Die spinnen doch, die Analytiker! Oder doch nicht?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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candle
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:17

Löst sich denn gar nichts bei Dir auf metropolis?

Ich habe ja feststellen dürfen in der Therapie, dass ein Problem in das andere greift, sie also alle miteinander verbandelt sind. So löste sich oft ein Problem mit einem anderen gleichzeitig auf.

Steckt man denn dort kein Therapieziel?

candle
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metropolis
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:18

candle hat geschrieben:
hippogriff hat geschrieben: Ich empfinde da ehrlich gesagt schon einen Widerspruch, wenn sehr viel Energie zum Nach- und Vorbereiten von Therapiestunden in ein Internetforum gesteckt wird, obwohl es ja eigentlich Bestandteil des analytischen Settings ist, Probleme zuallerst und hauptsächlich in der Therapie/Analyse zu besprechen.
Ja, stimmt.
Sagt eine, die trotz der 9000 Beiträge im Forum, behauptet in der Therapie äußerst wenig zu reden.
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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candle
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:21

metropolis hat geschrieben: Sagt eine, die trotz der 9000 Beiträge im Forum, behauptet in der Therapie äußerst wenig zu reden.
Ach, hast Du wieder schlechte Laune oder was? Ich kann ja nichts dazu, dass Du nicht zu Potte kommst.

candle
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metropolis
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:22

candle hat geschrieben:Löst sich denn gar nichts bei Dir auf metropolis?
Doch, aber nichts, was man unmittelbar sichtbar machen könnte. Immerhin schreibe ich hier mehr denn je, was nur schwerlich darauf hinweisen mag, dass es mir besser geht.
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:25

hippogriff hat geschrieben:Just my two cents
Noch mal einen cent in den Hut.
hippogriff hat geschrieben:Ich empfinde da ehrlich gesagt schon einen Widerspruch, wenn sehr viel Energie zum Nach- und Vorbereiten von Therapiestunden in ein Internetforum gesteckt wird, obwohl es ja eigentlich Bestandteil des analytischen Settings ist, Probleme zuallerst und hauptsächlich in der Therapie/Analyse zu besprechen.
Nicht jeder tut, was man von ihm erwartet. Im Prinzip finde ich das auch gut. Und von einem Setting oder einer Theorie ließe ich mir schon gar nichts sagen.
hippogriff hat geschrieben: . . . Probleme, die man mit der Therapie/Analyse hat, auch in der Therapie/Analyse zu besprechen. (Ein Grundsatz, den ich auch allgemein für gut finde, dass man mit demjenigen, mit dem man Probleme hat, sie auch bespricht.)
So grundsätzlich würde ich diesen Grundsatz nicht teilen. Ich hatte in meiner Therapie über sehr viele (!) Probleme gesprochen, die ich mit der Therapeutin gar nicht hatte. Und für jedes Problem eine Übertragung zu entwickeln, das war mir zu anstrengend.

Gruß
Anastasius
Zuletzt geändert von Gast am So., 02.05.2010, 11:28, insgesamt 3-mal geändert.

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hippogriff
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:26

5-6 Wochenstunden wären nicht mehr zeitgemäß.

Das gab's zu Freuds Zeiten, aber da haben die Analysen wesentlich kürzer gedauert als heute. Aber das ist eigentlich nicht der Punkt, den ich meine.

Es gibt bestimmte Regeln, die machen eine Analyse zur Analyse. Eine davon ist, dass man nicht zu viel nach außen tragen sollte, sondern zunächst die Probleme (und anderes) in der Therapie ansprechen sollte. Solange, bis es geklärt ist.

(Und falls man Grenzüberschreitungen u.ä. vermutet/befürchtet, so gibt es in den Analygtischen Instituten / Fachverbänden kompetente Ansprechpartner, die man unter Schweigepflicht und kostenlos konsultieren kann. Ich schreibe dies, weil es natürlich Probleme gibt, die man nicht innerhalb der Therapie lösen kann und da kann ein Blick von außen hilfreich sein.)
Zuletzt geändert von hippogriff am So., 02.05.2010, 11:32, insgesamt 1-mal geändert.

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candle
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:28

Ja, Du schreibst sehr viel, aber es geht immer um die Therapie. Als hättest Du so gar kein Eigenleben. Ich bin ja nach wie vor der Meinung, dass man Probleme aktiv angeht, in der Beziehung zu Menschen. Ist ja leider so, wenn man psychisch nicht gut drauf ist Probleme mit dem Umfeld entstehen. Entweder hast Du da keine Probleme oder verweigerst unbewußt dagegen vorzugehen. Das ist vielleicht auch das laut schallende Signal in Deiner Analyse, kein Fortkommen aber akribisch festhalten an so recht kleinen Dingen.

Wie ist es denn mit Deinem Mann? Hälst Du da auch fest oder liegt der Schwerpunkt wirklich nur auf der Therapie? Das ist für ein Partner nicht leicht und für ein Kind mußt Du ja auch da sein.

Für mich wirst Du einfach nicht transparent, und das ist wohl das Problem (für mich) bei Dir nicht landen zu können.

candle
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hippogriff
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:30

@Anastasius: D'accord.

(Aber wenn ich eine Person aufsuche, um meine Probleme zu lösen und dann die Probleme, die ich mit dieser Person habe, woanders bespreche, wo doch Analyse eh so ein Reizwort ist, dann gibt es möglicherweise einen Kuddemuddel ...)

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Beitrag So., 02.05.2010, 11:40

Hallo hippogriff,

ich hatte schon eine bierernste Verteidigung erwartet. Mit Rüstung und Visier.

Deshalb freue ich mich.
hippogriff hat geschrieben:(Aber wenn ich eine Person aufsuche, um meine Probleme zu lösen und dann die Probleme, die ich mit dieser Person habe, woanders bespreche, wo doch Analyse eh so ein Reizwort ist, dann gibt es möglicherweise einen Kuddemuddel ...)
Ich sehe es unter dem Stichwort "Ressourcen nutzen". An keinem einzigen Ort liegt die Wahrheit vergraben. Inwieweit man ggf. dabei tatsächlich bestimmten Punkten ausweicht, denke ich, das muss man selbst entscheiden. Auch für`s mögliche "Kuddelmuddel" wäre man selbst verantwortlich.

Gruß
Anastasius

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hippogriff
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:48

(Ich stimme dir bierernst zu. Man muss nicht alles tun, was andere vorgeben. Aber wenn einem das Setting nicht passt, dann sollte man das bei dem ansprechen, der dieses Setting als Arbeitsvoraussetzung ansieht, als sein "Werkzeug". Vielleicht kommt man drauf, dass man als Kind schon immer Regeln folgen musste, die man nicht eingesehen hat und jetzt, bitte schön, mal verstehen möchte, warum man dieses so und jenes nicht tun soll. Und daran, wie gut und nachvollziehbar der Analytiker mir seine Regeln, mit denen er arbeitet (ein Verhaltenstehrapeut arbeitet nach anderen Regeln) erklären kann, so aufgehoben würde ich mich bei ihm fühlen. Und wenn mir die Regeln nicht zusagen, dann ist das ja auch okay.)
Zuletzt geändert von hippogriff am So., 02.05.2010, 11:50, insgesamt 1-mal geändert.

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beanie
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:49

@Anastasius: natürlich sind die Kinder nicht daran schuld und ich bin mir sicher, dass kein kompetenter Analytiker, so etwas jemals behaupten würde.

Zur Wirksamkeit: Prof. Leutzinger-Bohleber ist nur ein Bsp. aber schau dir mal die Ergebnisse an, wieso sollte die PA nicht wirken?
Die WHO fordert evidenzbasierte, empirisch gestützte Therapieformen. Emprically supported Therapies müssen nach gewissen Standards ihre Wirksamkeit "beweisen". Der "golden Standard" wäre hier ein randomisiertes Prä-Post-Design mit Versuchs- und Kontrollgruppen. Die PA ist hier per definitionem schon benachteiligt, weil sie mehr Zeit in Anspruch nimmt als andere Therapien. Dennoch gilt sie, wie candle schon sagte, als anerkannte und wirksame Therapieform.
Ich würde nicht an der Wirksamkeit zweifeln!

http://www.sfi-frankfurt.de/mitarbeiter ... leber.html

@Metropolis: hast du denn negativ Beispiele? Würde mir die gerne ansehen.

@Problemlösung:
Ich denke, dieser Begriff meint in diesem Zusammenhang, dass durch das Aufdecken der unbewussten Konflikte und das Neuerleben derselben in der Beziehung zum Analytiker, andere Lösungswege möglich sind, als ein Symptom ausbilden zu müssen. Von daher löst sich in diesem Sinne nicht auf, was man schlimmes erlebt hat, man kann aber dann auf andere Art und Weise damit umgehen und benötigt kein Symptom mehr, als Vehikel.

by the way: habe seit 6,5 Jahren 4 Sitzungen pro Woche.

LG

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mitsuko
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Beitrag So., 02.05.2010, 11:56

Hallo metropolis

Na ja, was meinst du mit Macken und Ängsten? Wenn jemand nur der Meinung ist, er habe ein paar Macken, macht er ja bestimmt keine Therapie. Bei mir merkte/merke ich sowohl in VT als auch PA eine ganz deutliche Veränderung, bei ersterer eher am Umgang mit zum Beispiel Ängsten, bei zweiterer tatsächlich hinsichtlich Art der Ängste selbst. Nach einem Jahr VT hatte ich genauso viel oder wenig Angst in vielerlei Situationen wie vorher, handhabte es dann anders. Wenn man von ursächlichen Problemen und deren Symptomen spricht, waren so richtig beide nicht beseitigt. Ich konnte anders mit den Symptomen umgehen. Es war wirklich eine Veränderung des Verhaltens - Empfindung blieb die gleiche. Ich blieb auch im Großen und Ganzen bei meiner alten Einschätzung meiner eigenen Person, aber auch der von anderen. In meiner eigenen Sichtweise ist diese Veränderung eine deutlich geringerer als die, die durch die PA möglich wird. Dort geht es an den Ursprung, gar nicht primär auf Vergangenheitsbewältigung ausgerichtet, sondern auch was den Ursprung meiner Empfindungen in bestimmten Situationen angeht, in der ich ja mir und aber auch anderen gewisse Attribute zuschreibe. Wenn ich das erkenne, kann ich es neu abwägen. Das kann ich nicht wenn ich mir immer nur sage, dass meine Wahnehmung eben falsch ist. Meine VT war nicht sehr dogmatisch ausgerichtet, ebenso wenig wir nun die PA. Dennoch muss ich rückblickend sagen, dass es mir immer wieder vorkam, dass der grundlegende Gedanke schon eben dieser war, dass meine Wahrnehmung eben falsch ist und verändert gehört. Die Worte wurden nicht genutzt, es wurde auch ein Stück weit erarbeitet, was zu dem Verhalten mal geführt hat und wofür es damals nützlich war, aber letztendlich ging es darum besser zu funktionieren. Pragmatisch gesehen klingt das vielleicht legitim, man geht hin wegen einer Störung und die muss nun behoben werden. Liegt dieser Störung jedoch zugrunde, dass man sich ohnehin für grundsätzlich makelbehaftet hält, ist der ganze Ansatz teilweise auch Wasser auf die Mühlen, die das Problem letztendlich am Leben erhalten. In der VT hatte ich immer den Eindruck, es gibt etwas, das ich leisten muss, damit man von Erfolg sprechen kann. In gewisser Weise kommt das mir natürlich entgegen. Meinen Psychoanalytiker möchte ich auch gerne dazu bewegen, dass er mir sagt, was ich tun muss um es richtig zu machen. Dann könnte ich dem Folge leisten und mich bald als Streberpatientin schlechthin ansehen. Tatsächlich bringt es mir sicherlich wesentlich mehr, wenn ich irgendwann dahin komme, zum Beispiel nicht solche Direktiven zu brauchen.
Klar hat das mit Selbstfindung zu tun, aber da ich aufgrund meiner Problematik im Alltag oft massiv eingeschränkt bin, ist es ökonomisch gesehen durchaus sinnig eine Therapie zu finanzieren, die mir hilft, ob nun durch Selbstfindung oder was auch immer.
Noch schöner wäre es, wenn die Anderen es auch sehen könnten.
Wenn du das für dich weißt, was stört dann das Gerede von anderen?

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Moni.
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Beitrag So., 02.05.2010, 12:03

metropolis hat geschrieben: Ja, da sagt doch Freud unverschämterweise: "Nur nicht heilen wollen"
Gern möchte ich dieses Zitat aus dem Eröffnungsbeitrag vervollständigen. Freud schrieb 1909 zum neu entstandenen Beruf des Psychoanalytikers (gab es ja vorher nicht) an G. C. Jung: „Nur nicht heilen wollen. Lernen und Geld erwerben: Das sind die brauchbarsten, bewussten Zielvorstellungen." Häufig werden nur die ersten Worte zitiert, der Rest weggelassen. Jahre später erklärt er es noch deutlicher:

"Die Patienten sind ein Gesindel. Die Patienten sind nur gut, um uns leben zu lassen und sie sind Stoff zum lernen. Helfen können wir ihnen ja nicht." (Freud zu Ferenczi, Mai 1932)

...

Ich denke schon man kann sich eine eigene Meinung bilden und Begriffe als veraltet bezeichnen. Mir fällt da der Penisneid, die Sexualtheorie sowieso, die Kastrationsangst, das Urtrauma, der Todestrieb und natürlich sein Widerruf zu den sexuellen Missbräuchen (alles spielt sich nur in der Wunschphantasie der hysterischen Patientin ab) ein.

Es ist richtig, man liest und hört kaum noch von derartigen Deutungen in der Analysepraxis. Ganz verschwunden sind sie aber auch nicht, liest man Falldarstellungen genau (z. B. werden ödipale Konflikte noch immer beschrieben). Modern ist auch, dass man inzwischen zugesteht, dass Patienten ihren Analytiker auch „erkennen“ können und dieser seine eigenen Konflikte mit in das Behandlungsgeschehen trägt. Dieser Paradigmawechsel macht Hoffung. Andere stehen noch aus.

beanie hat geschrieben: Mit einer Verhaltenstherapie kannst du ziemlich schnelle eine Symptomreduktion herbeiführen und nach kurzer Zeit sogar ganz symptomfrei sein. Die Frage ist nur, wie lange das anhält. In den meisten Fällen kommt es schon bald zu Rückfällen oder das eigentliche (noch immer unbeareitete Problem) verschafft sich auf anderem Wege "Gehör" und tritt in Form einer Symptomverschiebung erneut zu Tage
Ein altes Argument der PA im Schulenstreit, das so nicht stimmt. Es schafft Vorurteile, die schon längst widerlegt sind. Umgekehrt kann für bestimmte Störungen eine PA die richtige Wahl sein.

Ich zum Beispiel lag gern auf der Couch, das Liegen selbst war mir angenehm – auch wenn es Freud nur einführte, weil er die Blicke der Patienten nicht mehr ertragen konnte. Persönlich hat mir das Akzeptieren der eigenen „Abgründe“ sehr geholfen. Manche Deutungen fand ich dafür arg lebensfremd. Auch hat mich zunehmend das Elitäre an der PA gestört.

Die gewollte Regression in der PA kann Heilung bedeuten. Wenn sie nicht beherrscht wird, sind die Therapieschäden für die Betroffenen fürchterlich.

Nein, Analytiker spinnen nicht, doch etwas eigentümlich sind sie schon.

Sonntagsgrüße
Moni

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metropolis
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Beitrag So., 02.05.2010, 12:21

@candle
Klar gibts noch andere Dinge in meinem Leben, und klar gibts da auch Probleme. Aber ich möchte nicht darüber schreiben, warum mich diese oder jene Freundin schon wieder schamlos ausgenutzt hat, warum mein Mann ab und zu mal zu früh ejakuliert, wie anstrengend das vorpubertäre Verhalten meiner Tochter ist, warum ich meine Hausarbeiten immer auf den letzten Drücker mache usw. usf. Ich habe so viele Dinge, die mich beschäftigen, aber entweder spreche ich mit meinen Freundinnen darüber oder ich löse sie allein.

Und warum dreht sich bei mir hier alles um Therapie? Na erstmal ist das ein Therapieforum. Aber auch weil mein Mann davon nichts hören will, meine Freundinnen nichts von Analyse und den damit verbundenen Problemen verstehen und weil ich nicht alles nur mit meinem Thera besprechen will. Ich stelle mir so vor, es ist schädlich nur seine Meinung darüber zuhören, wenn er überhaupt mal ne Meinung hat. Ich möchte Austausch, um meine Therapieprobleme aus mehreren Perspektiven betrachten zu können. Was ihr oder mein Therapeut davon haltet, ist mir relativ schnurz. Ich lasse mir nicht vorschreiben, mit wem ich über meine Probleme spreche.
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

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Beitrag So., 02.05.2010, 12:42

Hallo beanie!
beanie hat geschrieben: natürlich sind die Kinder nicht daran schuld und ich bin mir sicher, dass kein kompetenter Analytiker, so etwas jemals behaupten würde.
Na ja, Glaube versetzt ja bekanntermassen Berge...

Hier mal ein Auszug aus einem spannenden Text eines hochanerkannten Psychoanalytikers und Borderline-"Experten":
Eine meiner Patientinnen mit einer masochistischen Persönlichkeit war die Geliebte eines Bandenführers, der sie so behandelte wie die Frau in der Novelle »0«. Er bot sie sozusagen als Geschenk seinen Freunden an, so daß sie Sex mit der ganzen Bande hatte, in masochistischer Unterwerfung und gleichzeitig mit einer schweren sexuellen Hemmung. Bei dieser Patientin mit einer masochisti­schen Persönlichkeitsstörung ist in meiner Behandlung dieses Inzesterlebnis doppelt aufgetaucht: als Opfer und als Versucher in intensiven sexuellen Phantasien mit mir, die ich wiederum als eine Reaktion auf den sexuellen Mißbrauch durch ihren Vater zurückführen konnte.
...
Das galt auch für diese Patientin, deren Vater eine antisoziale Persönlichkeit war. Sie hatte in typischer Weise das Verhalten des Vaters in vielfältiger Art erlebt, als brutalen Eingriff und Verletzung ihrer physischen Identität, als verwirrenden Einbruch und Zerstörung der liebevollen Beziehung zu ihm und zu beiden Eltern, als zerstörenden Einfluß auf die Entwicklung ihres moralischen Gewissens und als einen sexuell erregenden Triumph über ihre Mutter. Dieses letzte Element war natürlich vollkommen unbewußt (Anm.: Aber sicher doch!!!) und mit schweren Schuldgefühlen verbunden, die in ihrer masochistischen Persönlichkeit zum Ausdruck kamen und sie sich so ihr ganzes Leben wegen dieser ödipalen Schuld opfern ließ. Von dem Moment an, als sie sich nicht mehr als Opfer sehen mußte, konnte sie sich auch mit ihrer eigenen sexuellen Erregung in diesem unbewußten und jetzt bewußten Sieg über die ödipale Mutter zurechtfinden und ihre Schuld tolerieren. Sie erlangte so die Fähigkeit, sich mit dem Täter zu identifizieren, nämlich mit der sexuellen Erregung des sadistischen, inzestuösen Vaters, und so wurde es ihr auch möglich, den Haß gegen den Vater mit dem Verstehen seines sexuellen und ihres sexuellen Verhaltens zu verbinden. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie fähig, einen Orgasmus im sexuellen Verkehr mit ihrem sadistischen Freund zu erleben.
Quelle: OTTO F. KERNBERG, Persönlichkeitsentwicklung und Trauma (In: Persönlichkeitsstörungen – Theorie und Therapie (PTT), 1999, Jg. 3, Heft 1, S. 5-15), Hervorhebungen von mir.

Aha... Ein kleines Mädchen empfindet also den Mißbrauch durch den antisozial persönlichkeitsgestörten Vater als sexuell erregenden Triumph über die Mutter. Und daß dieses Mädchen später als Frau dann dadurch, daß sie ihre "ödipale Schuld" tolerierte, den ersten Orgasmus im Verkehr mit ihrem sadistischen Freund erlebte, muss dann wohl der Therapieerfolg sein?

LG

nemesis
We are effectively destroying ourselves by violence masquerading as love.
(R.D. Laing)

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