Gedanken, schwul zu sein/ Zwangsgedanken Homosexualität
Die Frage nach dem Unterschied zwischen Homo- und Heterosexualität will ich zu beantworten versuchen, wie immer meinem großen Übervater Sigmund Freud folgend, insbesondere den "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" und "Über die allgemeinste Erniedrigung des Liebeslebens". Diese Texte können leicht hier:
http://gutenberg.spiegel.de/autor/sigmund-freud-182
nachgelesen werden. Die "Drei Abhandlungen" allerdings relativ lang und brauchen etwas Zeit. Was ich hier nun schreibe, ist mein Verständnis von diesen Texten, die Darstellung notwendig vergröbert:
Die Heterosexualität steht unter dem dominanten Einfluß des Ödipus-Komplexes und seiner Verarbeitung. Das Kind strebt gegen Ende seiner genitalen Phase (meist 4-6. Lebensjahr) eine erotische Beziehung zu seinem gegengeschlechtlichen Elter an, will den anderen Elternteil beseitigen, dessen Stelle einnehmen - und scheitert mit diesem Bestreben, wird zurückgewiesen. Es bekommt aber vermittelt, daß es weiterhin akzeptiert, geliebt und beschützt wird, wenn es "brav" ist bzw. bleibt, woraus das Gerüst des "Über-Ich" erwächst. Die Latenzperiode wird eingeleitet, die normalerweise erst durch den Hormonschub der Pubertät wieder beendet wird: der Sexualtrieb wird nun wieder so stark, daß die Latenz überwunden wird.
In der Latenz jedoch wird das Über-Ich ausgebaut und angereichert mit den Werten unserer Gesellschaft, insbesondere mit den sexuellen Wertvorstellungen - dem, was man von emanzipatorischer Seite gerne "Heteronormativität" nennt. Sie basiert auf dem kindlichen Erleben der Beziehung der Eltern, die wiederholt werden soll, wobei das ehemalige Kind die Stelle des gegengeschlechtlichen Elters einnimmt, sich an einem Bild vom gegengeschlechtlichen Elter orientiert, wie es während der infantil-sexuellen Phase entstanden ist: dieses Bild ist keineswegs ein objektives Abbild, es ist nach infantilen Maßstäben idealisiert. Das ist ein ideales Fundament für rationale Begründungen exklusiver heterosexueller Monogamie: einer biologisch-biologistischen Auffassung von Sexualität als Fortpflanzungsfunktion, sozialethischen Theoremen von Ehe und Familie als "Keimzelle von Staat und Gesellschaft" und vor allem auch religiöser Überzeugungen, daß genau dieses ein göttliches Gebot sei. Alle anderen Sexualitäten gelten als "entartet" oder sündhaft, jedenfalls - in unterschiedlichen Abstufungen - unzulässig.
Hieraus folgt aber auch, daß diese so normierte Heterosexualität unter einer Art von Hypothek leidet: eben weil sie sich an einem Ideal orientiert, zudem von ödipalen - also inzestuösen - Empfindungen begleitet ist, gibt es Hemmungen, seine wahrgenommenen sexuellen Wünsche mit dem Partner einer solchen heterosexuellen Beziehung auszuleben, woraus die Tendenz zum "fremdgehen" erwächst: mit dem Seitensprung- oder Affairen-Partner kann man den Sex haben, den man will - aber ihn nicht lieben, keine Beziehung führen. "Zärtliche" und "sinnliche" Liebe, wie Freud das nennt, sind nur höchst selten zur Deckung zu bringen.
Genau diese Bedingtheiten fehlen der Homosexualität vollständig oder liegen nur in verminderter Wirksamkeit vor. Daraus erklärt sich einerseits die Tendenz zum großzügigen Agieren auch ausgefallener sexueller Wünsche - die meist nur ein Wiederaufleben der "polymorphen Perversionen" des Kindes sind - eines intensiven und von nur wenig Hemmungen behinderten Sexuallebens einerseits - und einer gewissen emotionalen Verflachung andererseits. Denn eben das, was die emotionale Tiefe der Heterosexualität ausmacht, fehlt ja gerade: die innige Verbindung mit dem Ödipus-Komplex, die Orientierung an der Beziehung der Eltern. Deswegen sind homosexuelle Beziehungen ja auch wesentlich volatiler, als Heterosexuelle.
Das heißt nicht, daß es aus anderen Gründen zu auch emotional sehr intensiven Paar-Beziehungen kommen kann, zB. der "Inversion": der Homosexuelle übernimmt selbst die Rolle des gegengeschlechtlichen Elters, und sucht sich einen gleichgeschlechtlichen Partner, der einem idealisierten Bild von sich selbst entspricht, den er so lieben will, wie er selbst dereinst geliebt worden war. Auch diese Lage ist eine andere, als die des Ödipus-Komplexes: der andere, gegengeschlechtliche Elter kommt bei der Inversion sozusagen nicht vor.
Damit erschöpfen sich nicht die Unterschiede zwischen Homo- und Heterosexualität, soziologische Dimensionen bleiben hier weitgehend ausgeblendet - aber ich meine, daß in diesen Umständen die erste Ursache für all diese Unterschiede liegt.
http://gutenberg.spiegel.de/autor/sigmund-freud-182
nachgelesen werden. Die "Drei Abhandlungen" allerdings relativ lang und brauchen etwas Zeit. Was ich hier nun schreibe, ist mein Verständnis von diesen Texten, die Darstellung notwendig vergröbert:
Die Heterosexualität steht unter dem dominanten Einfluß des Ödipus-Komplexes und seiner Verarbeitung. Das Kind strebt gegen Ende seiner genitalen Phase (meist 4-6. Lebensjahr) eine erotische Beziehung zu seinem gegengeschlechtlichen Elter an, will den anderen Elternteil beseitigen, dessen Stelle einnehmen - und scheitert mit diesem Bestreben, wird zurückgewiesen. Es bekommt aber vermittelt, daß es weiterhin akzeptiert, geliebt und beschützt wird, wenn es "brav" ist bzw. bleibt, woraus das Gerüst des "Über-Ich" erwächst. Die Latenzperiode wird eingeleitet, die normalerweise erst durch den Hormonschub der Pubertät wieder beendet wird: der Sexualtrieb wird nun wieder so stark, daß die Latenz überwunden wird.
In der Latenz jedoch wird das Über-Ich ausgebaut und angereichert mit den Werten unserer Gesellschaft, insbesondere mit den sexuellen Wertvorstellungen - dem, was man von emanzipatorischer Seite gerne "Heteronormativität" nennt. Sie basiert auf dem kindlichen Erleben der Beziehung der Eltern, die wiederholt werden soll, wobei das ehemalige Kind die Stelle des gegengeschlechtlichen Elters einnimmt, sich an einem Bild vom gegengeschlechtlichen Elter orientiert, wie es während der infantil-sexuellen Phase entstanden ist: dieses Bild ist keineswegs ein objektives Abbild, es ist nach infantilen Maßstäben idealisiert. Das ist ein ideales Fundament für rationale Begründungen exklusiver heterosexueller Monogamie: einer biologisch-biologistischen Auffassung von Sexualität als Fortpflanzungsfunktion, sozialethischen Theoremen von Ehe und Familie als "Keimzelle von Staat und Gesellschaft" und vor allem auch religiöser Überzeugungen, daß genau dieses ein göttliches Gebot sei. Alle anderen Sexualitäten gelten als "entartet" oder sündhaft, jedenfalls - in unterschiedlichen Abstufungen - unzulässig.
Hieraus folgt aber auch, daß diese so normierte Heterosexualität unter einer Art von Hypothek leidet: eben weil sie sich an einem Ideal orientiert, zudem von ödipalen - also inzestuösen - Empfindungen begleitet ist, gibt es Hemmungen, seine wahrgenommenen sexuellen Wünsche mit dem Partner einer solchen heterosexuellen Beziehung auszuleben, woraus die Tendenz zum "fremdgehen" erwächst: mit dem Seitensprung- oder Affairen-Partner kann man den Sex haben, den man will - aber ihn nicht lieben, keine Beziehung führen. "Zärtliche" und "sinnliche" Liebe, wie Freud das nennt, sind nur höchst selten zur Deckung zu bringen.
Genau diese Bedingtheiten fehlen der Homosexualität vollständig oder liegen nur in verminderter Wirksamkeit vor. Daraus erklärt sich einerseits die Tendenz zum großzügigen Agieren auch ausgefallener sexueller Wünsche - die meist nur ein Wiederaufleben der "polymorphen Perversionen" des Kindes sind - eines intensiven und von nur wenig Hemmungen behinderten Sexuallebens einerseits - und einer gewissen emotionalen Verflachung andererseits. Denn eben das, was die emotionale Tiefe der Heterosexualität ausmacht, fehlt ja gerade: die innige Verbindung mit dem Ödipus-Komplex, die Orientierung an der Beziehung der Eltern. Deswegen sind homosexuelle Beziehungen ja auch wesentlich volatiler, als Heterosexuelle.
Das heißt nicht, daß es aus anderen Gründen zu auch emotional sehr intensiven Paar-Beziehungen kommen kann, zB. der "Inversion": der Homosexuelle übernimmt selbst die Rolle des gegengeschlechtlichen Elters, und sucht sich einen gleichgeschlechtlichen Partner, der einem idealisierten Bild von sich selbst entspricht, den er so lieben will, wie er selbst dereinst geliebt worden war. Auch diese Lage ist eine andere, als die des Ödipus-Komplexes: der andere, gegengeschlechtliche Elter kommt bei der Inversion sozusagen nicht vor.
Damit erschöpfen sich nicht die Unterschiede zwischen Homo- und Heterosexualität, soziologische Dimensionen bleiben hier weitgehend ausgeblendet - aber ich meine, daß in diesen Umständen die erste Ursache für all diese Unterschiede liegt.
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Und du hast die genetischen Ursachen für die unterschiedlichen Orientierungen ausgeblendet, die durchaus auch eine Rolle spielen können. Mit Freud alleine kommt man da nicht weiter, fürchte ich.
Eine genetische Determination für sexuelle Orientierungen gibt es m.E. nicht. Ich weiß, daß man danach sucht, und seit einigen Jahren immer wieder verlauten läßt, daß man sich schon sehr sicher sei, und kurz vor dem entgültigen Beweis stehe usw - aber das würde mich sehr überraschen.
Butler richtig lesen hilft! Wer an genetische Determination 'glaubt', gesteht anderen Menschen nicht die Möglichkeit zur freien Bestimmung ihrer Sexualitäten zu. Und ist soweit auch nicht von Freud entfernt: Der nannte die genetische Determination Trieb.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard
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ich hat geschrieben:Und du hast die genetischen Ursachen für die unterschiedlichen Orientierungen ausgeblendet, die durchaus auch eine Rolle spielen können
möbius, wenn du alles nur der Sozialisation zuschreibst, dann hat das was von "wir könnten die Dinge auch mit der 'richtigen' Erziehung bzw. Prägung ändern". Und damit wird alles, was von der Heterosexualität abweicht, zu einer "Fehlentwicklung", der man entgegensteuern könnte, wenn man z.B. als Eltern alles "richtig" macht und darauf achtet, dass Mami und Papi ein gutes Verhältnis haben usw.Eine genetische Determination für sexuelle Orientierungen gibt es m.E. nicht
Soweit ich weiß (und das kann man ja nun überall nachlesen), ist die sexuelle Orientierung AUCH angeboren. Wie man dann das Wort "angeboren" weiter aufschlüsselt, müsste man Biologen fragen. Viele Dinge, die wir tun und sind, sind angeboren, in welcher Form auch immer: Wir kommen auf die Welt und egal, wie sich Mutter oder Vater verhalten: "Es" ist in uns; weil wir nun mal nicht ausschließlich durch Sozialisation zu dem werden, was wir sind. Wir bringen auch etwas Eigenes mit, was bereits entstanden ist, bevor wir geprägt wurden oder gar "mitgestalten" konnten. Wobei das "Eigene" natürlich auch nur ein Produkt einer Sache ist, die vorher schon irgendwo und irgendwie existiert haben muss. Das betrifft ja nicht nur die sexuelle Orientierung, sondern z.B. auch die Intelligenz: Die Sozialisation kann nicht aus jedem Menschen einen Hochbegabten machen. Du kannst mit deinen Kindern jeden Tag ins Museum gehen und ihnen Geigenmusik vorspielen; dennoch gibt es genetische oder hirnphysiologische Faktoren, die die Entwicklung mitbestimmen.
Wichtig ist vermutlich "nur", anzuerkennen, dass "nurture" und "nature" zusammenwirken. Ich glaube, das Zauberwort heißt "Epigenetik", aber damit kenne ich mich gar nicht aus. Wenn du es besser weißt, kannst du es mir ja erklären
Freud gilt insofern wirklich als überholt. Homosexualität gibt es auch im Tierreich. Man nimmt verschiedene Ursachen an, u.a. eine genetische Disposition. Nur soll diese nicht auf genau einem Gen festgeschrieben sein (zur Hetero-Orientierung weiß man übrigens nicht mehr). Und ja, Homosexualität ist nicht durch Sozialisation änderbar.
Gleichwohl können Menschen auch von ihrer sexuellen Orientierung (die tiefer verankert ist) abweichende sexuelle Kontakte eingehen... dazu bräuchte es theoretisch noch nicht einmal Menschen. Wenn ein Fleischesser mal eine Woche kein Fleisch isst, wird er ja damit ja auch noch nicht zum Vegetarier.
Ich denke tatsächlich, wenn man sich eingehender damit befassen will, sollte man sich moderner Quellen bedienen. Seit Freud ist viel Zeit ins Land gegangen... Klar kann man sich damit befassen, aber das gehört dann eher in die Abteilung "Historisches".
Lt. Freud kommt Homosexualität durch einen Stillstand in der Entwickung zustande... hmmmmmmmm.
Auch zeigen Studien, dass für eine gesunde Entwicklung eines Kindes nicht Mutter UND Vater obligatorisch sind... ich denke hier insbes. in Richtung Adoption. Ein Kind, dass von 2 Frauen oder 2 Männern großgezogen wird, hat aus heutiger Sicht keine Entwicklungsnachteile. Freud mit Ödipuskomplex und tralala ist doch eher bei patriarchalischen Strukturen, die später insbes. durch den Feminismus überarbeitet wurden. Und gesellschaftlich Strukturen wirken sich natürlich auch auf familiäre Strukturen aus (ein user hat diesen Zusammen witzigerweise an anderer Stelle negieren wollen).
Gleichwohl können Menschen auch von ihrer sexuellen Orientierung (die tiefer verankert ist) abweichende sexuelle Kontakte eingehen... dazu bräuchte es theoretisch noch nicht einmal Menschen. Wenn ein Fleischesser mal eine Woche kein Fleisch isst, wird er ja damit ja auch noch nicht zum Vegetarier.
Ich denke tatsächlich, wenn man sich eingehender damit befassen will, sollte man sich moderner Quellen bedienen. Seit Freud ist viel Zeit ins Land gegangen... Klar kann man sich damit befassen, aber das gehört dann eher in die Abteilung "Historisches".
Lt. Freud kommt Homosexualität durch einen Stillstand in der Entwickung zustande... hmmmmmmmm.
Auch zeigen Studien, dass für eine gesunde Entwicklung eines Kindes nicht Mutter UND Vater obligatorisch sind... ich denke hier insbes. in Richtung Adoption. Ein Kind, dass von 2 Frauen oder 2 Männern großgezogen wird, hat aus heutiger Sicht keine Entwicklungsnachteile. Freud mit Ödipuskomplex und tralala ist doch eher bei patriarchalischen Strukturen, die später insbes. durch den Feminismus überarbeitet wurden. Und gesellschaftlich Strukturen wirken sich natürlich auch auf familiäre Strukturen aus (ein user hat diesen Zusammen witzigerweise an anderer Stelle negieren wollen).
Liebe Grüße
stern
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»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf«
(alte Weisheit)
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Das Freud überholt, veraltet oder gar wiederlegt, "dekonstruiert" sei, hört und liest man immer wieder, aber ich muß es leider deutlich sagen: nur höchst selten aus informiertem Munde. Die klassische Psychoanalyse nach Freud ist heute zwar nur noch eine von vielen Schulen der Psychoanalyse, aber sie wird nach wie vor gepflegt und angewandt. Als Beispiel führe ich den Düsseldorfer Psychiater Mathias Hirsch an, dessen Texte zum sexuellen Mißbrauch und zur Traumatologie mich gerade sehr beschäftigen. Ich kann ihn u.a. deswegen gut lesen und verstehen, weil er ein "Freudianer" ist, was er dankenswerterweise stets zu Beginn seiner Texte offenlegt.
Gewiß: jedes Zeitalter gebiert seine eigenen Neurosen - die patriarchalische Familie ist im weichen begriffen, die Stellung der Frau in der Gesellschaft ist heute eine fundamental andere.
Indessen: die Psychoanalyse ist nichts statisches, war sie nie gewesen. Freud selbst hat seine Theorien stets modifiziert, sich an einem großen "systematischen Überblick" erst garnicht versucht gehabt. Man sollte auch nicht vergessen, daß Freud selbst zwei große gesellschaftliche Umbrüche und ihre Auswirkungen auf den Einzelnen miterlebt hatte.
Man kann daran zweifeln, ob Theoreme wie der Ödipuskomplex, Penisneid und Kastrationsangst noch auf längere Sicht in der Psychotherapie angewandt, zur Erklärung von aktuellen Phänomenen herangezogen werden können. Bei mir jedenfalls, der ich 1965 geboren bin, hat diese klassische Psychoanalyse hervorragend funktioniert. Wie das bei Menschen sein wird, die nach 1990 geboren worden sind, kann ich nicht wissen. Indessen bleiben sich gewisse Dinge auch unter den Bedingungen der sich wandelnden Gesellschaft gleich: der "Vater" des Ödipuskomplexes ist nicht der biologische Erzeuger oder juristisch Unterhaltspflichtige, sondern derjenige, welcher mit der Mutter in einer engen, regelmässigen Beziehung steht, die noch nicht einmal notwendig sexuell sein muß. Es ist ausreichend, daß diese Beziehung aus Sicht des Kindes dessen eigener, angestrebter sexuellen Beziehung zur Mutter entgegensteht. "Vater" in diesem Sinne kann daher auch ohne weiteres eine Frau sein.
Auch in einer sich wandelnden Gesellschaft sind innerpsychische Spannungen und Konflikte unvermeidlich, und die "Abwehrmechanismen", mit denen die Psyche diese Spannungen zu bewältigen versucht, werden kaum andere sein, weil auch in einer gewandelten Gesellschaft das Unbewußte seine Funktionen behält - auch wenn sich inhaltlich die Anteile von Bewußtsein und Unterbewußtsein verschieben. Ich wage mal eine kühne Prognose: hatte man zu Lebzeiten Freud die größeren Probleme mit Sexualität, während Aggression recht offen agiert worden war, schlägt das Pendel heute in die andere Richtung aus: während Sexualität immer offener agiert werden kann, wird Aggression zunehmend kollektiv verdrängt, verleugnet und dadurch "enthegt". Im Phänomen der Schulamokläufer vermute ich eine erste unschöne Folge dieser Entwicklung. Wie schon gesagt: jedes Zeitalter gebiert seine eigenen Neurosen.
Gewiß: jedes Zeitalter gebiert seine eigenen Neurosen - die patriarchalische Familie ist im weichen begriffen, die Stellung der Frau in der Gesellschaft ist heute eine fundamental andere.
Indessen: die Psychoanalyse ist nichts statisches, war sie nie gewesen. Freud selbst hat seine Theorien stets modifiziert, sich an einem großen "systematischen Überblick" erst garnicht versucht gehabt. Man sollte auch nicht vergessen, daß Freud selbst zwei große gesellschaftliche Umbrüche und ihre Auswirkungen auf den Einzelnen miterlebt hatte.
Man kann daran zweifeln, ob Theoreme wie der Ödipuskomplex, Penisneid und Kastrationsangst noch auf längere Sicht in der Psychotherapie angewandt, zur Erklärung von aktuellen Phänomenen herangezogen werden können. Bei mir jedenfalls, der ich 1965 geboren bin, hat diese klassische Psychoanalyse hervorragend funktioniert. Wie das bei Menschen sein wird, die nach 1990 geboren worden sind, kann ich nicht wissen. Indessen bleiben sich gewisse Dinge auch unter den Bedingungen der sich wandelnden Gesellschaft gleich: der "Vater" des Ödipuskomplexes ist nicht der biologische Erzeuger oder juristisch Unterhaltspflichtige, sondern derjenige, welcher mit der Mutter in einer engen, regelmässigen Beziehung steht, die noch nicht einmal notwendig sexuell sein muß. Es ist ausreichend, daß diese Beziehung aus Sicht des Kindes dessen eigener, angestrebter sexuellen Beziehung zur Mutter entgegensteht. "Vater" in diesem Sinne kann daher auch ohne weiteres eine Frau sein.
Auch in einer sich wandelnden Gesellschaft sind innerpsychische Spannungen und Konflikte unvermeidlich, und die "Abwehrmechanismen", mit denen die Psyche diese Spannungen zu bewältigen versucht, werden kaum andere sein, weil auch in einer gewandelten Gesellschaft das Unbewußte seine Funktionen behält - auch wenn sich inhaltlich die Anteile von Bewußtsein und Unterbewußtsein verschieben. Ich wage mal eine kühne Prognose: hatte man zu Lebzeiten Freud die größeren Probleme mit Sexualität, während Aggression recht offen agiert worden war, schlägt das Pendel heute in die andere Richtung aus: während Sexualität immer offener agiert werden kann, wird Aggression zunehmend kollektiv verdrängt, verleugnet und dadurch "enthegt". Im Phänomen der Schulamokläufer vermute ich eine erste unschöne Folge dieser Entwicklung. Wie schon gesagt: jedes Zeitalter gebiert seine eigenen Neurosen.
Doch... man kann ja mit allem und jedem ins Bett gehen, wie man lustig ist.pandas hat geschrieben:Butler richtig lesen hilft! Wer an genetische Determination 'glaubt', gesteht anderen Menschen nicht die Möglichkeit zur freien Bestimmung ihrer Sexualitäten zu. Und ist soweit auch nicht von Freud entfernt: Der nannte die genetische Determination Trieb.
Aber heute sieht man es (soweit ich weiß mehrheitlich) so, dass die sexuelle Orientierung unveränderbar ist, wenn sich sich herausgebildet hat. Sie soll relativ früh in der Entwicklung feststehen. Erziehungseinflüsse lassen sich nicht wissenschaftlich belegen. Ob man davon mal abrückt, weiß ich natürlich nicht. Trotzdem kann natürlich eine Lesbe eine Familie mit Mann und Kind haben... nur: ob das erfüllend wäre, hmmm. Also wie man seine Sexualität konkret auslebt, ist natürlich frei bestimmbar.
Viele Wissenschaftler_innen gehen davon aus, dass bei der Entwicklung der sexuellen Orientierung angeborene Faktoren, Entwicklungs- und Lernfaktoren in einem komplexen Zusammenspiel beteiligt sind. Die meisten Menschen empfinden ihre gefühlte sexuelle Orientierung als etwas, was nicht ihrer persönlichen Entscheidung unterliegt.
http://www.vlsp.de/sexuelle-orientierung/ursachen
Zuletzt geändert von stern am So., 09.08.2015, 09:36, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
stern
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Oh, das ist ja ein Diskussionsstil den ich gar nicht mag: Anstelle auf die Argumente einzugehen, wird mit Uninformiertheit argumentiert. Ich finde es schade, dass im PTF öfters eine kontroverse Diskussion nicht möglich ist... denn es könnte bereichernd sein. Stattdessen geht es auf die persönliche Ebene - wobei du noch nicht einmal wissen kannst, welche eigene Erfahrungen und welches Wissen einem Beitrag zugrunde liegt, dass jemand etwas so sieht, wie er es sieht... jedenfalls muss ich dabei nicht unbedingt einen Seelenstriptease oder eine wissenschaftliche Arbeit schreiben - und doch ist es nicht einfach so dahergesagt.Möbius hat geschrieben:Das Freud überholt, veraltet oder gar wiederlegt, "dekonstruiert" sei, hört und liest man immer wieder, aber ich muß es leider deutlich sagen: nur höchst selten aus informiertem Munde.
Natürlich wird Freud stellenweise noch herangezogen. Aber ich habe bisher keine Quelle gefunden, die sagt: Freud hat schon damals eine umfassende Theorie zur Homosexualität gebildet... und GENAU SO ist es auch. Was der damals schon wusste. Sondern nach meinem Kenntnisstand teilt man nicht alles. Z.B. das Homosexualität eine Frage der Erziehung ist, ist i.d.R. sehr umstritten (Ausnahmemeinungen findet man natürlich immer... zu allem).
Und eben, vgl. leberblümchen: Epigenetische Faktoren kann man evtl. auch nicht ohne weiteres unbeachtlich lassen. Es gibt verschiedene Theorien. Hirsch ist nur ein davon... und ich tippe mal: Auch er wird Freud modifiziert haben.
Mag ja sein, aber ob es auch angeborene Faktoren gibt oder noch anderes eine Rolle spielte, belegt das überhaupt nicht.Man kann daran zweifeln, ob Theoreme wie der Ödipuskomplex, Penisneid und Kastrationsangst noch auf längere Sicht in der Psychotherapie angewandt, zur Erklärung von aktuellen Phänomenen herangezogen werden können. Bei mir jedenfalls, der ich 1965 geboren bin, hat diese klassische Psychoanalyse hervorragend funktioniert.
Zuletzt geändert von stern am So., 09.08.2015, 09:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Ich sehe das pragmatisch, möbius: Ich bin auch nur bei Freudianern in Behandlung (gewesen), aber ich glaube, das bezieht sich mehr auf deren Ausbildung, die die wiederum bei jemandem gemacht haben, der auch bei einem Analytiker ausgebildet wurde - und so weiter. Trotzdem entwickelt sich ja jeder Analytiker weiter und interagiert dann mit dem jeweiligen Patienten (deshalb reicht es m.E. auch nicht aus, eine Analyse rein aus den Schriften Freuds "durchzuführen"). Das ist dann nicht so wie mit einem Handbuch, mit dem sich alle möglichen Phänomene erklären lassen. Freud ist ja - weitgehend unbestritten - ein bedeutender Mann gewesen, auf dessen Arbeit man sich auch heute noch in allen möglichen Disziplinen bezieht - und "beziehen" kann eben auch bedeuten: "widersprechen".
Die Frage, welche Rolle das Unbewusste hat (und ob es das überhaupt gibt...), kann - so nehme ich an - nicht einfach mit einem: "So ist es aber!" beantwortet werden. Wenn man das Denken und Fühlen eines (!) Menschen studieren will, dann kann das immer nur ein Annähern sein, da der Mensch ein sehr komplexes Wesen ist, das sich nicht mit drei Schlagworten kategorisieren lässt.
Die Frage, welche Rolle das Unbewusste hat (und ob es das überhaupt gibt...), kann - so nehme ich an - nicht einfach mit einem: "So ist es aber!" beantwortet werden. Wenn man das Denken und Fühlen eines (!) Menschen studieren will, dann kann das immer nur ein Annähern sein, da der Mensch ein sehr komplexes Wesen ist, das sich nicht mit drei Schlagworten kategorisieren lässt.
Sehe ich auch so... so haben auch VT und PA (TEILWEISE) unterschiedliche Theorien, wie eine Depression entsteht. Schlüssig ist beides, höchstens kann man persönlich mehr mit dem einen anfangen als dem anderen. Und es geht ja in beiden Fällen (und auch bei der Frage nach der Homosexualität) eher nicht darum, irgendeiner Theorie zu glauben, sondern mehr mit seiner Sexualität, Denken, Fühlen, etc. im Reinen zu sein... Und nun ja, Fragen wie "warum bin ich überhaupt depressiv, warum ist meine Sexualität so, etc.), gehört FÜR MICH jedoch auch ein bisschen dazu.leberblümchen hat geschrieben:Die Frage, welche Rolle das Unbewusste hat (und ob es das überhaupt gibt...), kann - so nehme ich an - nicht einfach mit einem: "So ist es aber!" beantwortet werden. Wenn man das Denken und Fühlen eines (!) Menschen studieren will, dann kann das immer nur ein Annähern sein, da der Mensch ein sehr komplexes Wesen ist, das sich nicht mit drei Schlagworten kategorisieren lässt.
Bei den Vorläufer-Theorien stört mich tatsächlich, dass Homosexualität eher als Entwicklungszwischenschritt oder stagnierte Entwicklung angesehen wird. Besonders am Ödipuskomplex hat man schon recht früh gezweifelt, soweit ich weiß.
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Nee, bei den soziologischen (und letztlich auch bei den psychoanalytischen) Ansätzen geht es darum, dass dies von gesellschaftlichen 'Werten" umhegt ist: So gilt das Wort Nymphomane bspw. doch eher abfällig im Gebrauch.stern hat geschrieben:Doch... man kann ja mit allem und jedem ins Bett gehen, wie man lustig ist.pandas hat geschrieben:Butler richtig lesen hilft! Wer an genetische Determination 'glaubt', gesteht anderen Menschen nicht die Möglichkeit zur freien Bestimmung ihrer Sexualitäten zu. Und ist soweit auch nicht von Freud entfernt: Der nannte die genetische Determination Trieb.
Es ist doch so, dass, wie Möbius schrieb, die Ehe als gesellschaftliche Institution, die den Trieb einschränkt, anderseits monogamen Sex (dann auch viel davon möglich) hervorhebt, präferiert und privelegiert wird. Erst in jüngster Zeit wird das allmählich aufgelöst. Lange Zeit war die Ehe steuerlich extrem begünstigt! Letztlich waren auch deshalb die Homosexuellen-Verbände so sehr hinterher, dass auch Homosexuelle die Ehe als Instititution beanspruchen können. Dies war nicht nur aus romantischen Gründen.
Es ist auch unterschiedlich, wieviele Menschen welche Sexualitäten in welchem Zeitalter und an welchem Ort leben.
Daran sieht man, dass eine genetische Determination weniger eine Rolle spielt. Es geht nunmal auch um Anerkennung und Teilhabe.
Nein, es gibt da sehr unterschiedliche, auch kontroverse Thesen dazu. Kommt natürlich auch darauf an, aus welcher fachlichen Perspektive man sich dies anschaut. Aber Kontroverse ist hier ja auch gut, denn so bleiben die Möglichkeitsspielräume gross.stern hat geschrieben:Aber heute sieht man es (soweit ich weiß mehrheitlich) so, dass die sexuelle Orientierung unveränderbar ist, wenn sich sich herausgebildet hat. Sie soll relativ früh in der Entwicklung feststehen. Erziehungseinflüsse lassen sich nicht wissenschaftlich belegen.
Belegen ... dies ist bei dem Gebiet allgemein ein Streitthema. Wie soll es sich belegen lassen, dass die sexuelle Orientierung unveränderbar sei wenn die Erziehungseinflüsse keine Geltung haben sollten? Das geht so nicht. Man kann nicht sagen, dass eine sei sicher, das andere nicht. Erziehungseinflüsse werden teils im Vergleich unterschiedlicher Gesellschaftsentwürfe untersucht. Was aber eine sehr komplexe Herangehensweise erfordert.
Dennoch geht man mittlerweile davon aus, dass soziale Determination eine grössere Bedeutung hat als genetische Determination oder gar biologische Determination.
Es geht bei der sozialen Determination auch nicht darum, dass sich jeder frei entscheiden kann, im Gegenteil,es geht darum, dass die Selbstbestimmung eingeschränkt ist aufgrund sozialer Privelegierungen heterosexuell normativer Lebensformen wie beispielsweise die heterosexuelle monogame Ehe auf Lebenszeit, die als Norm ständig dem Individuum vorgehalten wird. Wobei das Indiviuum trotzdem sich durch Widerstand Gestaltungsfreiheit zurückerobern kann.Viele Wissenschaftler_innen gehen davon aus, dass bei der Entwicklung der sexuellen Orientierung angeborene Faktoren, Entwicklungs- und Lernfaktoren in einem komplexen Zusammenspiel beteiligt sind. Die meisten Menschen empfinden ihre gefühlte sexuelle Orientierung als etwas, was nicht ihrer persönlichen Entscheidung unterliegt.
http://www.vlsp.de/sexuelle-orientierung/ursachen
Dennoch gibt es ja dubiose Verhaltensformen allerorten. Bspw. gibt es in den US in provinzialen Umgebungen ja auch homosexuelle Pärchen, die sich in allen anderen Belangen konservativ überanpassen, in der Hoffnung, dadurch doch von ihrem sozialen Umfeld anerkannt zu werden.
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Vielleicht ist die Auffassung "konsensfähig", daß es ein Verdienst der Psychoanalyse ist, herausgearbeitet zu haben, daß die sexuelle Orientierung des Menschen - wie seine Gesamtsexualität überhaupt - ein Produkt seiner Erziehung und Sozialisation in den ersten Lebensjahren ist. Die Sexualtheorie Freuds im Speziellen beschreibt diese Entwicklung so, daß eine ursprünglich in jedem jungen Menschen sehr breit angelegte "polymorphe" und "konstitutionell bisexuelle" Sexualität durch unterschiedliche Ereignisse im Rahmen von Erziehung und Sozialisation in einigen Teilen zurückgedrängt, in anderen Teilen gefördert wird.
Daraus folgt, daß auch die spätere heterosexuelle Orientierung auf keine andere Weise zustande kommt, als die Homo- oder Bisexuelle. Alle drei Orientierungen beruhen auf Restriktionen der natürlichen, dh hier: von Geburt an vorliegenden Sexualität bzw den sexuellen Anlagen. Damit ist der Pathologisierung, wie auch der gesellschaftlichen Diskriminierung von Homo- oder Bisexualität der rationale Boden entzogen worden. Dennoch wirkt beides in unterschiedlichem Maße in den unterschiedlichen Kulturen fort. Wir können uns wohl glücklich schätzen, daß in den deutschsprachigen Ländern die Pathologisierung durch die Fachkreise von Medizin und Psychologie schon seit langem Geschichte ist, und die gesellschaftliche Diskriminierung zumindest im internationalen Vergleich sehr gering geworden ist, und noch immer weiter zurückgeht. Auch wenn man sicherlich noch vieles zu beklagen haben wird: man muß sich im deutschen Sprachraum nicht mehr fürchten, homo- oder bisexuell zu sein, offen homo- oder bisexuell zu leben. Das ist, vor allem wenn man in die Vergangenheit schaut, schon recht viel.
Was man der Psychoanalyse im Allgemeinen und der Sexualtheorie Freuds immer wieder gerne von emanzipatorischer Seite vorwirft: daß sie die Entstehung insbesondere der homosexuellen Orientierung als eine Art von Fehlentwicklung beschreibe, also doch "hintenrum" pathologisiere und diskriminiere. Diesen Vorwurf halte ich nicht für gerechtfertigt. Denn auch die heterosexuelle Orientierung ist das Produkt von solchen Prozessen, die sich qualitativ nicht von denen unterscheiden, die eine homo- oder bisexuelle Orientierung zur Folge haben. Man könnte sogar zu dem Schluß kommen, daß die bisexuelle Orientierung gegenüber den monosexuellen Orientierungen einen gewissen Vorrang beanspruchen könnte, weil sie die am wenigsten von diesen Restriktionen Betroffene darstellt - aber da bin ich als "bekennender Bisexueller" lieber etwas vorsichtig.
Viel wesentlicher erscheint mir, daß bis in die jüngste Vergangenheit hinein die heterosexuelle Orientierung den alleinigen Anspruch der "Normalität" beansprucht hat. Zumindest wir älteren, die nicht schon als Schulkinder online gewesen waren, sind zumeist mit dem selbstverständlichen Bewußtsein großgeworden, heterosexuell zu sein, am eigenen Geschlecht kein sexuelles Interesse zu haben. Wenn sich ein solches Interesse jedoch dann im Lebensverlauf anmeldet, dann empfinden wir es zunächst meist recht negativ, weil es unser Selbstbild in Frage stellt: es ist die typische Situation des "coming-out", in dem man sich zunächst einmal gegen dieses als fremdartig empfundene Interesse zur Wehr setzt, und sich selbst pathologisiert: nicht umsonst ist der thread mit "Zwangsgedanken Homosexualität" überschrieben. Und wir wissen schließlich auch, daß dieses coming-out für einige ein sehr belastender Prozeß sein kann, der auch psychotherapeutische Hilfe notwendig machen kann. M.E. ist die Belastung um so größer, je intensiver sich der Betroffene mit der "Heteronormativität" identifziert hat, und je komplizierter die Entwicklung seiner sexuellen Orientierung gewesen war. Das soziale Moment kommt noch hinzu: wenn man sich in einem Milieu befindet, Berufs- und Lebensziele anstrebt, die mit offen gelebter Homo- oder Bisexualität auch heute noch schwer zu vereinbaren sind, tut man sich natürlich um so schwerer.
Gleichwohl ist das eine Aufgabe, der wir uns nicht entziehen können: uns über unsere sexuelle Orientierung, so sie denn durch entsprechende Phantasien, Gelüste oder "Zwangsgedanken" infrage gestellt wird, Klarheit zu verschaffen, und einen eigenen Weg zu finden, diese Orientierung, diese konkrete Sexualität, wie sie sich für jeden einzelnen ergibt, auch zu leben, ins übrige Leben zu integrieren, wozu auch gehören kann, daß das "übrige Leben", Berufs- und Lebensziele und dergleichen mehr - unter Umständen angepasst werden müßen.
Daraus folgt, daß auch die spätere heterosexuelle Orientierung auf keine andere Weise zustande kommt, als die Homo- oder Bisexuelle. Alle drei Orientierungen beruhen auf Restriktionen der natürlichen, dh hier: von Geburt an vorliegenden Sexualität bzw den sexuellen Anlagen. Damit ist der Pathologisierung, wie auch der gesellschaftlichen Diskriminierung von Homo- oder Bisexualität der rationale Boden entzogen worden. Dennoch wirkt beides in unterschiedlichem Maße in den unterschiedlichen Kulturen fort. Wir können uns wohl glücklich schätzen, daß in den deutschsprachigen Ländern die Pathologisierung durch die Fachkreise von Medizin und Psychologie schon seit langem Geschichte ist, und die gesellschaftliche Diskriminierung zumindest im internationalen Vergleich sehr gering geworden ist, und noch immer weiter zurückgeht. Auch wenn man sicherlich noch vieles zu beklagen haben wird: man muß sich im deutschen Sprachraum nicht mehr fürchten, homo- oder bisexuell zu sein, offen homo- oder bisexuell zu leben. Das ist, vor allem wenn man in die Vergangenheit schaut, schon recht viel.
Was man der Psychoanalyse im Allgemeinen und der Sexualtheorie Freuds immer wieder gerne von emanzipatorischer Seite vorwirft: daß sie die Entstehung insbesondere der homosexuellen Orientierung als eine Art von Fehlentwicklung beschreibe, also doch "hintenrum" pathologisiere und diskriminiere. Diesen Vorwurf halte ich nicht für gerechtfertigt. Denn auch die heterosexuelle Orientierung ist das Produkt von solchen Prozessen, die sich qualitativ nicht von denen unterscheiden, die eine homo- oder bisexuelle Orientierung zur Folge haben. Man könnte sogar zu dem Schluß kommen, daß die bisexuelle Orientierung gegenüber den monosexuellen Orientierungen einen gewissen Vorrang beanspruchen könnte, weil sie die am wenigsten von diesen Restriktionen Betroffene darstellt - aber da bin ich als "bekennender Bisexueller" lieber etwas vorsichtig.
Viel wesentlicher erscheint mir, daß bis in die jüngste Vergangenheit hinein die heterosexuelle Orientierung den alleinigen Anspruch der "Normalität" beansprucht hat. Zumindest wir älteren, die nicht schon als Schulkinder online gewesen waren, sind zumeist mit dem selbstverständlichen Bewußtsein großgeworden, heterosexuell zu sein, am eigenen Geschlecht kein sexuelles Interesse zu haben. Wenn sich ein solches Interesse jedoch dann im Lebensverlauf anmeldet, dann empfinden wir es zunächst meist recht negativ, weil es unser Selbstbild in Frage stellt: es ist die typische Situation des "coming-out", in dem man sich zunächst einmal gegen dieses als fremdartig empfundene Interesse zur Wehr setzt, und sich selbst pathologisiert: nicht umsonst ist der thread mit "Zwangsgedanken Homosexualität" überschrieben. Und wir wissen schließlich auch, daß dieses coming-out für einige ein sehr belastender Prozeß sein kann, der auch psychotherapeutische Hilfe notwendig machen kann. M.E. ist die Belastung um so größer, je intensiver sich der Betroffene mit der "Heteronormativität" identifziert hat, und je komplizierter die Entwicklung seiner sexuellen Orientierung gewesen war. Das soziale Moment kommt noch hinzu: wenn man sich in einem Milieu befindet, Berufs- und Lebensziele anstrebt, die mit offen gelebter Homo- oder Bisexualität auch heute noch schwer zu vereinbaren sind, tut man sich natürlich um so schwerer.
Gleichwohl ist das eine Aufgabe, der wir uns nicht entziehen können: uns über unsere sexuelle Orientierung, so sie denn durch entsprechende Phantasien, Gelüste oder "Zwangsgedanken" infrage gestellt wird, Klarheit zu verschaffen, und einen eigenen Weg zu finden, diese Orientierung, diese konkrete Sexualität, wie sie sich für jeden einzelnen ergibt, auch zu leben, ins übrige Leben zu integrieren, wozu auch gehören kann, daß das "übrige Leben", Berufs- und Lebensziele und dergleichen mehr - unter Umständen angepasst werden müßen.
Du kannst es gerne so sehen, dass deine Sexualität so begründet ist, wie Freud nur beschrieben hat. Nur meinen Konsens kann ich dir leider nicht geben, dass die sexuelle Orientierung ein Produkt der Erziehung ist. Nach heutigem Kenntnisstand kann man niemandem zur Homosexualität erziehen:Möbius hat geschrieben:Vielleicht ist die Auffassung "konsensfähig", daß es ein Verdienst der Psychoanalyse ist, herausgearbeitet zu haben, daß die sexuelle Orientierung des Menschen - wie seine Gesamtsexualität überhaupt - ein Produkt seiner Erziehung und Sozialisation in den ersten Lebensjahren ist.
Aktuelle vergleichende, wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass weder Schwule noch Lesben die Wahl haben, sich für eine sexuelle Orientierung zu entscheiden. Männliche Homosexualität hat demnach nicht, wie oft behauptet wird, mit einer dominanten Mutter oder einem schwachen Vater zu tun und ein Mädchen wird nicht lesbisch, weil es sich gezielt eine männliche Rolle zum Vorbild nimmt. Eine dauerhafte homosexuelle Ausrichtung kann weder durch Erziehung noch durch Verführung beeinflusst werden. Eltern sind demnach für die sexuelle Veranlagung ihrer Kinder nicht verantwortlich. Homosexualität ist auch keine Krankheit, sondern die besondere Prägung eines Menschen.
https://www.elternimnetz.de/kinder/erzi ... litaet.php
Liebe Grüße
stern
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»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf«
(alte Weisheit)
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Ach, weil entweder ein männliches oder weibliches Geschlecht ("sex") gegeben ist, gibt es keine Boden Diskriminierung? Zu beachten ist, dass das biologische Geschlecht (Mann/Frau) eine andere Kategorie ist als die sexuelle Orientierung. Und diese kann natürlich für Diskriminierung anfällig sein (in manchen Ländern steht sie sogar noch unter Todesstrafe). Eben: Fortbestehende Diskriminierung zeigt das ja.Alle drei Orientierungen beruhen auf Restriktionen der natürlichen, dh hier: von Geburt an vorliegenden Sexualität bzw den sexuellen Anlagen. Damit ist der Pathologisierung, wie auch der gesellschaftlichen Diskriminierung von Homo- oder Bisexualität der rationale Boden entzogen worden.
Liebe Grüße
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