Das Therapieverhältnis ist manipulativ bzw. übt Macht aus, weil ihm ein strukturelles Ungleichgewicht, ein Über-/Unterordnungsverhältnis bzw. -was viel wichtiger ist- ein Bedürftigkeitsverhältnis und ein behaupteter Wissensvorsprung auf Seiten des Therapeuten zugrundeliegt.
Hm... wer will einen Therapeuten oder Arzt oder sonstigen Behandler oder Berater, der keinen Wissens- oder Erfahrungsvorsprung hat... sondern nur maximal so viel weiß wie der Patient, besser noch weniger? Also ICH nicht. Deswegen holt man sich ja IMO auch Hilfe, weil man selbst an seine Grenzen gestoßen ist.
Ein Internist, der gerade mal soviel über Innereien weiß wie ich, der könnte mir kaum helfen... sondern gut' Nacht. Dasselbe gilt IMO im therapeutischen Kontext: Denn mit meinen Möglichkeiten hatte ich (vor Aufnahme der Therapie) eben noch keinen Weg aus best. psychischen Beeinträchtigungen/krankhaften Zuständen gefunden. Hätte ich das, bräuchte ich keinen Therapeuten.
Das heißt aber nicht im selben Atemzug, dass mir etwas z.B. via "Gewalt" übergestülpt wird. Sondern wie gesagt: Therapie kann z.B. auch eine Erkundungsprozess sein, bei dem man gefödert wird dahin zu kommen, was man selbst will bzw. braucht... und sich dabei neue Sichtweise/Möglichkeiten auftun, die man bisher noch nicht so im Blickfeld hatte, usw.
Und natürlich bin ich in einer bedürftigen Position, wenn ich Hilfe suche (sonst würde ich mir keine suchen, weil ich sie dann gar nicht bräuchte)... so what. Aber das heißt doch nicht, dass meine "Notlage" jemand ausnutzt oder seine Verantwortung missbraucht, wie intheair schon sehr treffend feststellte... sondern auch: Dass jemand sein Wissen, seine Erfahrung, etc. dazu nutzt, mir zu helfen. Und natürlich bin ich somit in einer abhängigeren Postion, wenn ich (wegen einer Krankheit) Hilfe benötige... bzw. je befürftiger ich bin (wäre ich auch, wenn ich wegen mehrfacher Risse an beiden Beinen nicht mehr einkaufen gehen kann). Dahin bringt mich also weder der Orthopäde noch ein Therapeut via Machtausübung... und es geht doch auch in einer Therapie letztlich darum, wieder unabhängig von Hilfe zu werden und sich selbst helfen zu können.
Und ja... daher bleibe ich auch dabei, Manipulation final zu definieren... vielleicht auch Macht (da ja durchaus auch Wissen Macht sein KANN): Nutzt jemand seine Postition, um mir zu helfen oder zu schaden... bzw. missbraucht er meine Notlage für seine Zwecke.
Entziehen kann man sich dem nur, wenn man - da schließe ich mich Kehrusker an- nicht bedürftig ist oder wenn man -trotz seiner Bedürftigkeit- in der Lage bleibt, den behaupteten Wissensvorsprung zu negieren. (Warum ich jemanden für so etwas bezahlen sollte, weiß ich allerdings nicht so recht.)
Geht das auf? Klar wäre es besser, wenn ich nicht insofern bedürftig werde, dass ich mir gar nicht erst irgendwelche Sehnenrisse zuziehe. Was aber wenn ich mir trotzdem etwas reiße?? Nicht zum Arzt gehen und hoffen, dass es verwächst und keine Thrombosen, etc. entstehen? Gar nicht erst psych. krank zu werden, funktioniert genauso wenig immer (das wollen die wenigsten... und doch lässt es sich nicht immer verhindern). Und wenn ich mich dann doch ins Behandlungszimmer begeben habe, negiere ich den Wissenvorsprung, indem ich sage oder denke: Sie haben doch eh keine Ahnung ?
Aber ich sehe ein... wenn man einem Behandler nix zutraut (bzw. ihm nicht vertrauen kann), und man eh davon ausgeht, dass alles, was gemacht wird zum Schaden gereichen soll, dann tut man sich vermutlich selbst den größten Gefallen im Bedürftigkeitsfall keine Hilfe zu suchen. Denn bringen würd's dann eh nicht viel, wenn ich alles abschmetteren würde, weil ich davon ausgehe, dass mir jemand bösartig gesinnt ist, alles schade oder eh nix bringt. Sry, aber das wirkt auf mich durchaus etwas paranoid .
oder es macht sich zumindest das Gefühl breit, dass das alles nichts bringt.
Ist auch die Konsequenz, wenn man alles durch die Brille sieht, dass jemand schaden will.
Vor allem bin ich mir ziemlich sicher, dass die meisten eigentlich etwas ganz anderes vom Therapeuten wollen. Das kann er ihnen aber nicht geben. Das findet man nur in wirklichen Beziehungen zu anderen Menschen.
Was wollen denn deiner Ansicht nach die meisten Patienten von einem Therapeuten? Konform gehe ich mit dir, dass nicht jedes Bedürfnis in einer Therapie befriedigt werden kann (und auch nicht soll, darf... je nach dem). Nur darum geht es ja auch nicht zwingend in einer Therapie, dass ein Therapeut Bedürfigkeiten befriedigt (wobei situativ auch dahingehend korrigierende Erfahrungen je nach Patient auch etwas verändern können). Sondern z.B. eher (wenn jemand keine zufriedenstellenden Beziehungen herstellen kann), dass er Beziehung zu anderen Menschen zufriedenstellend gestalten kann. Natürlich alles abhängig davon, welche Schwierigkeiten bestehen überhaupt... nicht jeder hat derart gelagerte Schwierigkeiten.