Therapeut wiedersehen, Treffen nach beendeter Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 9268

Beitrag Mi., 13.05.2015, 18:20

Hallo Leberblümchen,
leberblümchen hat geschrieben:Mio, aber wie kommst du denn bloß auf "anschreien?" Alles, was nicht 'Augenhöhe' ist, ist 'anschreien'? Hast du nie erlebt, wie dir jemand mit Fürsorge und Achtung begegnet ist, 'obwohl' er höhergestellt ist?

Konkret geht es ja hier um die therapeutische Beziehung; die ist im Grunde ähnlich geregelt wie ein Arbeitsverhältnis: Der Therapeut kann nicht machen, was er will. Er kann seinen Gefühlen nicht nachgeben; es geht alleine um den Patienten. Auch hier gibt es ein Honorar: weil nämlich der Kranke den Therapeuten als Experten für sein Problem begreift. 'Augenhöhe' wäre ein völlig anderes Verhältnis.
"anschreien" war ein Beispiel von vielen möglichen Beispielen für grenzüberschreitende Verhaltensweisen und ein Mensch der mich anschreit verhält sich eben nicht achtsam mir gegenüber. Dh. aber ja nicht, dass ich nie Fürsorge und Achtsamkeit erlebt hätte/erleben würde - wie Du auf diesen Umkehrschluss kommst ist mir schleierhaft. Auch verstehe ich nicht so ganz, warum es für Dich so wichtig zu sein scheint in diesen "drüber-/drunter" Kategorien zu denken - ich denke so einfach gar nicht erst. Geht es Dir dabei um Orientierung/Sicherheit?

In Bezug auf die therapeutische Beziehung sehe ich das auch so wie Du, empfinde dies aber nicht als Widerspruch dazu, dass meine Therapeutin und ich uns auf Augenhöhe begegnen, was wir glücklicherweise tun. Sie hat in der Therapie ihre Rolle inne, ihren Beitrag zu leisten, ich habe meine Rolle inne, meinen Beitrag zu leisten und zusammen arbeiten wir an der Lösung meines Problems. Das ist einfach das Setting und hat für mich nichts mit "Über-/Unterlegenheit" zu tun.

Nur weil ich ein Problem habe für dessen Lösung ich Hilfe und Unterstützung einer Fachkraft benötige, bin ich doch nicht "unterlegen". Ich weiss fachlich nicht so viel wie sie, bin nicht entsprechend ausgebildet, aber das war es doch auch schon. Wo ist da für Dich die Unterlegenheit? Fühlst Du Dich auch Deinem Zahnarzt unterlegen, weil Du Dir nicht selbst einen Zahn ziehen kannst? Setzt Du "etwas bestimmtes vom anderen brauchen" mit einer Unterlegenheitsposition gleich? Fühlst Du Dich immer dann, wenn ein anderer etwas "besser" kann als Du diesem "unterlegen"?

Vielleicht magst Du mal erklären, was Du genau meinst? Also welchen subjektiven "Gewinn" Du aus der "Unterlegenheit" zu ziehen scheinst, dass Du Dich so daran festbeißt? Ich verstehe nämlich ehrlich gesagt immer weniger, worauf Du hinauswillst.

Lieben Gruss,

mio

Werbung

Benutzeravatar

Solage
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag Mi., 13.05.2015, 18:37

Mein Therapeut betont, dass es ihm wichtig ist seinen Patienten auf Augenhöhe zu begegnen. Auch dass er kein geheimes Wissen über mich hat. Mir Deutungen anbieten kann, die, wenn sie für mich nicht passen, eben nicht passend sind.

Wenn Wandelröschens Therapeut sie auf Augenhöhe bringen möchte, dann kann dies z. B. auch bedeuten, dass sie sich evtl. nicht unterordnen muss um anerkannt zu werden...???? Das stärkt das Selbstbewusstein und die Eigenverantwortlichkeit. Auch wirkt dies gefühlter Hilflosigkeit entgegen. Mein Analytiker arbeitet jedenfalls so mit mir.

Mir hat dieser Beitrag dazu gefallen:
http://www.trigon.at/mediathek/pdf/down ... hhe_EH.pdf


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 13.05.2015, 18:38

Mio, ich versuche es noch mal: Wandelröschen schrieb begeistert (und das darf sie logischerweise auch, und nein: Ich bin nicht neidisch) davon, dass es ein Gespräch auf Augenhöhe war und dass ihr Th. ihr anfangs gesagt habe, er wolle sie auf Augenhöhe bringen.

Daneben schrieb sie noch von dem 'Drumrum' der Begegnung und davon, dass alles so beiläufig augenhöhig war. Ich hab es so interpretiert (!), dass es für sie sehr wichtig ist, erfolgreich zu sein, dem Th. also ebenbürtig. Er soll sie, vielleicht (reine Interpretation meinerseits, aber ich soll ja erklären...), auch ein bisschen bewundern? So, als sei sie 'aufgestiegen' am Ende der Therapie.

Ich wollte zunächst nur darauf hinweisen, dass das Zufällige der eigentlichen Dreiminutenbegegnung, die sich zu einem langen Spaziergang ausgeweitet hat, für mich irgendwie seltsam klang (was nicht heißt, dass ich es nicht glaube!; ich fand es wirklich 'nur' seltsam). Und widow wies auf das Betonen der Augenhöhe hin: Auch das finde ich spannend: Wenn jemand betont, auf Augenhöhe zu sein, dann ist das für mich eigentlich keine Augenhöhe mehr, sondern nur die Sehnsucht danach (muss ja nichts Schlechtes sein, natürlich). 'Klassische' Augenhöhe, quasi auf 'Kolleginnenlevel' müsste ja nicht betont werden; die ist einfach da, denke ich.

Hier nun bin ich irritiert, weil du einerseits sagst, dass Augenhöhe in einer (therapeutischen) Beziehung unerlässlich sei, weil alles andere respektlos sei. Andererseits aber dann die Aussage des Th., er wolle sie auf Augenhöhe bringen - was ja nun mal definitiv was anderes ist als die Augenhöhe, die du meinst; sonst wäre das ja bereits von Anfang an gegeben und müsste nicht hergestellt werden.

Naja, und ich denke schon, dass man das durchaus diskutieren darf, wenn es so betont wird.

Für mich persönlich heißt: "auf Augenhöhe" (s. Wikipedia), dass z.B. zwei 'Partner' gleichberechtigt sind, und zwar in jeglicher Hinsicht: Es gibt kein oben und kein unten, keinen Experten, keinen Höhergestellten. Mit den Umgangsformen hat das m.E. gar nichts zu tun: Gleichbereichtigte Menschen können sich 'auf Augenhöhe' ankot.zen; und ein Therapeut, Lehrer, Vater, kann respektvoll und achtsam mit seinem Gegenüber umgehen, obwohl er - vgl. das Couchsetting - definitiv 'höher' steht. Es kann heilsam sein, sich jemandem so hinzugeben in dem Vertrauen, gut behandelt zu werden (btw. "Behandlung" ist ja auch einseitig: Der Th. behandelt den Pat.).


LynnCard
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 47
Beiträge: 529

Beitrag Mi., 13.05.2015, 18:54

@leberblümchen

Also ich lese bei Wikipedia unter "Augenhöhe" nicht das, was Du hier erzählst, sondern z. B.
Der mündige Patient steht dem Arzt „auf gleicher Augenhöhe“ gegenüber.
LG Lynn

Werbung


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 13.05.2015, 19:04

Stimmt, Lynn, ich hatte mich 'aus Versehen' nur auf die politische Dimension bezogen, auf die Koalitionspartner, z.B.


LynnCard
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 47
Beiträge: 529

Beitrag Mi., 13.05.2015, 19:30

Ich hab jetzt nochmal nachgelesen, was Wandelröschen genau schrieb zum Thema "Augenhöhe". Danach testete sie ihren Thera dauernd, also war das vielleicht unbewusst auch ein solcher Test, ob der Ex-Thera sie wirklich "auf Augenhöhe" sieht, wie er bereits am Anfang der Therapie erklärte als Ziel. In diesem Kontext kann er nicht gemeint haben, dass sie nicht auf Augenhöhe wären, sonst hätte er das nicht schon am Anfang erwähnt als Ziel, nachdem sie offenbar von der Therapeutin davor arg in ihrem Selbstbewusstsein geschwächt wurde. Nachdem also dieses Gefühl, respektiert zu werden "auf gleicher Augenhöhe", sich bereits in den letzten Therapiestunden verfestigte, empfand sie es eben auch diesmal in ihrem Test-Modus, worunter der Therapeut offenbar sehr litt.

Wandelröschen ist eben kritisch, wenn das nicht Augenhöhe per exellence ist! Den Therapeuten hätte ich gerne gesehen, wie er "unter ihrem kritischem Auge" zappelte, damit er auch ja authentisch bleibe, sonst zuckt Wandelröschens Auge: "DAS war nicht echt!" - Wandelröschen, ich bin nicht anders! Dem Authentizitätscheck entgeht nichts!
LG Lynn


ziegenkind
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 3514

Beitrag Mi., 13.05.2015, 20:01

irgendwie macht die Diskussion hier auf mich ein bisschen den eindruck von gezerre um worte. Stichwort Augenhöhe. ich mag den ausduck nicht und würde andere Formulierungen verwenden. aber nach beenden einer Therapie passiert ja, wenn es gut läuft, wirklich etwas mit der Beziehung zwischen Therapeutin und Patientin. ich glaub, ich selber hab mich nie unterlegen gefühlt - intellektuell oder vom Status her oder was auch immer. aber ich war abhängig. ich brauchte meine Therapeutin auf eine ungeheuer existentielle art. außerdem war ich emotional verstrickt. beides ist jetzt definitiv vorbei. und genau das habe ich nach bei der ersten Begegnung vier Monate nach dem ende der Therapie gespürt. ich hab immer noch ein ungeheuer warmes und vertrautes gefühl für meine Therapeutin. aber ich ein blick, ein wort von ihr kann mich nicht mehr so verstören wie noch vor ein oder zwei jahren. und das ist ein ungeheuer beglückendes gefühl, auch und gerade, weil es emotional immer noch intensiv und berührend ist. nur anders. man könnte das mit Augenhöhe bezeichnen. man muss es nicht. aber man könnte.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

Benutzeravatar

Solage
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag Mi., 13.05.2015, 20:06

@LynnCard

Ist bei mir ähnlich. Scheint auch ein Therapieziel bei mir zu sein. Habe ja auch eine sehr destruktive Therapieerfahrung gemacht. Da gab es NIE Augenhöhe. Leider auch in manch anderen Beziehungserfahrungen.

Ich darf und soll immer wieder auch Kritik üben. Dass der Therapeut diese aushält und sich dann selbst hinterfragt.....ist für mich eine völlig neue Beziehungserfahrung. UND, ganz viel uuuund...die Kritik, die ich bis jetzt anbrachte, war berechtigt und er hat sich tatsächlich entschuldigt. Authentisch übrigens. Das spüre ich schon.
Es gibt allerdings insgesamt wenig zu meckern. Gut so.

Testen kenne ich auch!

@Wandelröschen
Finde schön, dass Ihr Euch auch nach der Therapie so gut begegnen konntet. Dass es hält!


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 13.05.2015, 20:45

Solage, ja, das kenne ich nun wiederum auch: dass in der zweiten Therapie noch mal eine korrigierende Erfahrung der ersten Therapie erfolgt... (also, je nachdem, was korrigiert werden soll). Und klar: Wenn in der ersten Beziehung von oben herab behandelt wurde, ist der Hinweis: "Hier läuft es anders" natürlich heilsam und erleichternd. Ansonsten kann ich mit diesem Begriff nichts anfangen. Ich denke, der ist immer nur relevant, wenn er sozusagen das Gegenteil von autoritärem Gehabe darstellen soll. Also, dass da etwas betont wird, was im Grunde genommen ja selbstverständlich ist, sein sollte: dass man so miteinander kommuniziert, dass der Schwächere nicht unterdrückt und benutzt wird, sondern dass er und das, was er sagt, wichtig ist.

Benutzeravatar

Solage
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag Mi., 13.05.2015, 21:03

Leberblümchen, mir hilft es einfach, dass ich ernsthaft das Gefühl habe, dass der jetzige Therapeut mir helfen möchte. Egal ob er irgendwas betont oder nicht. Völlig in Ordnung für mich, dass das therapeutische Intervention ist. So soll es auch sein! Das ist sein Job.
Es entlastet mich und hilft mir persönlich weiter.


mio
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 9268

Beitrag Mi., 13.05.2015, 21:11

Hallo Leberblümchen,

ich habe jetzt auch noch mal nachgelesen, um zu vermeiden, dass ich da irgendwas "überlesen" haben könnte. Und ich lese das einfach anders als Du, was ja ok ist, ich denke darüber sind wir uns soweit einig?

Das, was Du als "Aufstieg" wahrnimmst - und irgendwie misstrauisch zu beäugen scheinst deshalb - nehme ich einfach als gute Entwicklung wahr.

Meine Thera hat - gerade zu Anfang der Therapie - auch immer wieder betont, dass wir als gleichberechtigte Personen vorhanden sind und ich jedes Recht dieser Welt habe, Dinge abzulehnen, im Zweifel ohne Begründung den Raum verlassen kann und die Therapiestunde damit beenden so mir was zuviel werden sollte etc., gleichzeitig hat sie mir aber natürlich auch Dinge ganz klar "abverlangt", zB. die Zusage dass ich mit meinem recht desolaten Zustand zu Anfang der Therapie verantwortungsvoll umgehen werde. Für mich waren das klare Absprachen die die jeweiligen Verantwortungen dort beliesen, wo sie lagen. Das ist für mich zB. auch Augenhöhe.

Mir hat das gerade am Anfang geholfen, mich in der Therapie gut "aufgehoben" zu fühlen und mich aufgrund dessen auch immer weiter zu öffnen und ihr zu vertrauen. Für mich wurde der "Rahmen" so sicherer, da ich wusste, sie wird nichts tun - oder mir abverlangen - was ich als "schädlich" für mich empfinden könnte und wenn es doch aus Versehen passieren sollte, dann darf ich daraus jede für mich hilfreiche/nötige Konsequenz dieser Welt ziehen, sofern ich ihr damit nicht schade, ohne einen "Beziehungsabbruch" befürchten zu müssen.

Hätte diese Konsequenz irgendwann so ausgesehen, dass ich die Therapie hätte abbrechen wollen, hätte sie sich allerdings ein abschließendes Gespräch gewünscht, um zu klären, warum ich nur diese Möglichkeit sehe, mich selbst zu schützen und was therapeutisch schief gegangen wäre. Dies war allerdings nie der Fall.

Ich persönlich empfinde eine solche therapeutisch Haltung - und es ist wohl eine Haltungsfrage (meine arbeitet übrigens obwohl nicht VT sondern TPO unter anderem auch mit dem Model der Schematherapie, bzw. hat eine entsprechende Ausbildung) - als ausgesprochen angenehm und hilfreich. Wenn nicht sogar "unabdingbar" für mich.

Und mir ging es in Bezug auf das "Testen" auch ähnlich, wie Wandelröschen das beschreibt. Die wurde schon ganz schön auf "Authentizität" hin auseinandergenommen, die Arme ... Hätte ja sein können, dass sie uns doch zu "unterwerfen" versucht . Auch hat sie sich häufig als Privatperson/Mensch greifbar gemacht, was ich sehr schön fand.

Wenn Du da andere Wünsche an eine Therapie/ das therapeutische Setting hast, dann ist das doch in Ordnung. Menschen sind nunmal verschieden und ebenso verschieden wie die Menschen sind ihre "Störungsbilder" und das, was ihnen individuell helfen kann.

Was mich hier vielmehr iritriert sind die geäußerten "Zweifel" an Wandelröschens Authentizität bzw. der Authentizität ihres Theras bzw. der Beschreibung der Situation. Die verstehe ich einfach nicht so recht, da sie mir doch recht "gewollt konstruiert" und auch unnötig "misstrauisch" erscheinen. Zumal ich den Punkt, ob der Thera sich nun die Zeit bewusst freigeschaufelt hat oder es eben zufällig passte auch vollkommen unerheblich finde. Ist ja schließlich seine Sache und da er ja eine Woche "Vorlauf" hatte, hätte er dies in der Tat tun können ohne einen anderen Patienten automatisch zu vernachlässigen. Wäre ich Wandelröschen, so würde ich mich da auch - sollte es so gewesen sein - einfach drüber freuen, da es mir zeigen würde, dass ich ihm tatsächlich wichtig bin. Ist doch was schönes und nix wofür man sich schämen müsste!

Dass Wandelröschen das Risiko eingehen konnte, dass es vielleicht gerade doch nicht so gut passt und nur ein kurzer Moment zum "Hallo" sagen (oder vielleicht auch gar keiner, er hätte ja auch im Urlaub sein können) bleiben könnte, finde ich einfach nur mutig und es zeugt von einer großen inneren Gelassenheit und einer wirklich guten Entwicklung, wie ich finde.

Um nochmal kurz auf die Augenhöhe zurückzukommen, so bin ich der Meinung das diese im Grunde "aus uns selbst" erwächst, nicht aus anderen. Und vielleicht ist genau das das Problem, das manche hier mit diesem "Begriff" - noch - haben, weil sie in so einer Art: Das muss mir der andere "geben", diese Augenhöhe, festhängen?

Ich würde zB. auch nicht sagen, dass meine Thera mich "behandelt" sondern eher, dass wir miteinander arbeiten. Sie ist ja kein Chirurg, der mir mal eben einen entzündeten Blinddarm rausoperiern kann, wäre ja vielleicht ganz nett, funktioniert so aber eben nicht.

Lieben Gruss,

mio


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 13.05.2015, 21:36

Ich verstehe halt nicht, wieso du selbstverständliche Dinge in einer Therapie als 'Augenhöhe' bezeichnest: Natürlich darf der Patient die Stunde abrupt beenden. Wer sollte ihn festhalten? (edit: Das bedeutet dann aber - wenn man die Augenhöhe benutzen mag -, dass auch der Therapeut das Recht hätte zu sagen: "Für heute hab ich die Schnau.ze voll von Ihnen. Da ist die Tür")Ich würde gar nicht auf die Idee kommen, daraus abzuleiten: "Mein Therapeut behandelt mich auf Augenhöhe; ich darf jederzeit gehen oder widersprechen". Das ist ein Recht, das er dir nicht gewähren muss; das ist einfach so da (mag natürlich sein, dass es Patienten gibt, die das so aus ihrer eigenen Biographie nicht kennen lernen durften).

Im therapeutischen Kontext wäre ein - theoretisches - Behandeln auf Augenhöhe für mich so: Der Patient kann z.B. kurz vor Stundenbeginn absagen, ohne ein Ausfallhonorar zahlen zu müssen (ich selbst muss bei beiden keines zahlen, aber das ist wohl die Ausnahme); Patient und Therapeut haben dieselben Rechte, d.h., der Therapeut macht sich keine 'geheimnisvollen' Notizen (denn das würdest du ja in Privatbeziehungen auch nicht im Gespräch tun); der Therapeut diagnostiziert nicht, denn damit würde er vorgeben, in dieser Hinsicht überlegen zu sein, und das wäre ja 'von oben' diagnostiziert (und schon hier merkt man, dass Augenhöhe nicht funktioniert, da dem Patienten das Wissen und die Erfahrung fehlt; das funktioniert ja nicht einmal in einer Lehranalyse!)); der Patient darf sich auch zwischen den Stunden jederzeit melden, um mal zu reden, wenn ihm danach ist (wer sollte das in einer gleichberechtigten Beziehung verbieten?); die Couch wird rausgeschmissen; die Stunden dauern so lange, wie beide das wollen; etwa so wie bei einer Verabredung: wenn man fertig ist, beendet man das Treffen, egal, ob nach einer halben Stunde oder nach zwei Stunden - alles andere würde ja 'Macht von oben' bedeuten; der Patient schaut selbstverständlich jederzeit auf die Uhr, um die Kontrolle nicht abzugeben; der Patient verhandelt über das Honorar (schließlich ist er ja nicht von einem bestimmten Therapeuten abhängig - freier Wettbewerb); er selbst ist in der Lage, einen Antrag bei der Kasse zu stellen (offenbar ist er ja hinreichend informiert und aufgeklärt) und bespricht (vorher!) das Gutachten mit dem Therapeuten (denn dieser soll ja nicht ÜBER den Patienten schreiben); der Therapeut deutet nicht die Aussagen oder das Verhalten des Patienten; er macht ihm nicht das Unbewusste zugänglich, denn das wäre ja übergriffig und ebenfalls von oben herab; wenn der Patient sich für das Privatleben des Therapeuten interessiert, werden Fragen selbstverständlich lückenlos beantwortet (warum auch nicht? Schließlich begegnet man sich ja auf Augenhöhe).

All das macht doch irgendwie deutlich, dass wirkliche Augenhöhe nicht funktioniert; nochmal: M.E. ist das einfach ein Gemeinplatz, der ausdrücken soll: "Keine Angst, von mir droht keine Gefahr".


mio
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 9268

Beitrag Mi., 13.05.2015, 22:16

Hallo Leberblümchen,

darf ich Dich an dieser Stelle fragen weshalb Du Therapie machst - so Du dies tust - und was Deine Ziele in selbiger sind?
leberblümchen hat geschrieben:Ich verstehe halt nicht, wieso du selbstverständliche Dinge in einer Therapie als 'Augenhöhe' bezeichnest:

All das macht doch irgendwie deutlich, dass wirkliche Augenhöhe nicht funktioniert; nochmal: M.E. ist das einfach ein Gemeinplatz, der ausdrücken soll: "Keine Angst, von mir droht keine Gefahr".
Ich habe in meinem Leben tatsächlich die Erfahrung machen müssen, dass nicht alle Menschen die mir begegnet sind meine aus mir heraus so empfundenen Augenhöhe automatisch "achten", wäre dies so, so würde ich wohl keine Therapie benötigen.
Diese Erfahrungen sind in mir "verkörpert" und um mit diesen - neu, anders - umgehen zu lernen bzw. sie überhaupt ersteinmal zu verstehen, mache ich Therapie.

Für mich ist Augenhöhe kein Gemeinplatz, der mir immer und zu jeder Zeit "geschenkt" wird, sondern ich habe gelernt, dass ich meine Augenhöhe (meine persönliche Integrität) bisweilen besser "verteidige", so dies nötig werden sollte. Das heisst nun nicht, dass dies ständig nötig wäre, aber manchmal ist das nunmal so und da bin ich dann gerne gewappnet.

Wenn meine Thera mir also versichert: Keine Angst, von mir droht keine Gefahr, so finde ich daran nichts verwerfliches. Wenn sie es mir dann auch noch "beweisst", um so besser.

Das eine (die Augenhöhe) kommt aus mir selbst. Das andere (die Missachtung dieser Augenhöhe) kommt/kam von außen.

Dieser Spagat ist es, in dem ich mich therapeutisch "bewege", das mag bei Dir anders sein, weshalb Dir vielleicht auch andere Dinge helfen.

Mein "Ziel" heute ist es, meine eigene "Augenhöhe" selbstbestimmter verteidigen zu können ohne in irgendwelche "Automatismen" zu verfallen, die mir dabei im Weg stehen. Und diese "Automatismen" bearbeite ich sozusagen mit Hilfe meiner Therapeutin. Würde diese sich nun "Automatismusauslösend" verhalten, dann würde das nicht funktionieren. Und ich die Therapie wahrscheinlich aus Gründen des Selbstschutzes/mangelnder Effektivität für mich irgendwann abbrechen.

Ich bin ja nicht zu so einer Art "DuzziDuz" in Therapie, auch nicht, damit mir endlich mal wer zuhört oder sich endlich mal wer kümmert, sondern ich habe ein konkretes Problem, welches ich lösen/bearbeiten will. Und um dieses bearbeiten zu können, brauche ich bestimmte Rahmenbedingungen.

Dass sich meine Thera Notizen macht - und sie macht sich verdammt viele! - finde ich nur logisch. Die Frau sieht 50 verschiedene Menschen im Monat, soll die sich das alles merken, was jeder einzelne ihr erzählt? Fände ich eine ziemlich vermessene Erwartung. Die macht doch nur ihren Job und genau das will ich ja auch.

Es ist ja nicht so, dass ich da hingehe, weil meine Thera das will oder braucht, sondern weil ich das will bzw. brauche. Das ist doch meine freie Entscheidung, mich in diesen "Rahmen" zu begeben. Ich will einfach nur dass der Rahmen für mich möglichst gut passt, damit ich möglichst effektiv an/mit "mir" arbeiten kann.

Sorry, aber ich finde Deine Vorstellungen in Bezug auf "theoretisches Behandeln auf Augenhöhe" wirklichkeitsfremd und auch recht "kindlich". Wenn Du das so siehst, dann verstehe ich jetzt, warum Dein Therapeut Dich sich erstmal "unterordnen" muss, um überhaupt mit Dir arbeiten zu können.

Lieben Gruss,

mio
Zuletzt geändert von mio am Mi., 13.05.2015, 22:19, insgesamt 1-mal geändert.


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 13.05.2015, 22:17

Ich konnte es mir nicht verkneifen und hab es mal als Suchbegriff eingegeben: "Therapie auf Augenhöhe" - Google spuckt auf S.1 ausnahmslos Heilpraktiker aus. Die Patienten werden "da abgeholt, wo sie stehen".


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 13.05.2015, 22:23

Wenn Du das so siehst, dann verstehe ich jetzt, warum Dein Therapeut Dich sich erstmal "unterordnen" muss, um überhaupt mit Dir arbeiten zu können.
Nein, ich fürchte, du hast nicht so viel verstanden. Es geht nicht um "jemanden unterordnen" (vielleicht mal als Einführung analytische Literatur lesen?). Und es ist auch nicht verwerflich, dass die Th. dir versichert, dass keine Gefahr droht. Nur 'Augenhöhe' ist es halt nicht - aus den oben zitierten Gründen.
darf ich Dich an dieser Stelle fragen weshalb Du Therapie machst - so Du dies tust - und was Deine Ziele in selbiger sind?
Fragen darfst du, nur antworten werde ich nicht, weil ich glaube, dass du das nicht verstehen würdest. Ich glaube auch, dass wir das hier beenden können; die Dinge werden ja nicht verständlicher, indem man sie 20x wiederholt, und von Wandelröschen ist hier schon lange nicht mehr die Rede.

Meine Ausführungen zum Thema 'Augenhöhe in der Therapie und warum ich nichts davon halte' dürften jetzt bekannt sein

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag