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Mo., 09.07.2012, 15:34
Ihr Lieben,
nach hoffentlich nicht allzu flüchtigem Lesen (hier steht eine ganze Menge, man verpasst echt viel vom Internet, wenn man das ganze Wochenende im Leben herumhängt)
die laufende Analyse ist meine erste Therapie, also richtet sich strenggenommen die Frage nicht einmal an mich
Anmerkungen habe ich doch:
I.
Ich phantasiere manchmal davon, wie es wäre, mit einem anderen Analytiker oder einer anderen Analytikerin weiterzuarbeiten. Würde sich das ganz anders anfühlen? Kämen andere Seiten meiner Persönlichkeit zum Vorschein? Schwömmen andere Themen dann oben? Wie wäre es, mich einem anderen Verständnis oder einer anderen Praxis von Psychoanalyse gegenüber zu finden?
Es gibt Dinge, die ich in dieser meiner Analyse nicht erleben oder in Erfahrung bringen werde und das liegt auch an der Persönlichkeit des Analytikers. Die Art, die Konfiguration meines Gegenübers prägt die Situation ganz deutlich - manchmal finde ich diesen Gedanken erschreckend, obwohl mir klar ist, dass es gar nicht anders geht.
Die Frage, ob diese eine Therapie, dieser eine Therapeut für mich reiche, finde ich ganz folgerichtig, eigentlich sogar unvermeidbar, wenn man (Zwischen-)Bilanz zieht.
Widow, verharmlose ich damit Deine Frage?
II.
Irgendjemand in diesem Forum hat mal ungefähr geschrieben: Ich mache es selbst, aber nicht alleine.
Will sagen, ich habe nicht aufgehört, selbst über mich nachzudenken, ich tue es nur nicht alleine. Zudem habe ich nicht den Eindruck, Kompetenzen (Selbstreflexion, Selbstfürsorge etc.) an den Analytiker abgegeben zu haben. Dieser zweite Blick, samt anderer Erfahrung und Fachwissen, ergänzt, modifiziert, hinterfragt, bestätigt, bereichert mein Wissen/Denken über mich.
Mit meiner Denk-, sogar Analysefähigkeit bin ich eigentlich ganz zufrieden, aber ein Gegenüber ermöglicht es mir, damit ein wenig über mich hinauszugehen. Das ist im Analysezimmer nicht anders als in anderen wesentlichen Gesprächen.
Wegen seines spezifischen Blickwinkels, der wohlwollenden Grundhaltung, des Nichtneurotischen und wegen der Fähigkeit, seine Gegenübertragung zu reflektieren, werde ich meinen Analytiker als Gesprächspartner vermissen, selbst wenn ich mich nach dem Ablauf der Stunden als geheilt betrachten sollte.
Ich glaube nicht, dass man alles alleine können muss.
Auch bei Dingen, die ich selbst gut kann, genieße ich den Austausch mit anderen.
Wie einige andere hier bin ich der Meinung, dass selbst für sich zu sorgen durchaus einschließt, andere um Rat oder Hilfe zu bitten.
III.
Als - trotz des oben Gesagten - hartnäckiger Autonomiefan, kann ich mir so etwas wie einen Gewöhnungseffekt oder auch zuviel Beschäftigung mit sich selbst kaum vorstellen. Im Gegenteil neige ich dazu, solche Warnungen auf ihren Gehalt an Polemik zu befragen. Den Vorwurf „du denkst zuviel“ hört man ja oft schon bei der ersten unbequemen oder unkonventionellen Überlegung.
Aber zugegeben, ich glaube nicht, dass man sich selbst findet, wenn man nur nach innen schaut. Und wenn ich an eine Bekannte denke, die sehr viele Wochenenden in Workshops verbringt, die der Persönlichkeitsentwicklung dienen sollen, überlege ich schon, ob sie nicht noch immer die idealisierten Elternfiguren suche oder einfach von Charakter her ein „dependenter Typus“ sei.
Vielleicht liegt es gar nicht so sehr an den seelsorgerischen Angeboten als vielmehr an der Persönlichkeit, ob man lieber „abhängig“ oder lieber „autonom“ ist bzw. was davon man mehr fürchtet. Süchtigen Gebrauch kann man, wie es mir vorkommt, von allem machen, von Therapie, Religion, Büchern, sogar vom Alleinsein.
Meinen Gruß an die Runde
Rabe