Gibt es Depressive, die krank sein wollen?

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Kaonashi
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Beitrag So., 22.01.2017, 12:08

inlines hat geschrieben:Die meisten Menschen haben ihre Zipperlein, wobei einige aus jedem Pubs ein Riesentheater machen, während andere das realistischer Einordnen.
Das stimmt schon, da gibt es Unterschiede. Aber der Schritt dahin, zum Psychiater zu gehen oder Therapie zu machen und sich als ernsthaft psychisch krank zu bezeichnen, ist doch ziemlich groß und auch mit einem Stigma verbunden. Deshalb denke ich, dass man das nicht ohne triftigen Grund macht, und dass sich die reine "Jammerei" von manchen eher außerhalb der Psychiatrie abspielt. Also das sind z.B. Leute, die viel jammern, auch mal zum Allgemeinarzt gehen und dort jammern, aber zum Psychiater gehen die eher nicht.

Und es ist natürlich auch so, dass man nicht in die Leute reinschauen kann. Jemand der relativ gesund wirkt, kann trotzdem viel in sich begraben haben, was ihn nun belastet.

Was meiner Meinung nach gar nicht geht, ist anderen vorzuhalten, sie würden den Arsch nicht hochkriegen (ganz allgemein, nicht du speziell). Weil ich denke, dass der Zeitpunkt und die Art, wie man den Arsch hochkriegt, individuell ist und nicht von außen eingeschätzt oder bestimmt werden kann. Entweder man kann es oder man kann es vielleicht erst später oder gar nicht.

Schmarotzertum gibt es natürlich trotzdem. Ich würde mal die Leute, die wirklich bewusst simulieren, um z.B. in Rente zu kommen, von diesem Thema ausnehmen, weil die haben ja eigentlich keinen sekundären Krankheitsgewinn, weil sie gar keine Krankheit haben. Die schauspielern einfach nur.

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Sunna
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Beitrag So., 22.01.2017, 12:19

inlines hat geschrieben:
Ich glaube, es gibt viele Leute, die augenscheinlich ziemlich gesund sind, sich aber, weil sie den ar*** nicht hochkriegen, mit Gewalt und Hysterie an ihren Kranken (Opfer)-Status klammern.
Diese Behauptung finde ich gefährlich. Meiner Meinung nach haben auch die Menschen, die so erscheinen, ihre Gründe dafür. Sicherlich habe ich dieses Vorurteil auch schnell anderen Menschen gegenüber, aber bisher bin ich bei noch keinem, mit dem ich mich länger beschäftigt habe, bei dieser Überzeugung geblieben.

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inlines
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Beitrag So., 22.01.2017, 12:20

Das stimmt schon, da gibt es Unterschiede. Aber der Schritt dahin, zum Psychiater zu gehen oder Therapie zu machen und sich als ernsthaft psychisch krank zu bezeichnen, ist doch ziemlich groß. -- Quelle: viewtopic.php?p=913255#p913255
Da hast du sicher recht. Wenn ich denke wie lang das bei mir gedauert hat... Auch mit dem Übrigen, was du schreibst, stimme ich ziemlich überein.

Und ja, es ist schon richtig, dass ich bei dem Thema zur Überstrenge neige . Ist nicht bös gemeint.


mio
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Beitrag So., 22.01.2017, 16:50

candle. hat geschrieben:Interessant fand ich nun, dass ich angenommen hatte, das den Menschen in der Kindheit etwas gefehlt hat, aber überraschend das Gegenteil, dass die Fürsorge so schön war, dass sie nun beibehalten werden soll.
Entwicklungspsychologisch gesehen traumatisiert auch die "Überbehütung" indem sie das "autonome Selbst" des Kindes unterdrückt. Übervorsichtige und überängstliche - also überfürsorgliche - Eltern können einem Kind genauso schaden wie gewalttätige oder vernachlässigende Eltern. Nur dass das oft nicht erkannt wird.

Das sind dann die die hinterher dastehen und sich beschweren, dass sie doch ALLES für ihr Kind getan haben und jetzt sowas... Wirklich alles für ein Kind - in seinem Sinne - tun bedeutet auch ihm eine eigenständige Entwicklung zu ermöglichen, es herauszufordern und ihm etwas zuzutrauen.

Es kann also in keinster Weise davon die Rede sein, dass die Fürsorge als so schön empfunden wurde. Vielmehr wurde das Kind von der Fürsorge der Eltern abhängig gemacht.

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candle.
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Beitrag So., 22.01.2017, 17:40

mio hat geschrieben: Entwicklungspsychologisch gesehen traumatisiert auch die "Überbehütung" indem sie das "autonome Selbst" des Kindes unterdrückt.
Das kenne ich auch von jemanden. Nur im Umkehrschluß muß ja jeder selber rauskommen, ob überbehütet und dadurch traumatisiert oder vernachlässigt und traumatisiert.

Wobei ich das Thema jetzt schon sehr problematisch sehe und doch manchmal denke, dass psychische Krankheiten doch nicht so einfach auszuhebeln sind wie es hier oft wirkt. Und dann kommt es ja noch darauf an was da für Bereiche eingeschränkt sind.

So einfach kann man sich das dann doch nicht machen mit dem Thema.

LG candle
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mio
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Beitrag So., 22.01.2017, 17:48

candle. hat geschrieben:Nur im Umkehrschluß muß ja jeder selber rauskommen, ob überbehütet und dadurch traumatisiert oder vernachlässigt und traumatisiert.
Klar, am Ende kann man es eh nur selbst "machen".

Es können allerdings therapeutische Fehler passieren, wenn nicht erkannt wird, weshalb der Patient zB. depressiv ist bzw. woher die Depression ursächlich rührt. Wenn der Therapeut die zugrundeliegende Störung (die ja in vielen Fällen auf einer Störung in der "normalen" Entwicklung basiert) "falsch" diagnostiziert und dementsprechend auch falsch vorgeht dann hängt der Patient eben erst recht weiterhin "drin" und kommt nicht raus. Weil der Affe weiter Futter kriegt...

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candle.
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Beitrag So., 22.01.2017, 18:17

mio hat geschrieben: weshalb der Patient zB. depressiv ist bzw. woher die Depression ursächlich rührt.
Das finde ich seltsam, weil ich die Ursachen im Grunde bis heute bei mir nicht kenne.

Dieser Thread ist aber letztlich völlig seltsam.

candle
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mio
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Beitrag So., 22.01.2017, 18:36

candle. hat geschrieben: Das finde ich seltsam, weil ich die Ursachen im Grunde bis heute bei mir nicht kenne.
Du kannst nicht von Deinem Einzelfall auf alle schließen. Nur weil sich bei Dir die Ursachen nicht ausmachen lassen bedeutet das ja nicht, dass sie sich bei niemandem ausmachen lassen. Dafür sind Depressionen viel zu "vielschichtig" und zu "vielfältig". Es gibt ja nicht DIE EINE Depression.

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inlines
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Beitrag So., 22.01.2017, 18:44

Hallo mio,

du schriebst:
Entwicklungspsychologisch gesehen traumatisiert auch die "Überbehütung" indem sie das "autonome Selbst" des Kindes unterdrückt.
-- Quelle: viewtopic.php?f=12&t=38112&start=60
Ich finde, dass der Begriff "traumatisiert" in unserer Gesellschaft allgemein schon sehr inflationär genutzt wird, ohne dass dies mit Lebensbedrohung oder ähnlichem im Zusammenhang steht. Daher finde ich es auch eher unangebracht "die Überbehütung" als grundsätzlich traumatisierend zu bezeichnen. In einigen Fällen mag dies so sein, in der Regel aber sicherlich nicht (sonst wären alle Einzelkinder wahrscheinlich traumatisiert). Darüber hinaus sind Kinder von ihrer Veranlagung her so unterschiedlich, dass die Richtige Menge an Behütung nicht immer leicht auszumachen ist und individuell stark variiert.

du schriebst außerdem:
Vielmehr wurde das Kind von der Fürsorge der Eltern abhängig gemacht.
Kleine Kinder sind zunächst einmal einfach völlig abhängig von den Eltern, und würden ohne Zuwendung wohl nicht überleben. Zu einem späteren Zeitpunkt ist dies natürlich nicht mehr in dem Ausmaß der Fall, wobei schon kleine Kinder sehr eigensinnig sein können, und sich nicht zeigen lassen wollen, wie das eine oder andere besser ginge.

Ich finde auch, man sollte nicht alles immer auf die "bösen Eltern" schieben, denn es liegt auch an jedem selber, wie viel Freiheit und Unabhängigkeit er braucht, und wie viel er sich längerfristig erkämpfen will. Ein Patientrezept wird es nicht geben, außer vielleicht immer auch auf die individuellen Wünsche des Kindes einzugehen.

Soweit meine Gedanken dazu (wobei das schon ziemlich Off-Topic ist).

FG

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candle.
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Beitrag So., 22.01.2017, 19:08

mio hat geschrieben: Du kannst nicht von Deinem Einzelfall auf alle schließen. Nur weil sich bei Dir die Ursachen nicht ausmachen lassen bedeutet das ja nicht, dass sie sich bei niemandem ausmachen lassen. Dafür sind Depressionen viel zu "vielschichtig" und zu "vielfältig". Es gibt ja nicht DIE EINE Depression.
Die Ursachen sind vielschichtig, die Depression selber ja eher nicht. Aber ich weiß auch nicht worauf du hinaus willst.

candle
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mio
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Beitrag So., 22.01.2017, 19:16

Ich bezog mich auf Deine Verwunderung darüber, dass Du die Ursache(n) bis heute nicht kennst. Und deshalb wohl davon ausgehst, man könne diese bei niemandem ausmachen. Zumindest habe ich Dich so verstanden.

Und auch wenn sich Depressionen meist ähnlich äußern, so sind sie doch sehr unterschiedlich. So kann eine Depression ja zB. auch einfach nur ein Symptom für eine tieferliegende Störung/ein tieferliegendes Problem sein, dann musst Du die tieferliegende Störung behandeln, nur die Depression zu behandeln bringt dann nicht viel. Auch kann einfach eine endogene Depression vorliegen, da kannst Du dann Psychotherapieren bis der Arzt kommt und es wird nix bringen, da helfen dann nur Medikamente. Etc. pp.

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lauli
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Beitrag So., 22.01.2017, 19:29

Gibt es Depressive die krank sein wollen?
kann mir jemand diese beidem Prinzipien vom primären und sekundären Krankheitsgewinn vielleicht noch mal so erklären,das ich das verstehe und bestenfalls für meine Situation einen Nutzen daraus ziehen kann?

Danke für eure engagierten Beiträge auf diesen Seiten.
Das gute Gelingen ist zwar nichts Kleines, fängt aber mit Kleinigkeiten an.

Sokrates

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inlines
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Beitrag So., 22.01.2017, 19:52

http://lexikon.stangl.eu/5493/krankheitsgewinn/

Da steht auch was zu Depression...


mio
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Beitrag So., 22.01.2017, 19:59

inlines hat geschrieben:sonst wären alle Einzelkinder wahrscheinlich traumatisiertZu einem späteren Zeitpunkt ist dies natürlich nicht mehr in dem Ausmaß der Fall, wobei schon kleine Kinder sehr eigensinnig sein können, und sich nicht zeigen lassen wollen, wie das eine oder andere besser ginge.
Einzelkinder werden nicht automatisch auch überbehütet. Überbehütung meint mehr als "viel Zuwendung".
inlines hat geschrieben:Ich finde auch, man sollte nicht alles immer auf die "bösen Eltern" schieben, denn es liegt auch an jedem selber, wie viel Freiheit und Unabhängigkeit er braucht, und wie viel er sich längerfristig erkämpfen will
Ein Kind muss sich sicher von den Eltern lösen können um irgendwann ein eigenständiges erwachsenes Leben führen zu können. Und das sollte auch nicht erkämpft werden müssen, sondern die Eltern sollten diese Entwicklung fördern. Das wäre der Idealzustand.

Ein überbehütetes Kind hat es da schwer, da es immer Angst haben muss die Eltern zu verletzen, wenn es sich autonom verhält. Denn die Eltern versuchen ja das autonome Verhalten zu unterbinden und unterstützen das abhängige Verhalten.

Ebenso kann es passieren, dass zuviel "Nachgeben" und "Unterstützung" zu einer falschen "Lebens"Erwartung beim Kind führt, nämlich der, dass es immer alles bekommt, was es will ohne dass es sich selbst dafür einsetzen muss. Spätestens im Erwachsenenleben wird diese Erwartung allerdings frustriert und damit muss das "Kind" dann plötzlich und unvorbereitet umgehen (was es nie gelernt hat). Was auch zu depressiven Reaktionen führen kann.

Mit "bösen Eltern" hat das nicht so viel zu tun, eher mit überbesorgten, ängstlichen Eltern, die immer alles richtig machen wollen.

Und klar, das sind "Extreme" wenn es so läuft, denn in der Regel gibt es ja auch korrigierende Erfahrungen außerhalb des Elternhauses und manche Kinder haben auch einfach einen so starken eigenen Willen, dass sie sich da gar nicht so drauf einlassen. Aber es ist eben ein Fehler der gemacht werden kann und der die Psyche des Kindes nachhaltig in eine für es selbst negative Richtung beeinflussen kann.

Ich finde schon dass man das als "traumatisierend" im Sinne einer Verletzung der gesunden "Seele" sehen kann, da in die natürliche Entwicklung des Kindes eingegriffen wird aufgrund eigener Ängste. Dem Kind wird darüber was "fremdes" eingepflanzt gegen das es sich nicht zu wehren weiss im schlechtesten Falle.


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Beitrag So., 22.01.2017, 20:07

Man könnte diesem so oft erwähnten Krankheitsgewinn genauso gut einen Krankheitsverlust gegenüberstellen. Also die Dinge, die einem aufgrund von psychischer Krankheit nicht mehr möglich sind. In bestimmten Fällen überwiegt dann eindeutig der Verlust und nicht der Gewinn. Zum Beispiel bei mir.
Aber es gibt auch welche, die sich öffentlichkeitswirksam amüsieren, eitel leben und doch psychisch krank sind. Wobei ich den Verdacht hege, dass das eine mit dem anderen zusammenhängen könnte. FB-Dramaqueens etwa.

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