Bin ich falsch?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.

Sunna
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 13:02

Ich beziehe das "bin ich falsch" nicht auf die Verhaltens- sondern auf die Gefühlsebene. Für mich steht gar nicht im Vordergrund, was passiert ist, sondern wie sich das, was passiert ist, auf emotionaler Ebene auswirkt. Die Situation ist passiert, wie sie passiert ist. Sie durchzuanalysieren ist durchaus spannend und auch hilfreich. Jedoch ist das aus der Situation resultierende Gefühl nicht "Ich habe etwas falsch gemacht", sondern "Ich bin falsch". Nur ein schlechtes Gefühl welcher Art auch immer zu haben, weil eine Situation ungünstig verlaufen ist, ist eine Sache. Aber sich gleich ganz "falsch zu fühlen", interpretiere ich auf einer nochmals gesteigerten, unschönen, Ebene. Für mich drückt sich darin ein Gefühl des "aus der Welt ausgeschlossen Seins" aus, das sich auf die Existenzebene ausbreitet und damit zu sehr am eigenen Selbst nagt. Das Gefühl ist der Situation nicht angemessen und resultiert womöglich aus anderen Erfahrungen. Es taucht hier, völlig Fehl am Platz, wieder auf und überlagert die Gefühle, die es eigentlich zu haben gilt. Ohne den Zusammenhang zwischen beiden Situationen zu kennen, nützt alles Interpretieren der Gegenwart nichts. Es wird an dem Gefühl, falsch zu sein, nichts ändern.
Ich nehme es gewissermaßen so wahr, dass sich zwei Decken über die Situation gelegt haben. Eine, die jeder kennt, und eine, die individuell ist, weil sie sich (behaupte ich mal spekulierend) aus sehr besonderen Lebenserfahrungen hinzugesellt. Um an die Situation besser heranzukommen, muss man sich um beide Decken kümmern.

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Kaonashi
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 16:35

Die beiden Ebenen kann man verbinden, wenn man es schafft, sich zu erinnern, wann man das Gefühl zum ersten Mal hatte, da die Erfahrungen in der frühen Kindheit am prägendsten sind.
Man müsste also zuerst schauen, was fühle ich aktuell gerade (z.B. "ich bin falsch") und dann überlegen, wann dieses Gefühl das erste Mal im Leben aufgetreten ist. Wenn man viel Glück hat, erinnert man sich an ein konkretes Ereignis. Dann kann man schauen, was damals das Gefühl ausgelöst hat, was genau damals passiert ist, und danach, ob das Gefühl heute noch angemessen ist, oder ob man heute vielleicht andere Einsichten in die Situation damals hat.

Das ist entnommen aus einem älteren Buch über Transaktionsanalyse von Thomas A. Harris "Einmal ok., immer ok."
Vielleicht kennst du das auch schon.

Schwierig finde ich es aber, wenn man sich nicht an ein konkretes Ereignis erinnern kann. Dann bleibt nur Spekulation. Vielleicht kann man sich überlegen, welches Verhalten der Eltern (typische Eigenschaften dieser) das Gefühl eventuell ausgelöst haben könnte. In der Regel sind es ja doch die Eltern, die in der frühen Kindheit den meisten Einfluss haben.

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Möbius
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 16:54

@ Lockenkopf

Einen psychoanalytischen Vollpfosten habe ich vor meinem "Überpsycho" auch schon goutieren dürfen - das war kein soo schreckliches Erlebnis für mich gewesen, weil ich ihn selbst und seine therapeutischen "Klöpse" mithilfe meiner damaligen Hautärztin - auch so ne Hobbyanalytikerin wie ich, allerdings eher auf dem C.G.Jung-Trip - recht zeitnah analysieren konnte: der Typ war pleite und litt an irgendeiner Störung der Sexualfunktion, höchstwahrscheinlich Potenz- oder Errektionsprobleme.

Shit happens !

Aus einer schräg gelaufenen Therapie ist der Schluß auf die Kontraindikation der theoretischen Ausrichtung dieser Therapie zwar möglich, aber keineswegs zwingend. Es kann ebensogut an der Vollpfostigkeit des konkreten Therapeuten liegen und beides kann natürlich auch zusammenkommen.

Ich weise regelmässig darauf hin: Psychoanalyse ist "hardcore" - das Wiedererleben eines verdrängten Traumas ist selbst ein neues Trauma. Mein letztes Wiedererleben - der inzwischen dritte und wahrscheinlich nicht der letzte Mißbrauchsfall - hat mich auch dissoziieren lassen. Ich hab die Affekte zwar wieder selbst integriert bekommen, aber das hat mich umgehauen bis zum leichten physiologischen Schock. Gottseidank war ich zuhause, und konnte mich einfach ins Bett fallen lassen ... eine halbe Stunde später wäre ich auf dem Fahrrad im Großstadtverkehr gewesen ... *toi-toi-toi*

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Tristezza
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:15

sensitive hat geschrieben: Es ist die Frage nach den Emotionen. Warum sind sie so intensiv. Kommen Menschen vielleicht mit dieser Anlage auf die Welt? Gibt es das?
Ja, es gibt "hochsensible Persönlichkeiten" (HSP) - wohl genetisch bedingt, was aber durch biographische Faktoren noch verstärkt werden kann. Diese nehmen sich vieles mehr zu Herzen als andere Menschen, sind daher harmoniebedürftig, gehen z.B. Streit möglichst aus dem Weg, weil sie dieser zu sehr belastet.

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Nico
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:25

Soweit ich weiß gibt es noch keinen wissenschaftlich anerkannten Erklärungsansatz für HSP.
Woher hast du denn dein " wohl genetisch bedingt und durch biographische Faktoren verstärkt" ?
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Tristezza
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:29

Das kann man in einschlägigen Büchern nachlesen. Dass es durch die Biographie verstärkt wird, liegt auf der Hand. Wenn man zusätzlich zu der Anlage noch Eltern hat, bei denen man ständig auf der Hut sein muss, verstärkt sich das natürlich noch.

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Nico
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:31

Einschlägige Bücher die du hier vielleicht auch nennen kannst ?
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Tristezza
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:35

Z.B. Georg Parlow, "Zart besaitet". Ich dachte, du hast andere Probleme, Nico. (bzw. gar keine ...)

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Tristezza
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:37

HSP haben übrigens laut Parlow oft das Gefühl, "nicht in Ordnung zu sein". Passend zum Thread-Titel.


mio
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:39

Ich habe Hochsensibilität bisher eher als "übersteigerte Wahrnehmung" verstanden, weniger als emotionale Empfindlichkeit/Verletzlichkeit. Also als etwas, was sich in erster Linie darüber äußert, dass Außenreize stärker und ungefilterter wahrgenommen werden.

Was natürlich nicht bedeutet, dass der eine Mensch nicht emotionaler sein kann als ein anderer. Aber das dürfte nichts mit Hochsensibilität zu tun haben für meine Begriffe, sondern mit ganz normalen Unterschieden. Der eine ist halt emotionaler, der andere weniger.

Bei der Situation die Du schilderst musste ich ein wenig an mich denken, sensitiv, da ich eine Zeit lang auch extrem auf sowas reagiert habe.

Kann es sein, dass es Dich verunsichert, wenn Du eine Situation nicht verstehst? Dass Du dann "Ordnung schaffen" musst für Dich? Und es Dich deshalb so lange beschäftigt?

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Seelenträne
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:40

Die bücher von denen hier die rede ist würden mich auch mal interessiern.

An den ts..ich hatte das früher auch dass mich situationen, in denen ich ungerechtfertigter weise kritisiert worden bin, tagelang noch beschäftigt haben. Im laufe der zeit bin ich aber wesentlich selbstsicherer geworden und sogar schlagfertig (worauf ich stolz bin), sodass ich das sofort anspreche wenn mich eine situation stört. Und irgendwie habe ich auch eine is-mir-egal haltung angenommen und die komische situation berührt mich nicht mehr so wie früher.
Ich versteh das daher sehr gut wenn man in solchen aber auch mal befangen ist und dann grübelt wie man hätte besser reagieren können obwohl du alles korrekt gemacht hast
Zuletzt geändert von Seelenträne am Mi., 28.12.2016, 17:44, insgesamt 1-mal geändert.

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Tristezza
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:42

mio hat geschrieben:Ich habe Hochsensibilität bisher eher als "übersteigerte Wahrnehmung" verstanden, weniger als emotionale Empfindlichkeit/Verletzlichkeit. Also als etwas, was sich in erster Linie darüber äußert, dass Außenreize stärker und ungefilterter wahrgenommen werden.
HSP beinhaltet beides, in unterschiedlichen Ausprägungen.

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Nico
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:48

Aha Georg Parlow, laut Selbstdefinition ein " vielseitiger hochsensibler Mann".
Aber anscheinend kein Wissenschafter.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Nico
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 17:59

Außerdem ist die TE mit dem Mann ja eher unsensibel umgegangen
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Tristezza
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Beitrag Mi., 28.12.2016, 18:03

Ich würde eher sagen "ungeschickt". Vielleicht, weil sie im sozialen Umgang nicht so geübt ist. Kenne ich von mir. Gehe gerne Menschen aus dem Weg (früher noch viel mehr), um potenzielle Verletzungen zu vermeiden, was dann aber aufgrund der mangelnden "Übung" gerade zu Verletzungen führen kann.

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