Traumaverarbeitung, ein langer Prozess

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.

Waldschratin
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 08:39

Hoeselboesel hat geschrieben:Was sich so ziemlich an die " Vertrauensfrage" anknüpft ist auch eine endlose Sehnsucht nach geborgenheit.
Ich vermisse diesen geborgenen Zustand mehr als das Vertrauen.[...]Ich kann mir durchaus Momente von geborgen sein in meinem kleinen Rahmen verschaffen , aber es reicht nicht immer - ich will das Gefühl eben auch haben wenn ich auf Andere treffe .

Für mich glaube ich ja das dies der Knackpunkt in der gesamten Verarbeitung ist.
Seh ich auch so, dass das der zugrundeliegende "Knackpunkt" ist - jedenfalls erlebe ich das auch so.
Obwohl ich da erst vielerlei Anderes mir hab "wegarbeiten" müssen, bis ich da dran konnte.
Aber da hat halt jeder mal wieder so seinen eigenen Weg damit. :)

Ich nenne das in mir, was diese Geborgenheit sich wünscht, mein Innerstes. Weil ich es als das "Grundsätzlichste" meiner selbst wahrnehme, meine "persönliche Essenz" sozusagen.
Gleichzeitig ist es, obwohl es sich so "alt und weise" anfühlt, mein "Unreifstes".
Und es wünscht sich dieses "Verschmelzen" mit ner anderen Person, mit allem Drum und Dran : Bindung, "nicht alleine Ich sein müssen", also noch kein eigenes Ich zu haben, das dieses Hin und Her zwischen Ich und Du hinkriegt, sondern eben die "Verschmelzung" und darin die "absolute Sicherheit", denn wenn "Ich" auch "Du" ist, dann wird "Du" sowas wie "automatisch" gut zum "Ich" sein, sonst würde es sich ja selber wehtun. So ähnlich halt. :)
Ich kann das nicht so gut in Worte fassen wie du, Hoeselboesel. :hugs:

Was ich lernen muß(te) : Das gibt es nur als Baby...Später kann dieser innerste Teil von mir nur noch sehr "anteilig" mit ner anderen Person verschmelzen. Und dann gehts sowieso meist recht schief... Braucht man sich nur mal hier im Forum umlesen, wie häufig diese Übertragungen in Therapien eher dazu führen, dass sich ein Klient da in seinen Bedürfnissen "verliert", anstatt ne gute therapeutische "Symbiose" mitsamt der nötigen Ablösung innerhalb der Therapie hinzukriegen.

Ist ja auch alles nicht so einfach....

Was das Vertrauen angeht:
Für mich ist klar, dass ich bei Menschen nur darauf vertrauen kann, dass ich ihnen NICHT vertrauen kann. :)
Dass sie mir immer wieder "weh tun" werden, weil es normal ist, dass sie meine Erwartungen nicht erfüllen, meine "Untiefen" und Verletzungen nicht (immer) erkennen und wenn, dann nicht unbedingt respektieren werden, etc.
Menschen "versagen" in sowas.
Letztlich geht es mir mit mir selber ja auch so. :) Da mußte ich ja auch erst lernen, mit Achtung und Respekt, später liebevoll und fürsorglich mit mir selber umzugehen. Und mich auszusöhnen mit all meinen Unzulänglichkeiten.

"Urvertrauen" zu Menschen WILL ich gar nicht mehr "lernen", weil nach all meinen Erfahrungen ist es einfach Realität für mich, dass Umgang mit Menschen "potentiell lebensgefährlich" ist.

Ich gehe da eher in die Richtung, die auch mio beschreibt :
Ich versuche, mir selbst mehr vertrauen zu lernen. In meine eigenen Stärken und Fähigkeiten Vertrauen zu lernen.
So dass ich mich dieser Realität der "potentiellen Bedrohung" besser stellen kann und immer weniger Abwehrmechanismen gegen diese Bedrohung brauche.
Weil ich mir immer sicherer werde im Umgang damit und so auch mehr Verletzung riskieren kann - weil ich weiß, auch aus Erfahrung : Nicht jede Verletzung ist gleich "tödlich". Ich kann mit Verletzungen fertigwerden. Ich kann meine Grenzen ziehen, aber auch über diese Grenzen gehen, indem ich z.B. verzeihe und meinem Gegenüber trotz Verletzung wieder ein Beziehungsangebot machen kann.
Letztlich ist es ne gute Reflektionsfähigkeit, also mich selber gut genug kennenlernen und meine Fähigkeiten "ausbauen" und mich darin üben.

Dann kann ich umso gelassener sein anderen Menschen gegenüber, kann Nähe und Verbundenheit zulassen, letztlich wächst daraus das Vertrauen zum Anderen. Und ich werde nicht dran zerbrechen, wenn der mich dann trotzdem irgendwann "verraten" oder irgendwie verletzen wird.

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Hoeselboesel
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 13:14

Geborgenheit wird oft verwechselt mit dem Dazugehören. Manche sind schon zufrieden, wenn sie dazu gehören. Dazugehörigkeit hat oft einen hohen Preis. Wenn sie sich selbst fragen, was sie nicht alles leisten müssen oder leisten mussten, um dazu zugehören. Wenn das, was ich leisten muss, im Sinne von Anpassung soweit führt, dass ich um dazuzugehören, auf Wesentliches von mir verzichten muss, dann ist es mit der Geborgenheit schon vorbei. Denn ich kann nicht geborgen sein, wenn von mir soviel Verzicht von mir selbst erwartet wird, dass ich mich im Grunde gar nicht mehr wirklich kenne. So erlebe ich schon viele Menschen, die dazugehören, aber in der Dazugehörigkeit soviel auf sich selbst verzichten mussten, dass sie sich auch in der stabilen Dazugehörigkeit nie geborgen fühlen.
Wie viele Kinder leisten ganz viel - auf verschiedenen Ebenen - um dazuzugehören: Zur Klasse, zur Familie, zu den Belobigten, zu den Ausgezeichneten und haben schon im Ansatz gelernt, auf sich selbst zu verzichten und fühlen sich nie mehr geborgen.
Geborgenheit ist der Ausgleich zwischen hoher Eigenständigkeit und in der Eigensinnigkeit und Eigenständigkeit von anderen gemocht zu werden.
Aus Steinen die einen in den Weg gelegt werden kann man immer noch was schönes bauen.


mio
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 13:21

Hoeselboesel hat geschrieben: Sa., 22.04.2017, 13:14 Geborgenheit ist der Ausgleich zwischen hoher Eigenständigkeit und in der Eigensinnigkeit und Eigenständigkeit von anderen gemocht zu werden.
Schön gesagt. :)

Und in Bezug auf die "Zugehörigkeit" kann man sich finde ich auch fragen: Wozu (wem) gehöre ich, wenn ich nicht ich sein darf dabei?

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Hoeselboesel
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 13:42

Nun das ist doch das was ich will...
Bei mir selber bleiben und damit Akzeptanz finden.

Dort wo ich mich ver biege um anderen zu gefallen habe ich Probleme für mich - mich selbst zu akzeptieren. ....
Am einfachsten ist es dann natürlich den anderen dafür verantwortlich zu machen, weil er mich regelrecht dazu getrieben hat.....
Das ist also ein Fehldenken in mir ....
Eine vorwegnahme was der andere an mir nicht mögen könnte.
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mio
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 13:50

Hoeselboesel hat geschrieben: Sa., 22.04.2017, 13:42 Das ist also ein Fehldenken in mir ....
Eine vorwegnahme was der andere an mir nicht mögen könnte.
Ich würde es als "Kontroll-/Schutzversuch" sehen, nicht zwingend als "Fehldenken", denn der Gedanke rührt ja aus einer gemachten Erfahrung. Ohne die gäbe es den Gedanken auch nicht.

Wäre nie ein Mensch von einer Schlange gebissen worden und danach tot umgefallen dann hätte wir keine Angst vor Schlangen. Der Angst kann ich aber heute "rational" begegnen und mir die "vermeintlich" gefährliche Schlange genauer ansehen. Vielleicht ist es ja nur eine Blindschleiche. Oder eine ungiftige Natter. Und überhaupt ist die Wahrscheinlichkeit in unseren Breiten auf eine tödliche Giftschlange zu treffen nahezu gleich Null... Ich kann mein Denken also mit der Realität abgleichen.

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Hoeselboesel
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 14:19

Da wird was dran sein...
Mir auch gerade aufgefallen ist nur so ein halber Ansatz....
Hinzukommen Grenzen überschreiten. ...
Ich lege meine Grenze ja irgendwo fest und erwarte ohne es mitzuteilen das der andere weiss wo die ist, weil ich annehme es wäre für alle die gleiche.
Dabei nehme ich mitunter fassungslos wahr wie der andere hemmungslos darüber treten kann - ohne jede Hemmung - wobei ich sie ja schon habe mitzuteilen wo die Grenze ist.
( Also unzureichende Annahme )
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Maskerade
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 16:05

Hallo Ihr's,

hab mich momentan etwas herausgezogen. Das hat die einfachen Gründe, daß ich ja nicht zu Hause bin und mir von Seiten zuvor noch etwas nachhängt. Das muß ich zuerst verdauen. Aber ich habe Eure Beiträge alle gelesen, wenn auch nicht ganz alle verstanden. Und ich möchte Euch sagen, daß ich diesen Thread mit Euch einfach toll finde. Danke an alle die sich beteiligen.

Bin halt hier teilweise unterwegs, oder verbringe Zeit mit meiner Mum, oder helfe meinem Vater bei manchem im Garten ... Da verbringe ich nicht so viel Zeit am Computer.

Wollte Euch das nur sagen, damit Ihr nicht denkt, ich bin von der Bildfläche verschwunden.
Liebe Grüße, Maskerade

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Hoeselboesel
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 16:20

Hallo Maskerade
Alles in Ordnung
Gibt doch keine Verpflichtung rund um dir Uhr hier zu sein oder was mitzuteilen.
Die Hauptsache die geht es soweit gut.
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Maskerade
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 16:52

Lieben Dank Hoeslboesl,

natürlich gibt es keine Verpflichtung, aber den Wunsch dabei zu sein und beim Thema auch am Ball zu bleiben. und wenn dann noch so tolle Gesprächspartner/-innen mitmachen, ist es halt auch sehr interessant. Und manchmal mache ich mir schon den Druck, auf jeden Beitrag antworten zu müssen, wohlwissend, daß das Unsinsinn ist. Ist so ein Ding von mir.

Hm, wie es mir geht ... gut ist ist anders, aber das habe ich in meinem Blog-TB geschrieben.
Liebe Grüße, Maskerade

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Krümmelmonster
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 19:15

Hallo Maskarade,
alles ist gut. wenn du lust und freude und Zeit hast und das Bedürfniss zu schreiben hast, dann mach es, so wie du willst.
Es ist schön von dir zu lesen.


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Maskerade
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Beitrag Sa., 22.04.2017, 21:23

Danke, liebe Krümel.

Im Grunde ist gerade heute so ein Tag gewesen, an dem eigentlich schreibe, mich frei schreibe.
Hab ich im Tagebuch-Blog auch gemacht.




Dieser Tag war irgendwie seltsam. Hab eigentlich darauf gewartet, daß meine Mum meinen Brief anspricht, den ich ihr geschrieben hatte, darin habe ich ihr die Sache mit dem MB geschrieben, halt auch vor allem mit dem Hauttäter, meinem Vater. Als ich es ihr ausversehen offenbart hatte, kam nur Schweigen. Deswegen schrieb ich den Brief. Sie sagte dann am Telefon mal, daß wir darüber noch reden werden, aber wie gesagt, bis jetzt kam nichts.

Ja und dann war halt auch wieder das schreckliche Gefühl, daß das alles in der Realität vielleicht gar nicht stattgefunden hat, sondern daß ich sozusagen Geschichten erfinde. Und daß ich damit ein paar Männern fürchterlich Unrecht tuen könnte.

Zumindest meine Therapeutin geht davon aus, daß dem nicht so ist. Genauso wie die Therapeutin von der Klinik ( Traumatherapie ). Sie haben es mir auch begründet. Mit dem Kopf kann ich es verstehen, aber in meinem Innen sind immer wieder Zweifel, die mich noch zusätzlich quälen. Hab meine Therapeutin dann gefragt, was sie so sicher macht, daß das alles echt ist. Sie hat mir ein paar Punkte genannt, an denen ich mich orientieren könnte. Ich schreibe könnte, weil ich nicht so sicher bin, daß ich es in der Situation auch hinbekomme.

Bei solchen Dingen braucht man einfach den Verstand. Und da ich ein sehr emotionaler, spontaner und impulsiver Mensch bin, ist das manchmal ganz schön schwierig. Denn da passiert es ofter, daß der Verstand halt erst im Nachhinein einsetzt. Das habe ich nicht immer so unter Kontrolle. Bis ich es merke, ist es oft schon zu spät. Mir tut das dann sehr leid, aber Gesagtes und Verhalten läßt sich eben nicht immer zurücknehmen und schon gleich gar nicht rückgängig machen.

Jedenfalls waren diese Zweifel, die erst recht ein darauf hinweisen, daß es die Realität ist, wieder sehr stark.

Ich habe es über das Gebet versucht diese Zweifel und diese Unsicherheit zu bewältigen. Das ist für mich ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und ich glaube fest daran, daß das Gebet Wirkung hat und auch wirksam IST. So oft, wie ich das in meinem Leben schon erfahren und erlebt hab, könnte ich gar gar nicht anders, als diesen Glaubensweg weiter zu gehen. Ich würde sogar so weit gehen, und sagen, mein Glaube, meine Spiritualität und nicht zuletzt Gott selbst/ das Göttliche/ Seine Liebe/ die bedingungslose Liebe/ usw. ... haben mir wirklich schon einige Male das Leben gerettet. Hätte ich all das nicht, so hätte ich diese Welt schon einige Male verlassen.

Das ist keine Liebeserklärung an die Kirche. Mit der habe ich teilweise große Mühe, wenngleich ich auch dankbar sagen muß, daß mir gerade Menschen aus der Kirche am meisten in meinem Leben geholfen haben. Ich bin sicher, wenn ich diese Menschen ( vor allem Ordensleute ) nicht gehabt hätte, wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin. Also im positiven Sinne

Zurück zum heutigen Tag, ich war/bin sehr traurig, verzweifelt, wütend, machtlos, zweifelnd,
usw. aber weinen konnte ich nicht, obwohl es mir wirklich danach war. Irgendwie wußte ich sa gar nicht wohin mit mir. Und zwischen meinen Eltern war gereizte Stimmung und das mag ich gar nicht. Hab mich auch direkt zurückgezogen ... Morgen ? Ja, mal sehen, wie es morgen wird ...
Liebe Grüße, Maskerade

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Hoeselboesel
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Beitrag So., 23.04.2017, 16:10

Hallo Maskerade
Hoffe es geht so einigermaßen. ...
Hab mir erstmal deine Blog durchgelesen
Weisst ,ich habe ja nun schon lange keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern und bekomme viele Fragen nicht beantwortet aber dir scheint es nun mit Kontakt auch nicht anders zu gehen.
Ich glaub das ist so ein Punkt da würde ich verdammt wütend werden....So kann ich immer noch die Eltern entschuldigen , weil ich auch keinen Kontakt suche......
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Maskerade
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Beitrag So., 23.04.2017, 19:28

Liebe Hoeselboesl,

guten Abend.

Die Eltern entschuldigen kannst mit oder ohne Kontakt ... und ich weiß auch, daß ich das gelegentlich mache. Aber das war auch nicht anders, als ich zwischendurch immer wieder mal ein Jahr, oder auch mal ein halbes Jahr keinen Kontakt hatte. Ich habe für mich halt festgestellt, daß ich , wenn ich keinen Kontakt habe, mehr leide, als wenn ich Kontakt habe. Ich weiß, das klingt seltsam, und ist sicher für die meisten Betroffenen nicht nachvollziehbar.

Aber zum Beispiel war ich heute mit meinem Vater im Wald 1,5 Stunden laufen
( Nordikwalking ). Da haben wir uns super verstanden. Und solche Erlebnisse scheine ich zu brauchen, um die andere Realität ( Mißbrauch, Mißhandlung, seelische Grausamkeit, ... ) zu verkraften und ihn gleichzeitig ganz anders zu erleben als früher, eben auch seine positiven Seiten. Und die hat er er ja trotz allem auch. Ich kann sicher nicht alles erleben, was mir damals versagt war, aber so manche Erfahrung und so manches pos. Erlebnis kann ich schon machen.

Ich gehe einen anderen Weg, ... arbeite mitunter auch mit Verzeihen und so. Das heißt nicht beschönigen, vergessen, ungeschehen machen, ... aber es heißt, eine bewußte Entscheidung, die mir selbst, ihm wahrscheinlich auch, eine gewisse Freiheit gibt. Mich also langsam, nach und nach, loslassen läßt. Ich kann es nicht anders ausdrücken, aber mir geht es damit besser, als wenn ich mit meinen Eltern total breche.

Und wie gesagt, meine Mum wird es nicht umgehen, mit mir zu reden. Und mir ist es auch nicht wichtig, über die Einzelheiten des MB's zu sprechen, das werde ich definitiv nicht nicht machen. Mein Wunsch ist, daß sie das Geschehene anerkennt und daß sie mir glaubt. Und vielleicht noch, daß sie sich der Tatsache stellt, mir damals nicht geholfen zu haben, mich nicht beschützt zu haben. Das soll kein Vorwurf sein, sondern eben zu schauen, was ist da passiert und wie habe ich mich ( also sie ) damals verhalten. Wie kann es sein, daß ich nichts gemerkt habe, oder habe ich doch etwas geahnt und habe das nur verdrängt ?

Also so viele Fragen habe ich ich eigentlich gar nicht. Die würden mir vermutlich tatsächlich nicht beantwortet werden. Meinen Vater hatte ich im Blog ja geschildert und hier auch ?
Er ist nicht in der Lage, diese abgespaltene Vergangenheit zu realisieren und schon gar nicht dazu zu stehen. Er kann sich nicht damit auseinandersetzen, er kann nicht reflektieren. Weißt, da spielt sicher auch eine Rolle, daß er viele Jahre exzessiv getrunken hat.

Und meine Mum hat zwar auch ein paar Jahre heftig getrunken, aber sie hat dann den Absprung geschafft. Sie hat einfach ganz andere Grundvoraussetzungen. Sie kann durchaus reflektieren und hat vom Intellekt her ganz andere Möglichkeiten. Sie ist anders aufgewachsen, als Einzelkind von Flüchtlingen ( Mutter: leibliche Mutter, Vater, ein dänischer Lageraufseher ). Später hat meine Oma dann in Deutschland einen Mann geheiratet, der meine Mum adoptiert hat. Sie hatte es nicht wirklich schlecht, wenn meine Oma schon heftig drauf sein konnte. So ist meine Mum aus einer Vergewaltigung entstanden und ich auch. Die Mutter meiner Oma war auch psychisch krank und dort konnte sie nur bleiben, bis sie etwa 14 J alt war. Danach hat sie bei den Bauern geschuftet, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Ok, sie war ziemlich schwierig, aber dafür hat ihr Adoptivvater meine Mum immer gut behandelt. Und für uns waren die Großeltern sehr wichtig. Auch uns haben sie immer gut behandelt.

Mein Vater, war das jüngste von 11 Kindern. Unschwer, sich vorzustellen, wie er damals lebte und was er alles nie lernen und erleben konnte. Mit 14 J. mußte er jeden Tag zum Bauern und dort mitarbeiten. Sich sozusagen das Essen verdienen, denn in der Famile gab es nie genug für alle. So haben die beiden eine sehr unterschiedliche Bildung und völlig andere Lebensverhältnisse.

Warum schreibe ich das ? Ich finde einfach, man sollte deren Leben und die Entwicklung, bzw. die Nichtentwicklung zumindest berücksichtigen. Auch hier gilt, nicht rechtfertigen und bagatellisieren, sondern einfach sehen, was IST. Mir hilft es, meine Eltern ein wenig besser zu verstehen. Die Realität bleibt die gleiche, aber steht in einem anderen Licht und wird für mich ein klein wenig leichter.

Vielleicht ist jetzt etwas deutlicher geworden, warum ich ich den Kontakt zu beiden immer noch habe.

Ich werde auch oft wütend und rasend vor Zorn. Aber das geht vorbei. Und mittlerweile zeige ich beiden, was ich in dem Moment fühle. Ich kann es raus lassen, da sein lassen und schlucke es nicht mehr hinunter. Das ist für sie nicht einfach, aber meine Aufgabe ist es ja auch nicht, es ihnen einfach zu machen. Sie haben schon einiges gelernt und verändert, halt jeder nach seinen Möglichkeiten.
Liebe Grüße, Maskerade

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Hoeselboesel
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Beitrag So., 23.04.2017, 19:39

Hallo an alle die wollen
Ich stell ja gern mal Fragen.....
Glaubt jemand von Euch das wir irgendeine Art und Weise an uns haben mit der wir ähnliche Situationen anziehen oder reagieren wir da schneller oder sensibler oder stimmt es
" Einmal Opfer immer Opfer...."

Es gibt so Momente da schweige ich mich lieber aus ....Bloss nicht entdeckt werden was mit mir gemacht wurde und ich hab mit mir machen lassen. ...Es ist als ob jeder mir ansehen könnte ....und dann meinen könnte er darf auch noch was drauflegen. ...
Also eigentlich soll keiner erfahren dass ich mal schwach und klein war.
Jetzt bin ich nicht mehr klein ....aber hab Schwachpunkte.
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Hoeselboesel
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Beitrag So., 23.04.2017, 19:47

Danke Maskerade
Irgendwo hast du ja Recht , dass die Eltern auch eine Geschichte haben...
aber ich glaube für mich das ich die nur unterschwellig sehe , vl. Ist es ein bisschen Angst sie damit entschuldigen zu müssen. ..
Nein ist es nicht ...Ich hab viel mehr Angst wieder vor ihnen einzuknicken und um ein bisschen Anerkennung alles ertragen .
Es ist für mich auch ein bisschen als könnte ich sie bestrafen....Sie haben mich weggeschmissen (schön blöd )und jetzt kommen sie nicht mehr an mich ran....also totale Verweigerung
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