Psychoanalyse - Angst vor therapeutischer Nähe/Abhängigkeit

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Lockenkopf
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Beitrag Sa., 19.11.2016, 02:31

Alyssa hat geschrieben:Es geht um die Fähigkeit des Therapeuten, beim Patienten dem Patienten selber noch unbewusste Gefühle wahrzunehmen, sie aufzunehmen, und dem Patienten wiederzugeben, mit der Intention, dem Patienten zu helfen, an diese Gefühle ranzukommen (und über diese Gefühle letztendlich an die Kernprobematik). Das ist in meinen Augen eine Kunst, die nicht angeboren ist, sondern erlernt werden muss.!
Das was Du beschreibst wird Gegenübertragungen genannt. Es gibt Konkordate Gegenübertragungen und komplementäre Gegenübertragungen.
Diese Wahrnehmung ist wohl bei sehr vielen Menschen vorhanden. Ich habe diese Fähigkeit durch meine beruflichen Tätigkeit ebenfalls entwickelt, ohne darin geschult zu sein.
Durch die Ausbildung als Analytiker wird diese Fähigkeit und Anwendung weiter entwickelt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gegen%C3%BCbertragung

Es handelt sich, ebenso wie bei der Übertragung, um ein gewöhnliches Phänomen, das im sozialen Kontext weit verbreitet ist und – sozusagen „im Kleinen“ – in fast jedem zwischenmenschlichen Kontakt vorkommt. Wie Übertragungen sind auch Gegenübertragungen praktisch allgegenwärtig, da Menschen, die miteinander zu tun haben, im Gegenüber ständig unbewusst Gefühle auslösen, die mit ihrer eigenen Geschichte zu tun haben.
Lockenkopf:
Ganz schön grosskotzig, dein Analytiker
Wenigstens verspricht er nicht den absoluten Erfolg, sondern nur Veränderung (keine Veränderung in 300h wäre für ihn berufsmässig wohl auch ein Armutszeugnis).
Wenn ihr da auf einer Linie seid - sehr gut für dich!
Nein, der Text und mein Psychotherapeut sind genau das Gegenteil von großkotzig.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Alyssa
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Beitrag Sa., 19.11.2016, 09:56

Lockenkopf hat geschrieben: Das was Du beschreibst wird Gegenübertragungen genannt.
Dann haben wir jetzt ja einen Fachbegriff fuer dieses Spueren, das Prinzessa vor ein paar Seiten erwaehnte.
Lockenkopf hat geschrieben: Diese Wahrnehmung ist wohl bei sehr vielen Menschen vorhanden.
Die Wahrnehmung sicher. Aber das Erkennen, dass das, was ich gerade fuehle, nicht meine Wut ist, sondern die des Gegenueber, haben wohl die wenigsten.
Lockenkopf hat geschrieben: Ich habe diese Fähigkeit durch meine beruflichen Tätigkeit ebenfalls entwickelt, ohne darin geschult zu sein.
Wow. Mein Therapeut hat dafuer ne Zusatzausbildung/-fortbildung (Uebertragungsfokussierte Psychotherapie) machen muessen
Lockenkopf hat geschrieben: Durch die Ausbildung als Analytiker wird diese Fähigkeit und Anwendung weiter entwickelt.
Nicht nur Analytiker arbeiten damit.
Lockenkopf hat geschrieben: Nein, der Text und mein Psychotherapeut sind genau das Gegenteil von großkotzig.
Kam in deiner hier niedergeschriebenen Kurzform leicht anders rueber.

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stern
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Beitrag Sa., 19.11.2016, 16:11

Das halte ich nicht für ein Hexenwerk. Alles was ein Therapeut spürt ist sein Gefühl. Er wird dann evtl. schauen, inwieweit der Ursprung bei ihm liegt (schlecht geschlafen z.B.) oder ob er auf etwas reagiert, dass der Patient auf ihn projiziert bzw. was er beim Patienten registriert (z.B. über die Körpersprache) bzw. was der Patient selbst gar nicht so wahrnimmt (z.B. verdeckte Vorwürfe anstelle Äußerung von Ärger). Und Wechselseitigkeit, die eine exakte Trennung eh nicht immer ermöglicht gibt es zusätzlich. Das ist kein Hellsehen der Gefühle anderer (das kann kein Mensch), sondern ein Wahrnehmen und Hinterfragen bzw. Rückmelden SEINER Eindrücke. Dabei ist natürlich auch möglich, dass er bzgl. der Gefühle des Patienten daneben liegt. Und ob er sich ärgerte würde ich genauso wenig hellsehen wollen, sondern hinterfragen... wenn es hier eine Diskrepanz gibt, kann man immer noch sehen, inwieweit man von seiner Wahrnehmung abrückt.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
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stern
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Beitrag Sa., 19.11.2016, 16:27

Besonders relevant dürfte diese Rückführung bei Patienten sein, die viel projizieren (ich bin nicht ärgerlich, sondern du bist es)... betrifft aber nicht jeden Patienten (zumindest nicht in hohem problematischen Maße). Und man kann als Patient auch absolut zutreffend wahrnehmen, dass sich ein Therapeut über etwas geärgert hat. Da man in niemanden sehen erschließt sich der Beweggrund natürlich nicht unbedingt. Da hilft nur das anzusprechen, wenn man wissen will, was Sache ist. Hier ist zu beachten, dass Therapeuten nicht zwingend transparent sind. Eine Kliniktherapeuten wollte mir mal ein x für ein u vormachen. Bis sie selbst erkannte, dass das nicht therapeutisch wertvoll gewesen wäre. Vielleicht merken Therapeuten manchmal selbst nicht, inwieweit sehr wohl spürbar sein kann, dass sie gerade angespitzt sind.
Liebe Grüße
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Lockenkopf
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Beitrag Sa., 19.11.2016, 18:42

Alyssa hat geschrieben:
Lockenkopf hat geschrieben: Ich habe diese Fähigkeit durch meine beruflichen Tätigkeit ebenfalls entwickelt, ohne darin geschult zu sein.
Wow. Mein Therapeut hat dafuer ne Zusatzausbildung/-fortbildung (Uebertragungsfokussierte Psychotherapie) machen muessen
Wie Du oben nachlesen kannst, ist die Wahrnehmung von Übertragung und Gegenübertragung ein Alltagsphänomen.
Und das ich das was ich am Pat. wahrnehme auch th. berücksichtige, versteht sich doch von selbst.

Nur wird diese Vorgehen in analytisch orientierter Psychotherapie und verwandten Methoden noch wesentlich feiner und ausdifferenzierter angewendet.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Prinzessin27
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Beitrag Di., 22.11.2016, 13:49

Vielen Dank für eure interessanten Beiträge.

Ich habe es heute morgen angesprochen. Er hat mir darauf geantwortet und fragte, warum ich diesen Eindruck habe/an was ich das festgemacht habe. Ich sagte dann "an seinem Ton" (ich sehe ihn ja nicht). Er meinte dann, dass er nicht sauer auf mich ist und sich auch nicht geärgert hat. Sein Ton war nicht so nüchtern wie sonst, da er nachdrücklicher war, einen Punkt machen wollte und eben immer wieder auf das Thema zurück kam. Es gab gar keinen Grund für ihn sauer zu sein.

Ich bin enorm erleichtert. Wahrscheinlich habe ich dann tatsächlich übertragen oder projiziert? Oder den Ton einfach falsch interpretiert


isabe
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Beitrag Di., 22.11.2016, 14:45

Ein Klassiker ist, dass der Patient sauer auf den Therapeuten ist und ihm unterstellt, er sei derjenige, der ärgerlich ist. Muss bei dir aber nicht so sein, soll also keine Interpretation meinerseits sein, sondern nur ein "Vorstellen" dessen, was möglich ist.

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Prinzessin27
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Beitrag Di., 22.11.2016, 16:24

Ja, möglich ist vieles. Sauer auf ihn bin ich eigentlich generell nicht. Ich mag ihn und er hilft mir ja.
Es zeigt mir nur wie "unsicher" ich manchmal bin und wie unsicher mich die Therapiesituation macht (liegen und sein Gesicht nicht sehen. Das behagt mir nicht so. Darüber haben wir aber auch schon oft gesprochen).

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Solage
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Beitrag Di., 22.11.2016, 22:51

Finde Deine Offenheit sehr schön Prinzessin27.
Auch Die Erklärungen Deines Therapeuten sind klar.

Dass Du so enorm erleichtert bist, da steckt meiner Meinung nach noch ganz viel Arbeitsmaterial für Euch drin.

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Prinzessin27
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Beitrag Mi., 23.11.2016, 21:32

Danke Solage! Deine Nachricht hat mich gefreut

Ja, ich war auch froh über seine klare Antwort. Ich versuche immer alles so offen und ehrlich wie möglich zu beschreiben/erzählen.

....heute habe ich das mit der Offenheit aber leider gar nicht hinbekommen. Seit ein paar Stunden versuche ich ein Thema anzusprechen, dass schon mal Thema war, dann war es mir zu heikel und ich habe abgelenkt. Ich weiß aber das wir da irgendwann weiter machen "müssen" und ein Teil von mir "will" auch darüber sprechen. Ein anderer Teil hat panische Angst. Mir fällt es so wahnsinnig schwer und ich kann es nocht nicht mal am Rande erwähnen. Ich fühle mich so blöd dabei. Heute nahm ich es mir ganz fest vor, es zumindest anzusprechen und wenigstens zu sagen, dass es da noch was gibt, es mir aber enorm schwer fällt darüber zu sprechen, ich aber weiß, dass ich mich da irgendwie mal öffnen muss. Nun, ich hing mich dann an einem anderen- sehr viel einfacheren Thema auf- und habe es nicht hingekriegt es anzusprechen. Jetzt ärgere ich mich, da ich es schon seit 4-5 Stunden vor mir her schiebe. So was blödes...seufz......jetzt habe ich die Stunde komplett verplempert und muss bis nächste Woche warten....(falls ich es dann hinbekomme). Therapie ist irgendwie schon anstrengend....

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Prinzessin27
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Beitrag Mo., 28.11.2016, 14:48

Da ich mich am Wochenende mal wieder gedanklich an 2-3 Dingen aufgegangen habe, die mit meinem traumatischen Erlebnis zu tun haben, habe ich mich dazu entschieden meinem psychoanalytiker morgen alle Details dazu zu erzählen (grob weiß er schon was passiert ist). Ich glaube es muss mal raus. Nur habe ich auch Angst davor. Es gibt Dinge, die ich noch nie seit mehr als 10 Jahren jemanden erzählt habe (auch nicht meinem ex-freund o meiner damaligen Traumatherapeutin). Ich hoffe, ich werde mich nicht überfordern, aber ich habe auch keine Lust mehr mich an den beschämenden Details aufzuhängen. Vielleicht hilft es ja mal Dinge explizit zu benennen und nicht immer vage um den heißen Brei zu reden. Wie seht ihr das? Welche Erfahrungen habt ihr mit solchen Geständnissen von "harten" Details gemacht?


isabe
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Beitrag Mo., 28.11.2016, 18:11

Du machst eine Analyse, kannst also davon ausgehen, dass dein Therapeut schon alles gehört hat, was man sich vorstellen kann - und viel mehr noch: Sachen, die man sich NICHT vorstellen kann. Einfach machen - und am besten nicht immer erst das Forum um Erlaubnis fragen

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Prinzessin27
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Beitrag Mo., 28.11.2016, 19:40

Danke

Bin eben ein Angsthase

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Prinzessin27
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Beitrag Di., 29.11.2016, 20:44

Es war ganz toll!

Er war ganz toll!

Wurde noch nie so aufgefangen, obwohl er kaum was gesagt hat. Der Blick hat gereicht...finde ich grad krass und gut (kein Vergleich mit meiner Therapie vor 10 Jahren). Gut, dass ich es nochmal angehe....und verrückt auch .....im positiven Sinne


Alyssa
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Beitrag Di., 29.11.2016, 21:14

Wie heisst es doch so schön "Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte"
Und toll, dass du trotz eines für dich so grässlichen Themas ein so positives Erlebnis hattest.
Du hast mir damit gerade etwas Mut gemacht, mich auch mal einen Schritt weiter vorzuwagen.

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