analytische Therapie im Alter 50+

Hier können Sie Ihre Fragen rund um die Rahmenbedingungen von Psychotherapie (Methoden, Ablauf usw.) anbringen.

leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:56

stern: Ich hab es oben noch mal ergänzt: Es muss ja auch etwas ausgesagt werden. Dazu reicht es nicht, ein bloßes Regelwerk parat zu haben, sondern die sprachliche Äußerung muss auch an Inhalte gekoppelt sein. Und nur irgendwas zu fühlen, ohne es dem Anderen mitteilen zu können, bringt auch nicht weiter. Und nein, ich bin nicht der Ansicht, dass besonders viele Menschen gut darin sind, ihr inneres Erleben mitzuteilen.

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montagne
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:00

@titus: Es kommt eben drauf an, WIE eine Therapie, egal nun ob PA oder humanistisch oder VT ausgestaltet wird.
Was glaubst du, wie gut ein 10jähriges, schwer depriviertes, bindunsggestörtes Kind sich ausdrücken und reflektieren kann? Trotzdem wird mit solchen Kindern auch erfolgreich Analyse gemacht.
Und glaubst du ein Mensch mit nem IQ von 60-80 kann sich gewählt und hochgestochen ausdrücken? Auch mit diesen Menschen wird PA gemacht. Jede Patientengruppe hat ihre Schwierigkeiten. Es ist der Narzißmus, der darüber entscheidet, wer auf die Couch gelassen wird.


Weil es ums fühlen geht. Und jeder Mensch hat Gefühle, ob er die nun wahrnimmt oder nicht, ist egal, aber er hat sie und das ist die einzige Voraussetzung.

Ich denke eh, das die Theorien und die Sprache nur Krücken und gleichzeitig Abwehr im Gefühlsausdruck sind. Man braucht es, weil man nicht genug Vertrauen in die eigene Ausdrucksfähigkeit hat und nicht genug Vertrauen in die eigene Empathie und Verstehensfähigkeit, nicht genug Selbstsicherheit. Da stützt man sich mit mächtig vielen Worten. Und vor allem mit Theorien von Menschen, die man für wichtig hält, Autoritäten halt. Ist aber wieder ein anderes Thema.

Ich finde das okay und legitim.
Nur was passiert, wenn man dem, was eigentlich eine Schwäche ist, den Nimbus von etwas elitärem, höherwertigen gibt? Man legt sich selbst Steine in den Weg AUCH andere Wege zu probieren, sich und sein Spektrum zu erweitern. Sowohl als Klient, als auch als Therapeut.
amor fati

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hopelife
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:05

Was glaubst du, wie gut ein 10jähriges, schwer depriviertes, bindunsggestörtes Kind sich ausdrücken und reflektieren kann? Trotzdem wird mit solchen Kindern auch erfolgreich Analyse gemacht.
Und glaubst du ein Mensch mit nem IQ von 60-80 kann sich gewählt und hochgestochen ausdrücken? Auch mit diesen Menschen wird PA gemacht. Jede Patientengruppe hat ihre Schwierigkeiten. Es ist der Narzißmus, der darüber entscheidet, wer auf die Couch gelassen wird.
Das stimmt sicher, gehört aber nicht zur klassischen Analyse.


Und der Therapeut hat vielleicht auch einen anderen Schwerpunkt,kennt sich mit Behinderungen aus

Mit Narzismus hat das nicht soviel zu tun, denke ich. Sicherlich gibt es auch Ausnahmen, wenn
der Thera kein Potenzial zur Entwicklung sieht. Und so schnell kann der Thera den IQ ja nicht messen natürlich ein Urteil bilden über den Pat.
kommt vielleicht auch ein wenig auf die Sympathie an und weniger auf den Narzismus.
Zuletzt geändert von hopelife am Do., 08.08.2013, 11:13, insgesamt 2-mal geändert.
es wäre heute nicht so wie es ist,
wäre es damals nichts gewesen wie es war!

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stern
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:08

titus2 hat geschrieben:Und nein, ich bin nicht der Ansicht, dass besonders viele Menschen gut darin sind, ihr inneres Erleben mitzuteilen.
Dafür ist aber doch Therapie auch da, das ggf. zu lernen.

Klar hat der Optimal-Patient bereits alle Fähigkeiten.

Und es soll durchaus Therapeuten geben, die lieber die "jung-dynamisch-erfolgreich-und möglichst heile" Zielgruppe wählen.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
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leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:09

Montagne: Ich würde unterscheiden zwischen 'Theorien' und 'Sprache'. Sprache ist ein Medium des persönlichen Ausdrucks. Ich kann z.B. nicht tanzen und malen, dafür kann ich gut sprechen. Somit bin ich in einer Analyse besser aufgehoben als in einer Mal- oder Tanz-Therapie, wo ich blockieren würde. Andere können besonders gut malen und haben sich auf diese Art schon ganz neue Wege erschlossen. Die reden aber womöglich nicht so gerne. Müssen die nun auf die Couch? Geht es denn darum, dass möglichst viele Leute eine Analyse machen? Ich denke nicht. Ich denke, es ist völlig wurscht, was man macht, solange es hilft.

Nur eine Analyse IST eben kein Malen und kein Tanzen. Und so, wie sich dort Patienten finden, die für sich entschieden haben, es mal mit 'Reden' zu versuchen, sitzt hinter der Couch jemand, der dieses Medium für sich und seine Arbeit gewählt hat, weil es für ihn passend ist. Das ist nicht besser oder schlechter als etwas anderes; nur passen muss es.

Und wenn es Analytiker gibt, die mehr mit dem Körper arbeiten oder mit anderen Ausdrucksformen, dann ist das doch gut. Aber das trifft halt nicht auf jeden zu, und ich denke nicht, dass das an einem Dünkel liegt.

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stern
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:14

Dass man einigermaßen der deutschen Sprache mächtig ist, langt aus.

Und es ist im übrigen ein Gerücht, dass man in einer Gestaltungstherapie besonders gut malen muss (und geredet wird da natürlich auch).

In Analogie zu ziegenkind kann das eher ein Hindernis sein . Nämlich dann, wenn man anfängt auch auf den künstlerischen Anspruch zu achten, um die es ausgesprochen nicht geht.
Liebe Grüße
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hopelife
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:17

Dass man einigermaßen der deutschen Sprache mächtig ist, langt aus.
ich glaube auch, dass es auf das Gegenüber ankommt, ob ich mir vorstellen kann mit dem Pat zu arbeiten.
Das spürt man ja auch in einem Gespräch mit dem Patienten.
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montagne
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:20

@hope: Wie mans nimmt.... viele AnalytikerInnen, die äußerst signifikant zur analytischen Theoriebildung beigetragen haben, haben mit Kindern gearbeitet und ihre Erkenntnisse daraus gewonnen: Anna Freud, Melanie Klein, Margaret Mahler, Alfred Adler, Winnicott.
Das sind nach Freud, die inszwischen Klassiker, ohne die es PA heute nicht geben würde, ohne die man heute nicht das wüsste oder glaubt zu wissen, was man weiß. Und sie haben alle hauptsächlich mit Kindern und einige auch mit sozial sehr schwachen und deprivierten gearbeitet.
So viel mal dazu.

Aber ich weiß, das diese Vorurteile über PA nicht so einfach aufhören erden, was in der Eigenlogik von jeglichem Vorurteil liegt. Vor-Urtiel. Man weiß schon bescheid, bevor man was weiß. Und so bleibt es dabei, dass einem ein Teil der Realität unzugänglich bleibt.


@titus: verdrehe mir doch nicht schon wieder die Worte. Ich schrieb nicht, das jeder PAler das kann und muss und auch nicht das jeder auf die Couch muss oder will. das will auch nicht jeder und das hat nicht unbedingt die Gründe, das er nicht so gründlich mit sich arbeiten will.

DEINE Analyse funktioniert ohne Malen und Tanzen. Gilt aber nicht für alle Analysen. Weil es eben darauf ankommt, WIE es getaltet wird und das kann vielfältig sein. Es geht um realistische Möglichkeiten, die leider nicht ausgeschöpft werden.


Und nochwas:

Wie schlau ist es, mit seiner Intelligenz und Sprachgewandheit den Therapeuten, PAler oder schlicht Gesprächspartner auszuhebeln, statt den Dialog zu stärken?
Das ist wie jemand mit nem starken Arm und nem großen Hammer, der anderen und sich auf die Daumen haut, statt damit ein Haus zu bauen. Klingt für mich nicht sehr intelligent.
amor fati


leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:21

stern, genau das meine ich: Man muss kein Maler sein, um eine Maltherapie zu machen. Und man muss auch nicht diesen Anspruch an sich haben. Aber man muss einen Zugang zum Malen haben, irgendeinen Bezug. Wenn man sich dagegen wehrt, indem man sagt: "Ich kann das nicht", dann funktioniert es nicht.

Beim Reden ist es auch so. Es reicht natürlich nicht - bzw. es ist iim Grunde genommen völlig irrelevant -, die deutsche Sprache zu beherrschen, um bei einem deutschen Muttersprachler eine Analyse zu machen. Es geht um den Austausch an sich, nicht um seine Verpackung. Die Verpackung muss auch nicht schön sein. Sie interessiert nicht. Aber ich muss etwas zu sagen haben, mich mit Sprache ausdrücken können, besser noch: mich der Sprache bedienen können, mit ihr spielen können (auch nicht von mir; irgendwo gelesen).


leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:25

DEINE Analyse funktioniert ohne Malen und Tanzen. Gilt aber nicht für alle Analysen. Weil es eben darauf ankommt, WIE es getaltet wird und das kann vielfältig sein.
Stimmt so nicht, denn üblicherweise wird in einer pa Therapie nicht gemalt und getanzt. Es sei denn, es handelt sich um ein 'spezielles' Angebot. So, wie nicht jeder Medizinier homöopathisch arbeitet. Das gibt es, aber es ist nicht die Regel.

Und was für dich intelligent 'klingt', ist ja nicht so sehr die Frage: Intelligenz kann man messen. Da kannst du dann hinterher sagen: "Das ist aber gar nicht intelligent", aber wenn einer einen IQ von 145 hat, dann wird er schon intelligent sein. Hohe Intelligenz jedoch ist nicht immer ein Segen; das ist das Problem. Deshalb denken einige Leute dann, der Andere sei ja gar nicht intelligent, nur weil er 'schwierig' oder nervig ist.


ziegenkind
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:30

verwegene these: in einer guten analyse erfinden analytiker und analysand die sprache neu. sie teilen ein wissen um die bedeutung der in der dyade besonders häufig verwendeten worte. ich hab so ein schatzkäschen solcher worte und kurzer redewendungen. würde einer von außen nicht verstehen. wir schon.

noch eine these: gefühle ausdrücken scheitert öfter an gefühlen (wie z.B. scham) als an einem mangel an worten, öfter an einem "ich kann das wort nicht sagen" als an einem "ich find das richtige wort nicht". viele worten können einem beim rumschleichen um gefühle helfen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


montagne
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:34

Derjenige, der mit seiner Intelligenz den anderen aushebelt, ist danach immer noch genau so intelligent (aber auch genauso unglücklich, tief in sich drin, meine Hypothese), selbstverständlich. Trotzdem ist es irgendwo eine Dummheit, ein mächtiges Werkzeug, dass man besitzt, sei es ein funktionierendes Hirn oder einen starken Arm, dazu zu benutzt kaputt zu machen, statt was konstruktives zu bauen.


Und nein, DIE Intelligenz kann man nicht messen, es gibt sie nicht. Es gibt nur Konstrukte, mit denen man versucht zu fassen, was Denken ausmacht. Konstrukte sind Krücken.
Und auf enen aufbauend gibt es IQ-Tests, die dann genormt werden. Aber je nach Vergleichnorm und je nach Test und je nach Tagesverfassung kommt was ziemlich anderes raus. IQ ist nur eine gemachte Skala und nichts was wirklich existiert. Man kann und tut es auch, es ebenso in T-Werten oder Standardabeichungen ausdrücken oder sich weiß ich was für ne Skala basteln..
amor fati


leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:39

Dennoch haben IQ-Tests eine gewisse Gültigkeit. Das kann man kritisieren, und man kann auch kritisieren, dass evtl. das Falsche gemessen wird, aber jemand, der bei einem IQ-Test einen hohen Wert erzielt, ist sehr intelligent. Denn die Dinger testen nicht 'zu hoch', höchstens umgekehrt.

Es ist auch keine 'Dummheit', wenn man seine Intelligenz nicht immer so gut einsetzen kann, dass etwas Gutes entsteht. Was soll das sein - Dummheit? Es ist, wie es ist. Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen, und mich erstaunt, dass in solchen Diskussionen immer so leicht die Bewertungskeule geschwungen wird.


Widow
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Beitrag Do., 08.08.2013, 11:40

Dass man Intelligenz messen könne und sie damit bewiesener Maßen vorhanden sei, das zeugt von des Menschen umfänglicher Intelligenz, sich auf eine natur"wissenschaftlich" durchmetrisierte "Welt" eingelassen zu haben - und dabei zu verkennen, dass auch die nur ein selbstgebasteltes Konstrukt ist.

Es gibt Völker, die kennen 34 Wörter für "Grün", die alle etwas fundamental anderes bezeichnen (also nicht nur sowas wie "dunkel-, hell-, gelb- oder braungrün", sondern eher so etwas wie "grün", "rund", "hart" etc. - "rund" und "hart" aber gibt's in diesen Sprachen auch), und andere, die kennen etliche Wörter für "Schnee". "Gibt" es nun all das, das wir nicht kennen (und schon gar nicht zu messen imstande sind)?

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Maika
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Beitrag Do., 08.08.2013, 12:08

titus2 hat geschrieben:stern, genau das meine ich: Man muss kein Maler sein, um eine Maltherapie zu machen. Und man muss auch nicht diesen Anspruch an sich haben. Aber man muss einen Zugang zum Malen haben, irgendeinen Bezug. Wenn man sich dagegen wehrt, indem man sagt: "Ich kann das nicht", dann funktioniert es nicht.
Kann ich nicht bestätigen, ich habe genau die gegenteilige Erfahrung gemacht. Dass eine Technik therapiemäßig am allerbesten funktioniert hat, zu der ich null Zugang und null Fähigkeiten habe/hatte und die ich total bescheuert fand.

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