Warum findet die Psychoanalyse im Liegen statt?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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carö
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 11:33

stern, was du verlinkt hast... das war eine userin, die das geschrieben hat, nicht herr fellner. ich hätte es zB in einigen punkten sehr anders geschrieben... da sieht man mal wieder wie unterschiedlich geprägt die erfahrungen darüber sein können. diese userin hat auch ihre analyse soweit ich weiss im sitzen gemacht, das ist einfach ne andere erfahrungsperspektive.
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 11:43

Hallo carö,
carö hat geschrieben: mich würde der hintergrund deiner frage nach dem liegen interessieren, wenn du eine VT machst und das liegen für dich kontraindiziert ist. dann steht das liegen für dich ja gar nicht zur debatte, oder ? … hast du angst was zu "verpassen"? oder willst du bestätigung, dass es schon ok ist, so wie du es machst ?
Es ist genau so, wie Stern schreibt. Nur weil etwas momentan für mich nicht in Frage kommt, kann ich mich doch trotzdem dafür interessieren.

Ich habe keineswegs Angst, irgend etwas zu „verpassen“. Aber nur, wenn man beide Seiten einer Medaille kennt, kann man sich doch nur wirklich entscheiden, bzw. das passende aussuchen. Es gibt immer wieder Momente im Leben, wo ich diese Entscheidungsfreiheit nicht habe, wo vielleicht andere mir Wege vorgeben und ich nur diesen Weg kenne, aber sobald ich auf meinen Lebensweg wieder die Eigenverantwortung übernehmen kann, möchte ich persönlich auch verifizieren können, ob eingeschlagene Wege die besten/richtigen/effektivsten … waren, oder ob es nicht noch andere geeignete Möglichkeiten gibt. Dazu brauche ich dann vielerlei Infos. Und jetzt, wo ich wieder klarer sehe, ziemlich stabil bin, meine Therapie Erfolge bringt, mich voran führt, bin ich dazu auch in der Lage, mich mit andere Möglichkeiten, die mich interessieren, zu beschäftigen. Auch wenn ich inzwischen selber zu der Erkenntnis gekommen bin, dass Liegen für mich momentan nichts ist (weil Liegen alleine schon Trigger ist), heißt das ja nicht, dass das bis zum St. Nimmerleinstag so bleiben muss.

Ich bin halt jemand, der manchmal auch kopflastig ist, viel wissen will/muss und auch infrage stellt/kritisch beäugt, für den Sachen, die „halt immer schon so waren“, keine Dogmen, Glaubensgrundsätze und Unantastbarkeiten sind. Ich will nicht Sachen (ungefragt) übernehmen oder machen oder mir aufdrängen lassen, nur weil sie immer schon so waren oder sie dazu gehören.
Und da Therapie momentan für mich ein großes Thema ist, es verschiedene Arten gibt und verschiedene Arten des Settings gibt, stellt sich mir die Frage nach den Vor- und Nachteilen sowohl für den Patienten als auch für den Thera. Und natürlich auch, woher diese verschiedene Arten kommen. Warum also Freud und viele seiner Anhänger die Patienten lieber im Liegen therapieren. Ob es also rein wissenschaftliche/medizinische Gründe dafür gibt, oder ob nicht vielleicht auch viele ganz persönliche Gründe dahinter stehen, oder gesellschaftliche/politische/ökonomische … . Und wenn es z.B. aus der Entstehungsgeschichte her überwiegend z.B. persönliche oder gesellschaftliche Gründe waren (z.B. Stellung der Frau, Machtverhältnisse), möchte ich sowas auch beim Namen nennen können/dürfen und nicht stillschweigend einfach „aus Tradition“ übernehmen. Denn ich lebe jetzt in einer anderen Gesellschaft.
Gruß
Wandelröschen

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stern
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 11:49

carö hat geschrieben:stern, was du verlinkt hast... das war eine userin, die das geschrieben hat, nicht herr fellner.
Ui... dann danke für den Hinweis und sorry, ging davon aus, dass das Hr. Fellner selbst geschrieben hat (was natürliches nicht heißt, dass es dadurch eine richtigere Ansicht wäre ... denke eher wie du: Erfahrungen können unterschiedlich sein). Jedoch kann ich mir vorstellen, dass es Theras gibt, die arbeiten klassischer (und bestehen evtl. auch stärker aufs Liegen)... und welche, die modifizerter vorgehen.



Und nochmals Punkt unterschiedliche Erfahrungen:
biber hat geschrieben:Dass es gerade durch den Wegfall des Blickkontakts meinerseits an Intensität gewinnt und auch, dass ich es ansprechen könnte, was mir beim Liegen nicht behagt, aber bisher waren andere Sachen immer dringlicher.
*hüstel* Ausgesprochen den Blickkontakt würde ich (nur meine Erfahrung) nicht von Sitz- oder Liegepostion abhängig machen (außer insofern: Im Liegen kann man den nur umständlich herstellen, außer Thera platziert sich eher seitlich). Denn auch im Sitzen kann man den Blickkontakt prächtig entziehen *hüstel*... dazu meine Erfahrungen: Meine Thera meinte schon mal dazu (das sehe ich auch so.. wobei Blick natürlich nur ein Kanal ist bzw. auch ein Kanal), dass ich mir damit auch viel an Reaktion/Erfahrung nehme... plus der Punkt (wo es wieder kritischer werden kann): Wenn man zu sehr in sich versinkt, weil fehlender Blickkontakt die Innenschau erleichtern kann (... und ja, das sehe ich auch so, dass ich dann auf mich fokussierter bin, wenn ich den Blick vom Thera abwende: das kann für manche von Vorteil sein, die eher schwerer an manches rankommen bzw. durch Blickkontakt abgelenkter sind, etc.... aber es kann eben auch destruktive Prozesse ungemein begünstigen, die Thera dann zum "flippen" bringen).
Zuletzt geändert von stern am Mo., 23.04.2012, 11:57, insgesamt 1-mal geändert.
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pandas
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 11:56

@ stern

Jaaa, das war bei mir im sitzen auch so, ich habe nicht ständig den blickkontakt gesucht. Ich habe da sowieso leider meine Schwierigkeiten, auch im Real, so ganz normal Blickkontakte zu halten.
Ich dachte ja erst, ich könne das in der Therapie auch üben, aber das ist wohl schon eher unsinnig, denn eigentlich geht´s da doch um wichtigeres.
Aber auf jeden Fall ist es im Sitzen so, dass man frei wählen kann, wenn man den Thera anschaut, also wenn es intensiv wird oder so, zack.
Und das geht im Liegen halt nicht. Der plötzliche Blickkontakt wäre da vermutlich eine Ablenkung aus dem Prozess.
Und wie gesagt, ein PA´ler möchte in so momenten vielleicht auch mal kurz unbeobachtet überlegen
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Tristezza
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 12:18

biber hat geschrieben:Und wie gesagt, ein PA´ler möchte in so momenten vielleicht auch mal kurz unbeobachtet überlegen
Oder auch lang ... (bin gerade etwas sauer über das ausdauernde Schweigen meiner Analytikerin hinter der Couch, wie ich in meinem Blog geschrieben habe). Manchmal spüre ich dann trotzdem eine Verbindung zwischen uns, öfter aber auch nicht.

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carö
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 12:22

Wandelröschen hat geschrieben:Auch wenn ich inzwischen selber zu der Erkenntnis gekommen bin, dass Liegen für mich momentan nichts ist (weil Liegen alleine schon Trigger ist), heißt das ja nicht, dass das bis zum St. Nimmerleinstag so bleiben muss.
ja klar, ich kann schon verstehen, dass man sich dafür auch interessiert. dann ist es ja doch irgendwo auch relevant für dich. wenn es evtl auch in fernerer zukunft liegt und es dann uU eine ganz andere situation für dich sein wird. ich bin da vielleicht einfach an der stelle anders "gestrickt".

ich habe u.a. auch deswegen danach gefragt, weil ich mir etwas komisch vorkomme so als "studienobjekt", so ein bisschen beäugt, wenn da gar kein persönlicher austausch oder kein persönliches interesse dran ist. ich weiss nicht, ob du das nachvollziehen kannst.
ich schreibe trotzdem gerne von meinen persönlichen erfahrungen, weil ich gerne leuten auch mut machen möchte, die sich selbst gerade damit auseinandersetzen. die seite der sorge, der angst, der gefahr, der vorsicht und des misstrauens ist ja sehr stark repräsentiert - auch hier. und sicher auch nicht aus den augen zu verlieren. aber es gibt eben auch die positiven seiten.
allerdings ist das alles so individuell, dass man den individuellen bezug für sich selbst herstellen muss und selbst erfahrungen machen muss, wenn man denn interessiert ist.

LG
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Tellmewhy
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 13:30

Ich vermute, dass Freud dieses Setting gewählt hat, damit er sich besser auf die / den Klientin /en konzentrieren konnte, wenn dieser lag und er selbst saß.


tellmewhy

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 15:09

Hallo Tristezza,
Tristezza hat geschrieben: aber dann war mehr oder weniger Funkstille. Schon öfter hatte ich mein Problem damit angesprochen, schon öfter hatte sie erwidert, dass sie manchmal nichts Hilfreiches zu sagen hat und dann eben schweigt. Aber auf der Couch ist das schwerer auszuhalten. Ich habe dann gar keine Resonanz - keine Worte, keine Blicke, nichts.
Ich hoffe, dass du nichts dagegen hast, dass ich dieses Zitat aus deinem Blog (den du ja erwähnt hast) hier rein kopiere, denn er passt ja gut zu meinem Thema.

ENA schrieb noch dazu: „wie da Therapie funktionieren soll, wenn die Therapeutin dann sagt, dass sie da auch nichts Hilfreiches zu zu sagen hätte und schweigt. Ich meine, wenn Du dann selber auf die Idee einer Lösung kommen würdest, wäre es ja okay, aber einfach nichts mehr zu sagen und beide schweigen, obwohl es ja definitiv ein Thema gibt, das nach Lösung verlangt, finde ich dann doch schon irgendwie komisch.“

Sicher, auch im Sitzen entstehen mal Redepausen, wo keiner was zu sagen weiß, aber da ist ja dann in der Regel noch die nonverbale Kommunikation, sprich Blickkontakt, wohlwollendes Nicken etc. vorhanden, so das Resonanz vorhanden ist. Wenn diese Resonanz fehlt, oh je, … Somit wäre also Schweigen im Sitzen leichter auszuhalten/nicht ganz so gefährlich wie Schweigen im Liegen.

Da bei mir Schweigen, angeschwiegen werden, halt auch Baustelle ist, wäre das absolut tödlich. Leider habe ich es bei meiner Ex-Thera erleben müssen, obwohl sie schon am Rande mitbekommen hatte, dass es Baustelle bei mir ist. Entweder ging es dann bei mir in die Disso oder aber es eskalierte einmal sogar, war absolut retraumatisierend (kurz danach wurde mir bewusst, dass die Thera nicht für mich geeignet ist und Wechsel notwendig ist). Das Schweigen beförderte dann jemand anderes auf die Bühne, der versuchte, das Schweigen zu durchbrechen, aber es kam keine Antwort. Und dann lief Film ab, und meine Ex-Thera bediente da voll das Muster: kein Kommentar, keine Reaktionen, egal, was dann von meiner Seite kam. Die „Kontaktbemühungen“ meinerseits wurden weiterhin mit Schweigen quittiert, solange, bis es eskalierte, bis ich im Begriff war, mir selbst körperlich Schaden zuzufügen. Da wurde sie aktiv, …

Schweigen, ohne Resonanz, wäre für mich ein absolutes no go. Mh, im Liegen wäre die Gefahr dazu größer, meines Erachtens.

An Carö,
nein, als „Studienobjekt“ sehe ich dich keineswegs, auch niemanden anderes hier. Ich möchte nur für mich etwas Klarheit bekommen, meinen Horizont erweitern und ich denke, für andere, die vor der Wahl stehen, sind eure Erfahrungen auch interessant.
Gruß
Wandelröschen

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Tristezza
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 15:30

Wandelröschen hat geschrieben:Ich hoffe, dass du nichts dagegen hast, dass ich dieses Zitat aus deinem Blog (den du ja erwähnt hast) hier rein kopiere, denn er passt ja gut zu meinem Thema.
Ehrlich gesagt mag ich es nicht besonders, wenn in einem Thread Stellen aus meinem Blog zitiert werden. Der Blog ist ja nur für Registrierte lesbar, während hier jeder mitlesen kann. Lieber wäre mir eine anonymisierte Zusammenfassung des im Blog Geschriebenen. Aber ok - diese Stelle war jetzt nicht so vertraulich, sie kann also hier stehen bleiben.
Wandelröschen hat geschrieben:Sicher, auch im Sitzen entstehen mal Redepausen, wo keiner was zu sagen weiß, aber da ist ja dann in der Regel noch die nonverbale Kommunikation, sprich Blickkontakt, wohlwollendes Nicken etc. vorhanden, so das Resonanz vorhanden ist.
Wobei die Resonanz seitens meiner Analytikerin auch beim Gegenübersitzen nicht immer gegeben war. Sie schien auch im Sitzen bei Schweigepausen oft intensiv mit ihren Gedanken und Gefühlen hinsichtlich des von mir Gesagten beschäftigt, gewissermaßen darein versunken, schloss ab und zu sogar die Augen. Das ist eben die analytische Methode, kommt in anderen Therapien sicher seltener vor. Es ist allerdings, wenn das Bedürfnis besteht, nonverbalen Kontakt zur Analytikerin aufzunehmen, leichter, dies zu tun, wenn sie sitzt. Intensive Blicke von mir hätte sie nicht ignoriert - ich habe allerdings meistens weggeschaut.
Wandelröschen hat geschrieben:Die „Kontaktbemühungen“ meinerseits wurden weiterhin mit Schweigen quittiert, solange, bis es eskalierte, bis ich im Begriff war, mir selbst körperlich Schaden zuzufügen. Da wurde sie aktiv
Puh, krass! Ich denke und hoffe, so lange würde meine nicht warten. Kein Wunder, dass du die Therapie dann beendet hast. War das auch eine Analytikerin?


Waldschratin
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 15:41

Tristezza hat geschrieben: Sie schien auch im Sitzen bei Schweigepausen oft intensiv mit ihren Gedanken und Gefühlen hinsichtlich des von mir Gesagten beschäftigt, gewissermaßen darein versunken, schloss ab und zu sogar die Augen.
Das macht mein Thera auch öfters (TFP),aber das kenn ich auch von anderen Theras aus der VT.Aber als "Kontaktabbruch" im weitesten Sinne erleb ich das dann nicht - eher ganz im Gegenteil.Klar ist er dann intensiver mit dem beschäftigt,was bei ihm selber dann grad vorgeht,aber ich erleb das als viel "intimeren" Kontakt dann,als wenn wir miteinander reden.
Wobei ich aber auch dann weggucke,damit er "in Ruhe" nachdenken/-spüren kann und sich nicht "beobachtet" fühlt.


leberblümchen
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 15:50

Wandelröschen, das Schweigen ist auch so ein Thema - das hat ja eine enorme Spannbreite: Ganz ohne Schweigen geht es m.E. gar nicht, denn wenn ich persönlich etwas tödlich in einer Therapie finden würde, dann wäre das so ein zwanghaftes Schweigenverhindern, bei dem jede Redepause sofort beendet werden muss. Was meinst du denn mit Schweigen? Oder was meint 'man' mit Schweigen, wenn man davon schreibt, dass es belastend ist? Ab wann ist ein Schweigen ein Schweigen?

Schweigen ist ja nicht nur quantitativ messbar (wie viele Sekunden, Minuten wird nicht geredet?), sondern auch qualitativ - überlegen beide nach einer Antwort bzw. Fortsetzung, oder lässt der Analytiker den Patienten 'verhungern'? Ersteres passiert in meiner Therapie häufig; manchmal merke ich, dass der Analytiker überlegt, wie er das, was ich gesagt habe, verstehen soll oder was das bedeuten könnte. Und manchmal merke ich, dass er darauf wartet, ob ich meine Gedanken weiterführen möchte - und er mich dabei nicht unterbrechen möchte. Solche Pausen sind zwar durchaus etwas unangenehm, aber ich finde sie auch nötig aus den o.g. Gründen. Und ich finde es gut, wenn ich lerne, damit umzugehen, ohne dass das etwas Bedrohliches für mich haben muss. Bedrohlich wäre es dann (vermutlich), wenn ich annehmen würde, dass er mich absichtlich hängen lässt. Also, da kann man schon noch eine Menge differenzieren.

Was ich aber eigentlich sagen wollte : Ich gucke meinen Therapeuten kaum noch an, und beim Schweigen erst recht nicht. Ich hab ihn anfangs aus Unsicherheit nicht angesehen; dann kam eine Phase, in der ich förmlich an ihm 'gehangen' habe; und nun achte ich mehr auf das, was IN MIR vorgeht. Wenn wir also schweigen, dann ohne Blickkontakt - insofern wäre das dann wieder so ähnlich wie beim Liegen.

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Rabe
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 16:04

Hallo zusammen,

zum Gefühl, gehalten zu werden: Ich meine das zur Hälfte ganz konkret, ich kann nicht mehr umfallen, weil ich schon liege, zur anderen Hälfte meine ich es symbolisch, also wie Sicherheit, Stabilität etc. Titus2 hat das ja schon formuliert.
Man kann doch gemeinsam analysieren - im gegenseitigem Austausch und auf Augenhöhe...
Mein Analytiker und ich analysieren gemeinsam, das hat er ausdrücklich so gesagt und es zeigt sich in der Arbeit jeder Stunde, dabei fläzt er in seinem Sessel und ich liege auf der Couch. Das ist ein gegenseitiger Austausch, wenn auch mit einer gewissen Asymmetrie, weil ich darauf verzichte, ihn zu therapieren.
Das mit der Augenhöhe ist ja mehr eine Redensart und nicht strikt wörtlich zu nehmen. Auch jemand, der mir im Sessel gegenübersitzt und die Augen tatsächlich auf gleicher Höhe hat, kann mich arrogant und von oben herab behandeln. Wertschätzung, Respekt, Anerkennung von Persönlichkeit, Fähigkeiten - das ist vor allem eine Frage der inneren Haltung.
Na ja, also ich weiß nicht, dazu müsste man als Patient schon seeehr empathisch sein. [...] Wie willst du in dem Moment unterscheiden können, ob die Gedanken, die er sich macht, mit deinen gesagten Worten zusammen hängen oder er, weil du sein 7. und letzter Patient an dem Tag bist, sein Magen knurrt und schon 30 min. deiner Stunde rum sind

Hm, »sehr empathisch«?, ich würde eher sagen: ein bißchen fähig aufs Bauchgefühl zu hören. Man horcht sich ein, übt sich darin, den anderen mit den Ohren wahrzunehmen: Ist der Analytiker/die Analytikerin präsent in den eigenen Äußerungen oder wirkt er/sie in den Antworten, Kommentaren, Deutungen zerstreut, schlaftrunken, unkonzentriert?
Ich glaube nicht, dass ich das unterscheiden könnte, wenn ich ihn nicht sehe, also wenigstens noch sein Äußeres wahr nehme.
Mag sein, aber das heißt nicht, dass es grundsätzlich nicht möglich ist.
Mal abgesehen davon, dass ich Leute kennen, die ein prima Zuhör-Gesicht machen können und nichts von dem mitbekommen, was ihr Gegenüber gesagt hat.
Es wird längst nicht mehr immer bei einer PA gelegen (also auch die Analytiker selbst kommen mehr und mehr davon weg, mal von den eingefleischten Freudianern abgesehen).
Jein, mir scheint es eher zuzutreffen, dass außer von ein paar sehr orthodoxen AnalytikerInnen die Frage »liegen oder sitzen« flexibler gehandhabt wird, je nach dem, was für Patient oder Patientin gut ist. Einen Trend ganz weg von der Couch gibt es , soweit ich das aus Literatur und Erfahrungsberichten sehe kann, nicht.
Oder, titus2, stehen im Analysezimmer nur noch Sessel und gar keine Couch?

Besten Gruß
Rabe
Zuletzt geändert von Rabe am Mo., 23.04.2012, 16:27, insgesamt 1-mal geändert.

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stern
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 16:07

Sie schien auch im Sitzen bei Schweigepausen oft intensiv mit ihren Gedanken und Gefühlen hinsichtlich des von mir Gesagten beschäftigt, gewissermaßen darein versunken, schloss ab und zu sogar die Augen.
Das kenne ich auch... und da geht es mir dann eher wie waldschratin, also dass ich das eher als angenehm, zugewandt erlebte. Oder einmal (das war bisher nur einmal *schwitz*), dass ich aus Bockigkeit schwieg... und Thera daraufhin (zurecht) auch schwieg... war dann sone Art Machtspiel für mich, hart ausgedrückt, so in der Art: Ich sag' jetzt gar nix mehr... erst wenn Sie wieder etwas sagen. Das erlebte ich auch noch nicht als belastend, sondern gab mir den Raum zu schauen, was in mir vorgeht... so empfand ich das zumindest (abgesehen davon, dass ich auf diese kindliche Reaktion nicht stolz bin).

Allerdings kenne ich auch, wie soll ich es sagen, eine Art der Abstinenz i.w.S. bzw. der gefühlten Nicht-Reaktion, die sich alles andere als gut anfühlt... und die eher in die Kategorie "gefühlt verhungern lassen" passt, wie titus es nannte (und was sie hoffentlich nicht so streng durchzieht, sonst hmm)... und wo ich froh war, dann wenigsten Blickkontakt herstellen zu können (der dann allerdings eine nonverbale Antwort gab... insofern war es in dem Sinn nicht so eine strenge Abstinenz oder verhungern lassen... ach so halb doch irgendwie, gefühlt zumindest). Strenge Abstinenz... hmmmmmmmmm.

However: Wenn's zuviel negative Übertragung auslöst (dass es therapiehinderlich wird) oder gar zu Reaktionen wie bei wandelröschen führt, halte ich stärkere Abstinenz auch für nicht angezeigt.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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Tristezza
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 17:32

Waldschratin hat geschrieben:Das macht mein Thera auch öfters (TFP),aber das kenn ich auch von anderen Theras aus der VT.Aber als "Kontaktabbruch" im weitesten Sinne erleb ich das dann nicht - eher ganz im Gegenteil.Klar ist er dann intensiver mit dem beschäftigt,was bei ihm selber dann grad vorgeht,aber ich erleb das als viel "intimeren" Kontakt dann,als wenn wir miteinander reden.
Interessant - dass er das in der TFP auch macht, und sogar die Verhaltenstherapeuten! Ich habe ja schon einige Therapien hinter mir, aber diese Technik oder wie man es nennen will ist für mich völlig neu. Interessant finde ich auch, dass du das als intimeren Kontakt erlebst als beim gemeinsamen Sprechen. Stern schreibt ja Ähnliches. Darüber muss ich mal nachdenken...
titus2 hat geschrieben:Solche Pausen sind zwar durchaus etwas unangenehm, aber ich finde sie auch nötig aus den o.g. Gründen.
Wie lange sind denn diese Pausen ungefähr? Also, ich hätte auch nichts gegen 1-2 Minuten, aber bei mir sind es heute zumindest gefühlt (ich schaue nicht auf die Uhr) sicher fünf Minuten gewesen. Und da denke ich, sollte einem doch irgendwas einfallen. Aber vielleicht ist meine Thera Perfektionistin und es muss für sie zu 100 Prozent stimmig sein, bevor sie was antwortet.
Rabe hat geschrieben:Hm, »sehr empathisch«?, ich würde eher sagen: ein bißchen fähig aufs Bauchgefühl zu hören.
Ich bilde mir ein, Gefühle anderer gut wahrnehmen zu können - so dass es für mich manchmal schon zum Problem wird. Manchmal spüre ich auch durch das Schweigen hindurch eine Stimmung. Wenn z.B. ihr Bauch gurgelt (und das tut er oft), habe ich den Eindruck, dass gerade eine emotionale Verbindung zwischen uns besteht. Aber in dieser nachdenklichen Stille spüre ich leider nur eine innere Abwesenheit.


Waldschratin
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Beitrag Mo., 23.04.2012, 18:02

Tristezza hat geschrieben:Interessant - dass er das in der TFP auch macht, und sogar die Verhaltenstherapeuten! Ich habe ja schon einige Therapien hinter mir, aber diese Technik oder wie man es nennen will ist für mich völlig neu. Interessant finde ich auch, dass du das als intimeren Kontakt erlebst als beim gemeinsamen Sprechen. Stern schreibt ja Ähnliches. Darüber muss ich mal nachdenken...
Bei meinem Thera jetzt halt ich das schon für sowas wie ne "Technik" - Er kommt aus der analytischen Ecke und ists daher wohl gewohnt,ständig bei sich selber nachzuspüren,weil er ja "Projektionsfläche" ist.
Aber im Grunde ists für mich was Vertrautes,was ich eben aus den anderen Therapien auch her kenne.Weils da ja auch oft in die Tiefe gegangen ist und manches recht komplex wurde - und von daher "Bedenkzeit" brauchte.
Wohl auch,weil ich schon ne Art Herausforderung (Ich hasse dieses Wort! ) für so nen Thera bin,weil ich schon allein wegen dem Multiplen viele Gefühle gleichzeitig in mehreren Ebenen laufen hatte (z.T. ist das heute auch noch so,obwohl ich nicht mehr multi bin) und der Thera da ja erstmal "sortieren" mußte,was jetzt wie und wohin gehörte.

Als intimeren Kontakt erleb ich das wohl,weil das dann ein recht intensives "Bei-mir-sein" beim Thera ist...Meistens ja auch "gemeinsames Nachsinnen" über denselben Inhalt.Und ich ähnlich wie du auch recht viel gleichzeitig bei ihm dann bin und da auch jede Menge mitkriege - nur,daß er halt nicht so "abwesend" ist innerlich.
Wenn er das wäre,innerlich "abgeschaltet",dann hätt ich da auch meine Probleme damit.Dann gings mir wohl ähnlich wie Wandelröschen.

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