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Di., 10.02.2009, 21:15
Zwischen 20 und 30 Jahren ist ein Mensch in einer späten Ablösungsphase und zwar erwachsen, aber auch in einer Phase der späten Verarbeitung der Kindheit.
Insofern macht es Sinn in diesem Alter solche alten Kränkungen aufzuarbeiten und ich habe es auch selbst so gemacht.
Das Ergebnis ist, dass ich heute sagen kann, dass ich trotz meiner Eltern geworden bin was ich bin- und nicht wegen meiner Eltern.
Ich habe diesen Satz für mich gebraucht, weil ich viel Abwertung und nichtzutrauen erlebt habe, was durch blanken Egoismus motiviert war.
Um Geld und Zuwendung zu sparen.
Wenn Eltern ihrem Kind nichts zutrauen, zeigen sie damit im Grunde ihr Spiegelbild, wahlweise ihren Neid. Wieso sollten sie das Kind in etwas unterstützen, dass sie selbt nie bekommen haben.
Wie oft wollen Eltern nicht, das ihr Kind zum Beispiel eine höhere Bildung bekommt, weil es ihnen über den Kopf wachsen würde?
Und wenn man das Kind kleinhält, dann ist es leichter beherrschbar.
Es gibt so ein Ideal der liebenden Eltern, die das Kind fördern und unterstützen, aber in der Realtität sind die Beziehungen oft durchsetzt mit einer Mischung aus eigenem Unvermögen, mitgetragenen psychologischen Erblasten und auch Neid und Mißgunst,
auch kommt Wut auf das Kind oft vor, weil es einem das Leben "gestohlen" hat...oder es ist nicht der ersehnte Stammhalter...ect. ...
Es gibt nichts was es nicht gibt und natürlich darf man auf die Eltern wütend sein, sogar sauwütend. Denn die Wut zeigt auf, dass etwas nicht stimmt in der Beziehung. Das ist erst mal wichtig um sich abzugrenzen.
"Du-sollst-Vater-und-Mutter-ehren"*, ist so tief in unserer christlichen Kultur verankert, dass wir schon Schuldgefühle bekommen, wenn wir mal auf die Eltern eine Wut haben.
Und Wut hat nicht in erster Linie mit Schuldzuweisung zu tun, sondern zeigt,
das etwas in der Beziehung nicht stimmt.
Letztlich steht am Ende (hoffentlich) die Erkenntnis, dass es wichtig ist die Gefühle aufzuarbeiten um sich selbst annehmen zu können.
In dieser Reihenfolge.
So habe ich es erlebt. In der Psychanalyse durchlebte ich drei Jahre meine Kindheit und alle Gefühle, sie wurden vom Therapeuten stellvertretend anerkannt (die berühmte Übertragung) und somit von mir überwunden.
Ich habe meine Therapie mit 26 Jahren begonnen und mit 29 Jahren beendet.
Heute sehe ich die Fehlerhaftigkeit meiner Eltern und mich juckt es nicht mehr oft. Ich bin heute soweit abgelöst. Natürlich hätte alles besser für mich laufen können, wenn... aber letztlich ist jeder einfach das was er ist und wer mehr sein möchte muß den Weg einschlagen und gehen.
Die Eltern sind oft selbst recht unzulängliche Menschen und haben ihre eigene schwere Geschichte. Das Leben war auch zu ihnen ungerecht und sie mußten auch Gemeinheiten wegstecken.
Ich plädiere für Verständnis für die Eltern,aber nicht für ein Entweder-Oder- Prinzip. Wenn die Eltern schuld sind, bin ich es nicht ist genauso schlecht wie: Wenn die Eltern nicht schuld sind, dann muß ich selbst schuld sein.
Beides hat mit dem Leben nichts zu tun.
Das Leben ist nicht dualistisch.
Gesünder ist es zu sagen: Ich bin wütend, dass meine Eltern mir nicht den Weg zur Eigenständigkeit gezeigt und mir damit das Leben schwer gemacht haben. Die Wut hat ihre Berechtigung.
Nach der Wut kann aber trotzdem auch die Erkenntnis folgen, dass diese Schwierigkeiten in mir Fähigkeiten herausgebildet haben.
Diese sind einem oft erstmal nicht bewußt.
Tommy Ungerer hat so schön gesagt: "Wir müssen unsere Kinder frustrieren, denn das Leben ist ein Kampf und den muß man lernen."
Wer nicht genug frustriert wurde, kann dann darauf wütend sein. Oder darauf an den falschen Stellen frustriert worden zu sein.
In jedem Fall hat es auch Anteile in uns hervorgearbeitet die gut sind.
Die sehen wir aber nicht so gut, weil das Gute an uns, rechnen wir nur uns selbst an. Meist in der Tradition der Eltern, die uns auch nicht anerkannt haben- so machen wir es jetzt mit ihnen- ihre eigene Schule sozusagen.
Oder wie Freud schon sagte: "Alle Eltern machen immer alles falsch."
Liebe Grüße
Una
*Übrigens meint diese Formulierung im Grunde etwas ganz anderes.
Es ist eher eine Ehrung den Ahnen gegenüber gemeint und es sollen die überlieferten Kenntnisse und die Kultur geehrt werden.
Dies wurde in einem Nomadenvolk als Gebot ausgegeben, damit die rein mündliche Überlieferung und vorgelebte Kultur nicht verloren geht.
Erst die christliche Lehre hat das Schuldprinzip hineingeflochten und es zur Sünde erklärt ungehorsam zu sein.
„Leben heißt, langsam geboren zu werden. Es wäre auch zu bequem, wenn man sich fertige Seelen besorgen könnte.“
Antoine de Saint-Exupéry (1900-44).