Familienstellen (Hellinger)

Fragen und Gedanken rund um Spiritualität und Religionen, alternative Behandlungsmethoden, den üppigen Garten sonstiger "Therapie"-Formen, Esoterik ... und ihre Berührungspunkte mit Psychotherapie bzw. psychologischen Problemen.
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Gast
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Beitrag Do., 24.03.2011, 09:37

Hallo carö,
carö hat geschrieben:ich finde es auch immer wieder faszinierend, wieviele menschen sich doch so angezogen fühlen von diesem hellinger.
Faszinierend finde ich das auch, im Sinne von erschrocken mit offenem Mund davor stehen.

Das finde ich sehr plausibel, ebenso vom sekten-info-essen (Auszug):
http://www.sekten-info-essen.de/texte/f ... tellen.htm

"Wir leben in einer Zeit, in der die großen Erzählungen und Wahrheiten ihre Strahlkraft verloren haben. Jeder muß damit leben, dass ihm Theorien keine vorgefertigten Wahrheiten mehr liefern. Wo aber die Autorität der Theorien schwindet, kann die Autorität von Personen erneut Sicherheit für das eigene Handeln liefern. (. . . ) Seine Faszination ist die Unbeirrbarkeit. Gänzlich frei von Zweifeln, urteilssicher und unbeeindruckt von Kritik, ja auch so autoritär ("Autorität heißt für mich, zu etwas fähig sein, was andere brauchen.") - das hat im therapeutischen Bereich bisher noch niemand gewagt.

Es gibt ihn offenbar, den insbesondere von linkeren politischen Verbänden und Fraueninitiativen gerne tabuisierten konservativen Rückstrom - nicht nur im psychotherapeutischen Setting. Aber gerade dort gibt er Antworten, endlich einer der eindeutig ist, der sagt "Ich weiß, dass es so ist". Endlich ist nicht mehr alles möglich, alles offen und am Ende der Therapie alles machbar. (. . .)

Es sind die einfachen Antworten in einer komplexen Welt. Setzt die so oft geschmähte wissenschaftliche Psychotherapie auf die Eigenverantwortung des Klienten, seine Entscheidungen und den Respekt vor dem Klienten, weiß Hellinger die richtigen Lösungen. (. . .)

Bert Hellinger bzw. noch mehr seine vielen Anhänger haben ihn aufgelöst, den Wertepluralismus. Verwirrenden Rollenkonfusionen setzen sie angeblich sinnstiftende Ordnungen gegenüber."


Gruß
Anastasius

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carö
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Beitrag Do., 24.03.2011, 09:53

danke anastasius,

ja... volle zustimmung zu diesem beitrag.
traurig.. aber eine realität.

kennst du arno grün?
der fällt mir dazu gerade auch ein.. ich liebe seine bücher. dieses hier zum beispiel --> "Der Wahnsinn der Normalität: Realismus als Krankheit. Eine Theorie der menschlichen Destruktivität" finde ich an dieser stelle gerade ganz passend.
es beschäftigt sich im grunde damit, was menschen dazu bringen kann, das eigene selbst, ihre autonomie und verantwortung "freiwillig" herzugeben, um sich einer ideologie von macht und unterwerfung anzuschliessen.

viele grüße
carö
Zuletzt geändert von carö am Do., 24.03.2011, 10:42, insgesamt 1-mal geändert.
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münchnerkindl
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Beitrag Do., 24.03.2011, 09:58

Innere_Freiheit hat geschrieben:
Komisch oder? Hellinger also zusätzlich auch ein Stalinist!?!!??

Ich persönlich sehe ihn weder als Nazi noch als Stalinist.
Für mich ist seine Methode ein Heilungsweg, der einiges auch mit Demut zu tun hat.
Ich selbst hatte ja auch 15 Jahre starken Widerstand gegen diesen Ansatz (und für diesen Widerstand stets gewichtige Argumente!). - Nun habe ich keinen Widerstand mehr.... und erlebe gerade diese Demut als wichtigen Teil eines effektiven Heilungswegs!
Und ich habe nicht den Eindruck, dass mich diese Demut kleiner macht. Im Gegenteil. Sie macht mich freier und größer.

Aber ich wende ja sowieso lauter Selbsthilfemethoden an, die alle mit "Zustimmung" zu tun haben.

Ne, Hellinger ist jemand der sich angezogen fühlt von autoritären Systemen und Figuren, egal welcher Art. Vermutlich weil er selbst da eine Baustelle hat die er nun auf andere Menschen projiziert. Ich traue mich fast zu wetten, daß er selbst autoritär und ggf sogar gewalttätig erzogen worden ist und diese Täter verinnerlicht also was man ein Täterintrojekt nennt, jemand der sich mit dem Täter identifiziert als Schutzmechanismus, weil er selbst nie mutig genug zum Aufbegehren und sich emanzipieren war, und sich nun seinen eigenen Schlamassel als Tugend schönredet und nach aussen lebt. Un ddaß es ausserdem irgendwelche chaotischen Zustände gab die bei ihm als Kind zu grosser Verunsichterung geführt haben, weil er sich jetzt so massiv nach Sicherheit in festgelegten Systemen sehnt. Mal als Mutmassung, mich würde echt interessieren aus was für Familienverhältnissen der Mann stammt.

Und Demut, "vor dem Herrn sind alle gleich", der Anspruch daß nicht wir Menschen die Richter sondern Gott, richte nicht auf daß du nicht gerichtet wirst, das sind Prinzipien die sich in vielen Religionen finden.

Was aber nicht damit gleichzustellen, die Taten die jemand getan hat gutzuheissen oder zu verharmlosen. Und man sollte sich nicht vor einer Person mit einer derartigen Gesinnung "demütig" zeigen, ebenso wenig wie man sich demütig vor jemandem zeigen sollte der einem persönlich etwas schlimmes angetan hat.

Was man tun sollte ist die Gleichheit aller Lebewesen anzuerkennen. Also daß auch der Täter eine menschliche Seite hat und Mitgefühl verdient hat für sein Irren, weil er letztlich verblendet von seinen eigenen Emotionen nur seinen eigenen Schaden befördert mit dem was er tut. Die Religionen rufen ja dazu auf, Mitgefühl, Nächstenliebe nicht nur für die "guten" Menschen zu haben sondern für alle.

Aber Demut vor jemandem wie Hitler oder Stalin oder dem persönlichen Täter? Nein. Das geht definitv zu weit.
Zuletzt geändert von münchnerkindl am Do., 24.03.2011, 10:21, insgesamt 2-mal geändert.

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SamuelZ.
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Beitrag Do., 24.03.2011, 10:05

carö hat geschrieben: warum zieht man sich das im vollen bewusstsein dessen, was über hellinger inzwischen bekannt ist, eigentlich rein?
um scientology mache ich und viele andere einen riesenbogen, wenn sie in der fußgängerzone stehen.
wenn hellinger-aufsteller in der fußgängerzone stehen würden.. wäre das auch so ?
Weil es Menschen gibt, die sich in manchen Angelegenheiten nicht mit Berichten zufrieden geben, sondern manche Erfahrungen gerne selber machen möchten.
Scientology interessiert mich persönlich überhaupt nicht, weil ich nicht auf einem religiösen Selbstfindungstrip bin.
Wie Blanchet oben schon meinte, man muss hier zwischen der Faszination für den "Guru Hellinger" unterscheiden und der Aufstellungsarbeit selbst, die immer ein persönliches Erlebnis darstellt, unabhängig von dem Leiter. Es gibt Menschen, die legen die Verantwortung für ihr Leben gerne in die Hände von Über-Müttern bzw. -Vätern. Andere wollen selbstständiger und freier werden. Ich selbst ziehe Aufstellungen vor, in denen sich die Leiter weitestgehend mit Interpretationen heraushalten sondern mehr autopoetisch arbeiten.

Auf der Hellinger DVD habe ich das so weitestgehend wahrgenommen. Er ist dort sehr vorsichtig, was Deutungen angeht (vllt als Reaktion auf die Vorwürfe, die an ihn gerichtet werden). Im Gegensatz dazu habe ich einmal die Leiterin einer "integrativen Aufstellung" (sie grenzt sich von Hellinger ab) als sehr lenkend wahrgenommen, so dass am Ende immer ein "gutes, versöhnliches Bild" entsteht, das der Aufstellende dann mit nach hause nehmen darf.

Vielleicht wäre es mal an der Zeit über Aufstellungen nachzudenken, in denen die Aufstellenden selbst ihre eigenen Deutungen vornehmen. Aber dann muss ich natürlich auch Verantwortung für das Gedeutete übernehmen.

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 24.03.2011, 10:11

Blanchet hat geschrieben:Ich glaube, dass sich hier - wie auch im Familienstellen zwei Dinge vermischen.
So wie ich Hellinger und seine Jünger verstehe, geht es viel mehr (oder vielleicht nur) um eine religiöse Komponente, als um eine psychotherapeutische. Und dann ist er eigentlich in guter Gesellschaft und gar nicht so fern von dem, was in vielen Religionen zu finden ist: Demut, Annehmen, Hingabe an etwas Höheres, Liebe und Vergebung - selbst den größten Sündern, egal ob Hilter, Stalin oder dem Vergewaltiger von nebenan. Durch eine religiöse Brille betrachtet liegt immer in der Vergebung das Heil und auch die Christen schlagen in diese Kerbe. In der Hölle schmort nur, wer nicht bereut, aber auch wer (als Opfer) unaufhörlich auf Rache sinnt. Es gibt viele Stellen in der Bibel ( die Rückkehr des verlorenen Sohnes, die Geschichte von (S)Paulus,....) wo es genau darum geht. Deshalb muss es nicht wahr sein, aber auch nicht falsch. Gott sei Dank ist jeder frei, an das zu glauben, was er für richtig hält.t
Ja, nur in einem religiösen Kontext passiert ein Prozess des Verzeihens mit Liebe und Mitgefühl und zwar auch für sich selbst, freiwillig, als Prozess, wenn das Opfer dazu bereit ist, nicht von aussen, sei es von Hellinger oder sonst wem mit der Brechstange erzwungen.

Und auch dann demütigt sich derjenige der vergibt nicht vor dem Täter.

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Gast
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Beitrag Do., 24.03.2011, 10:26

Hallo carö,

danke für den Tipp. Ich kenne nur ein Buch vom ihm. Das fand ich sehr gut. ("Der Verrat am Selbst")

Gruß
Anastasius

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stern
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Beitrag Do., 24.03.2011, 13:08

Blanchet hat geschrieben:Dann wäre es nur konsequent, die gesetzliche Bindung an die Berufsgruppe der PT zu lösen. Es als PT Mehtode zu verbieten und es an Gurus oder Sekten zu delegieren.
Wie Anastasius schon meinte... und das ist ein wichtiger Punkt: Hellinger gehört definitiv nicht zu den anerkannten Psychotherapiemethoden (deswegen hat Herr Fellner den Thread auch in "Grenzbereiche und darüber hinaus" ausgelagert... wobei Hellinger unter "darüber hinaus" fällt *g*). Diese Methode wäre als anerkannte PT-Methode im Sinne einer durch die KK finanzierte Heilbehandlung auch gar nicht zugelassen, in D zumindest nicht. Und: Selbst du oder ich könnten vermutlich einen Crash-Kurs absolvieren und dann Familienaufstellungen nach Hellinger anbieten... sprich: Anbieter kann auch jeder Hinz und Kunz aus der Eso-Ecke sein. Das gefährlich ist, dass ja auch teils der Anschein erweckt werden soll, es handle sich um Psychotherapie. Wenn ein PT das anbietet, so tippe ich, dann bestenfalls als Seminar, das aber keine PT ersetzt oä. Hm, ich überlage gerade, ob Hellinger in einer lfd. PT Einklang finden könnte... ich tippe mal nein, weil dort an sich nur wissenschaftlich belegte Ansätze zu Zuge kommen sollten und keine phänomenologischen Erkenntniswege (sonst könnte ich mir bei einem PT zur Krankheitsbehandlung gleich die Karten legen lassen, sag' ich mal als jemand, die dazu steht, dass ich von der Eso-Ecke nicht allzuviel halte). Ob sich der eine oder andere PT mit ein paar Modifikationen doch durchwurstelt, wer weiß. Ich würde es mit mir nicht machen lassen in einer PT nicht wissenschaftliche Methoden verkaufen zu lassen. Iss gar nicht so weit her geholt, denn ich war schon mal von einer Probethera (Psychotherapeutin) abgeschreckt, die insges. recht esomäßig angehaucht war (dass sie mir auch noch von Traumavorerfahrungen wegen ehem. Sektenzugehörigkeit berichtet, komplementierte dieses Bild, ebenso wie ihre Engelbücher in div. Regalen. Thx.). Also es gibt nix, was es nicht gibt... aber es sollte es IMO nicht geben.

Nicht zu vermischen ist Hellinger mit systemischer Familientherapie nach Virginia Satir, nach deren Methode ja auch Aufstellungsarbeit möglich ist. Von letzterer rede ich jedoch nicht, sondern siehe Thread-Titel. Hellinger ist keine systemische Familientherapie oder Psychotherapie... wird aber von Anhängern gerne mal unter diesem Etikett verkauft.
Grundzüge seines archaisch anmutenden Regelwerks sind:

* Großveranstaltungen mit zum Teil mehr als 500 Teilnehmer(inne)n.
* Aus dieser Großgruppe heraus werden »im Minutentakt« (max. 15 Min.) Familienkonstellationen »gestellt«, auch mit Verstorbenen, die durch Akteure aus dem Publikum »rekrutiert« werden.
* Kein Mensch löst sich ungestraft von seiner Sippe.
* Jede Familie hat eine unverrückbare Ordnung: Die Frau folgt dem Mann. Kinder haben keine Rechte gegenüber ihren Eltern. Jede/r Erstgeborene hat seinen Platz vor dem Zweitgeborenen usw. [ zum Ko***]
* Diese Ordnung ist vorgegeben - ob sie uns gefällt oder nicht.
* Jede Störung dieser Ordnung macht krank.
* Kinder wollen (sollen!) ihre Eltern lieben. Sollte dieser »Fluss der Liebe« unterbrochen werden, schlägt er in Schmerz, Verzweiflung oder Krankheit um.
* Somit sind bei den Aufstellungsszenarien »Ordnungen der Liebe« wiederherzustellen.

In diese »Schnelltherapien« greift Hellinger mit seiner Bühnenpräsenz ein und legitimiert das wie folgt: »Bei der Psychotherapie geht es einem wie einem guten Führer. Ein guter Führer sieht, was die Leute wollen, und das befiehlt er« (Bert Hellinger, zitiert nach: Der Spiegel 7/2002, S. 200).
Nee, echt... für meinen Teil muss ich nicht erst ins Klo langen, um zu wissen, was drin ist. Die Gefahr der Manipulation erachte ich auch als nicht ohne. Selbst wenn man dagegen "normal" gewappnet ist, wer garantiert, dass nicht die Barrieren schon eingebrochen sind oder man in den Sog einer Gruppendynamik gerissen wird, dem man sich schwer entziehen kann, wenn man etwas nachplappern soll oder jemand den Führerstil raushängen lässt. Und einen Schaden hat er (für mich) obendrein, vgl. auch:
Dass Hellinger keine Skrupel hat, Menschen zu kränken, erlebten wir selbst in einem Vortrag, den er 1998 in Dornbirn, Österreich, hielt. Er scheute sich nicht, eine Frau, deren Frage ihm wohl nicht passte, völlig unnötig vor vielen Hundert Menschen bloßzustellen und lächerlich zu machen. Den dadurch entstandenen Tumult betrachtete er lächelnd, bis einer der vielen anwesenden Therapeuten die Situation nicht länger aushielt und versuchte, diese für ihn zu bereinigen.
http://www.wrage.de/kgs/0904hellinger_kritik.htm
Liebe Grüße
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carö
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Beitrag Do., 24.03.2011, 13:29

SandyZ. hat geschrieben:Weil es Menschen gibt, die sich in manchen Angelegenheiten nicht mit Berichten zufrieden geben, sondern manche Erfahrungen gerne selber machen möchten.
aber warum ?
reiz der gefahr ?
oder was ist es ?
es gibt doch auch die seriösen anbieter - anerkannt, erprobt etc ... und du sagst doch selbst, dass dich zu starke lenkung nicht anspricht... warum also hellinger ?

muss man erfahrungen immer selbst machen, um sich der gefährlichkeit des manipulativen gewahr zu werden?
muss man sozusagen drogen ausprobieren, um herauszufinden, dass es ziemlich nach hinten los gehen kann... ?

nimmst du denn im umkehrschluss nun an, da du selbst nichts manipulatives oder sonstwie kritisches entdeckt hast, dass es sich bei der kritik an hellinger um hirngespinste handelt ?

ich bin auch dafür, seine eigenen erfahrungen zu machen... aber, wie gesagt, hellinger hat mit psychotherapie nichts gemein. das ist ein guru und seelenfänger mE... ein manipulator und größenwahnsinniger...
muss man das selbst erleben, um sich einen eindruck davon verschaffen zu können ?

es gibt dazu ja viele mE interessante und gute erklärungsansätze, was die "faszination" dabei ausmachen könnte.. die mich persönlich auch erreichen. vgl. zB den artikel den anastasius gepostet hat.. und viele andere...

aber.. nun ja.. vermutlich MUSS man tatsächlich selbst die erfahrung machen, dass man sich die finger verbrennen kann, wenn man eine heisse herdplatte anfasst.
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Offy
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Beitrag Do., 24.03.2011, 13:52

carö hat geschrieben:aber warum ?
reiz der gefahr ?
oder was ist es ?
Manchmal ist es wohl auch die pure Verzweiflung.
Nach meiner Erfahrung wiegt diese und die Hoffnung auf Besserung schwerer als alles, was man an negativen Kritiken hört/liest.
Wenn man dann noch jemanden persönlich kennt, der einem genau diese Methode nahelegt und die Seriosität beteuert, ist man geneigt, dem zu glauben. Man WILL es glauben, weil weit und breit keine Alternative in Sicht ist.
Heute weinte ich –
aber keine Träne benetzte eine Blume.
Still, leise und nutzlos!
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Beitrag Do., 24.03.2011, 13:52

stern zitierte:

»Bei der Psychotherapie geht es einem wie einem guten Führer. Ein guter Führer sieht, was die Leute wollen, und das befiehlt er« (Bert Hellinger, zitiert nach: Der Spiegel 7/2002, S. 200).[/quote]

Wie bei dem, der seinen Namen mit "Heil" in Verbindung brachte: Er hatte ein Gespür für das, was viele Leute wollten, und viele Leute wollten, was er befahl. Insofern sytemisch. Nur kreisförmig im geschlossenen Wahnsystem.

Gruß
Anastasius

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carö
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Beitrag Do., 24.03.2011, 14:01

Offy hat geschrieben:Man WILL es glauben, weil weit und breit keine Alternative in Sicht ist.
ja.. vermutlich spielt das und vermutlich auch noch einiges andere eine wichtige rolle ...

das ist auch der punkt, der mich aufbringt ... weil ich denke, dass solche "heiler" mit den hoffnungen und ängsten und sehnsüchten von menschen sehr missbräuchlich spielen zur befriedigung eigener größenbedürfnisse oder was auch immer...
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stern
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Beitrag Do., 24.03.2011, 16:41

SandyZ hat geschrieben:Wie Blanchet oben schon meinte, man muss hier zwischen der Faszination für den "Guru Hellinger" unterscheiden und der Aufstellungsarbeit selbst, die immer ein persönliches Erlebnis darstellt, unabhängig von dem Leiter.
Ich unterstelle mal, dass nicht jeder Leiter einen Schaden wie Hellinger hat. Und wenn ich von Aufstellungsarbeit spreche, dann beziehe ich mir (zur Abgrenzung) nur auf Hellinger bzw. dessen Methode=phänomenologischer Erkenntnisweg. Nur basiert eine Aufstellung durch einen anderen Leiter auf einer grds. anderen Methode/anderen Erkenntnissen (die ja auch ziemlich normativ sind)? Ich glaube nicht... ausser ein Leiter modifiziert dann so stark, dass er eine Aufstellung nach Person xy macht.

Und schon die Methode an sich erscheint mir doch sehr fragwürdig... man betrachte nur die Ordnungen. Na klar, kann ich solche naturgegebenen, biblischen (?) Ordnungen festlegen und dann versuchen jeden in diese Ordnung zu pressen (darauf läuft es ja hinaus, wenn man streng nach Hellinger vorgeht: Was in Unordnung ist, muss wieder ordentlich gemacht werden). Und da wird mir ganz schlecht, vgl.:
Ein Hauptschlüssel in Hellingers „therapeutischem“ Wirken ist: Die Ordnung. Hellingers „Ordnungen“ sind streng traditionell, berauschend und beängstigend einfach. ...

„Eine Frau kann sich nur entfalten, wenn sie einen Mann hat. Was soll eine Frau ohne einen Mann!? Der Mann ist als Mann auch nur bedeutsam, wenn er eine Frau hat. Was soll ein Mann ohne Frau? (Weber, 1999,S. 133)

„Eine Frau findet ihre Erfüllung und erreicht ihre Größe und ihr größtmögliches spezifisches Gewicht durch viele Kinder. ... Bei dem Mann, der viele Kinder hat, ist das ähnlich, wenn auch nicht in gleichem Maße.“ (Weber, 1999, S. 133)

„Die Beziehung zwischen Mann und Frau gelingt, wenn die Frau dem Mann folgt. Das heißt, sie folgt ihm in seine Familie, an seinen Ort, in seinen Kreis, in seine Sprache, in seine Kultur, und sie stimmt zu, dass auch die Kinder ihm dorthin folgen. .... Allerdings gibt es auch hier einen Ausgleich, ein Gegengewicht: Zur Ordnung der Liebe zwischen Mann und Frau gehört als Ergänzung: Der Mann muss dem Weiblichen dienen.“ (Weber, 1999, S. 110)

Schwul- oder Lesbischsein widerspricht Hellingers Ordnungsvorstellungen. Wird ein Sohn rechtsradikal, so hat das seine Mutter zu verantworten, da sie den Vater nicht geachtet hat. ... „Ich habe zum Beispiel einen Sohn, der homosexuell war und den Vater geschlagen hat, vor dem Vater niederknien und sagen lassen: „Ich gebe dir
die Ehre“. Und zwei Monate später hat er geheiratet und hat jetzt ein Kind.“ (Focus, 13, 1998) ...

Ein einfaches Weltbild hat einfache Lösungsstrategien zur Folge. Manche Klientenarbeit dauert gerade mal 20 Minuten. Die Klienten müssen lernen, „Ordnungen“ zwischen Mann und Frau anzuerkennen, zwischen Eltern und Kind, zwischen Geschwistern. Den Ordnungen wird entsprochen durch die Demut: „Die Demut ist das Schwerste, aber sie macht reich.“ Häufigster Einheitslösungssatz für die Klienten ist deshalb: „Ich gebe dir die Ehre, danke.“ ...
http://www.sgipt.org/kritik/helling/HELLINGE.PDF
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stern
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Beitrag Do., 24.03.2011, 16:42

Hellingers Vorstellung von der „Ordnung“ ist grundlegend konservativ. Zum Problem wird dies in dem Maße, wie er für seine Sicht autoritative Geltung beansprucht – und das geschieht nicht selten. Beispiele für solche Urteile lassen sich viele nennen: „Die Paarbeziehung gelingt, wenn die Frau dem Mann folgt. … Wenn der Mann der Frau folgt, gibt es Spannungen. Zum Beispiel wenn der Mann einheiratet, dann folgt er der Frau, und das geht schief: Es gibt keine erfüllte Beziehung.“(3) Ein paar Seiten weiter fällt die Aussage: „Eine jüdische Frau kann keinen Deutschen heiraten. Anne: Kannst du mir sagen, warum? Hellinger: Das geht schief. Ich habe noch nicht gesehen, dass es gutgegangen ist. Umgekehrt schon, ein jüdischer Mann kann eine deutsche Frau heiraten, aber nicht andersherum. Das geht nicht. … Ich erkläre es nicht. Es ist so.“(4)

Hellinger begründet selten. Dies resultiert daraus, dass er zu seinen Auffassungen nicht durch logisches Nachdenken oder Ableitungen aus anderen Situationen gelangt, sondern gleichsam aus innerer Schau. „Das heißt, er [der Therapeut] setzt sich einem dunklen Zusammenhang aus, bis ihm plötzlich Klarheit kommt.“(5) Hellinger nennt dies den phänomenologischen Erkenntnisweg, den er bewusst neben den wissenschaftlichen Weg stellt. Es kommt ihm darauf an, aus der Betrachtung der Situation „ohne Rückgriff auf eine frühere Theorie oder Erfahrung sich der hier ans Licht drängenden Wirklichkeit zu stellen, und ihr zustimmen, so, wie sie ist.“(6)

Die Erkenntnis, die Hellinger in der Aufstellung über die Verstrickungen in einer ihm ansonsten unbekannten Familie auf solche Weise „phänomenologisch“ aufgeht, soll dann von den Klienten als „Wahrheit“ akzeptiert werden.
http://www.confessio.de/cms/website.php ... euten.html
Da spricht der Priester (ist/war er ja auch, glaube ich)? Und das Risiko ist ja auch hoch, dass sein Menschen- und Weltbild auch stark seine Methodik beeinflusst (wobei der Begriff "Methodik" schon wohlwollend gemeint ist, wenn ich oben lese "Das geht nicht. … Ich erkläre es nicht. Es ist so"). Was nicht passt, wird passend gemacht bzw. es ist so, wie ich, Hellinger. es (entsprechend meiner Eingebung) vorgebe *schauder*... könnte ich nix mit anfangen... abschreckend.
Nachdem die Psychoanalytische Gesellschaft in Wien seine Ausflüge in andere Therapie- und Gruppentechniken nicht mehr toleriert, verlässt er sie und geht seinen eigenen eklektischen Weg. Seinen Klienten erlaubt er diese Form der Selbstbestimmung nicht.

Verweigert sich jemand Ihrer Interpretation,brechen Sie ab. Ihre Kritiker nennen das manipulativ.

Kommt jemand zu mir, will er die Hilfe, die ich anbiete. Lasse ich den Klienten reden, wird das, was sich zeigt, verfälscht. Ich verbünde mich immer sofort mit den Eltern. Das hilft dem Kind, seinen Eltern mit Achtung gegenüberzutreten, seine Geschichte auf sich zu nehmen, und damit ist es mit den Generationen verbunden und geheilt. Für viele ist es ein grosses Ärgernis, dass ich die Eltern ehre.
http://fkpsych.de/hellinger/deraufsteller.html
Und mit seinem direktiven bzw. normativ-wertenden Vorgehen steigt er in die Lücke, die eine Psychotherapie (aber aus gutem Grund) nicht bzw. nicht in dem Maße bietet... insbes. die Psychoanalyse. Aber vielleicht ist das genau das, was einige Patienten in der Tat wollen, keine Ahnung. Ich bin jedenfalls jemand, der mit Überstülpungen idR nicht viel anfangen kann. Daher würde ich von folgendem auch mehr halten:
Vielleicht wäre es mal an der Zeit über Aufstellungen nachzudenken, in denen die Aufstellenden selbst ihre eigenen Deutungen vornehmen.
Meinte meine Thera neulich auch, dass sie eigentlich möglichst wenig in den Prozess (was sich in mir auftut) eingreifen möchte... denn sobald sie etwas sagt, könnte das lenken... aber mal sehen wie es am besten geht. War dann doch so, dass sie das eine oder andere mal etwas eingeworfen hat, wobei es keine Deutungen waren, sondern eher etwas imaginatives in dem Fall (was ich auch als hilfreich wahrnahm). Aber trotzdem ist es dann schon so, dass ich dann nicht mehr ganz so frei bin. Vielleicht/hoffentlich geht es das nächste Mal anders. Aber nicht vorzustellen, wenn in einem Moment, in dem ich emotional besonders empfänglich bin, jemand irgendwelche Keulen oder normativen Nonsens reinschlägt. Klar be-wirkt das auch etwas. Nur was, das ist die Frage.
Zuletzt geändert von stern am Do., 24.03.2011, 16:59, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag Do., 24.03.2011, 16:51

De Wiena wiss'n des oba scho länga. Nau Hawidere.

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Beitrag Do., 24.03.2011, 17:15

carö hat geschrieben:ja.. vermutlich spielt das und vermutlich auch noch einiges andere eine wichtige rolle ...
Vielleicht weil er, wie oben gesagt, auch eine Lücke füllt, die die Psychotherapien (insbes. auch die PA) aus gutem grund nicht oder nur in Maßen füllt: Direktives Vorgehen, Wertungen, Normen, genau das was ICH=Hellinger sage ist die Wahrheit, usw. Vielleicht dass auf diesen Stil auch manche Patienten abfahren.

Und: Auffällig ist auch, dass er sehr stark polarisiert. Und das habe ich auch schon im RL erlebt, dass eine Polarisierung sich zunehmend aufschaukelt... insbes. auch dadurch, dass sie zunehmend Menschen solidarisieren, vielleicht auch identifizieren, keine Ahnung. Aber relativ typ. Mechanismus, wenn jemand spaltet. Für mich ist schon auffällig, wie die Anhänger hinter ihm stehen... und die Kritik aus der anderen Ecke doch relativ stark ist.

Angebot einer (vermeintlich) schnellen und effektiven Heilung... wieso PT, wenn es so einfach geht. Nun ja, ich bleibe dabei: Nicht alles was die Psyche freigibt, muss auch heilsam sein... sondern es kann auch das Gegenteil der Fall sein.

Dass jeder so krass wie Hellinger ist, glaube ich auch nicht... aber bereits die Tendenz wäre mir too much. Letztlich muss das aber jeder für sich abschätzen.
Liebe Grüße
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