Die ganze Welt ist "ungerecht" und voll von Dingen, auf die man neidisch sein kann. Ich erlebe das z.B. sehr stark im Altenheim, in dem ich ehrenamtlich arbeite. Ich betreue eine Frau, die 100% behindert und pflegebedürftig ist, also in jeder Hinsicht Hilfe braucht, und deshalb mehr Zeit und Aufmerksamkeit fordert, als eine andere Frau, die ich betreue. Die andere Frau hat Recht, wenn sie sagt "Soviel Aufmerksamkeit schenken sie mir nicht". Richtig, tue ich nicht, da ich selber nur über eine bestimmte Kraft verfüge, die ich (ungerecht) aufteilen auf alle, die meine Aufmerksamkeit haben wollen. Und da bekommen die, die tatsächlich und objektiv die kränker sind als andere, mehr brauchen als andere, auch tatsächlich mehr als jene, die noch selbständig sind, auch wenn sie das Bedürfnis verspüren, genauso viel Zuwendung und Aufmerksamkeit haben zu wollen wie andere. Das kann neidisch machen und macht neidisch. Das Problem hast du überall. Obs nun um Verteilung der finanziellen Ressourcen geht oder was auch immer. Es gibt immer welche, die mehr bekommen und welche, die leer ausgehen oder (ihrer Meinung nach) zu wenig bekommen. Neid ist menschlich, Neid ist normal. Jeder braucht und will was, aber man kann nicht jedem das geben, was er braucht.Dass es womöglich nichts gibt, was man neiden könnte, ließe sich ja ganz gefasst klären, so wie du das beschrieben hast.
Wut beim Einzelnen entsteht doch meist dann, wenn andere sagen "Du bist neidisch",
- und man sich ertappt fühlt oder
- in Wahrheit nicht neidisch ist, sondern andere Beweggründe hat, über etwas sprechen zu wollen, man sich also missverstanden fühlt.
Aber Gründe neidisch zu sein, findet man an jeder Straßenecke. Selbst auf die dort sitzenden Obachlosen könnte man neidisch sein. Soviel Freiheit und Unabhängigkeit, ein Leben ohne Zwänge unter freiem Himmel, ... na wenn das nichts ist, worauf so manch eine unter Druck lebender Mensch neidisch sein könnte
Aber man sieht eben gerne nur das Schöne, das Leid mit sich bringt und zur Folge hat, die Aufmerksamkeit, die Fürsorge, die zusätzliche Therapie, die zusätzliche finanzielle Unterstützung, ... und übersieht die Gründe, die die Bevorteilungen haben.
Sieht man nur die Vorteile, die ein Leidender hat, könnte man vor Neid platzen und verspürt die Sehnsucht, auch ein Opfer sein zu wollen (aber bitte ohne traumatische Erfahrungen).