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Fr., 30.07.2010, 23:13
Dieses Thema bewegt hier offenbar viele.
Ich habe mich auch sehr oft gefragt, ob es in Ordnung ist, wütend und voller Groll zu sein gegen diejenigen, denen man sein Leben verdankt, die aber auch ihre Schwächen hatten und Fehler begangen haben. Niemand ist perfekt. Das zu verlangen wäre unmenschlich.
Es macht einen Unterschied, ob Eltern und andere Bezugspersonen Kinder vorsätzlich, vielleicht sogar sadistisch quälen, sie aus Gleichgültigkeit vernachlässigen oder sich bemühen, aber ihre eigenen unverarbeiteten Konflikte in die Beziehung mit hineintragen. Es macht einen Unterschied, ob Eltern eigene Fehler oder Schwächen eingestehen können oder alles auf die Kinder abwälzen.
Ich sehe das für mich so: Wut, Zorn oder Ekel sind Indikatoren für Grenzverletzungen und Übergriffe und helfen einem dabei, seine Grenzen (an)zuerkennen und zu verteidigen. Wo die Grenzen liegen, mag von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Man kann Gefühle und Wahrnehmungen niemanden von außen absprechen.
Wenn man seine Grenzen kennt, dann kann man sich abgrenzen. Das hilft dabei, nicht mehr verletzt zu werden. Und das kann eine Vorausetzung dafür sein, ein neues, besseres Verhältnis zu den Eltern zu entwickeln - natürlich nur, wenn auch deren Bereitschaft dazu gegeben ist.
Mit dem entsprechenden Abstand und wenn es zu keinen neuerlichen Grenzverletzungen mehr kommt, ist es möglich, Verständnis für die Situation der Eltern zu entwickeln. Ich habe in den letzten Jahren mehr und mehr begriffen, Zusammenhänge verstanden, ich habe von meiner Großmutter viel über ihre Ehe, über ihre Kindheit erfahren und verstanden, wie und wodurch sie zu einer verbitterten, lebensüberdrüssigen Frau geworden ist. Ich spüre heute kaum noch Wut gegen sie, aber nicht, weil ich mir diese verboten habe, sondern weil diese einem gewissen Mitgefühl Platz gemacht hat. Das ist einfach passiert. Aber eine Voraussetzung für diesen Prozess (der sicher noch nicht abgeschlossen ist!) war, dass ich das Übergriffige erkennen und mich abgrenzen konnte.
Muss oder kann man alles verzeihen? Glaube ich nicht. Es gibt, wie gesagt, Unterschiede, manchmal ist es wahrscheinlich gesünder zu erkennen, da ist nichts mehr zu holen, nichts mehr zu erwarten. Auch das kann ein Abschluss sein.
Es ist ein Allgemeinplatz, aber das Leben ist leider nicht "fair". Manche ziehen die *rschkarte.