Austausch DIS/DDNOS - Betroffene (Teil 3)

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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chrysokoll
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Beitrag Mo., 05.12.2022, 09:35

peppermint patty hat geschrieben: So., 04.12.2022, 16:37
Ich persönlich mag das „wir“ oder „uns“ auch nicht, da ich weiß, dass ich das alles bin. Das hat für mich einen verstärkend spaltenden Effekt, den ich nicht mag.
für mich ist das Gegenteil der Fall. Das "wir" war schon immer da.
Natürlich hab ich das immer verborgen, mir ist ja völlig klar dass das bei anderen nicht so ist.

Für mich ist das "wir" zum einen Realität und zum anderen eher integrativ, weil es mir hilft die Teile auch zu sehen, zu hören, ihnen Raum zu geben statt sie zu ignorieren. Das wird in der Therapie auch so gehandhabt.
Das muss aber natürlich nicht für jeden der richtige Weg sein

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Gespensterkind
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Beitrag Mo., 05.12.2022, 16:48

Sinarellas hat geschrieben: Mo., 05.12.2022, 08:12 Wenn mir ein Anteil sagt "ich bin 5" dann ist das so, ich wüsste nicht warum derjenige "altern" sollte, denn das Konstrukt "Alter" und "Zeit" passt nicht zur strukturellen Dissoziation. Man erlernt mehr Fähigkeiten oder Fertigkeiten, durch gesenkte Barrieren gelingt es mehr zu können oder auf andere Areale im Hirn zuzugreifen.
Okay, das habe ich verstanden. Ganz ehrlich - ich glaube, dass ich mich selbst oder die DIS an sich noch oft gar nicht verstehe. Und es hilft mir, hier darüber zu lesen, wie es andere erleben. Letztendlich ist es ja sowieso bei jedem individuell verschieden. Ich glaube, ich hatte das Gefühl, irgendetwas ist bei mir "falsch" oder so, weil ich nicht sagen kann, dass irgendein Anteil älter wird.
chrysokoll hat geschrieben: Mo., 05.12.2022, 09:35 Für mich ist das "wir" zum einen Realität und zum anderen eher integrativ,
Das ist interessant, weil ich finde, das "wir" bedeutet für mich je nach Situation ganz Unterschiedliches: Wir - als Trennung - ich bin nicht eins mit den anderen, sondern ein einzelner vom wir. Aber auch wir - als Realität. Und wir - als Gemeinsamkeit, wenn ich von etwas spreche, was uns als Ganzes betrifft.
Ich hab aber auch eine gewisse "Ehrfurcht" das "wir" auszusprechen, weil ich damit ein Stück weit anerkenne, dass es ein "wir" gibt.

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 05.12.2022, 18:59

Gespensterkind hat geschrieben: Mo., 05.12.2022, 16:48 Ich hab aber auch eine gewisse "Ehrfurcht" das "wir" auszusprechen, weil ich damit ein Stück weit anerkenne, dass es ein "wir" gibt.
Das "wir" habe ich nur vor meiner Therapeutin ausgesprochen und jetzt vor dem neuen Therapeuten.
Und natürlich in mir, vor mir / uns selber.
Sonst kennt niemand meine Diagnose und ich verstecke das.

Ein "wir" war aber ebenso wie die Stimmen schon immer da, da gab es nicht anzuerkennen bei mir.
Allerdings knabbere ich noch immer sehr an der Diagnose, obwohl ich jetzt endlich eine Erklärung habe und auch an mir arbeiten kann und sich Dinge (langsam) verbessern

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Sinarellas
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Beitrag Di., 06.12.2022, 09:10

Geht mir wie dir Gespensterkind, wenn mir mal ein wir entgleitet, halte ich innerlich den Atem an ob es aufgefallen ist, manchmal wird nachgefragt wen ich denn mit "wir" meine und ich muss dann recht kreativ antworten. Aussprechen ist was anderes als innerlich denken und mit dem Aussprechen (!) des Wirs ist es wirklich eine Anerkennung dessen, dass es A ein wir gibt und B der Rattenschwanz der an dem Wir(=Diagnose DIS =Traumatisieurngen in der Kindheit=Leid etc) dranhängt.

Auch in der Therapie sage ich das so nicht, mitunter, weil ich nicht mich mehr separieren will, als es eh der fall ist. Unter Betroffenen gelingt das fluffiger, da ist es einfach iO, wenn man das sagt, eben weils das Gegenüber auch sagt.

Wie bei chrysokoll waren bei mir die Stimmen auch immer da, das wir also im Kopf schon weit vor der Diagnose vorhanden (meinst du nicht wir sollten mal... das kannst du nicht machen, wir brauchen...), erst nach der Diagnose kam das auf, dass manche sich als wir aussprechen.

Diagnose ist halt so ein Stinkstiefel, einerseits gut, dass eine Symptombeschreibung unter einem namen zusammengefasst werden kann, andererseits stinkig, weil bei dieser expliziten Diagnose, besonders viel mit Zweifeln, Scham und vermeidung der Diagnose umzugehen ist.
..:..

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Scars
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Beitrag Di., 06.12.2022, 18:41

Sinarellas hat geschrieben: Di., 06.12.2022, 09:10 Geht mir wie dir Gespensterkind, wenn mir mal ein wir entgleitet, halte ich innerlich den Atem an ob es aufgefallen ist, manchmal wird nachgefragt wen ich denn mit "wir" meine und ich muss dann recht kreativ antworten.
Ich finde es nicht so ungewöhnlich, wenn eine Einzelperson mal von sich in der Mehrzahl spricht. Je nach Kontext fragt man dann nach, ob das Auto oder die Katze gemeint ist, aber denke nicht, dass es super auffällig wäre. Es sprechen ja auch immer mehr Menschen mit Therapieerfahrung von ihren „Anteilen“, das irritiert mich persönlich mehr.
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Sinarellas
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Beitrag Di., 06.12.2022, 18:55

Ja klar, nur in meinem DIS-Kontext ist das natürlich was anderes und entsprechend "ertappt" fühle ich mich dann (egal ob da was erkannt wurde oder eine Normalo Situation war). Die Sorge, dass man "irgendwie auffällt" ist riesig.
..:..

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Scars
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Beitrag Di., 06.12.2022, 19:27

Das kann ich mir vorstellen. Diese Angst wird vermutlich auch nicht gelindert dadurch, dass ich schreibe, dass sich vermutlich niemand was bei denkt, wenn man auch ohne inhaltlichen Zusammenhang mal von „wir“ spricht. Aber ich dachte, vielleicht hilft es wenigstens ein bisschen. Die wenigsten Menschen wissen ja überhaupt von dissoziativen Strukturen und gehen daher einfach immer von „normal“ aus.
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chrysokoll
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Beitrag Di., 06.12.2022, 20:09

nein, natürlich fällt es niemandem auf wenn man mal "wir" sagt
Mir ist das auch schon ein paar Mal aus Versehen rausgerutscht und da denkt sich niemand etwas.
Trotzdem vermeide ich das, nur in der Therapie wage ich es davon zu sprechen.

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Montana
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Beitrag Mi., 07.12.2022, 08:09

Ich spreche nur dann ganz automatisch von "wir", wenn ich aus meiner Kindheit erzähle. Ich habe in der Therapie klargestellt, wie das gemeint ist, denn es mag sich komisch anhören, wenn ich z.B. durchgängig "meine" Mutter sage, aber "wir" haben dieses und jenes gedacht oder getan. Gemeint sind da immer meine Schwester und ich. Und niemals irgendwelche "Anteile". Das war mir wichtig, weil der Therapeut das wirklich falsch verstehen könnte.

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LovisTochter
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Beitrag Mi., 07.12.2022, 10:20

Spanendes Thema!

Für mich ist dieses "wir" ganz, ganz schwierig. Ich kann das nicht mal in der Therapie aussprechen. Das geht tlw so weit, dass ich selbst beim Erzählen von etwas, wo aus dem Zusammenhang vollkommen klar hervogeht, dass sich ein wir auf zwei Menschen bezieht, zusammenzucke wenn ich wir sage oder umständlich versuche das Wort zu vermeiden.

Manchmal denke ich, dass das noch immer ein Zeichen (m)eines Akzeptanz-Problems ist.
Bei anderen habe ich da kein Problem mit, allerdings empfinde ich es manchmal auch seltsam, wenn dann bei wirklich allem und immer von wir gesprochen wird. Bei vielen Dingen wüsste ich einfach gar nicht, wie andere hier dazu stehen oder denken, so dass ich da niemanden miteinschließen könnte und ich kann mir nicht vorstellen, dass in anderen Systemen immer der Großteil gleich denkt oder fühlt.
Nur weil es hier mehrere gibt, würde ich, in der Therapie, niemals von wir sprechen. Das käme für mich, wenn überhaupt, nur in Frage, wenn ich genau weiß, dass andere das auch so sehen, so denken etc. Aber ich glaube, selbst dann, würde ich eher von XY und mir sprechen und nicht von wir.
Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht. (Oscar Wilde)

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Gespensterkind
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Beitrag Mi., 07.12.2022, 16:29

Ich finde das auch total interessant, wie andere mit dem "wir" umgehen.
Es würde mir nie von selbst rausrutschen. Wenn, dann sage ich es total bewusst und eher "meinem Therapeuten zuliebe". Und höchst ungern, weil es für mich doch irgendwie etwas "Aktzeptierendes" hat. Ich will eigentlich kein "wir"-Teil sein.

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Candykills
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Beitrag Mi., 07.12.2022, 17:01

Hm bei mir ist es eher schon so, dass es sehr selten, aber dann eher unbewusst und automatisch rausrutscht, einfach weil sich diese Aussage dann wirklich auf alle bezieht.

Aber das passiert halt normal nur in der Therapie oder hier im Forum mal.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Barida
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Beitrag Mi., 07.12.2022, 20:23

Liebe alle,
Danke für all eure Beiträge!

Ich hänge noch ein wenig am Thema davor... dem Alter der Anteile.
Ich glaube, es ist grundsätzlich schon richtig, dass die Teile (ich nenne sie Ecken) in dem Alter stehen bleiben, in dem sie entstanden sind, und es ist oft erschreckend, wie genau sie das wissen und benennen können.

Es gibt bei mir aber auch eine Ecke, die im Alter einer späteren Traumatisierung stehen blieb.
Einfach weil sie in solch eine moralisch schlimme Zwickmühle gekommen ist,
dass sie nicht weitergehen und "normal" leben konnte,
sondern dort verharren musste.
Da sie aber eine Ecke ist, muss sie ja vorher irgendwie entstanden sein. Dazu habe "ich"
( als .... "Informationsganze".... Kann man das so nennen?...)
aber noch keinen Zugang.
Also diese eine Ecke ist im einem Alter bei einer schlimmen moralischen Zwickmühle stehen geblieben, aus der "ich-ganz" bisher auch keinen Ausweg weiß.

Und dann gibt es in mir aber auch eine Ecke, die weiterwächst und älter wird und
... Ich finde das extrem berührend.
Ein extrem wilder, ungebildeter und verantwortungsloser ( und damit auch freier!) Anteil,
der durch das Kennenlernen und Verstehendürfen anderer Ecken
zu einem schlacksigen, nachdenklichen Jugendlichen wurde.

Es ist ein so krasser Schritt, wenn Anteile wachsen dürfen. Ich merke, wie sehr mich das berührt, wenn ich das aufschreibe.....

Mein inneres Gefühl ist,
daß man durch das "Lösen" und Annehmen des riesigen inneren Konfliktes, den man damals hatte, und den man nur durch Spaltung bewältigen konnte,
altern darf.
:ermm: Wirrwarr oder Konträres in meinen Texten bitte ich zu entschuldigen. Es sind so viele unterschiedliche Meinungen und Ansichten in mir, ich bin noch auf der Suche nach dem GANZEN.

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Barida
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Beitrag Mi., 07.12.2022, 20:28

Ein WIR ist dagegen tatsächlich mein Therapieziel.

In dem Sinne, daß ich ein WIR auch fühlen kanndarf. (Also nicht einfach innen weggemacht werde und dann mit irgendwelchen Konsequenzen leben darf)

In dem Sinne, daß ich gemeinschaftliche Entscheidungen treffen kannmöchte.
Und das möglichst immer, wenn es denn geht.

In dem Sinne, daß ich alle innen mitnehmen kann
und auf sie aufpassen darf.

Wenn ich "WIR" sage,
dann ist das sehr sehend und liebevoll von mir selber an alle innen gemeint.
Immer auch in dem Bemühen, andere Meinungen zu hören und gelten zu lassen und möglichst
"demokratisch" zu leben.

Und ja, ein WIR gibt es nur in mir innen.

Oder selten als Wort in der Therapie.
:ermm: Wirrwarr oder Konträres in meinen Texten bitte ich zu entschuldigen. Es sind so viele unterschiedliche Meinungen und Ansichten in mir, ich bin noch auf der Suche nach dem GANZEN.

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Louna
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Beitrag Do., 19.01.2023, 13:35

Ich sage nur in der Therapie "Wir" und das auch nur manchmal.
Wenn bestimmte Innenpersonen Gruppen da sind, dann ein "Wir".
Außerhalb so gut wie gar nicht.
Ich werde aber oft als "Ihr" angesprochen, weil ich ausschließlich mit mit meinen beiden Hunden unterwegs bin und auch wenn das nicht absichtlich von den Anderen passiert, so ist das für mich echt angenehm.

Das "Wir" fühle ich oft aber da so gut wie niemand etwas von mir weiß, ist das auch OK. zu Hause können WIR dann wieder alleine so sein wie wir sind oder auch allein oder in Gruppen oder niemand.
Im Außen eher nicht, da muss alles funktionieren, so das niemand etwas mit bekommt.

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