Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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stern
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Beitrag Mo., 11.02.2008, 15:30

Der Narzisst nimmt sich vielmehr entweder als grandios oder minderwertig wahr ...
Bezieht sich dieses "oder" auf die Zeit oder die Person(en)? Bei mir war (und ist) durchaus beides vorhanden, aber natürlich nie zeitgleich *g*
Ich beziehe mich mal wieder auf mein Verständnis des Büchleins:

Und zwar wird unterschieden zwischen dem "wahren" Selbst und dem "falschen" Selbst. Das "falsche" Selbst umfasst dabei das Erleben (= eigenen Wahrnehmung) von Minderwertigkeits- bzw. Grandiositätsgefühlen.

Was das Erleben der Minderwertigkeit bzw. Grandiosität angeht ("falsches" Selbsterleben), ist jeweils nur ein Gefühl zugänglich, da das andere Gefühl abgewehrt wird (=> Abwehrmechanismus) bzw. kein Kontakt zu dem Gefühl hergestellt werden kann. Klingt abstrakt... ist es aber eigentlich nicht:

"Im Gefühl der Grandiosität existieren für die Betroffenen nur ihre Größenvorstellungen, ohne Erinnerung an die Minderwertigkeit. Wird sie kritisiert, schlägt ihre Stimmung in Depression um, sie fühlt sich klein, schlecht, minderwertig und spürt in diesem Zustand nichts mehr von ihrer Grandiosität. Sie hat einfach keine bewusste Erinnerung mehr daran, wie es ist, sich groß und überlegen zu fühlen. *) Die Grandiosität wird in diesem Moment also verleugnet. Das heißt, die Betreffende erlebt sie innerlich wie zwei Personen, die nichts miteinander zu tun haben: eine selbstbewusste und eine hilflos-minderwertige. ... Wir finden bei diesen Menschen keine "Mitte", sondern ein ständiges Schwanken zwischen den Polen. In Beziehungen sind sie zuerst sehr offen und zugewandt, ziehen sich aber ohne Vorwarnung zurück oder brechen den Kontakt ab, wenn sie sich gekränkt fühlen. Für das Gegenüber ist dieses Verhalten meist nicht nachzuempfinden, vor allem, weil die Reaktion mit einer Heftigkeit einsetzen können, die der Situation nicht angemessen ist. Unverständlich für andere wirkt auch der Gegensatz zwischen äußerer Selbstsicherheit und innerer Unsicherheit."

*) "Wenn nur eine von zehn Kritiken negativ ist, dann sieht sie nur diese eine kritische und übersieht die restlichen neun positiven. Auf diese Weise entstehen Minderwertigkeitsgefühle. ... Selbstwertschwache Frauen fürchten die Ablehnung durch die anderen, merken aber nicht, dass sie Mühe haben, sich selbst zu akzeptieren. Statt sich bewusst zu machen, dass sie sich selbst nicht mögen, unterstellen sie es den anderen, denen sie sich dann anpassen."


=> Ich würde das "entweder-oder" auf die Zeit beziehen (sprich: Grandiosität und Minderwertigkeit können nicht gleichzeitig erlebt werden... auf eine Mitte, in der man sich realistisch mit Stärken UND Schwächen wahrnimmt, besteht also kein Zugang) . Beide Erlebensbereiche sind ja (in einer Person) grundsätzlich vorhanden, aber es ist jeweils nur ein Pol zugänglich. Problematisch ist dabei, dass der Narzisst im eigenen Erleben nicht nur zwischen diesen beiden Polen pendelt, sondern auch, dass das "wahre Selbst" (= "wer bin ich wirklich") nicht zugänglich ist:

"Das "wahre" Selbsterleben ist bei narzisstischen Menschen in großem Maße unzugänglich geworden. Die Person selbst ist mit ihm kaum in Kontakt und erlebt sich hauptsächlich im Wechsel zwischen den beiden Polen des "falschen" Selbsterlebens. Oft wird das von den Betroffenen folgendermaßen beschrieben: "Warum fühle ich mich so klein und schlecht, obwohl ich doch auf andere einen selbständigen und erfolgreichen Eindruck mache? Wer und was bin ich nun wirklich? Der mickrige Zwerg meiner Angst oder der große Held meiner Allmachtsphantasien?

Sie sind weder nur das eine noch das andere. Sie sind beides ein wenig, aber auch noch etwas anderes. Wer sie wirklich sind, ahnen sie bestenfalls. ... Das "wahre" Selbsterleben umfasst bei narzisstischen Persönlichkeiten neben den "wahren" Gefühlen und Bedürfnissen auch jene kindlichen, die unerfüllt blieben oder unerwünscht waren. Wie wir bereits sahen, handelt es sich um unerfüllte Wünsche nach Sicherheit, Geborgenheit, Angenommensein, Vertrauen und Bindung. Des weiteren um ..."

Persönlich finde ich die Begrifflichkeiten "wahr" und "falsch" etwas blöd. Aber ich vermute damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass bei einer narzisstischen Person, der Kontakt zu sich selbst (="wahres" Selbst) eingeschränkt ist und mithin der Zugang zu den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen, Wünschen, etc. versperrt ist. Stattdessen wird einem Ideal/Standard gefolgt ("was erwarten andere von mir"), das man als sein "grandioses Selbst" ("falsches Selbst") adaptiert, um Anerkennung zu erhalten. Und wenn Kritik erlebt wird oder Zurückweisung schlägt das Erleben ins andere Extrem um, sprich: Dann fühlt sich der Narzisst minderwertig und die grandiose Seite ist nicht mehr zugänglich.
Liebe Grüße
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ada
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Beitrag Mo., 11.02.2008, 18:58

kamikatze hat geschrieben: ada: wie gehts deiner identitätssuche? auf halber strecke verstummt, umgedreht oder abgehängt worden?
kätzchen, auf halber strecke wurde mein post verschluckt und nicht wieder ausgespuckt *gemein*

ich les nur mehr mit und staune *lach*

und üb mich in unangepaßtheit, indem ich saufe, rauche und in depressionen dümple

*seufz*
Ich wünsche mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
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stern
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Beitrag Mo., 11.02.2008, 19:18

ada hat geschrieben:und üb mich in unangepaßtheit, indem ich saufe, rauche und in depressionen dümple *seufz*
Das fällt nicht unter Unangepaßtheit, sondern unter destruktive Kompensationsstrategien
Goldbeere hat geschrieben:indem man denkt, dass man der Aufmerksamkeit ja gar nicht wert ist? Ist das dann auch normal
Als "normal" würde ich das nicht bezeichnen, sondern das spricht in meinen Augen eher dafür, dass du deine Beschwerden nicht ernst nimmt. Wobei ein Schritt in die richtige Richtung ist, dass du dir heute eine Überweisung geholt hast .
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ada
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Beitrag Mo., 11.02.2008, 20:16

stern hat geschrieben:
ada hat geschrieben:und üb mich in unangepaßtheit, indem ich saufe, rauche und in depressionen dümple *seufz*
Das fällt nicht unter Unangepaßtheit, sondern unter destruktive Kompensationsstrategien

*lach* danke stern ... so kann man es wahrscheinlich auch nennen
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ada
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Beitrag Mo., 11.02.2008, 20:22

stern hat geschrieben:Persönlich finde ich die Begrifflichkeiten "wahr" und "falsch" etwas blöd. Aber ich vermute damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass bei einer narzisstischen Person, der Kontakt zu sich selbst (="wahres" Selbst) eingeschränkt ist und mithin der Zugang zu den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen, Wünschen, etc. versperrt ist. Stattdessen wird einem Ideal/Standard gefolgt ("was erwarten andere von mir"), das man als sein "grandioses Selbst" ("falsches Selbst") adaptiert, um Anerkennung zu erhalten. Und wenn Kritik erlebt wird oder Zurückweisung schlägt das Erleben ins andere Extrem um, sprich: Dann fühlt sich der Narzisst minderwertig und die grandiose Seite ist nicht mehr zugänglich.
ja, das versteh ich gut. sooo grandios bin ich zwar nie *lach* , aber ich erlebe mich selbst oft so, dass ich das gefühl habe, keinen wirklichen zugang zu mir zu haben. dass menschen ein bild von mir haben (hilfsbereit, immer da, lieb, blablabla), das in meinen augen nicht zutrifft. und dann denke ich: täusche ich diese menschen erfolgreich? auch wenn ich es nicht will?

alles liebe
die ada
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stern
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Beitrag Mo., 11.02.2008, 21:15

ada hat geschrieben:grandios
Hm... bisher hatte ich von Grandiosität immer die Vorstellung gehabt/Erfahrung gemacht , dass sich jemand wie der "tollste Hecht" fühlt, der Größte, Beste und überhaupt... also so: http://www.schotterblume.de/folge/narzissmus-01.jpg. Also ich finde, dass Bild bringt es echt auf den Punkt.

Was den weiblichen Narzissmus angeht, hat die "Grandiosität" meines Verständnisses nach jedoch eine etwas andere Dimension als oben geschildert. (Allerdings habe ich noch Schwierigkeiten, den weiblichen Narzissmus in die narzisstische PS einzuordnen... aber sei's drum). Und zwar ist die Grandiosität beim "rigiden Typus" durch folgende Merkmale geprägt ("rigid", weil das gesunde Maß verloren gegangen ist):
- Perfektionismus
- Pseudounabhängigkeit und Bedürfnislosigkeit
- Leistung, Stark Sein
- Überanpassung
- Besondersein
- ständiges Agieren und Auspowern
- Fehlen von Normalität.
Beim "oralen Typus" durch:
- Anspruchshaltung
- Euphorie

Der rigide Typus versucht versucht über Leistung, Erfolg, Sichzusammenreißen und Starksein Zuwendung zu erhalten. Es fällt ihm überaus schwer, sich "fallen" zu lassen und seine liebevollen Gefühle zu zeigen, da er befürchtet, seine Stärke zu verlieren. Er macht sich bedürfnislos, wirkt starr, zusammengehalten, ist aber dabei sehr leistungsfähig und erfolgreich. Die Frau macht ein Ideal zum Maßstab ihrer Zufriedenheit. So, wie ihr Ideal von sich ist, so möchte sie werden. Und das Ideal ist oft an den Erwartungen anderer angelehnt. ... Frauen mit mangelndem Selbstwertgefühl glauben, immer besser, attraktiver, erfolgreicher, spritziger, und geistreicher sein zu müssen als andere, um gemocht zu werden. Sie sind dabei nicht mit sich selbst in Kontakt, sondern mehr mit dem Gegenüber und dessen vermeintlichen Erwartungen an sie. Es ist ihnen wichtig, die Erwartungen anderer zu erfüllen. ... Der grandiose Hintergedanke ist: Ich brauche mich nur gut genug anzupassen, dann erreiche ich alles!

Hm... ich finde schon, dass das alles schlüssig klingt. Teile aus dem Buch kann ich aus meiner Sicht auch gut nachvollziehen/empfinden (und diese eher analytische Sichtweise hat auch teils eine Erklärungswirkung für mich). Aber mit Narzissmus bringe ich den "weiblichen Narzissmus" - wie oben angedeutet - nur bedingt zusammen... was vielleicht daran liegt, dass ich von Narzissmus bisher eine teils abweichende Vorstellung hatte. Zum Beispiel:

Typisch narzisstisch gilt z.B. der Mangel an Empathie, vgl. z.B. ICD: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23505/1.html. Und die weibliche Narzisstin ist hingegen durch gegenteiliges charakterisiert: Aufgehen im anderen, empathisches Mitfühlen bis zur Übernahme fremder Gefühle. Sprich: ich bringe noch nicht ganz zusammen, was der weibliche Narzissmus mit der narzisstischen PS gemein hat. In meinen Augen verhalten sich beide "Bilder" wie gesagt eher komplementär.
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Taffi
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Beitrag Mo., 11.02.2008, 21:50

Wahres und falsches Selbst... *grübeldenk*... da hatte ich doch letztens erst ... *in Unterlagen wühl* ... zur Prüfungsvorbereitung ... Winnicott ... *such*

Mist, schon als Kladde-Papier verwendet und nicht mehr auffindbar. Okay, aus dem INet zitiert:
Narzisstische Bedürfnisse von Kindern

Jedes Kind hat das narzisstische Bedürfnis, von der Mutter gesehen, verstanden, ernstgenommen und respektiert zu werden. Es ist darauf angewiesen, in den ersten Lebenswochen und Monaten über die Mutter verfügen zu können, sie zu gebrauchen, von ihr gespiegelt zu werden. Die Gefühle der Mutter spiegeln sich in dem Säugling. Der Säugling ist sich seiner
Gefühle nicht bewusst. In den frühen Phasen der Kindesentwicklung (nach Winnicott) spielt die Umwelt - noch nicht in Ich und Nicht-Ich getrennt - für das Kind eine entscheidende Rolle. Der Säugling nimmt sich also dadurch wahr, dass seine Mutter ihn wahrnimmt. (...) Das Kleinkind identifiziert sich somit mit den affektiv-mimischen Reaktionen der primären Bezugsperson, d.h. mit dem mehr oder weniger realistischen Bild, das sie [die Mutter] sich vom Kleinkind macht. Winnicott umschreibt diese Situation in einem Bild:

"Die Mutter schaut das Baby an, das sie im Arm hält, das Baby schaut in das Antlitz der Mutter und findet sich selbst darin .....vorausgesetzt, dass die Mutter wirklich das einmalige, hilflose Wesen anschaut und nicht ihren eigenen Introjektionen, auch nicht ihre Erwartungen, Ängste, Pläne, die sie für das Kind schmiedet, auf das Kind projiziert."
Im letzteren Fall findet das Kind nicht sich selbst in den Augen der Mutter, sondern die Not der Mutter. Das Kind kann nicht sein eigenes "Ich" aufbauen. Es selbst bleibt ohne Spiegel und wird in seinem ganzen späteren Leben diesen Spiegel suchen. Das gesunde Selbstwertgefühl, dass empfundene Gefühle und Wünsche zum eigenen Selbst gehören, kann das Kind nicht entwickeln. Das Kind und dessen Gefühle passen sich in diesem Falle an den "spiegelbildlichen Bezugsrahmen" der Mutter an und die eigene emotionale Entwicklung wird gehemmt. Verläuft die primäre Mutter- Kind- Interaktion unsicher, unberechenbar, angsterfüllt oder gar feindselig, weil das Vertrauen der Mutter zu sich selbst schwankend ist, dann nimmt das Kind in der Phase der Individuation seine eigenen Gefühle wahr, muss aber ohne einen verlässlichen Bezugsrahmen für seine Emotionen auskommen. Das Kind erlebt seine Gefühle ohne Rückversicherung bei der Mutter. Identitätsprobleme und eine Störung des primitiven Selbstgefühls sind die Folgen.

Nimmt die Mutter das Kind ernst, hat Verständnis für die Bedürfnisse des Kindes, so entwickelt das Kind eine Sicherheit. Das Kind findet Zugang zu den eigenen selbstverständlichen Gefühlen und Wünschen, findet Halt in der Mutter und entwickelt seine Selbstachtung. Er darf seine Gefühle leben, darf traurig sein, verzweifelt oder hilfsbedürftig sein, ohne Angst haben zu müssen, die introjizierte Mutter damit unsicher gemacht zu haben.
Nur so kann sich in dem Kind das wahre Selbst entwickeln. Wenn aber die Mutter narzisstisch gestört ist, vielleicht weil sie nicht in einer solchen Atmosphäre aufgewachsen ist, kann sie die Spiegelfunktion für ihr Kind nicht erfüllen. Sie wird unbewusst, entgegen ihrem guten Willen, mit Hilfe ihres Kindes ihre eigenen narzisstischen Bedürfnisse zu befriedigen suchen. Das Kind bekommt auf diese Weise die Erwartungen und Bedürfnisse der Mutter introjiziert und kann, da es von der Mutter abhängig ist und ihre Liebe nicht verlieren will, sein wahres Selbst nicht entwickeln. So kommt es zur Entwicklung einer "Als-Ob-Persönlichkeit", dem falschen Selbst. Die wirklichen Gefühle werden nicht in die sich bildende Persönlichkeit integriert, sondern abgespalten.

Quelle



Oder kurz und knackig hier:

http://www.medizin-im-text.de/blog/?p=342
Es ist wichtig, jemanden dort abzuholen, wo er gerade ist. Aber manchmal ist es auch wichtig, jemanden dort zu lassen, wo er gerade sein will.

"Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht." Carlo Levi

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Pitt
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Beitrag Mo., 11.02.2008, 22:33

Hi,
ich wollte nur mal kurz in die Diskussion einwerfen, dass ich es sehr interessant finde, dass in so dramatischer Weise zwischen männlichem und weiblichem Narzissmus differenziert wird (werden kann).
Das ist mir irgendwie "neu".
Ich hätte nie gedacht, dass weiblicher Narzissmus so weit von männlichem abweicht (abweichen soll).
Wo sind die Gemeinsamkeiten?
Empathiemangel wurde genannt.
Was sonst noch?
fragt sich
Pitt

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thorn
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Beiträge: 272

Beitrag Mo., 11.02.2008, 23:45

Es geht doch bei beiden Störungsbildern grundsätzlich um das fehlende bzw. falsche Selbstbild, oder nicht? Die ständige Suche nach Bestätigung - ob nun durch Grandiosität oder Aufopferung, und damit einhergehend die große Selbstbezogenheit, die man halt bei dem einen Typus eher, bei dem anderen nicht so leicht bemerkt. Denk ich mal so.

Ich persönlich tendiere zwar deutlich zum weiblichen Narzissmus, brauche den für mich aber gar nicht so sehr vom männlichen trennen, weil ich schon etliche, sowohl "männliche" als auch "weibliche" Methoden durchprobiert hab. Und immer ist dabei das Ziel, mir meinen Selbstwert zu bestätigen. Manchmal wird mir meine Selbstbezogenheit sehr bewusst und ich stelle fest, dass ich gar keine Vorstellung davon habe, wie es aussehen kann, wie man sich fühlt, worum sich das Leben dreht, wenn das nicht so ist ... Aber wenn ich mir dann vornehme, zur Abwechslung mal wieder selbstlos zu sein, geschieht das ja doch wieder nur aus genau denselben egozentrischen Gründen.

Kann man eigentlich definieren, was ein gesundes Maß an Egozentrik und Selbstbezogenheit ist und wo die Störung anfängt?


@stern: Danke für die Erläuterung. Passt dann ja ganz gut auf mich (Weißte, was ich übrigens echt schön fände? Wenn du deine eigene Meinung nicht immer so klein schreiben oder hinter Fach- und Sachzitaten verstecken würdest. Haste doch gar nicht nötig *smile*)


@Goldbeere:
Also ich hab heute n Gespräch mit meinem Hausarzt, damit ich ne Überweisung für nen Therapeuten bekomme, damit nehme ich meine Depressionen endlich ernst.
Geil, gratuliere!

Deine Zweifel find ich übrigens völlig normal Die "müssen" ja da sein, das ist eben deine (bald schon alte?) Denke. Aber lass dich von ihnen nicht unterkriegen. Sag ihnen guten Tag, biete ihnen einen Platz an und Kekse, wenn sie drauf bestehen, aber dann kümmere dich wieder um dich, ja?


Ganz liebe Grüße,

thorn

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Goldbeere
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Beiträge: 813

Beitrag Di., 12.02.2008, 00:18

Auch das Besonderssein ist beiden Ausprägungen gemeinsam.
Anfangs habe ich überhaupt nicht verstanden, was das heißen soll mit dem Besonderssein, schließlich fühle ich mich nicht als etwas besonderes. So wie ich mir das heute erschlossen habe, geht es um das Fühlen. Nachdem man sich nicht authentisch zeigt, kann man die Authentizität der anderen nicht werten, bzw. hat instinktiv das Gefühl man bekommt auch keine zurück.

Und die eigenen Gedanken (und Empfindungen) scheinen in dieser Art einzig zu sein. Im Kontakt mit anderen könnte man aber erfahren, dass gewisse Ängste oder Unsicherheiten bei anderen genauso auftreten, die Isoliertheit ist also nur gefühlt, im Grunde gibt es viele verbindene Faktoren. Sicher kann man das auch nicht bei allen Menschen so auf den ersten Blick feststellen, aber schon bei einigen engen Freunden mag das helfen. Man fühlt sich sehr viel normaler *freu*.

@thorn:
Deine Zweifel find ich übrigens völlig normal Die "müssen" ja da sein, das ist eben deine (bald schon alte?) Denke. Aber lass dich von ihnen nicht unterkriegen. Sag ihnen guten Tag, biete ihnen einen Platz an und Kekse, wenn sie drauf bestehen, aber dann kümmere dich wieder um dich, ja?
Sie bekommen eine Audienz, im Moment gibt es Sitzplätze aber bevorzugt für Gefühle, nicht dass mir noch die Sitzkissen ausgehen



Alles Liebe
Goldbeere
Ring the bells that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack in everything
That's how the light gets in
Leonard Cohen

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kamikatze
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Beitrag Do., 14.02.2008, 20:43

hey, da läuft ja eine massive kollektiv-entwicklung ab!
thorn hat geschrieben: kamikatze schrieb:wie hat sich das in deinen augen denn gezeigt? das würd mich persönlich intressieren, ob mein Therap. auch so etwas in seinem geheimgehaltenen "Konzept" drin hat.

Hält dein Thera denn sein "Konzept" geheim, oder vermutest du, dass er neben dem, was er dir sagt, noch anderes im Hinterkopf hat? Kannst du deinem Thera vertrauen, dass er, wenn dem so ist, das zu deinem Besten tut?
du tönst da grad therapeutisch! ich frage, weil das bei uns mal ein thema war und er sich nicht in die karten schauen lassen wollte. irgendwie logisch..ich glaube nicht, dass ein therap. etwas zu unserem schlechten tut, absichtlich meine ich. die frage ist ja nur anhand von welchen kriterien leitet er oder sie ein therapiekonzept ab. beruht ja schlussendlich auch nur auf einer hypothese. das ist der hintergrund meiner frage.

Bei mir sind folgende Themen stöndige Begleiter: Selbstwert, Widerstand, (zuviel) Verantwortung übernehmen.
Am Anfang warens noch: Vertrauen, (zuviel) Autonomie, Kontrolle, Mentalisierung. (diese vier Begriffe sind aber relativ schnell von seiner Agenda verschwunden!!! )

Das Wort Selbstwert kann ich indes schon kaum mehr hören...dabei klingt für mich sooo sehr der beigeschmack des MN mit...schon komisch: mit dem wort fühle ich mich sofort angegriffen, es kommt bei mir rüber wie die Abstempelung zur Narzisstin...

Um welche übergeordneten Themen jenseits vom Alltagsgeschehen geht es bei euch candidierenden
thorn hat geschrieben:Mein "Verdacht" entsteht einfach dadurch, dass ich die Eigenschaftenliste einer WN durchgehe und mir denke "Jo, darum ging's oft, darum auch, das war auch ständig Thema ...". Und einige der auftauchenden Begriffe kamen dabei nicht von mir, sondern von meiner Thera. Also ich seh da vieles, was ihr wichtig war, Dinge, die ich von selbst (so) nicht unbedingt zum Thema gemacht habe/hätte.
WN/MN?
Ich rotiere höchstens,
wenn ich Opfer des Rotationsprinzips werde...

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kamikatze
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Beitrag Do., 14.02.2008, 21:08

taffi: interessanter auszug von dir! "Das Kind verhält sich anders, als es fühlt. Es fühlt unter Umständen sogar so, wie die Eltern es von ihm erwarten. Es ergreift ein Hobby oder einen bestimmten Beruf, den eigentlich nur die Eltern wollen. Das wahre, lebendige Selbst drängt das Kind unbewusst zurück. Dies passiert meist unter großem, offensichtlichen oder weniger offensichtlichen Druck der Eltern. Man sagt, das Kind wird von den Eltern narzisstisch besetzt. "
aber taffi sag mal: wie ist das, wenn das Kind GENAU das Gegenteil von den Erwartungen seiner eltern macht? sagen wir: das kind soll tierarzt werden, und das kind wird dann metzger? tut man das einfach mit reaktanz ab und hat per se nichts mit N zu tun? ist das die sogenannte pseudo-autonomie die zum N gehört??? oder ist es dann einfach ein symptom einer extrem komplexen und konfliktbehafteten eltern-kind-beziehung das nichts mit N zu tun haben muss primär????

frAGE: seid ihr psychologie-studis? falls ja: ist das representativ???...

LG
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Taffi
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Beiträge: 484

Beitrag Do., 14.02.2008, 23:04

Hallo kamikatze!
kamikatze hat geschrieben:sagen wir: das kind soll tierarzt werden, und das kind wird dann metzger?
Was für ein geiles Beispiel!
tut man das einfach mit reaktanz ab und hat per se nichts mit N zu tun?
Kommt wohl drauf an, ob das Kind grundsätzlich das Gegenteil machen muss, um bspw. das subjektive Gefühl zu haben, autonom zu sein/handeln. Zuweilen ist das auch tatsächlich ein Weg in die Autonomie. In der Pubertät ist diese Zwangsopposition als Entwicklungsschritt gar nicht mal selten, vielleicht sogar notwendig. Es geht beim Erwachsenwerden ja auch darum, Normen und Erwartungen für sich zu überprüfen, mit ihnen zu experimentieren, um sich schließlich selbst zu positionieren. Und so eine Pubertät kann bei manchen Menschen schon etwas länger dauern *flöt*

Könnte theoretisch also sein, dass man infolge eines solchen Entwicklungsschritts Metzger wird, weil man es wirklich will - und auch sonst vieles anders macht, als die Eltern es gern hätten. Manchmal sind solche Reaktionen halt nichts anderes als unterschiedliche Lebensvorstellungen. Ich hab mich lange Zeit den Erwartungen meiner Eltern gebeugt, und als ich einen anderen Beruf gewählt habe, als meine Eltern das für mich gewollt hätten (und das haben sie!), war das nicht, um denen den Stinkefinger zu zeigen (das kam nur als Bonus dazu ), sondern weil mein Berufswunsch wirklich mir - oder in den Worten Winnicotts: meinem wahren Selbst entsprungen ist.
Muss also nix mit ungesundem Narzissmus zu tun haben. Allerdings sind dann Überschneidungen mit den Vorstellungen der Eltern auch möglich.

Außerdem könnte als Erklärung herhalten, dass man auf der nachträglichen Suche nach einer sog. "unzerstörbaren Umwelt" ist. Der Begriff stammt wieder von Winnicott und steht für die Suche nach Halt, nach dem Erleben dessen, was man als Kleinkind nicht hatte, nämlich die Versicherung, gehalten und angenommen zu werden, auch wenn man verletzt, enttäuscht usw. Eigentlich braucht man das schon im Säuglingsalter, damit diese Größenideen auf ein realistisches Maß reduziert werden. Das Kleinstkind glaubt, bspw. die Mutter zu zerstören, wenn es wütend ist. Reagiert die Mutter tatsächlich narzisstisch gekränkt, ist beleidigt, geht weg, spricht nicht mehr mit dem Kind, wird es in seiner Omnipotenzvorstellung unterstützt und findet eine brauchbare Grundlage dafür, kindlichen Narzissmus nicht zu überwinden...
Jedenfalls: In dem Sinne ist Rebellion (auch) ein Testen genau darauf, ob man ausgehalten wird. Aber das ist auch wiederum nur als pubertäre Entwicklungsphase plausibel. Die Pubertät wird von Analytikern als "zweite Chance" betrachtet, wo noch einmal viel nachgeholt werden kann von dem, was in der frühkindlichen Entwicklung nicht funktioniert hat (m.W. werden genau deswegen Persönlichkeitsstörungen erst nach der Pubertät diagnostiziert).
ist das die sogenannte pseudo-autonomie die zum N gehört??? oder ist es dann einfach ein symptom einer extrem komplexen und konfliktbehafteten eltern-kind-beziehung das nichts mit N zu tun haben muss primär????
Nun ja, man kann eine sehr schwierige Beziehung zu den eigenen Eltern haben und dennoch ganz bei sich sein - und zufällige Übereinstimmungen mit ihnen ertragen.
Wenn wir wirklich selbstbestimmte Individuen sind, was wir als Erwachsene der Tendenz nach sein sollten, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass wir mit unseren Eltern nie oder immer einer Meinung sind. Ich überlege gerade, ob es noch irgendeine andere Erklärungsmöglichkeit dafür gibt als weiblicher oder männlicher Narzissmus. Spontan fällt mir nix ein, aber das muss nichts heißen.


Liebe Grüße,
Taffi
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"Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht." Carlo Levi

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Irrlicht
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Beitrag Fr., 15.02.2008, 00:18

Ich überlege gerade, ob es noch irgendeine andere Erklärungsmöglichkeit dafür gibt als weiblicher oder männlicher Narzissmus. Spontan fällt mir nix ein, aber das muss nichts heißen.
...seit neuestem seh ich ALLEs durch die Narzissmus-Diagnosebrille (inklusive mich selbst natürlich, der Selbstbezug muss ja schon gewahrt bleiben *fg ).

..wobei ich übrigens für ne neue Diagnose plädiere: selektiver Narzissmus

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Pitt
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Beitrag Fr., 15.02.2008, 00:24

Irrlicht hat geschrieben: ..wobei ich übrigens für ne neue Diagnose plädiere: selektiver Narzissmus
Hi Irrlicht,
Deine neue Diagnose gefällt mir.
Hast du Vorschläge für "Kategorien"?
Lg
Pitt

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