Was braucht's für eine Änderung?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

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isabe
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Beitrag So., 05.06.2016, 22:00

candykills hat geschrieben:Ein Änderungswille kann erst dann entstehen, wenn ich mir klar darüber bin, dass mein Verhalten und meine Einstellung falsch sind.
Von "falsch" würde ich nicht sprechen, und ich glaube auch nicht, dass es der richtige Ansatz ist, den Patienten zu erziehen oder ihn umzubiegen. Es muss irgendwas IM Patienten sein, das es ermöglicht, künftig andere Wege zu gehen. Ohne dass er das Gefühl haben muss: "So wie ich jetzt bin, bin ich falsch oder ich mache es falsch".

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candle.
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Beitrag So., 05.06.2016, 22:06

lamedia hat geschrieben:Also doch lieber einen Lover/Loverin?
Wäre meine gerne genommene Variante Numero Uno.

Und ja, ich glaube daran, dass gute Beziehungen sehr viel zur Heilung beitragen können, jedenfalls verspüre ich da eine dunkle Ahnung. Nur kann ich die nicht herzaubern.

Ach lamedia, möchtest du deinen Topf in die Stilblüten?

candle
Now I know how the bunny runs! Bild


mio
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Beitrag So., 05.06.2016, 22:10

Meine Thera hat mal in nem "Schlüssel-Moment" zu mir gesagt, dass sie meine Angst vielleicht zu ernst nimmt? Das klingt erst mal absurd, aber es war denke ich sehr richtig.

Jetzt ist die Antwort darauf nicht, die Angst nicht ernst zu nehmen. Oder sie wegreden zu wollen. Aber eigene Kompetenzen sollten dem Patienten schon bleiben. Denn die hat nun mal jeder erwachsene Mensch in irgendeiner Form.

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Solage
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Beitrag So., 05.06.2016, 22:13

isabe hat geschrieben:... und ist es für diese Patienten nicht kontraproduktiv, wenn man sie mit Beziehung ("ich mag Sie und ich arbeite sehr gerne mit Ihnen") "füttert"? Anders kann ich mir nicht erklären, wieso es Patienten gibt, denen es nach Ausschöpfen des Kontingents schlechter geht als vorher und die geradezu Panik haben vor dem Therapieende. Ich kann mir das nur so vorstellen, dass diese Patienten zu viel vom Falschen bekommen haben und zu wenig vom Richtigen.
Kann mir gut vorstellen, dass dieses Anfüttern eben dazu führt, dass die Patienten dann eben weiter gefüttert werden möchten. Das kenne ich übrigens auch aus dem realen Leben so, dass da dann plötzlich Menschen an einem hängen und saugen, obwohl man das nicht wollte. Bloß, sind Therapeuten doch daraufhin geschult, oder?
Wenn ein Therapeut sagt, dass er mich gerne mag und gerne mit mir arbeitet, dann fühle ich mich durch diese Aussage unter Druck.
Ohne die Arbeit der Therapeuten bewerten zu wollen, frage ich mich, ob es nicht möglich wäre, dieses Problem zu beheben oder zu reduzieren, indem man die Indikation genauer prüft und noch gründlicher als bisher schaut, was der Patient WIRKLICH braucht. Manchmal habe ich den Eindruck, der Therapeut löst das Problem, indem er auf Quantität anstatt auf Qualität setzt ("wir fangen erst mal an, und dann haben wir drei Jahre Zeit, und dann können wir immer noch gucken"). Dass ein Patient auf dieses Beziehungsangebot scheinbar positiv reagiert, indem er starke Zuneigung für den Anderen entwickelt, während die Zuneigung für sich selbst auf der Strecke bleibt, wundert nicht.
Naja, eine lange Therapie bei einem professionellen Therapeuten, dem es wichtig ist mir zu helfen, bedeutet nicht gleich, dass da Qualität gegen Quantität eingetauscht wird. Ganz und gar nicht. So erlebe ich es JETZT nicht.
In meiner ersten Therapie wurde mir allerdings gleich eine 300 Stunden dauernde Psychoanalyse angeboten, die ich zuerst erschrocken zurückwies. Dachte, dass ich doch nicht so gestört sei, so eine lange Therapie zu benötigen. Also nix Zuneigung.
Ich verstehe nicht, wieso die Stärkung und Entwicklung des Patienten selbst weniger wichtig sein soll als die Zuneigung zum Therapeuten? Wieso liegt der Fokus so häufig auf der Person des Therapeuten und nicht auf der des Patienten? Kann Therapie so funktionieren? Ist Regression überhaupt noch zeitgemäß, wenn dies bedeutet, dass zwar Bedürfnisse geweckt werden, dass aber nicht geprüft wird, ob der Patient in der Lage ist, es auszuhalten, dass diese Bedürfnisse nicht erfüllt werden? Ist das so schwer, die Ressourcen der Patienten zu überprüfen, BEVOR es zu spät ist?
Ich bin jetzt in der zweiten analytischen Therapie. In der ersten Therapie wurde ich in die Regression gestoßen, klein gemacht, abhängig gemacht und in der Abhängigkeit gehalten. Wehe, wehe ich war groß und autonom. Das mochte der Therapeut nicht. Der mochte mich klein und hat immer wieder das Kleinkind in mir betont. Zeigte ich mich erwachsen, reagierte er gekränkt und nahm mir sämtliche Zuwendungen wieder weg: Keine Umarmungen und kein Kuscheln mehr und der nächste Termin war gestrichen. Ich war nur noch eine winselnde, bittende Sklavin. War ich dann wieder devot, habe ich ALLES von ihm bekommen. Irgendwann hatte ich aber so die Nase voll und bin gegangen. Das hängt übrigens mit meinem Umfeld zusammen. Ich bin verheiratet, habe Kinder, einen Freundeskreis und habe es wieder geschafft im Berufsleben zu bestehen.
Die äußeren Bedingungen sind meines Erachtens sehr wichtig. Wäre ich alleine, dann hätte ich es evtl. bis heute nicht geschafft aus der missbräuchlichen Therapie auszusteigen.

In der jetzigen Therapie wird mein Erwachsensein betont: Frau Solage, sie sind erwachsen!!!! Immer und immer wieder sagt mir das mein Therapeut und ja, ich bin erwachsen. Ich bin Ende Vierzig und funktioniere einigermaßen in meinem Leben!
Umso erschreckender, dass es ein Therapeut geschafft hat, mich in einen brabbelnden, abhängigen Säugling zu verwandeln.
Dies funktionierte deshalb so gut, weil er sich meiner Muster bediente und den Fokus immer wieder auf SICH richtete. Er wollte das so, nicht ich. Habe dann seine Bedürfnisse bedient.
Mein jetziger Therapeut achtet sehr darauf, dass ich mich nicht um ihn sorge, dass es NICHT um IHN geht. Er bedankt sich sogar, wenn ich ihn kritisiere. Wenn ich am Lack des Analytikers kratze. Er ermutigt mich dazu!

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stern
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Beitrag So., 05.06.2016, 22:28

Auch die Überzeugung, dass man etwas beeinflussen kann, kann wichtig sein. Wenn ich hingegen davon ausgehe, dass etwas eh unabänderlich in Stein gemeiselt ist, so würde es nicht einmal Sinn machen, das ändern zu wollen.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 00:15

Was braucht's für eine Änderung?

* Leidensdruck
* Änderungswille
* Neugierde/offen sein für was neues
* Reflektionsfähigkeit
* Bereitschaft, Verantwortung für sich selbst (und damit für sein eigenes Wohlergehen) zu übernehmen
* Kenntnisse der eigenen Ressourcen (müssen ggf erst einmal zu Beginn erarbeitet werden, nicht jeder Patient kennt seine Ressourcen oder nimmt diese als solche wahr) -> suchen/verbalisieren/notieren (so kann man immer wieder darauf zurückschauen/lesen, falls man es vergisst)
* Einsichtsfähigkeit
* angenommen sein in der Therapie
* gegenseitiges Vertrauen
* Ist-Zustand verbalisieren/registrieren
* Stecken/notieren von kleinschrittigen/realistischen/erreichbaren Zielen
* klare Grenzen setzen seitens des Theras (Grenzen begrenzen nicht nur/engen ein, sondern geben auch Halt, Sicherheit, Geborgenheit)
* Thera muss füttern und fordern
* konkretes Aufzeigen/Benennen von dysfunktionalen Verhaltensweisen/Schemata des Patienten seitens des Theras (Konfrontation)
* regelmäßiges überprüfen, ob schon Ziele erreicht wurden (also nicht erst 2 Stunden vor Ende der Therapie, also Zwischenbilanz ziehen) -> Wenn schon (auch kleine) Änderungen erkannt werden, motiviert es zum weitermachen


Ein Spruch, der unsereins geholfen hat:
„Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber ich weiß, dass es anders werden muss, um besser werden zu können.“

Gruß
Die Rote
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.


Widow
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 02:05

Was braucht's für Man-Selbst-Bleiben?

- Beharrungsvermögen (bei sich bleiben!)
- Kraft (gegen all diese SelbstoptimiererInnen!)
- Unbestechlichkeit (gegenüber all den Pseudoverlockungen der Selbstoptimierung)
- Klarsicht (idealiter und als Ansporn: "in alles")
- Illusionslosigkeit (angesichts all der vom herrschenden Diskurs erzeugten Illusionen)
- Introspektion (inwieweit bin ich den Illusionen aufgesessen, inwieweit bin ich noch ich, inwieweit bin ich eine Illusion?)
- Negativismus (als Antidot gegen dieses positive Dauergesäusel z.B. in Fahrstühlen, Radiosendern und am Familientisch, im ptf)
- Schonungslosigkeit sich selbst gegenüber (und nur sich selbst gegenüber!)
- Ehrlichkeit (statt all der der Selbstoptimierung geschuldeten Selbstlügen)
- Verzicht: aufs Missionieren anderer, aufs Wege-Wissen und erstrecht Wege-Weisen, auf jegliche Art von Helfervampirismus
- Be-scheid-enheit (zwischen sich und anderen unter-scheid-en können)
- Besonnenheit (sich nicht hinreißen lassen vom Thera-Coach, vom Sinnspruch, vom säuselnden Fahrstuhl)
- Besinnung auf all das, was Menschsein ist: KZ - das hat Mensch erfunden und gemacht.

Fröhliche Selbsterhaltungsgrüße von der
Witwe

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peppermint patty
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 05:16

Ja, vielleicht bedarf es einer Vorstellung davon, dass es "besser" sein oder werden kann. Auch ein besserer Zustand erreicht werden kann als nur "gefüttert" zu werden. Das sich Autonomie und Selbstversorgung gut anfühlen kann (und nicht Zuwendungs- oder Liebesverlust bedeuten). Die hatte ich lange Zeit auch nicht da ich mir überhaupt nichts als den aktuellen Zustand vorstellen konnte.
Später hat mich dann aber jeder Entwicklungsschritt "gekickt", gerade dann wenn ich spürte, dass dort viel erarbeitetes oder Einsicht/Verstehen meinerseits drin steckte. Insofern ist/war erwachsen sein/werden für mich emotional positiv besetzt.


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isabe
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 05:47

Ich finde gar nicht, dass es einen Widerspruch gibt zwischen Selbstbleiben und Ändern, auch wenn das paradox klingt. Daher verstehe ich auch nicht den Ansatz, dass der Patient erkennen muss, dass er "falsch" ist oder etwas falsch macht. So war das bei mir nicht: Mir wurde nie gesagt, dass etwas falsch ist, sonst hätte ich mich sicher nicht angenommen gefühlt, sondern mir wurde das Gefühl gegeben und dies auch so deutlich gesagt, dass ich sein kann, wie ich das möchte. Dass es aber darum ging, dass ich mich selbst kennen lerne. Die Änderung bestand nicht darin, so zu sein oder zu handeln wie "normale" Menschen, sondern mich als mich selbst anzunehmen, so wie ich eben bin, mit Stärken und Schwächen. Und ich hab immer gespürt, dass der das auch ernst meint und dass er mich so annimmt und dass ich das daher auch kann. Vielleicht ist es also DAS, was man braucht: die Möglichkeit, sich frei entfalten zu dürfen, und zu merken, dass der Andere das auch ernst meint, wenn er das sagt. Und wenn der Patient er selbst ist und sich nicht danach richten muss, was andere gut finden, dann hat er viel mehr Freiraum und muss nichts unterdrücken oder leugnen usw.

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peppermint patty
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 06:17

Mir wurde auch nie gesagt, dass ich falsch bin. Das ist ja tatsächlich auch niemand. Nur manches Verhalten blockiert einem selbst. Mir hat definitiv die liebevolle Beziehung zu meiner Thera bei meiner Entwicklung geholfen. Genau das wo ich das größte Defizit hatte.
In dem Selbstbleiben oder besser noch Selbstsein steckt ja auch das Potential jedes Menschen drin.
Dieses gilt es womöglich in der Therapie für Entwicklungsschritte zu aktivieren. Grundsätzlich, so vermute ich, steckt doch in (jedem?) Menschen ein Autonomie-Entfaltungs- und Heilungsbestreben.


ziegenkind
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 07:18

sicher sollte es nicht heißen, dass man falsch ist, aber vielleicht, dass man dinge falsch macht. das scheint mir, ist auch eine ganz zentrale voraussetzung für das gelingen von therapie: das wissen darum, dass man selber an der art und weise, wie man sich mit sich selber und mit anderen verhält, etwas ändern möchte.

für eine zeitlang ist sicher das wissen darum, dass man ist wie man ist, weil man so zugerichtet wurde, richtig und wichtig. (irgendwann folgt daraus auch die einsicht, dass wiederum der zurichter zugerichtet wurde. die tut noch einmal fürchterlich weh, und noch einen schritt weiter begegnet man nicht selten der erkenntnis, dass man selber hier und da auch schon munter zugerichtet hat, ganz fieser schmerz) wer beim gedanken am zugerichtet worden sein, stehen bleibt, zementiert sich aber ein. auch das ist eine balance, an der man scheitern kann

für alles andere, das ändern der welt, das ich für ebenso unverzichtbar halte, empfehle ich politische organisation. wobei therapie sicherlich mit die voraussetzungen dafür schaffen kann, dass man dazu dann in der lage ist.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


ziegenkind
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 07:21

viele menschen leiden unter anderem als darunter, in ihrem so-sein nicht anerkannt zu werden. ihr so-sein treibt sie in selbstverletzung und in destruktives beziehungsverhalten.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


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isabe
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 07:30

Nein, mir wurde nie gesagt, dass ich etwas "falsch" mache. Das hätte auch nichts gebracht, denn es ging irgendwie gar nicht darum, es zu bewerten. Natürlich wurde mir auch gespiegelt, dass ein bestimmtes Verhalten bestimmte Konsequenzen hat: Wenn jemand mürrisch ist und abweisend, ist es unwahrscheinlich, dass er häufig eingeladen wird. Deswegen muss es aber nicht falsch sein, mürrisch zu sein. Wichtiger als die Frage, ob es nicht richtiger wäre, nicht mürrisch zu sein, waren die Fragen: "Wozu brauche ich das Mürrischsein? Was bedeutet es? Will ich mir die Anderen vom Hals halten, um ihnen dann später vorwerfen zu können, wie gemein sie sind? Und will ich das jetzt immer noch?" Ich habe das so empfunden, dass ich frei darin war, diese Fragen für mich zu beantworten. Und dass es da kein "so, jetzt macht sie es richtig" oder "sie macht es immer noch falsch" gab. Und in dem Maße, in dem wir so miteinander geredet haben, fühlte ich mich zunehmend ernst genommen (beziehungsweise: Ich konnte mich selbst endlich ernst nehmen!) und dann tatsächlich auch erwachsen. Es war nie irgendwie "falsch", was ich gemacht habe, auch wenn ich mir, na klar, damit selbst ein Bein gestellt habe. Aber ich selbst musste an den Punkt kommen zu sagen: "Eigentlich ist es anders viel schöner!"


Waldschratin
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 07:38

Ich finde,grade in der Selbstwerdung liegt die Veränderung.
Für mich ist das auch alles andere als ein Widerspruch : "Selbstbleiben" und Veränderung.
Ich denke,grade dieses von Angst geprägte "Festhalten" am Ist-Zustand (den wohl viele als "Selbsterhaltung" fehlinterpretieren) verhindert im Endeffekt die tatsächliche Selbstwerdung.

Um "sich selbst zu finden" braucht es ja in erster Linie Mut.
Ein jeder stellt da ja sehr schnell fest,dass sein Idealbild von sich selbst selten nur dem tatsächlichen Ist-Zustand entspricht. Stichwort Verdrängung,"Abwehr" etc.
Ist ja auch was sehr sehr normal Menschliches.

Ich denke,dass zu viel "Diskrepanz" zwischen "wunschvorstellender" Selbstwahrnehmung und tatsächlicher Wirkung auf die Umwelt (und entsprechender Rückmeldungen/Erfahrungen,die man dadurch macht) dann den nötigen Leidensdruck macht,damit man sich überhaupt aufmacht,mal die Ursachen und Hintergründe zu erforschen für diese Diskrepanz.

Tja,und dann wirds sehr individuell und hängt mMn sehr vom jeweiligen Grad und der "Art" der Angst ab,die es zu überwinden gilt, ob und in wie weit sich eins aufmacht,den Ist-Zustand zu erforschen,erstmal zu akzeptieren und sich dann dranzumachen,diesen Zustand an das,was man "eigentlich" ist und mitbringt und was einem "eigentlich" vom Wesen her entspricht,sowas wie "anzugleichen" - sämtliche Kompromisse und evtl. "Dauerbaustellen" miteinbezogen.

In "falsch" und "richtig" einzuteilen,find ich da auch unangebracht - und "falsch" gedacht.
Genauso die Unterscheidung in "krank" und "gesund".
Für mich ist die "Selbstwerdung" schlicht und einfach ein Reifeprozess,dem man sich widmet oder eben nicht oder nur in gewissen Bereichen oder einem gewissen Maß - und auf den sich jeder Mensch einlassen sollte,der ein halbwegs erfülltes und sinnvolles Leben haben will - und wer wollte das nicht?
Es fällt keinem halt "einfach so" in den Schoss...


ziegenkind
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Beitrag Mo., 06.06.2016, 10:49

ich glaub, hier wird mitunter munter aneinander vorbei geredet. in meiner therapie ging es wenig um dinge wie mürrisch sein. es ging um existentiell selbstschädigendes verhalten - angefangen von konkreter selbstverletzung, arbeiten bis zum umfallen, selbstabwertung, sich anderen menschen ausliefern. natürlich hat mir meine therapeutin nicht gesagt, dass das falsch ist. es war aber arbeitsgrundlage, dass ICH MICH ändern will, dass ich anders mit mir, anderen menschen und der welt umgehen will.

mir scheint, dass wird in vielen therapien aus den augen verloren und dieses aus den augen verlieren ist aus meiner sicht hier nachlesbar oft am scheitern von therapien beteiligt. ich hab ganz oft das gefühl, dass es darum geht, in der therapie etwas zu bekommen, wovon es früher zu wenig gab oder was es gar nicht gab (sicherheit, gehalten-werden, zuwendung). das halte ich auch für ganz, ganz wichtig. aber noch wichtiger ist vielleicht, dabei nicht stehenzubleiben und auch nicht aus den augen zu verlieren, dass dies mittel zum zweck ist (ohne ins andere extrem zu fallen und es nur als instrumentell oder unecht zu sehen).

wenn ich hier lese, habe ich manchmal das gefühl, es gibt so einen wütenden unterton: früher wurde mir so viel nicht gegeben und jetzt steht es mir zu und wenn du es mir verweigerst, bist du ein täter!!! ich kann diesen gedanken sogar gut verstehen, vielleicht gehört er sogar untrennbar zu der phase, in der die wut über das, was einem angetan wurde, aufbricht. aber auch hier: das ist eher sympthom, nicht der weg heraus. wenn ich so denke, übverschattet die vergangenheit immer noch die gegenwart. ziel einer therapie ist aber aus meiner sicht, die gegenwart aus der geiselhaft der vergangenheit zu nehmen. in der aufrechterhaltung dieser geiselhaft besteht mein anteil an der aufrechterhaltung der traumatisierung. das zu verstehen, verursacht meiner meinung nach einen gewaltigen, aber unvermeidbaren schmerz. um durch diesen schmerz durchzukommen, brauche ich das gehalten-werden, die zuwendung etc. der therapeutin. aber durchgehen muss ich trotzdem alleine.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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