Vielleicht kannst du sowas bei deiner nächsten Therapie dann mit berücksichtigen, wenn der Psychiater das für sinnvoll hält. Ich denke, dass man je nach Erziehung und Vergangenheit so starke Blockaden in sich hat, die man so nicht merkt. Ich habe bei mir soviele Gefühle derart unterdrückt. Ich wusste nicht mal, dass das geht.

Benutzeravatar

spirit-cologne
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 1435

Beitrag So., 24.06.2018, 19:40

Jenny Doe hat geschrieben: So., 24.06.2018, 19:15 Dantana sagt doch selber, dass die Ursachenzuschreibung einen Einfluss auf ihren Umgang mit ihrer Vergangenheit hat.
Das denkt sie jetzt, dass es etwas ändern könnte, aber wir wissen ja alle nicht, ob es tatsächlich so wäre, wenn Ihre Symptome zumindest teilweise eine andere Ursache hätte. Nicht, dass ich ihr das wünschen würde, aber ich habe schon oft erlebt, dass das auch eine Strategie sein kann, um sich nicht mit der Realität auseinandersetzen zu müssen. (z.B. bei Essgestörten: Wenn ich erst so dünn wäre, wie ich gerne sein würde, dann ginge es mir besser und ich hätte keine Probleme." Das denken die selbst auch, ist aber nicht so und im besten Fall merken sie es irgenwann...Genauso kann es ja auch von der TE eine Hoffnung sein, die dazu dient, sie von der scheinbaren Ausweglosigkeit der jetzigen Situation abzulenken)
Jenny Doe hat geschrieben: So., 24.06.2018, 19:15
Nicht nur das was man erlebt hat beeinflusst einen. Auch der Umgang mit dem Erlebten im Erwachsenenalter hat einen Einfluss darauf wie es einem mit dem Erlebten in der Kindheit geht.
Das habe ich nie bestritten, aber die Fähigkeit, als Erwachsener konstruktiv mit den Erlebnissen umgehen zu können kommt ja auch nicht aus dem Nichts, auch die wird großenteils erlernt...Ich glaube, jemandem, der mit der Verarbeitung seiner Vergangenheit noch nicht durch ist, zu sagen: "Denk' einfach nicht mehr dran, schließ damit ab!" ist in etwa genauso hilfreich, als wenn ich einem Alkoholiker mit Suchtdruck sage: "Denk' doch einfach nicht an den Alkohol, sondern beschäftige dich mit was anderem!" Beides ist zwar im Prinzip nicht verkehrt, aber eben nicht so einfach eine Frage der bewussten "Entscheidung", da redet das Unbewusste halt immer noch ein Wörtchen mit.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag