Was gibt dir diese Beziehung? Fühlt es sich intensiver an als Vorefahrungen mit anderen Männern? Was brauchst du, um gehen zu können? Was hindert dich daran? Das wären vielleicht Fragen, denen du dich widmen könntest, statt sein Verhalten wie im Hamsterrad auseinanderzupflücken.
Ich kann mich aus Gründen, die in meiner Biografie liegen, mit allen drei beteiligten Menschen identifizieren - auch wenn ich noch lebe. Die Frau ist eifersüchtig. So what? Das sind einige Menschen. Ich bleibe dabei, gerade weil er das weiß, war es empathielos ihr von eurer Geschichte zu erzählen. Es diente alleine seiner Entlastung. Die wenigsten Menschen, die auf dem Sterbebett liegen, würden sich über eine solche Offenbarung freuen. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen. Sein Job wäre es jetzt seiner Frau beim Sterben beizustehen, sich eventuell ein Stück weit mit der eigenen Sterblichkeit auseinander zu setzen, auf jeden Fall mit seinem eigenen Älterwerden. Stattdessen versucht er qua Verliebtheit in eine mehr als deutlich jüngere Frau der Situation zu entfliehen. Menschlich auch alles irgendwie verständlich, nur dass er ein erfahrener Therapeut ist, der das Abstinenzgebot missachtet. Klar muss er seiner Frau nicht über seine eigenen Erschöpfungsgrenzen hinaus beistehen, aber er hätte auch Yoga oder Waldspaziergänge machen können oder sich mit Freunden treffen statt eine Patientin zu verwickeln. Er hätte all die Vorschläge umsetzen können, die in den Therapeuten verliebten Patienten so gemacht werden.
"Machen Sie mal Sport," meinte mein Nervenarzt.